Pendlerpauschale bei Vorliegen von zwei Wohnsitzen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin beantragte in ihrer Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung des Jahres 2021 das Pendlerpauschale in Höhe von 3.672,00 €, den Pendlereuro in Höhe von 184,00 € und Werbungskosten in Höhe von 856,24 €.
Ergänzungsersuchen vom :
Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, die konkrete berufliche Notwendigkeit der Werbungskosten sowie die Anzahl der Fahrten und die angefallenen Kosten nachzuweisen und bei Benützung des eigenen Kfz den genauen Streckenverlauf inklusive Anfangs- und Endadresse, Datum und Uhrzeit bekannt zu geben.
Bescheid vom :
Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer 2021 veranlagt und lediglich der Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 132,00 € berücksichtigt. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe trotz Aufforderung nicht alle Unterlagen beigebracht.
Beschwerde vom :
Die Beschwerdeführerin führte aus, sie sei Zeichnerin und Projektleiterin bei der Arbeitgeberin. Ihrer Beschwerde legte sie eine Bestätigung des Personenregisters über den Hauptwohnsitz in Tschechien, den Antrag auf Ummeldung nach Tschechien vom und eine Bestätigung der Meldung vom bei. Sie fahre von ***Adresse2***, bis zur U-Bahn-Station Stadlau und benütze von dort öffentliche Verkehrsmittel nach AdresseArbeitgeberin. Außerdem legte sie Rechnungen über ein Handy und Zubehör bei.
Beschwerdevorentscheidung vom :
Der angefochtene Bescheid wurde dahingehend abgeändert als ein Betrag von 232,07 € als Werbungskosten berücksichtigt wurde. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, von den beantragten Ausgaben für Handy, etc. sei ein Privatanteil von 40% in Abzug gebracht worden.
Die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien grundsätzlich mit dem Verkehrsabsetzbetrag abgegolten. Darüber hinaus stünden Werbungskosten in Form des Pendlerpauschales gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 nur dann zu, wenn entweder der Arbeitsweg eine Entfernung von mindestens 20 Kilometern umfasse ("kleines Pendlerpauschale") oder die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich des halben Arbeitsweges nicht möglich oder nicht zumutbar sei und der Arbeitsweg mindestens 2 Kilometer betrage ("großes Pendlerpauschale"). Unzumutbarkeit der Benützung von Massenverkehrsmitteln sei nach der Verwaltungspraxis nur dann gegeben,
- wenn auf der gesamten Fahrtstrecke kein Massenbeförderungsmittel verkehre oder
- wenn auf mehr als der halben Fahrtstrecke kein Massenverkehrsmittel verkehrt oder
- wenn zu Beginn oder Ende der Arbeitszeit kein (oder zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke kein) Massenbeförderungsmittel verkehre (Unzumutbarkeit wegen tatsächlicher Unmöglichkeit),
- wenn eine (dauernde) starke Gehbehinderung vorlieget (Bescheinigung gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung; Unzumutbarkeit wegen Gehbehinderung) sowie
- wenn die Wegzeit bei Benützung des Massenbeförderungsmittels hinsichtlich der Dauer nicht zumutbar sei (Unzumutbarkeit wegen langer Anfahrtszeit).
Unzumutbarkeit liege vor, wenn folgende Wegzeiten überschritten würden:
Bis 60 Minuten Zeitdauer sei die Benützung eines Massenbeförderungsmittels stets zumutbar, bei mehr als 120 Minuten Zeitdauer sei die Benützung eines Massenbeförderungsmittels stets unzumutbar. Übersteige die Zeitdauer 60 Minuten, nicht aber 120 Minuten, sei auf die entfernungsabhängige Höchstdauer abzustellen. Diese betrage 60 Minuten zuzüglich einer Minute pro Kilometer der Entfernung, jedoch maximal 120 Minuten. Angefangene Kilometer seien dabei auf volle Kilometer aufzurunden. Übersteige die kürzeste mögliche Zeitdauer die entfernungsabhängige Höchstdauer, sei die Benützung eines Massenbeförderungsmittels unzumutbar.
Die Wegstrecke vom Wohnsitz der Beschwerdeführerin in Wien, ***Adresse1***, zur Arbeitsstätte AdresseArbeitgeberin, betrage ca. 8km und könne bei Benützung öffentlicher möglicher Verkehrsmittel in ca. 32 bis 47 Minuten zurückgelegt werden. Da bei bestmöglicher Kombination von Massenbeförderungs-und Individualverkehrsmitteln ("Park & Ride") an den überwiegenden Arbeitstagen die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels für die Strecke Wohnung-Arbeitsstätte-Wohnung somit durchaus möglich und zumutbar sei, könne das beantragte Pendlerpauschale nicht berücksichtigt werden. Familienheimfahrten könnten darüber hinaus ebenfalls nicht beantragt werden, da der Hauptwohnsitz vom Arbeitsort weg verlegt worden sei. Familienheimfahrten könnten nur berücksichtigt werden, wenn aus beruflichen Gründen ein Wohnsitz in der Nähe der Arbeitsstätte gegründet werde.
Vorlageantrag vom :
Die Beschwerdeführerin brachte vor, das Pendlerpauschale sei fälschlicherweise vom Nebenwohnsitz berechnet worden. Sie fahre aber von ihrem Hauptwohnsitz in ***Adresse2***, bis zur U-Bahn-Station Stadlau. Als Beweis übermittle sie eine Zusammenstellung der Tankrechnungen 2021 sowie die Belege dazu. Daraus sei ersichtlich, dass sie meistens während der Woche (vor oder nach der Kernarbeitszeit) getankt habe. Die Tankstellen würden an der von ihr angegebenen Strecke liegen, wie ein Planauszug aus GoogleMaps zeige. Sie sei von ihrem Hausarzt in ***Ort*** im Streitjahr mehrmals krank geschrieben worden, in den Krankmeldungen würde immer der Hauptwohnsitz angegeben. Sie sei auch in der Nähe ihres Hauptwohnsitzes in ein Krankenhaus aufgenommen worden.
Vorlagebericht vom :
In ihrer Stellungnahme führte die belangte Behörde aus, es widerspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens, eine in der Nähe der Arbeitsstätte gelegene Wohnung ungenützt zu lassen, zumal die Beschwerdeführerin an der inländischen Adresse im gesamten Veranlagungsjahr 2021 gemeldet gewesen sei. Im Übrigen sei im Fall des Bestehens mehrerer Wohnsitze entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz für die Berechnung des Pendlerpauschales maßgeblich. Da die Beschwerdeführerin schon seit Jahren einen Wohnsitz in Österreich habe und laut Aktenlage geschieden und somit alleinstehend sei, sei nicht vom Vorliegen eines Familienwohnsitzes in Tschechien auszugehen. Es sei daher der Wohnsitz am Arbeitsort für das Pendlerpauschale maßgeblich.
:
Der Beschwerdeführerin wurde in Wahrung des Parteiengehörs der Vorlagebericht nachweislich zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, zur Annahme der belangten Behörde, dass in Tschechien kein Familienwohnsitz bestehe, Stellung zu nehmen. Sie wurde ersucht, gegebenenfalls Unterlagen und Nachweise beizubringen, dass sich im Sinne des § 4 Pendlerverordnung der Familienwohnsitz im Streitjahr in Tschechien befunden habe.
Mit Schreiben vom und vom gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie bereits im Jahr 2020 in ihr eigenes Haus, wo sich ihr Hausstand befinde, umgezogen sei. Das Haus liege zwischen ihrer Arbeitsstätte und den Wohnorten ihrer Familie, es handle sich daher um den Familienwohnsitz. Von dort aus könne sie die nähere Beziehung zu ihrer Familie und ihren Freunden pflegen. Eltern, Großeltern und die Schwester würden in ***CZ-Stadt1*** bzw. in ***CZ-Stadt2*** wohnen. Ihr Freund habe 2021 in ***CZ-Stadt3*** gewohnt. Die Strecke zwischen ihrem Hausstand und der Arbeitsstätte sei sie tatsächlich täglich gefahren.
Der belangten Behörde wurden die Unterlagen in Wahrung des Parteiengehörs übermittelt, eine Stellungnahme wurde nicht erstattet.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführerin sind im Zusammenhang mit ihrer nichtselbständigen Tätigkeit nach Abzug eines Privatanteils von 40% Handykosten in Höhe von 232,07 € erwachsen.
Die Beschwerdeführerin erzielte im Streitjahr 2021 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Zeichnerin und Projektleiterin bei der Arbeitgeberin. Ihre Arbeitsstätte befand sich in AdresseArbeitgeberin.
Sie ist Eigentümerin eines Hauses in ***Adresse2***, die Hausübergabe erfolgte laut Protokoll am .
Bis zum war die Beschwerdeführerin an der Adresse ***Adresse1***, hauptgemeldet, danach verlegte sie den Hauptwohnsitz nach ***Adresse2***. Ab diesem Zeitpunkt hatte sie in ***Adresse1***, einen Nebenwohnsitz (siehe Meldebestätigungen).
Die Großeltern, die Mutter und die Schwester der Beschwerdeführerin leben in ***CZ-Stadt1***, ihr Vater in ***CZ-Stadt2***; ihr Freund wohnte im Streitjahr in ***CZ-Stadt3***, nunmehr lebt er mit ihr in ***Adresse2***, in einem gemeinsamen Haushalt.
Mit Kaufvertrag vom erwarb sie ein Auto mit einem Kilometerstand von 145.000. Bei der ersten Reisekostenabrechnung vom wies das Auto einen Kilometerstand von 213.116 auf. Die Entfernung zwischen dem Wohnort in ***Adresse2***, und dem Arbeitsort in AdresseArbeitgeberin, beträgt laut GoogleMaps rund 92 km. Diese Strecke legte sie regelmäßig bis zur U-Bahn-Station Stadlau mit dem Auto und dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Um die Strecke Familienwohnsitz - Arbeitsort ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen, benötigt die Beschwerdeführerin laut Fahrplanabfrage der ÖBB mehr als zwei Stunden.
2. Beweiswürdigung
Hinsichtlich der als Werbungskosten zu berücksichtigenden Handykosten legte die Beschwerdeführerin Unterlagen vor. Der von der belangten Behörde in Abzug gebrachte Privatanteil von 40% entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und wurde von der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag auch nicht mehr bekämpft. Da die Beschwerdevorentscheidung Vorhaltscharakter entfaltet, hat sie diese Feststellung gegen sich gelten zu lassen (; ).
Die Tatsache, dass sich der Familienwohnsitz im Streitjahr in ***Adresse2***, befand, gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:
Seit ihrem Umzug in das eigene Haus ist es der Beschwerdeführerin möglich, die Kontakte zu Eltern, Großeltern und zur Schwester, die allesamt in ***CZ-Stadt1*** bzw. in ***CZ-Stadt2*** wohnen, und zu ihrem im Streitjahr in ***CZ-Stadt3*** lebenden Freund zu pflegen, weil sich durch den Umzug die räumliche Distanz zu ihrer Familie und ihrem Freund/ihren Freunden erheblich verringerte. Das Vorbringen, sie habe ihren Familienwohnsitz in ***Adresse2***, ist daher durchaus glaubhaft und nachvollziehbar und wird durch die Bestätigung von Herrn VS, dem Freund und nunmehrigen Lebensgefährten der Beschwerdeführerin, bestätigt.
Dass sie den Weg zwischen ihrem Familienwohnsitz und ihrem Arbeitsort von 92 km im Streitjahr tatsächlich regelmäßig an mindestens elf Tagen im Monat zurücklegte, ist aufgrund der durch den Kaufvertrag vom und die Reisekostenabrechnung vom nachgewiesenen Kilometerleistung sowie der vorgelegten Tankrechnungen glaubhaft.
Die von der Beschwerdeführerin angegebene Entfernung von 92km wurde durch eine Abfrage auf GoogleMaps bestätigt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 lautet auszugsweise (soweit für den Beschwerdefall relevant):
"(1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. (…) Werbungskosten sind auch:
(…)
6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:
a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.
(…)
c) Beträgt die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindestens 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale:
Bei mindestens 20 km bis 40 km 696 Euro jährlich,
bei mehr als 40 km bis 60 km 1 356 Euro jährlich,
bei mehr als 60 km 2 016 Euro jährlich.
d) Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:
Bei mindestens 2 km bis 20 km 372 Euro jährlich,
bei mehr als 20 km bis 40 km 1 476 Euro jährlich,
bei mehr als 40 km bis 60 km 2 568 Euro jährlich,
bei mehr als 60 km 3 672 Euro jährlich.
e) Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales gemäß lit. c oder d ist, dass der Arbeitnehmer an mindestens elf Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Ist dies nicht der Fall gilt Folgendes:
- Fährt der Arbeitnehmer an mindestens acht Tagen, aber an nicht mehr als zehn Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu zwei Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.
- Fährt der Arbeitnehmer an mindestens vier Tagen, aber an nicht mehr als sieben Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu einem Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.
Einem Steuerpflichtigen steht im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zu.
f) Bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze ist für die Berechnung des Pendlerpauschales entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) maßgeblich.
(…)
j) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, Kriterien zur Festlegung der Entfernung und der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenverkehrsmittels mit Verordnung festzulegen."
Gemäß § 2 Abs. 1 Pendlerverordnung ist die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels nach Z 1 und Z 2 zu beurteilen. Dabei sind die Verhältnisse gemäß § 1 zu Grunde zu legen. Die Umstände, die die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit begründen, müssen jeweils überwiegend im Kalendermonat vorliegen.
1. Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels liegt vor, wenn,
a) zumindest für die Hälfte der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder zwischen Arbeitsstätte und Wohnung nach Maßgabe des § 1 kein Massenbeförderungsmittel zur Verfügung steht oder
b) der Steuerpflichtige über einen gültigen Ausweis gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 39/2013 verfügt oder
c) die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder wegen Blindheit für den Steuerpflichtigen im Behindertenpass (§ 42 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz BGBl. Nr. 283/1990, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 150/2002) eingetragen ist.
Kommt Z 1 nicht zur Anwendung, gilt unter Zugrundelegung der Zeitdauer (Abs. 2) gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 Pendlerverordnung Folgendes:
a) Bis 60 Minuten Zeitdauer ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels stets zumutbar.
b) Bei mehr als 120 Minuten Zeitdauer ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels stets unzumutbar.
c) Übersteigt die Zeitdauer 60 Minuten nicht aber 120 Minuten, ist auf die entfernungsabhängige Höchstdauer abzustellen. Diese beträgt 60 Minuten zuzüglich einer Minute pro Kilometer der Entfernung, jedoch maximal 120 Minuten. Angefangene Kilometer sind dabei auf volle Kilometer aufzurunden. Übersteigt die kürzeste mögliche Zeitdauer die entfernungsabhängige Höchstdauer, ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels unzumutbar.
……………
Gemäß § 4 Abs. 1 Verordnung der Bundesministerin für Finanzen über die Kriterien zur Ermittlung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros, zur Einrichtung eines Pendlerrechners und zum Vorliegen eines Familienwohnsitzes (Pendlerverordnung), BGBl II 2013/276 liegt ein Familienwohnsitz (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. f und § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) dort, wo
1. ein in (Ehe)Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger oder
2. ein alleinstehender Steuerpflichtiger
seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand (Abs. 2) hat.
Gemäß § 4 Abs. 2 Pendlerverordnung hat der Steuerpflichtige einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht. Ein eigener Hausstand liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Räumlichkeiten innerhalb eines Wohnverbandes einer oder mehrerer Person(en), die nicht (Ehe)Partner sind oder mit denen eine Lebensgemeinschaft besteht, mitbewohnt.
§ 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 lautet:
"(5) Bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis stehen folgende Absetzbeträge zu:
(…)
4. Ein Pendlereuro in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 hat. Für die Berücksichtigung des Pendlereuros gelten die Bestimmungen des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b und lit. e bis j entsprechend."
Strittig ist im Beschwerdefall, ob für die Berechnung des Pendlerpauschales der Wohnsitz der Beschwerdeführerin an der Adresse ***Adresse1***, oder der Wohnsitz der Beschwerdeführerin an der Adresse ***Adresse2***, maßgeblich ist.
Zur Rechtslage von BGBl I Nr. 53/2013 sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen ist und für das Pendlerpauschale jene Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgeblich ist, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt ().
Im Falle des Vorliegens mehrerer Wohnsitze ist für die Berechnung des Pendlerpauschales gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. f EStG 1988 entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz maßgeblich, wobei sich der Familienwohnsitz einer alleinstehenden Steuerpflichtigen dort befindet, wo sie ihre engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat.
Das Vorliegen der "engsten persönlichen Beziehungen" und das Vorliegen eines eigenen Hausstandes bilden dabei kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen.
Das Gesetz selbst spricht davon, dass bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze für die Berechnung des Pendlerpauschales entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz maßgeblich ist und zeigt damit keine Präferenz für den einen oder anderen Wohnsitz. Dem Sinn und Zweck des Pendlerpauschales entsprechend, wonach ein tatsächlich entstandener Aufwand in pauschalierter Form abgegolten werden soll, ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts jener Wohnsitz heranzuziehen, von dem aus die Fahrten zur Arbeit tatsächlich überwiegend angetreten werden (; ; Zorn/Stanek in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 16 Tz 118).
Die Beschwerdeführerin hat ihre engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand in ***Adresse2***, und legte im Streitjahr den Weg zwischen der Arbeitsstätte und ihrem Familienwohnsitz tatsächlich an mindestens elf Tagen im Kalendermonat zurück. Da auch die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels unzumutbar ist und somit alle Voraussetzungen für die Gewährung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros vorliegen, waren das Pauschale in Höhe von 3.672,00 € und der Pendlereuro in Höhe von 184,00 € zu berücksichtigen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beurteilung, ob es sich beim Wohnsitz in ***Adresse2***, um den Familienwohnsitz handelt, ist eine Sachverhaltsfrage, die im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen war.
Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Beilage: 1 Berechnungsblatt (Einkommensteuer 2021)
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 4 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013 § 2 Abs. 1 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013 § 2 Abs. 1 Z 2 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013 § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 4 Abs. 1 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013 § 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103190.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at