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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.03.2024, RV/3100559/2018

Gegenbeweis zur Standortvermutung bei weitaus überwiegender Verwendung im Ausland erbracht

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100559/2018-RS1
Der Gegenbeweis gemäß § 82 Abs. 8 KFG ist jedenfalls als erbracht anzusehen, wenn das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet wird, wobei es keinen Unterschied macht, ob das Kraftfahrzeug überwiegend betrieblich oder privat genutzt wird (; , Ra 2022/15/0037).
RV/3100559/2018-RS2
Aufgrund der Grundsätze der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit von Beweismitteln sowie des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung ist auch die Aussage des Beschwerdeführers ein Beweismittel, mit welchem der Gegenbeweis gemäß § 82 Abs. 8 KFG erbracht werden kann.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Dkfm. Erwin Baldauf und Mag. Reinhard Eberle Wirtschaftstreuhandgesellschaft OG Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Innsbrucker Straße 8, 6600 Reutte, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes ***Finanzamt*** vom betreffend Kraftfahrzeugsteuer für die Zeiträume 10-12/2016 und 01-09/2017, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang und Parteienvorbringen

Am ***Datum Aufgriff 2017*** fand in ***Ort-Ö*** in der Zeit eine Schwerpunktaktion der Finanzpolizei gemeinsam mit der Polizei statt. Im Zuge dieser Aktion wurde ***Gattin***, die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers (Bf.), im PKW der Marke Opel mit dem amtlichen deutschen Kennzeichen ***Kennzeichen*** von den Kontrollorganen der Finanzpolizei angehalten und kontrolliert. Sie gab, an das gegenständliche Fahrzeug sei auf den Arbeitgeber des Bf. angemeldet, der Bf. habe seinen Hauptwohnsitz im Inland, sie hingegen sei in Österreich nicht gemeldet.

Daraufhin wurde der Bf. am von im Auftrag des Finanzamtes ***Finanzamt*** handelnden Organen der Finanzpolizei niederschriftlich einvernommen, wobei er ausführte, sein Mittelpunkt der Lebensinteressen liege zwar in Österreich, zeitlich sei er jedoch überwiegend in Deutschland aufhältig und auch die Nutzung des gegenständlichen Fahrzeuges erfolge zu 95 % beruflich und dies weitaus überwiegend in Deutschland.

Am erließ die Abgabenbehörde gegenüber dem Bf. die nunmehr angefochtenen Bescheide, mit welchen sie Kraftfahrzeugsteuer mit der Begründung festsetzte, der Bf. verwende den Opel Astra mit dem amtlichen deutschen Kennzeichen ***Kennzeichen*** und der Fahrzeugidentifikationsnummer ***FIN*** seit Dezember 2016 widerrechtlich im Inland. Die Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2016 wurde hierbei mit € 54,42 festgesetzt und für Jänner bis September 2017 mit 349,87 €.

Dagegen richtet sich seine rechtzeitige Beschwerde vom , in welcher er unter Bezugnahme auf die Webseite der Europäischen Kommission, eines Artikels aus der Zeitung "Die Presse" und das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Österreich ausführt, der gegenständliche PKW werde fast ausschließlich beruflich in Deutschland verwendet und unterliege in Österreich keiner Steuerpflicht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde als unbegründet ab, wobei sie begründend zusammengefasst ausführte, der Bf. sei in Österreich hauptwohnsitzlich gemeldet und habe in Deutschland keine Wohnung. Der Nachweis, dass der dauernde Standort des Fahrzeuges in Deutschland liege, sei nicht erbracht worden, da keine Nachweise betreffend die tatsächliche (örtliche) Verwendung vorgelegt worden seien. Daher gehe die Behörde davon aus, dass das Fahrzeug seinen dauernden Standort gemäß der gesetzlichen Standortvermutung im Inland habe.

Dagegen richtet sich der rechtzeitige Vorlageantrag des Bf. vom , in welchem er zusammengefasst vorbringt, das gegenständliche Fahrzeug sei ein Firmenfahrzeug seines Arbeitgebers, welches er auch zu 95 % beruflich nutze. Es sei weder technisch noch rechtlich möglich, dieses Fahrzeug im Inland auf den Bf. anzumelden. Das Verwaltungsstrafverfahren der Bezirkshauptmannschaft ***Bezirk*** in derselben Sache sei eingestellt worden, weil keine widerrechtliche Verwendung in Österreich vorliege.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Im Zuge der Finanzorganisationsreform trat mit das Finanzamt Österreich an die Stelle der bescheiderlassenden Behörde. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde die gegenständliche Rechtssache der mit neu besetzten Gerichtsabteilung 4013 zugewiesen.

Nach ergänzender Aktenvorlage im Auftrag des Gerichts durch die belangte Behörde am setzte das Gericht das Verfahren am mit Zustimmung beider Parteien formlos aus, um die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Amtsrevision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5101769/2017, in Hinblick auf die Anforderungen an den Gegenbeweis abzuwarten. Diese Entscheidung erging am (Ra 2022/15/0055).

2. Sachverhalt

2.1. Persönliche Verhältnisse

Der Bf. ist deutscher Staatsangehöriger und stammt aus ***Geburtsort-D***, wo er auch unmittelbar vor seinem Umzug nach Österreich wohnte. Seit ***Herbst 2016*** hat er seinen Hauptwohnsitz in der österreichischen Stadt ***Ort-Ö***.

Im streitgegenständlichen Zeitraum war der Bf. durchgehend Arbeitnehmer der ***Arbeitgeberin*** mit Sitz in ***Arbeitgeberin-Ort*** (Deutschland). Er arbeitete für dieses Unternehmen als Fachinformatiker im Außendienst. Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte er die Kassensysteme mehrerer Tankstellen zu betreuen. Die betreuten Tankstellen lagen allesamt in Deutschland. In Österreich hatte die Arbeitgeberin des Bf. weder eine Betriebsstätte noch Kunden, die der Bf. betreuen hätte können.

Von seinem Umzug nach Österreich am ***Herbst 2016*** bis zum ***Frühjahr 2017*** lebte der Bf. an seinem Hauptwohnsitz mit seiner damaligen Lebensgefährtin ***ehem. Lebensgefährtin***, einer deutschen Staatsangehörigen, zusammen. Zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem ***Datum Aufgriff 2017*** begründete der Bf. eine Lebensgemeinschaft mit der deutschen Staatsangehörigen ***Gattin***, wobei diese jedoch erst am ***Herbst 2017*** zusammen mit ihrer Tochter beim Bf. einzog (und damit ebenfalls erstmals einen Wohnsitz in Österreich begründete). Seit 2020 sind der Bf. und ***Gattin*** - nunmehr ***Gattin*** - miteinander verheiratet und wohnen nach wie vor zusammen am Hauptwohnsitz des Bf. in ***Ort-Ö***.

2.2. Örtliche Verhältnisse

Die Heimatstadt des Bf. ***Geburtsort-D*** in Deutschland und die österreichische Stadt ***Ort-Ö***, in welcher sein nunmehriger Hauptwohnsitz liegt, grenzen unmittelbar aneinander. Der Hauptwohnsitz des Bf. liegt in Luftlinie weniger als 400 Meter von der deutsch-österreichischen Grenze entfernt. Mit einem PKW ist das deutsche Staatsgebiet von seinem Hauptwohnsitz aus in einer Richtung in 4, in der anderen Richtung in 5 Kilometern erreichbar. Die Entfernung (jeweils über die Bundesstraße) von seinem Hauptwohnsitz zum Zentrum seiner Heimatstadt ***Geburtsort-D*** beträgt etwa 9 Kilometer und zum nächstgelegenen österreichischen Bezirkshauptort ***Bezirk*** etwa 13 bis 14 Kilometer.

Der Sitz seiner Arbeitgeberin in ***Arbeitgeberin-Ort*** liegt - über die Autobahn und somit die schnellste Strecke - etwa 46 Kilometer vom Hauptwohnsitz des Bf. entfernt, wobei nur 4,8 Kilometer dieser Strecke in Österreich liegen.

2.3. Zum gegenständlichen Fahrzeug

Der gegenständliche Personenkraftwagen, ein Opel Astra Sports Tourer mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ***FIN***, war den gesamten Streitzeitraum hindurch mit dem amtlichen deutschen Kennzeichen ***Kennzeichen*** auf die Arbeitgeberin des Bf. zugelassen.

Mit "Dienstwagenvertrag" vom ***Vertragsdatum 2016*** überließ die Arbeitgeberin dem Bf. dieses Fahrzeug zur dienstlichen und privaten Benutzung. Vereinbart wurde eine Privatnutzung im Ausmaß von höchstens 25.000 km pro Jahr; Urlaubsreisen im europäischen Ausland (aus der Perspektive der deutschen Vertragsparteien, somit auch Österreich) bedürfen nach dem Vertrag einer vorherigen Absprache mit der Arbeitgeberin. Der Bf. durfte das Fahrzeug auch auf seine Gefahr Dritten überlassen. Die Arbeitgeberin trägt sämtliche Kosten für Wartung und Reparaturen sowie die laufenden Betriebskosten (Treibstoff, Betriebsmittel, Reinigung) für dienstliche Fahrten. Sie trägt auch die laufenden Betriebskosten für private Fahrten des Bf., soweit der Treibstoff bzw. die Betriebsmittel an einer zur Arbeitgeberin gehörenden Tankstelle gekauft wurden. Die Führung eines Fahrtenbuchs wurde von der Arbeitgeberin ausdrücklich nicht verlangt; dies ist für die deutsche Finanzverwaltung bei Anwendung der sogenannten "1-%-Regelung" (Sachbezugsbesteuerung) auch nicht erforderlich.

Das gegenständliche Fahrzeug wurde im Streitzeitraum vom Bf. und von Dritten, denen er das Fahrzeug nach dem Vertrag zur Nutzung überlassen hatte, zu mindestens 90 % außerhalb Österreichs genutzt. Neben den Fahrten zwischen Hauptwohnsitz und Arbeitsstätte (rund 90 % in Deutschland und 10 % in Österreich) nutzte er das Fahrzeug unter anderem im Rahmen seiner Außendiensttätigkeit und zum Einkaufen in Deutschland. Das Fahrzeug wurde regelmäßig in Deutschland - an Tankstellen seiner Arbeitgeberin und auf deren Kosten - betankt.

Wegen der Nutzung des gegenständlichen Fahrzeugs im Inland war gegen den Bf. ein Verwaltungsstrafverfahren bei der Bezirkshauptmannschaft ***Bezirk*** anhängig. Dieses wurde eingestellt, wobei der Grund der Einstellung jedoch nicht mehr festgestellt werden kann.

3. Beweiswürdigung

3.1. Persönliche und örtliche Verhältnisse

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Bf. und jenen seiner ehemaligen Lebensgefährtin und seiner Ehegattin gründen auf den Daten des Zentralen Melderegisters, in welches das Gericht von Amts wegen Einsicht genommen hat und welche mit den glaubwürdigen Angaben des Bf. übereinstimmen. Dass der Bf. seinen Hauptwohnsitz seit ***Herbst 2016*** in ***Ort-Ö*** hat, ist zwischen den Parteien nicht strittig. Die Feststellungen zum Dienstverhältnis des Bf. und seiner Arbeitgeberin gründen auf den glaubwürdigen Angaben des Bf. und den damit übereinstimmenden Angaben des Geschäftsführers seiner Arbeitgeberin im Verwaltungsstrafverfahren. Entgegenstehende Beweisergebnisse liegen dem erkennenden Gericht nicht vor, weshalb es diese Feststellungen bedenkenlos seiner Entscheidung zugrunde legen konnte.

Die örtlichen Verhältnisse sind weitgehend gerichtsnotorisch; die angegebenen Entfernungen ermittelte das Gericht unter Rückgriff auf das Kartenmaterial des [...] und den Routenplaner von Google Maps.

3.2. Zum gegenständlichen Fahrzeug

Die Feststellungen zur Art des Fahrzeugs und dessen Zulassung auf die Arbeitgeberin des Bf. ergeben sich aus der vom Bf. vorgelegten Zulassungsbescheinigung. Die Feststellungen zum Dienstwagenvertrag und dessen Inhalt ergeben sich aus dem vorgelegten Vertrag, insbesondere dessen Bestimmungen in § 1, § 2, § 3, § 9, § 10 Z 4 und § 13.

Aus der vorliegenden Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft ***Bezirk*** vom über die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens geht nur hervor, dass das Verfahren eingestellt wurde, nicht jedoch der Grund der Einstellung. Da der Verwaltungsstrafakt laut Auskunft der Bezirkshauptmannschaft ***Bezirk*** zwischenzeitlich skartiert wurde, konnte das Gericht hinsichtlich des Einstellungsgrundes nur eine Negativfeststellung treffen.

Dass das Fahrzeug vom Bf. selbst bzw. von Personen verwendet wurde, denen der Bf. die Nutzung vertragsgemäß erlaubte, war zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt strittig. Dass diese Nutzung zu mindestens 90 % außerhalb Österreichs erfolgte, ergibt sich für das Gericht aus folgenden Gründen:

Zunächst erscheint dem Gericht die wiederholt vom Bf. getätigte Aussage, wonach das Fahrzeug zu 95 % in Deutschland verwendet wird, schon angesichts der örtlichen Verhältnisse grundsätzlich glaubwürdig, zumal der weitaus überwiegende Teil des Weges vom Wohnsitz zum Sitz der Arbeitgeberin und das gesamte Einsatzgebiet des Bf. in Deutschland liegen. Die diesbezüglichen Angaben des Bf. stimmen auch mit der im Verwaltungsstrafverfahren abgegebenen Stellungnahme des Geschäftsführers der Arbeitgeberin des Bf. vom überein, an deren Richtigkeit das Gericht mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht zu zweifeln vermag. Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin des Bf. war auch bei der niederschriftlichen Einvernahme des Bf. durch die Organe der Finanzpolizei am anwesend und hat die Niederschrift unterzeichnet, womit er die dort getätigten Aussagen des Bf. ebenfalls zumindest implizit bestätigte. Auch das Vorbringen des Bf., wonach dieser seine Einkäufe grundsätzlich in Deutschland tätige, erscheint dem Gericht aufgrund des grenznahen Wohnortes sowie des allgemein bekannten niedrigeren Preisniveaus in Deutschland ebenfalls glaubwürdig.

Zu den vorgelegten Tankbelegen (Auszüge aus der Buchhaltung/Tankkartenabrechnungen) ist vorwegzuschicken, dass aus diesen selbst zwar nicht hervorgeht, dass sie zu Betankungen des gegenständlichen Fahrzeugs gehören. Allerdings zweifelt das Gericht nicht daran, dass die vorgelegten Belege tatsächlich Betankungen des gegenständlichen Fahrzeugs zuzuordnen sind, da für das Gericht nicht ersichtlich ist, wie der Bf. zu derartigen Auswertungen für andere Fahrzeuge seiner Arbeitgeberin gelangen könnte. Auch die belangte Behörde hat nie ausdrücklich bestritten, dass die vorgelegten Tankbelege zum gegenständlichen Fahrzeug gehören. Zudem zeichnen die ausgewiesenen Betankungen ein Bild, das mit dem Vorbringen des Bf. konsistent ist: Es sind regelmäßige Betankungen ausgewiesen (im Durchschnitt 1-2 mal pro Woche), wobei zwischendurch immer wieder Wochen fehlen - wohl, weil der Bf. in diesen Wochen auf Urlaub war. Die allermeisten Betankungen erfolgten an der Tankstelle "***Tankstelle***" in ***Arbeitgeberin-Ort***, die sich unmittelbar neben dem Sitz der Arbeitgeberin des Bf. befindet und auch zu diesem Unternehmen gehört. In Anbetracht des Umstandes, dass der Bf. bei dieser Tankstelle (auch für die private Nutzung) gratis tanken konnte, steht auch dies nach Ansicht des Gerichts im Einklang mit dem Nutzungsverhalten, das vom Bf. unter den gegebenen Umständen zu erwarten ist. Die vorgelegten Tankbelege weisen Betankungen im Ausmaß von ca. 3.770 Litern Diesel im Zeitraum vom bis zum auf. Ausgehend von einem - vom Hersteller erfahrungsgemäß optimistisch angegebenen - kombinierten Normverbrauch des gegenständlichen Fahrzeugs von 3,9 l / 100 km schätzt das Gericht einen tatsächlichen Durchschnittsverbrauch von 4,68 l / 100 km (= 120 % der Herstellerangabe) und somit eine Laufleistung von ca. 80.000 km im angegebenen Zeitraum, das entspricht einer jährlichen Laufleistung von ca. 52.000 km, die das gegenständliche Fahrzeug schon allein aufgrund der Betankungen im Einsatzgebiet des Bf. auch weitaus überwiegend in Deutschland gefahren sein muss. Die vereinbarte Privatnutzung im Ausmaß von höchstens 25.000 km pro Jahr tritt gegenüber der betrieblichen Nutzung in Deutschland deutlich in den Hintergrund; zudem geht das Gericht aufgrund der persönlichen Bindungen (Heimat und langjähriger Wohnort des Bf., seiner Familie, seiner Lebensgefährtin und Gattin) davon aus, dass auch die Privatnutzung überwiegend in Deutschland erfolgt. Abgesehen von allfälligen Urlaubsreisen mit österreichischem Zielort wird Österreich für den Bf. bei den meisten Urlaubsreisen schon allein aufgrund der geografischen Lage kaum mehr als ein Transitland darstellen, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt keine nennenswerte Nutzung im Inland zu erwarten ist.

Dass der Bf. in Übereinstimmung mit seinem Dienstwagenvertrag kein Fahrtenbuch führte, kann ihm aufgrund der vorliegenden anderen Beweismittel (Stellungnahme seines Arbeitgebers, Tankbelege) und der generellen Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit seines Vorbringens nicht zum Nachteil gereichen. Wenn auch der Grund der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nicht mehr festgestellt werden kann, spricht die Einstellung zumindest nicht gegen die Darstellung des Bf. Insgesamt konnte das Gericht daher bedenkenlos feststellen, dass das gegenständliche Fahrzeug zu mindestens 90 % außerhalb Österreichs verwendet wird.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992 unterliegen Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung (also widerrechtlich) verwendet werden, der Kraftfahrzeugsteuer. Steuerschuldner ist in diesen Fällen gemäß § 3 Z 2 KfzStG die Person, die das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland verwendet.

Die Frage, ob eine widerrechtliche Verwendung eines Fahrzeugs mit ausländischem Kennzeichen im Sinne des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG) vorliegt, ist grundsätzlich im Verwaltungs(straf)verfahren von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu klären. Es handelt sich daher aus Sicht des Abgabenrechts um eine Vorfrage im Sinne des § 116 BAO (vgl. Haller, NoVAG2 § 1 Rz 79). Ob im KfzSt-Verfahren jedoch eine Bindung an eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens besteht, haben der Unabhängige Finanzsenat und das Bundesfinanzgericht in der Vergangenheit unterschiedlich beantwortet. Keine solche Bindung besteht etwa nach der Entscheidung , ebenso nach Ritz/Koran, BAO7 § 118 Rz 14. Demgegenüber ist nach den Erkenntnissen und danach zu differenzieren, ob die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG (im Zweifel) erfolgte oder nach § 45 Abs. 1 Z 2 VStG (weil erwiesen ist, dass der Bf. die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat). Diese differenziertere Sichtweise entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ; , 91/12/0018; , 94/11/0412). Da im vorliegenden Fall jedoch nicht festgestellt werden konnte, aus welchen Gründen das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Bf. eingestellt wurde, kann das erkennende Gericht keine Bindung an die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens annehmen und hat es daher diese Vorfrage selbständig zu beurteilen.

Unstrittig liegt jedenfalls eine (zumindest zeitweise) Verwendung des gegenständlichen Fahrzeuges im Inland vor. Zunächst ist daher zu klären, wer als Verwender des Fahrzeugs anzusehen ist. Wäre dies nämlich die Arbeitgeberin des Bf., so wäre die Verwendung des Fahrzeugs von vornherein nach § 79 KFG 1967 zu beurteilen und somit jedenfalls zulässig, wenn das Fahrzeug mindestens einmal jährlich das Bundesgebiet verlässt. Als Verwender ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH anzusehen, wer auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes als Halter des Fahrzeuges im Sinne des § 5 Abs. 1 EKHG anzusehen ist (; , 2009/16/0212). Maßgebend ist in diesem Zusammenhang, wem der Nutzen der Verwendung zukommt, wer die Kosten trägt und wer die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über das Fahrzeug hat ().

Der Nutzen der Verwendung kommt im gegenständlichen Fall sowohl dem Bf. als auch seiner Arbeitgeberin zu, wobei der Nutzen beim Bf. nach Ansicht des Gerichts überwiegt: Während sich die Arbeitgeberin des Bf. durch die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens bestenfalls die Differenz zwischen den von ihr ansonsten zu leistenden Beträgen für Dienstreisen (z.B. Kilometergelder) und den tatsächlichen Betriebskosten erspart, profitiert der Bf. von der gegenständlichen Vereinbarung nicht nur dadurch, dass er im Wesentlichen kostenfrei zwischen seinem Wohnsitz und der Arbeitsstätte pendeln kann, sondern darüber hinaus durch eine umfassende (Möglichkeit der) Privatnutzung des gegenständlichen Fahrzeugs.

Die Kosten werden von der Arbeitgeberin des Bf. getragen, solange er in der Lage ist, bei einer Tankstelle seiner Arbeitgeberin (und somit in seinem Einsatzgebiet) zu tanken. Nur die Kosten für Reisen an weiter entfernte Orte, insbesondere Urlaubsreisen, hat der Bf. selbst zu tragen.

Aufgrund des vertraglichen Rechts des Bf. auf Privatnutzung im Ausmaß von bis zu 25.000 km pro Jahr inklusive des Rechts, auch Dritten die Nutzung zu erlauben, liegt die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit im vorliegenden Fall nach Ansicht des Gerichts beim Bf. und nicht bei seiner Arbeitgeberin.

Insgesamt ist daher nach Ansicht des Gerichts der Bf. als Verwender des gegenständlichen Fahrzeugs anzusehen, da der tatsächlichen Verfügungsmöglichkeit bei Auseinanderfallen der Kriterien für die Haltereigenschaft unter Berücksichtigung des Normzwecks des § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992 größere Bedeutung zukommt als dem Kriterium der Kostentragung (vgl. ; , RV/3100393/2023).

Da der Bf. als Verwender anzusehen ist und dieser im gegenständlichen Zeitraum unstrittig seinen Hauptwohnsitz in Österreich hatte, greift die Standortvermutung gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967, nach welcher Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen sind, deren Verwendung ohne inländische Zulassung nur während eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig ist.

Die Beweislast für die Widerlegung der Standortvermutung trifft den Verwender. Eine bloße Glaubhaftmachung genügt nicht, aber die Beweismittel für die Erbringung des Gegenbeweises sind unbegrenzt (). Der Gegenbeweis ist jedenfalls als erbracht anzusehen, wenn das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet wird, wobei es keinen Unterschied macht, ob das Kraftfahrzeug überwiegend betrieblich oder privat genutzt wird (; , Ra 2022/15/0037).

Vorauszuschicken ist, dass das erkennende Gericht in der Aussage des Bf. in seiner förmlichen Vernehmung durch Organe der Finanzpolizei keine bloße Glaubhaftmachung erblickt, sondern auch diese ein im Sinne des Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel zulässiges, im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu würdigendes Beweismittel darstellt (vgl. etwa ; , 2008/15/0283) und daher - entsprechend dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der Beweismittel - auch für sich alleine den Gegenbeweis zu erbringen vermag, weil ihr weder widersprechende Beweisergebnisse noch irgendwelche Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit gegenüberstehen. Im vorliegenden Fall wurde der Gegenbeweis nach Ansicht des Gerichts jedoch ohnehin auch durch die Aussage des Geschäftsführers der Arbeitgeberin des Bf. sowie die vorgelegten Tankbelege erbracht, sodass für das Gericht kein Zweifel daran besteht, dass der Bf. die weitaus überwiegende Verwendung des Fahrzeugs im Ausland nicht nur glaubhaft gemacht, sondern bewiesen hat.

Aufgrund des gelungenen Gegenbeweises ist die Zulässigkeit der Verwendung im Inland nicht nach § 82 Abs. 8 KFG 1967 zu beurteilen, sondern nach § 79 KFG 1967. Für die Zulässigkeit der Verwendung genügt es nach dieser Bestimmung, wenn das Fahrzeug jeweils vor Ablauf eines Jahres wieder ins Ausland verbracht wird. Unter den Umständen des gegenständlichen Falles ist jedenfalls anzunehmen, dass das Fahrzeug nie länger als ein Jahr durchgehend im Inland verwendet wurde, weshalb sich die Verwendung des Fahrzeugs im Inland als zulässig erweist.

Mangels widerrechtlicher Verwendung des gegenständlichen Fahrzeugs im Inland entbehren somit die angefochtenen Bescheide jeglicher Grundlage, da der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992 nicht erfüllt ist. Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seiner Judikatur bereits wiederholt den Gegenbeweis gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 (jedenfalls) dann für erbracht, wenn ein Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet wird (; , Ra 2022/15/0037). Demgegenüber setzt der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom , Ra 2022/15/0055, für die Erbringung des Gegenbeweises voraus, dass das Fahrzeug einem bestimmten Ort außerhalb des Bundesgebietes zugeordnet werden kann, was nach Ansicht des erkennenden Gerichts im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres möglich erscheint (denkbar wäre allenfalls die Zuordnung zum vollständig in Deutschland liegenden Einsatzgebiet des Bf.). Aufgrund der unterschiedlichen, für das erkennende Gericht nicht ohne weiteres miteinander in Einklang zu bringenden Tatbestandsmerkmale, die nach der höchstgerichtlichen Judikatur für die Erbringung des Gegenbeweises vorliegen müssen, war die Revision zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 5 Abs. 1 EKHG, Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, BGBl. Nr. 48/1959
§ 166 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
Verweise





ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100559.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at