Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.02.2024, RV/7103109/2022

Haftungsbescheid: keine Nachweise für Gläubigergleichbehandlung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Robert Igaly-Igalffy, Landstraßer Hauptstraße 34, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftung nach § 9 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 279 BAO dahingehend abgeändert, dass die Haftung auf folgende Abgaben im Gesamtausmaß von € 42.495,72 eingeschränkt wird:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag
Umsatzsteuer
07/2017
2.907,65
Umsatzsteuer
08/2017
802,43
Umsatzsteuer
09/2017
1.354,02
Kammerumlage
10-12/2017
121,81
Lohnsteuer
03/2018
223,89
Dienstgeberbeitrag
03/2018
192,79
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
03/2018
19,77
Lohnsteuer
04/2018
210,50
Dienstgeberbeitrag
04/2018
248,11
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
04/2018
25,45
Lohnsteuer
05/2018
145,57
Dienstgeberbeitrag
05/2018
18,72
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
05/2018
1,92
Dienstgeberbeitrag
06/2018
6,79
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
06/2018
0,70
Lohnsteuer
07/2018
24,38
Dienstgeberbeitrag
07/2018
131,41
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
07/2018
13,48
Lohnsteuer
08/2018
31,59
Dienstgeberbeitrag
08/2018
151,84
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
08/2018
15,57
Lohnsteuer
09/2018
26,05
Dienstgeberbeitrag
09/2018
146,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
09/2018
14,97
Lohnsteuer
11/2018
23,13
Dienstgeberbeitrag
11/2018
149,85
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
11/2018
15,37
Umsatzsteuer
11/2018
1.627,61
Körperschaftsteuer
01-03/2019
125,00
Umsatzsteuer
12/2018
2.300,92
Umsatzsteuer
01/2019
1.863,19
Umsatzsteuer
02/2019
4.775,14
Dienstgeberbeitrag
01/2019
84,32
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01/2019
8,22
Dienstgeberbeitrag
02/2019
95,50
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
02/2019
9,31
Lohnsteuer
03/2019
39,29
Dienstgeberbeitrag
03/2019
119,07
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
03/2019
11,60
Lohnsteuer
04/2019
68,10
Dienstgeberbeitrag
04/2019
171,82
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
04/2019
16,74
Umsatzsteuer
2016
8.745,11
Umsatzsteuer
2017
4.473,26
Umsatzsteuer
2018
931,75
Umsatzsteuer
03/2019
10.006,01
Summe
42.495,72

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Strittig ist, ob die Beschwerdeführerin zu Recht dem Grunde und der Höhe nach zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen wurde:

Mit Haftungsvorhalt vom wurde die Beschwerdeführerin zunächst auf die beabsichtigte Heranziehung zur Haftung aufmerksam gemacht und ihr die Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äußern, insbesondere einen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen. Der Vorhalt wurde bei der Beschwerdeführerin hinterlegt. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.

Mit Haftungsbescheid vom wurde die Beschwerdeführerin als Haftungspflichtige gemäß § 9 iVm § 80 ff. BAO für die aushaftenden Abgabenschulden der Firma ***L*** GmbH im Ausmaß von € 75.189,03 in Anspruch genommen und aufgefordert diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheides zu entrichten. Abgabenart, Zeiträume und Fälligkeitstage sowie genaue Beträge waren im beigefügten Rückstandsausweis ersichtlich und umfassten den Zeitraum 2015-2019.

In der gegen den Haftungsbescheid eingebrachten Beschwerdevom wird zum einen dargetan, dass die Beschwerdeführerin mit Stichtag ihre Geschäftsanteile an eine dritte Person abgetreten habe und diese auch neue Geschäftsführerin geworden sei. Der Körperschaftsteuerbescheid 2016, 2017 und 2018, der Umsatzsteuerbescheid 2016, 2017 und 2018, die Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer März 2019, April 2019 und Mai 2019 sowie sonstige relevante Bescheide seien nicht von der nunmehrigen Beschwerdeführerin, sondern ausschließlich von der GmbH, vertreten durch die neue Geschäftsführerin, entgegengenommen worden.

Der Beschwerdeführerin sei nicht bekannt, ob gegen diese Bescheide Beschwerde erhoben worden sei. Wiederaufnahmebescheide von bereits veranlagten Steuerbescheiden seien der Beschwerdeführerin nicht zugegangen und sie habe daher keine Möglichkeit gehabt, die unzutreffenden Behauptungen des Finanzamtes zu widerlegen. Das rechtliche Gehör sei vom Finanzamt Österreich verletzt worden. Bei der Abtretung der Geschäftsanteile und dem Wechsel der Geschäftsführung am habe das Unternehmen über ausreichende Aufträge und Vermögen verfügt. Die Firmenfahrzeuge, ein BMW und ein Porsche Panamera seien an die Firma, vertreten durch die neue Geschäftsführerin, übergeben worden. Ebenso seien sämtliche Firmenunterlagen, Buchhaltung, Bilanzen und Belege der GmbH der neuen Geschäftsführerin übergeben worden. Die Altgeschäftsführerin (Beschwerdeführerin) sei vor Zugang des Haftungsbescheides vom Finanzamt weder kontaktiert noch ihr irgendwelche Vorhalte gemacht worden. Inhaltlich macht die Beschwerde geltend, dem Bescheid fehle jegliche Begründung, aufgrund welcher Erhebungen das Finanzamt zu den Ergebnissen gekommen sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und der Haftungsbetrag mit € 59.104,61 festgesetzt. Begründet wurde dies damit, dass die Beschwerdeführerin unstrittig im Zeitraum bis (Tag des Abtretungsantrages) handelsrechtliche Geschäftsführerin der ***L*** GmbH gewesen sei. Die Gesellschaft sei infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst und die Firma gemäß § 40 Firmenbuchgesetz infolge Vermögenslosigkeit mit amtswegig gelöscht worden. Die seitens der Beschwerdeführerin angeführte Körperschaftsteuer 2016 sei am fällig gewesen. Die angeführte Körperschaftsteuer 2017 und 2018 seien hingegen nicht Haftungsgegenstand, da diese mit Bescheiden zum mit Null festgesetzt worden seien. Diese seien auch nicht im Rückstandsausweis zum Haftungsbescheid ausgewiesen. Die Umsatzsteuern 2016, 2017 und 2018 seien "jeweils am fällig" gewesen, somit in der Zeit der Geschäftsführertätigkeit der Beschwerdeführerin. Bei Selbstbemessungsabgaben (wie der Umsatzsteuer März 2019) sei maßgebend wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Der Haftungsbescheid werde daher um folgende Abgaben eingeschränkt, da die Fälligkeiten außerhalb der Geschäftsführertätigkeit der Beschwerdeführerin gelegen seien:

  1. Säumniszuschlag 1 2019 Fälligkeitstag in der Höhe von € 95,50

  2. Lohnsteuer 05/2019 Fälligkeitstag in der Höhe von € 102,82

  3. Dienstgeberbeitrag 05/2019 Fälligkeitstag in der Höhe von € 223,27

  4. DZ 05/2019 Fälligkeitstag in der Höhe von € 21,75

  5. U 4 / 2019 Fälligkeitstag in der Höhe von € 10.851,84

  6. U 5 / 2019 Fälligkeitstag in der Höhe von € 4.789,24

Im Übrigen werde die Beschwerde abgewiesen.

Im dagegen eingebrachten Vorlageantragvom wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr Beschwerdevorbringen und wies daraufhin, dass die Beschwerdeführerin außerhalb des Zeitraumes von bis nicht zu einer Haftung herangezogen werden könne. Das Finanzamt habe daher wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt und sei "nur von einem Wunschsachverhalt" ausgegangen, der die Fälligkeit der Steuerbescheide nicht in Einklang mit dem Zeitraum der Geschäftsführung der Beschwerdeführerin gebracht habe.

Mit Vorlagebericht vom erfolgte die Vorlage des Beschwerdeverfahrens an das Bundesfinanzgericht. Darin führte die belangte Behörde wie folgt aus:

"Seitens Beschwerdeführerin wird die Haftung betreffend U 2016, U 2017, U 2018 sowie K 2016 und U 3/2019 bestritten. Die Einschreiterin übersieht, dass für eine Haftungsinanspruchnahme nicht die Frist sondern der Fälligkeitstag maßgeblich ist:

U 2016: Fälligkeit

U 2017: Fälligkeit

U 2018: Fälligkeit

K 2016: Fälligkeit

U 3/19: Fälligkeit

Hinsichtlich behauptetem fehlenden Parteiengehör darf darauf verwiesen werden, dass mit ein Vorhalt versendet wurde, welcher unbeantwortet blieb. Weiters kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Von diesem Recht wurde kein Gebrauch gemacht. Darüber hinaus darf an die ausführliche Begründung in der Beschwerdevorentscheidung hingewiesen werden."

Dem Vorlagebericht waren folgende Aktenteile angeschlossen:

Mit Beschluss vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde unter Hinweis auf § 266 Abs. 4 BAO um Vorlage aller noch aushaftenden Aktenstücke und sonstigen Unterlagen bzw. um Vorlage des vollständigen bezughabenden Verwaltungsaktes, da die belangte Behörde "bisher nur einen Haftungsvorhalt, den angefochtenen Bescheid samt gesonderter Begründung, Rückstandsausweis, Körperschafts- und Umsatzsteuerbescheid 2016, Umsatzsteuerbescheid 2017, Körperschaftsteuer - und Umsatzsteuerbescheid 2018 sowie die Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 03/2019, 04/2019 und 05/2019, die Beschwerde, die Beschwerdevorentscheidung sowie den Vorlageantrag vorgelegt" hatte. Insbesondere weitere im Rückstandsausweis angeführte Bescheide sowie die in den vorgelegten Bescheiden erwähnten Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien, seien ebenso wenig übermittelt worden wie beispielsweise Ausdrucke aus dem Abgabenkonto.

Mit E-Mail-Eingabe vom übermittelte die belangte Behörde den erwähnten Bericht über die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung vom für den Zeitraum 2016 bis 2018 und führte aus, dass im Zuge des Haftungsverfahrens nicht alle Bescheide von festgesetzten Abgaben übermittelt worden seien. Da dieser Fehler nicht sanierbar sei, verringere sich der gegenständliche Haftungsbetrag von € 75.189,03 um € 16.704,39 auf nunmehr € 58.484,64. Eine entsprechende Aufgliederung in Excel-Form wurde ebenso übermittelt.

Diese Unterlagen wurden der Beschwerdeführerin zusammen mit der Ladung für die mündliche Verhandlung am übermittelt. In der mündlichen Verhandlung führte die Beschwerdeführerin u.a. aus, ihr sei bei Übergabe der Geschäftsführung bekannt gewesen, dass Schulden bestanden, sie habe jedoch darauf vertraut, dass die neue Geschäftsführerin diese begleiche.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war von bis handelsrechtliche Geschäftsführerin der ***L*** GmbH. Am übergab sie der nachfolgenden Geschäftsführerin, ***S***, die Fahrzeuge der GmbH, einen BMW und einen Porsche Panamera (Beilage B im Akt); am übergab sie der neuen Geschäftsführerin sämtliche Firmenbuchunterlagen inklusive Buchhaltung, Bilanzen und Belege (Beilage A im Akt). Kopien der Firmenbuchunterlagen hat die Beschwerdeführerin nicht angefertigt. Zum Zeitpunkt der Übergabe verfügte die GmbH über Vermögen.

Die ***L*** GmbH wurde infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit am aufgelöst und die Firma infolge Vermögenslosigkeit mit amtswegig gelöscht.

Am erging ein Haftungsvorhalt an die Beschwerdeführerin, der unbeantwortet blieb. Mit Haftungsbescheid vom wurde die Beschwerdeführerin daher für folgende Abgaben im Ausmaß von € 75.189,03 als ehemalige Geschäftsführerin der oben genannten GmbH in Anspruch genommen; die Abgaben waren an folgenden Tagen fällig:

Folgende, an die GmbH gerichtete Bescheide wurden der Beschwerdeführerin zusammen mit dem Haftungsbescheid vom am übermittelt:

1. Umsatzsteuerbescheid 2016 vom . In der Begründung wird angeführt, die Veranlagung erfolge unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien. Die Niederschrift bzw. der Prüfungsbericht wurden der Beschwerdeführerin nicht übermittelt.

2. Körperschaftsteuerbescheid 2016 vom . In der Begründung wird angeführt, die Veranlagung erfolge unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien. Die Niederschrift bzw. der Prüfungsbericht wurden der Beschwerdeführerin nicht übermittelt.

3. Umsatzsteuerbescheid 2017 vom . In der Begründung wird angeführt, die Veranlagung erfolge unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien. Die Niederschrift bzw. der Prüfungsbericht wurden der Beschwerdeführerin nicht übermittelt.

4. Umsatzsteuerbescheid 2018 vom . In der Begründung wird angeführt, die Veranlagung erfolge unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien. Die Niederschrift bzw. der Prüfungsbericht wurden der Beschwerdeführerin nicht übermittelt.

5. Körperschaftsteuerbescheid 2018 vom .

6. Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 03/2019, für 04/2019 und 05/2019 vom . In der Begründung wird jeweils angeführt, die Veranlagung erfolge unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien. Die Niederschrift bzw. der Prüfungsbericht wurden der Beschwerdeführerin nicht übermittelt.

Die in den Bescheiden erwähnte Außenprüfung fand bei der ***L*** GmbH für Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Kammerumlage und Kapitalsteuer betreffend die Jahre 2016 bis 2018 statt; der Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom erging an die GmbH in Liquidation zu Handen der ***S***. Die Prüfung begann am ; am konnte die Geschäftsführerin ***S*** nicht an ihrer Meldeadresse angetroffen werden, eine amtliche Abmeldung wurde vom Vermieter beantragt. Der Firmensitz der GmbH war die Wohnadresse der Beschwerdeführerin. Die letzten Dienstnehmer der GmbH wurden per abgemeldet. Hinsichtlich Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2016 bis 2018 kam es zu einer Wiederaufnahme und Schätzung der steuerlichen Auswirkungen gemäß § 184 BAO samt Verhängung eines Sicherheitszuschlages von 5%, hinsichtlich Umsatzsteuer März bis Mai 2019 erfolgte die Festsetzung der Umsatzsteuer auf Grund vorgelegter Lieferkonten der Firma DPD GmbH.

Die im Haftungsbescheid enthaltenen Abgaben sind bei der GmbH uneinbringlich und haften nach wie vor aus. Einen Gleichbehandlungsnachweis hat die Beschwerdeführerin nicht erbracht.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den im Akt befindlichen oben genannten Unterlagen. Insbesondere ergeben sich die Feststellungen hinsichtlich der Geschäftsführertätigkeit der Beschwerdeführerin, dem Geschäftsführerwechsel sowie der Löschung der GmbH aus dem Firmenbuch zu Firmenbuchnummer ***1*** sowie aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung. In dieser hat die Beschwerdeführerin zum einen ausgeführt, dass sie von den Schulden im Zeitpunkt des Geschäftsführerwechsels wusste, und zum anderen, dass auch Vermögen vorhanden war.

Die Feststellungen zur Außenprüfung ergeben sich insbesondere aus der im Akt einliegenden Niederschrift über die Außenprüfung vom , die der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht wurde. Die Feststellung zur Höhe und Abgabenart der Haftungsbeträge ergeben sich aus dem Haftungsbescheid und den dazugehörigen Grundlagenbescheiden, soweit solche existieren und der Beschwerdeführerin wie festgestellt übermittelt worden sind.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung/Abweisung)

3.1.1. Rechtslage und Judikatur

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 20 BAO lautet:

"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 224 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."

§ 248 BAO lautet:

"Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß."

3.1.2. Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass

1. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),

2. eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen/die Vertretene besteht (Uneinbringlichkeit),

3. ein Verschulden des Vertreters/der Vertreterin an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und

4. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).

3.1.2.1. Zur Vertreterstellung

Die Beschwerdeführerin war wie festgestellt vom bis zum Geschäftsführerwechsel am handelsrechtliche Geschäftsführerin der Primärschuldnerin und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO.

Aus der Haftung sind daher - wie schon mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde - jedenfalls folgende Abgaben (im Gesamtausmaß von € 16.084,42) auszuscheiden, da ihre Fälligkeiten außerhalb der Geschäftsführertätigkeit der Beschwerdeführerin gelegen sind:

  1. Säumniszuschlag 1 2019 Fälligkeitstag iHv € 95,50

  2. Lohnsteuer 05/2019 Fälligkeitstag iHv € 102,82

  3. Dienstgeberbeitrag 05/2019 Fälligkeitstag iHv € 223,27

  4. DZ 05/2019 Fälligkeitstag iHv € 21,75

  5. U 4 / 2019 Fälligkeitstag iHv € 10.851,84

  6. U 5 / 2019 Fälligkeitstag iHv € 4.789,24.

3.1.2.2. Zur Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die verfahrensgegenständlichen Abgaben sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich, da sie nach dem Geschäftsführerwechsel offenbar ihre Tätigkeit eingestellt hat, die neue Geschäftsführerin für das Finanzamt nicht greifbar war und die Primärschuldnerin mittlerweile wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch amtswegig gelöscht wurde.

3.1.2.3. Zum Verschulden

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters/der Vertreterin an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.

Zu den Pflichten der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der GmbH gehörte es, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und insbesondere für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ; , 2006/13/0121; , 2008/15/0085).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter/die Vertreterin bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er/sie hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Dabei kommt es für den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht nur auf die liquiden Mittel zum Fälligkeitstag an, die den an diesem einen Tag jeweilig fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen sind, weil eine derartige Betrachtung für nur einen einzigen Tag im Monat ohne Berücksichtigung der vorhandenen liquiden Mittel für die Zeiträume nach der Fälligkeit der Abgaben keinen Nachweis über eine Gläubigergleichbehandlung geben kann (). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben ().

Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters/der Vertreterin, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter/die Vertreterin nur deswegen haftet, weil er/sie die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat ().

Der Vertreter/die Vertreterin erfährt somit nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er/sie den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (). Hat der Geschäftsführer/die Geschäftsführerin aber nicht dargetan, weshalb er/sie nicht für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen ().

Dem Vertreter/der Vertreterin obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (). Dem Vertreter/der Vertreterin obliegt es, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen.

Da der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, der Beschwerdeführerin oblag (vgl. zB sowie zuletzt ), wurde sie kurz nach Untergang der Primärschuldnerin von der Abgabenbehörde im Rahmen eines Haftungsvorhaltes im Juli 2021 aufgefordert, zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben eine Aufstellung sämtlicher Gläubiger, der auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen sowie aller verfügbar gewesenen liquiden Mittel beizubringen.

Einen solchen Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht einmal versucht. Damit geht auch der im Beschwerdeverfahren geäußerte Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs ins Leere, zumal die Beschwerdeführerin als Reaktion auf die Beschwerdevorentscheidung, der Vorhaltecharakter zukommt, im Zuge des Vorlageantrages einen solchen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung erbringen hätte können. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht konnte die Beschwerdeführerin außer einer allgemein gehaltenen Behauptung, sie habe alle Gläubiger gleichbehandelt, keinen entsprechenden Nachweis liefern.

Soweit die Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit dem Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung einwendet, die Bescheide seien ihr weder zugegangen noch seien sie während ihrer Geschäftsführertätigkeit ergangen, ist zunächst Folgendes auszuführen:

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob die Beschwerdeführerin die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären.

Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (). Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wurde ().

Zur Umsatzsteuer und zur Körperschaftsteuer im Allgemeinen:

Der Unternehmer hat gem. § 21 Abs. 1 UStG spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 UStG und des § 16 UStG selbst zu berechnen und zu entrichten hat.

Für die Körperschaftsteuervorauszahlungen sowie für die -abschlusszahlungen sind die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes über die Veranlagung und Entrichtung der Körperschaftsteuer sinngemäß anzuwenden (§ 24 Abs. 3 Z 1 KStG).

Gemäß § 45 Abs. 2 EStG 1988 sind die Körperschaftsteuervorauszahlungen vierteljährlich zu leisten. Der Fälligkeitszeitpunkt für die Körperschaftsteuerabschlusszahlungen richtet sich nach der Grundregel des § 210 Abs. 1 BAO und tritt damit mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides ein.

Da sämtliche Fälligkeitszeiten hinsichtlich der in der Haftung verbliebenen Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer im haftungsrelevanten Zeitraum lagen, die Beträge nicht entrichtet wurden und die Beschwerdeführerin wie oben dargelegt keine Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung vorgelegt hat, konnte hinsichtlich der Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden.

Zur Lohnsteuer, zum Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag:

§ 78 EStG 1988 verpflichtet den Arbeitgeber, bei jeder Lohnzahlung, also im Zeitpunkt des Zuflusses an den Arbeitnehmer, Lohnsteuer einzubehalten (Ebner in Jakom EStG, 16. Aufl. (2023), § 78 Rz 1, mit Verweis auf ). Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt ().

Die Auszahlung von Löhnen ohne korrekte Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer wie im vorliegenden Fall stellt daher in jedem Fall eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten dar (). Die auf ausbezahlte Löhne entfallenden Lohnsteuerbeträge sind somit unabhängig von einer Gleichbehandlung der anderen Gläubiger stets zu entrichten; die Nichtabfuhr der Lohnsteuer, die auf den ausbezahlten Arbeitslohn entfällt, kann nicht damit entschuldigt werden, dass die Geldmittel nicht ausgereicht haben.

Eine Geschäftsführerhaftung für Lohnsteuer besteht nur dann nicht, wenn wegen fehlender Mittel überhaupt keine Löhne mehr zur Auszahlung gelangt sind. Dafür gibt es im vorliegenden Fall aber keine Anhaltspunkte. Wäre die Lohnsteuer unter Berücksichtigung der (ohnedies) zur Verfügung stehenden Mittel ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt worden, hätte ein uneinbringlicher Rückstand an Lohnsteuer erst gar nicht entstehen können. Eine Verschuldensentkräftigung ist daher ausgeschlossen (vgl. Stoll, BAO, 129).

Der Dienstgeberbeitrag ist gem. § 43 Abs. 1 FLAG für jeden Monat bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Monats an das Finanzamt zu entrichten.

Hinsichtlich der Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag wurden trotz Aufforderung keine Gleichbehandlungsnachweise vorgelegt. Das Beschwerdevorbringen war somit insgesamt nicht geeignet, die Pflichtverletzung zu entschuldigen.

Zur Nichtübermittlung von Bescheiden:

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten ().

Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch (gemäß § 248 BAO) gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch beruft, hat die Berufungsbehörde nach Lehre und ständiger Rechtsprechung zunächst nur über die Berufung gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, da sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Berufung gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht (). Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO (noch) durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen (vgl. etwa ; , 2012/16/0049). Es ist daher von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (; , 2005/13/0094).

Wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt und von der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung eingeräumt wurde, wurden der Beschwerdeführerin aber keine Bescheide für folgende im Haftungsbescheid enthaltenen Abgaben übermittelt:


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Abgabe
Jahr
Fälligkeitstag
Betrag €
SZB
2017
67,17
SZA
2017
144,20
K
2016
7.479,00
SZA
2017
151,64
SZA
2017
149,58
SZB
2017
60,87
K
01-03/18
500,00
SZB
2017
75,82
Z
10/17
51,90
SZB
2017
74,79
SZC
2017
75,82
SZC
2017
74,79
L
2015
848,31
DB
2015
2052,83
DZ
2015
182,81
L
2016
649,91
DB
2016
1415,07
DZ
2016
125,77
L
2017
772,17
DB
2017
1395,59
DZ
2017
135,85
K
04-06/19
125,00
SZA
2019
95,50

Nach der zu § 248 BAO ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Haftungspflichtige, wenn die Abgaben bereits bescheidmäßig festgesetzt worden sind, im Haftungsbescheid in einer Weise über die Abgabenfestsetzung in Kenntnis zu setzen, die ihn zur Einbringung einer Beschwerde gegen diesen nicht an ihn und auch nicht ihm zugestellten Bescheid informiert (vgl. ; , 2005/13/0145; , 2011/16/0053; , 2013/16/0165).

Da die Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Haftungsbescheid nicht entsprechend von den oben genannten Bescheiden in Kenntnis gesetzt worden ist, liegt ein Mangel des Verfahrens vor, der im Beschwerdeverfahren über den Haftungsbescheid nicht mehr sanierbar ist (zB ; , 2013/16/0165). Entgegen der Ausführungen der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung zur vorgelegten Tabelle wäre der Säumniszuschlag 2019 vom iHv € 95,50 damit aber doppelt gestrichen: Diese Abgabe wurde schon unter Punkt 3.1.2.1. aus der Haftung genommen, da der Fälligkeitstag nach dem Ausscheiden der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin lag. Es ist daher nicht der Gesamtbetrag iHv € 16.704,39, sondern iHv € 16.608,89 zusätzlich aus der Haftung auszuscheiden.

3.1.2.4. Kausalität

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit ().

3.1.2.5. Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Die Beschwerdeführerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung lediglich ausgeführt, für drei Kinder unterhaltspflichtig zu sein; weitere Angaben hat sie nicht gemacht. Darin ist kein Grund zu erblicken, sie nicht zur Haftung heranzuziehen. Auch eine allfällige Einkommens- und Vermögenslosigkeit wäre im Übrigen kein Grund, sie nicht zur Haftung heranzuziehen, da Vermögens- und Arbeitslosigkeit der Haftenden in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung stehen, zumal es eine allfällige (zur Zeit der Erlassung des Haftungsbescheides bestehende) Uneinbringlichkeit beim Haftenden auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben führen können ().

Sonstige Gründe, die eine Ermessensübung zugunsten der Beschwerdeführerin bewirken könnten, sind nicht hervorgekommen, zumal die Haftung sehr zeitnah sowohl zum Untergang der Primärschuldnerin als auch zum Bekanntwerden der Nichtgreifbarkeit der auf die Beschwerdeführerin folgenden Geschäftsführerin geltend gemacht wurde.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die Vollstreckung auf Geldforderungen der Haftungspflichtigen nur für ein monatliches Einkommen über dem Existenzminimum möglich ist. Der unpfändbare Freibetrag hat der Verpflichteten zur Gänze zu verbleiben. Die Frage der Einbringlichkeit der Haftungssumme ist aber nicht in diesem Verfahren zu klären.

3.1.3. Ergebnis

Der Beschwerde ist somit aus den dargelegten Gründen teilweise stattzugeben und die Haftung auf die im Spruch genannten Abgaben im Gesamtbetrag von € 42.495,72 einzuschränken; im Übrigen ist die Beschwerde aber als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu die unter 3.1. dargestellte Rechtsprechung, der die Entscheidung folgt); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103109.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at