Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 01.03.2024, RV/2100431/2023

Verspätet behobener Mangel nach § 85 Abs. 2 BAO

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu Steuernummer ***BF1StNr1***, SVNR ***1***, betreffend Abweisung des Antrages auf Zuerkennung von Familienbeihilfe ab 10/2021, beschlossen:

Die Beschwerde gilt gemäß § 278 Abs. 1 lit. b iVm § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang / Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) stellte mit einen Eigenantrag auf Familienbeihilfe ab 10/2021.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom vom Finanzamt Österreich (FAÖ) abgewiesen und dagegen eine Beschwerde vom eingebracht. Die Beschwerde wurde samt Beilagen in den Briefkasten des Finanzamtes eingeworfen (Eingangsstempel ).
Die Beschwerde enthielt keine Unterschrift.
Das FAÖ forderte den Bf mit Mängelbehebungsbescheid vom auf, den Mangel, Formgebrechen gemäß § 85 Abs. 2 BAO, Fehlen der Unterschrift gemäß § 85 Abs. 2 BAO, bis zum zu beheben mit dem Zusatz: "Bei Versäumung dieser Frist gilt das Anbringen als zurückgenommen."
Gleichzeitig wurde ein Fragenvorhalt an den Bf gestellt, den der Bf mit beantwortete.
Der Mangel der fehlenden Unterschrift wurde innerhalb der gesetzten Frist nicht behoben.
Das FAÖ entschied gemäß § 263 BAO mit Beschwerdevorentscheidung vom :
"Ihre Beschwerde vom gilt gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen.
Begründung:
Sie sind der Aufforderung im Mängelbehebungsauftrag vom nicht nachgekommen.
Die Unterschriftleistung wurde von Ihnen bis dato nicht nachgereicht
."

Mit reichte der Bf eine unterschriebene Beschwerde nach, mit brachte der Bf einen Vorlageantrag ein, welcher dem BFG mit Vorlagebericht vom vorgelegt wurde.

Erwägungen:

§ 85 BAO lautet:
(1) Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).
(2)
Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

§ 263 BAO
(1) Ist in der Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde
a) weder als unzulässig oder als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären, so ist der angefochtene Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2)
In der Beschwerdevorentscheidung ist auf das Recht zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) hinzuweisen.
(3)
Eine Beschwerdevorentscheidung wirkt wie ein Beschluss (§ 278) bzw. ein Erkenntnis (§ 279) über die Beschwerde.
(4)
§ 281 gilt sinngemäß für Beschwerdevorentscheidungen; § 281 Abs. 2 allerdings nur, soweit sich aus der in § 278 Abs. 3 oder in § 279 Abs. 3 angeordneten Bindung nicht anderes ergibt.

Unstrittig enthielt die in den Amtsbriefkasten eingeworfene Beschwerde vom keine Unterschrift und behob der Bf den Mangel nicht innerhalb der mit Mängelbehebungsauftrag gesetzten Frist bis .

Der vorgenannte Beschluss (Mängelbehebungsauftrag) wurde dem Bf auch zugestellt, sonst hätte er ja auch den Fragenvorhalt nicht beantworten können.

Aus dem Gesetzeswortlaut des § 85 Abs. 2 BAO ergibt sich, dass Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung berechtigen. Bei fehlender Unterschrift ist - ebenso wie bei inhaltlichen Formgebrechen - mit Mängelbehebungsauftrag vorzugehen.

Anbringen sind solche Eingaben an Abgabenbehörden, die zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen eingebracht werden, dazu gehören zweifellos Beschwerden (§§ 243 ff BAO); vgl. Unger, Anbringen (Stand , Lexis Briefings in lexis360.at). Diese bedürfen einer Unterschrift.
Die Abgabenbehörde hat dem Einschreiter die Behebung der Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt. Werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.
Das Gesetz nennt beispielhaft das Fehlen einer Unterschrift als Formgebrechen (vgl. ; ).

Dies gilt nach § 86a Abs. 1 dritter Satz nicht bei telegraphischer, fernschriftlicher oder im Wege automationsunterstützter Datenübertragung erfolgter Einreichung von Anbringen.
Im beschwerdegegenständlichen Fall wurde die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom Bf direkt beim Finanzamt eingebracht und wäre daher zu unterschreiben gewesen.

Der Bf ist dem Mängelbehebungsauftrag (Nachreichung der fehlenden Unterschrift) innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen. Ein Fristverlängerungsantrag wurde nicht gestellt.

Die Beschwerde wies unbestritten keine Unterschrift auf, weshalb dem Bf seitens der Behörde zu Recht die diesbezügliche Verbesserung aufgetragen wurde. Im Mängelbehebungsauftrag vom wurde auch ausdrücklich auf § 85 Abs. 2 BAO und die dort genannte Rechtsfolge der Zurücknahmefiktion bei Versäumung der gesetzten Frist hingewiesen.
Die gesetzte Frist bis ist auch als angemessen zu werten.

Dem Spruch der Beschwerdevorentscheidung vom ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass das Finanzamt eine Formalentscheidung iSd § 263 Abs. 1 lit. b iVm § 85 Abs. 2 BAO (Zurücknahmeerklärung der Beschwerde) getroffen hat, die gemäß § 263 Abs. 3 BAO wie ein Beschluss (§ 278) wirkt.

Wird einem Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes seitens des Einbringers nicht entsprochen und wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes als zurückgenommen erklärt, so hat das Bundesfinanzgericht - wenn der Einbringer einen Vorlageantrag stellt - die Beschwerde mit Beschluss gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO als zurückgenommen zu erklären (vgl. -RS 1; ).

Auch dass mit dem Mängelbehebungsauftrag gleichzeitig ein Fragenvorhalt an den Bf erging und damit der Mängelbehebungsauftrag mit einer anderen Aufforderung verbunden wurde, macht den Mängelbehebungsauftrag nicht unzulässig (vgl. ). Dem Mängelbehebungsauftrag ist klar zu entnehmen, welcher Mangel der Beschwerde anhaftet.
Es ist im Beschwerdefall auch nicht strittig, dass die Beschwerde keine Unterschrift aufweist und dieser Mangel bis zur gesetzten Frist am nicht behoben wurde.
Damit gilt die Beschwerde kraft Gesetzes als zurückgenommen. Der Eintritt dieser Folge wird durch den auf diese Rechtstatsache Bezug nehmenden, von der Behörde zu erlassenden (verfahrensrechtlichen) Bescheid nicht begründet, sondern festgestellt, und kann somit durch nach Fristablauf vorgenommene (verspätete) Mängelbehebung nicht mehr beseitigt werden (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage im Anwendungsbereich des § 275 BAO vor dessen Aufhebung durch BGBl I 2009/20, , ÖStZB 2007/143, mwN; ; ; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3 (2021) § 85 Rz 23).

Eine inhaltliche (meritorische) Entscheidung ist nur dann zu treffen, wenn keiner der Fälle des § 263 Abs. 1 lit. a) bzw. b) BAO vorliegt.
Vor dem Hintergrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen war auch vom Bundesfinanzgericht auf das inhaltliche Vorbringen des Bf nicht mehr einzugehen.

Da der Bf dem Auftrag zur Mängelbehebung innerhalb der gesetzten Frist nicht rechtzeitig nachgekommen ist, gilt die Beschwerde mit Ablauf der gesetzten Frist als zurückgenommen und war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge im Falle der Nichtbefolgung eines Mängelbehebungsauftrages unmittelbar aus § 85 Abs. 2 BAO ergibt, liegt hier keine Rechtsfrage vor, der gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Rechtslage ist eindeutig im Sinne des Zl. Ro 2014/07/0053. Die ordentliche Revision ist daher im vorliegenden Fall nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 263 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100431.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at