Geschäftsführerhaftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf Adr***, vertreten durch Dr. Karl Schirl, Krugerstraße 17/3, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom betreffend die Haftung als Geschäftsführer der ***Y GmbH*** für den entstandenen Rückstand an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen für den Zeitraum Jänner bis August 2014 (Haftungsbetrag gesamt: € 4.904,82), zu Recht:
I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Der Beschwerdeführer wird zur Haftung für nachfolgend angeführte Abgabenbeträge herangezogen:
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag |
Kommunalsteuer | 01-08/2014 | € 3.249,03 |
Dienstgeberabgabe | 01-08/2014 | € 448,02 |
Summe | €3.697,05 |
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am richtete der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde) ein Schreiben betreffend die von der ***Y GmbH*** (nachfolgend auch "Primärschuldnerin") geschuldete Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für den Zeitraum 01-08/2014 sowie Säumniszuschläge hierzu an den Beschwerdeführer (nachfolgend "Bf"), der im maßgeblichen Zeitpunkt Geschäftsführer der ***Y GmbH*** war. Im gegenständlichen Fall seien die Abgaben in Höhe eines Gesamtbetrages von € 4.904,82 nicht entrichtet worden. Es lägen damit die in § 80 Abs 1 BAO sowie § 6a Abs 1 Wiener Dienstgeberabgabegesetz bzw § 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetz vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen für die Haft- und Zahlungspflicht des Bf vor. Dem Bf werde gemäß § 183 Abs 4 BAO Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Schreiben blieb unbeantwortet.
Am erließ der Magistrat der Stadt Wien einen Haftungsbescheid an den Bf.
Der Haftungsbetrag wurde im Bescheid wie folgt gegliedert:
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Abgabenart/Nebenanspruch | Zeitraum | Betrag |
Kommunalsteuer | 01-08/2014 | € 4.306,38 |
Säumniszuschlag | € 72,36 | |
Dienstgeberabgabe | 01-08/2014 | € 515,56 |
Säumniszuschlag | € 10,52 | |
Summe | € 4.904,82 |
Begründend führte die belangte Behörde wie folgt aus:
Nach § 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Abs 1 Wiener Dienstgeberabgabegesetz haften die in § 80 BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer bzw Dienstgeberabgabe insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum*** zur Zahl *** sei der Konkurs über das Vermögen der ***Y GmbH*** eröffnet worden. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung sei daher jedenfalls erfüllt. Der Bf sei damals als Geschäftsführer im Firmenbuch der Gesellschaft eingetragen gewesen und habe die Bezahlung weder veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Er habe somit die ihm als Geschäftsführer der Primärschuldnerin auferlegten Pflichten verletzt. Die Geltendmachung der Haftung entspräche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, dass der nunmehr aushaftende Betrag bei der Primärschuldnerin noch eingebracht werden könnte.
Die am fristgerecht eingebrachte Beschwerde gegen den Haftungsbescheid wurde wie folgt begründet: Es ergäbe sich aus beiliegenden Umsatzlisten für die Monate Jänner bis August 2014, dass sämtlichen offenen Gläubigerforderungen "jeweils eine annähernd gleich hohe Summe von vorhandenen finanziellen Mitteln" gegenüberstünde. Bei quotenmäßiger Verteilung der vorhandenen finanziellen Mittel wäre daher jedenfalls nur die Ausschüttung einer geringen Quote an sämtliche Gläubiger möglich gewesen. Tatsächlich seien im betroffenen Zeitraum nachfolgend angeführte Zahlungen an den Magistrat der Stadt Wien geleistet worden:
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Monat | Datum | Betrag |
Jänner 2014 | € 6,52 | |
€ 58,99 | ||
€ 156,00 | ||
Mai 2014 | € 360,00 | |
€ 183,48 | ||
Summe | € 764,99 |
Es sei angesichts der finanziellen Situation der Primärschuldnerin zu prüfen, ob der Magistrat der Stadt Wien im Verhältnis zu anderen Gläubigern benachteiligt worden ist. Es falle auf, dass in jenen Monaten, in denen keine Zahlungen an den Magistrat der Stadt Wien erfolgten, auch keine übrigen Gläubiger befriedigt worden seien. Bei den Zahlungen an diverse Lieferanten habe es sich "jeweils um Zahlungen aus Vorauskassen" oder um "Zug-um-Zug Bezahlungen gegen Übergabe von Ware" gehandelt. Diese Forderungen seien für Zwecke des Gläubigervergleiches nicht zu berücksichtigen. Der Magistrat der Stadt Wien sei keinesfalls schlechter gestellt gewesen als die übrigen Gläubiger. Es könne daher nicht von einer schuldhaften Benachteiligung des Magistrates der Stadt Wien durch den Bf ausgegangen werden. Überdies ergäbe sich aus einem Rückstandsausweis vom , dass lediglich ein Betrag an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum von € 2.733,69 als aushaftend erachtet wurde. Im Vergleich zum nunmehrig geltend gemachten Betrag errechne sich eine Differenz von € 2.171,13 zu Lasten des Bf. Die Diskrepanz sei nicht erklärlich. Auch die geleisteten Zahlungen seien in Abzug zu bringen.
Mit Schreiben vom forderte die belangte Behörde den Bf auf, Unterlagen zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung in den einzelnen Monaten vorzulegen und erläuterte dazu wie folgt: Der jeweilige Betrachtungszeitraum liege zwischen 16. des Vormonates und 15. des Fälligkeitsmonates der einzelnen Abgabe. Der Bf solle - neben einer monatlichen Aufschlüsselung der abgegebenen Jahreserklärungen für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe - eine Auflistung der im jeweiligen Betrachtungszeitraum bestandenen und neu entstandenen Verbindlichkeiten, eine Auflistung aller Zahlungen inklusive Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes bzw Zug-um-Zug Geschäfte und sonstige Tilgungen in Betrachtungszeitraum sowie eine Aufstellung der liquiden Mittel zum 15. des Fälligkeitsmonates übermitteln. Im Schreiben erfolgte weiters eine tabellarische Darstellung einer korrekten Abfolge einer Aufstellung als Musterbeispiel für 2 fiktive Verbindlichkeiten. Die Liquiditätsaufstellung solle auch eine Quotenberechnung enthalten. Die Liquiditätsaufstellung samt Quotenberechnung müsse für die Behörde rechnerisch nachvollziehbar und aussagekräftig sowie durch entsprechende Unterlagen belegt sein. Zu den vom Bf vorgebrachten Zug-um-Zug Geschäften und Zahlungen aus Vorauskassen werde mitgeteilt, dass auch diese Zahlungen bei der Gläubigergleichbehandlung zu berücksichtigen seien. Auch Zahlungen aus Zug-um-Zug Geschäften würden zur Benachteiligung anderer Gläubiger führen. Eine Schlechterstellung des Magistrates der Stadt Wien ergäbe sich auch schon durch die Bezahlung der Löhne und Gehälter bei gleichzeitiger Nichtzahlung der selbst erklärten Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe. Zu dem in der Beschwerde angesprochenen Rückstandsausweis sei anzuführen, dass sich die tatsächliche Höhe der Rückstände aus von der Primärschuldnerin selbst gelegten Jahreserklärungen an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für das Jahr 2014 ergäbe. Sollten während des Jahres nicht die richtigen Monatsmeldungen erfolgt sein, sei dies ausschließlich als in der Sphäre der Primärschuldnerin gelegen anzusehen. Jedwede Zahlung sei von der Buchhaltungsabteilung des Magistrates der Stadt Wien berücksichtigt und für die bestehenden Rückstände verwendet worden. Eine Antwort auf das Schreiben des Magistrates der Stadt Wien ist nicht aktenkundig.
Am erging die abweisende Beschwerdevorentscheidung.
Am brachte der Bf fristgerecht einen Vorlageantrag ein.
Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Durch Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde der gegenständliche Fall der Gerichtsabteilung 1081 abgenommen und mit Wirkung der Gerichtsabteilung 1090 neu zugeteilt.
Mit Vorhalt vom hat das Bundesfinanzgericht dem Bf die entstandenen und fälligen Abgabenverbindlichkeiten inklusive monatlicher Aufgliederung sowie eine Auflistung der an den Magistrat der Stadt Wien geleisteten Zahlungen zur Kenntnis gebracht. Auch wurde der Bf zum Ausmaß und zur Verrechnung der an den Magistrat der Stadt Wien im Sanierungsverfahren Geschäftszahl *** tatsächlich geleisteten Quote informiert. Überdies erläuterte das Bundesfinanzgericht wie folgt: Es stehe anhand der Aktenlage fest, dass die für den Zeitraum 01-08/2014 von der ***Y GmbH*** geschuldeten Abgaben (Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe) nicht entrichtet wurden, während bestimmte andere Verbindlichkeiten beglichen worden seien. Es sei auch nicht vom völligen Fehlen von Mitteln auszugehen. Beides erschließe sich aus vom Bf selbst vorgelegten Unterlagen (im Wesentlichen Kontoauszüge). Falls die vorhandenen Mittel zur Begleichung sämtlicher Verbindlichkeiten nicht ausgereicht haben, werde der Bf dazu eingeladen, den Nachweis zu erbringen, welcher Betrag unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel bei Gleichbehandlung aller Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Die Haftung des Bf könne (sofern dieser Nachweis gelingt) auf jenen Betrag eingeschränkt werden, um den die Abgabenbehörde bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger mehr erlangt hätte, als sie tatsächlich erhalten hat. Das Schreiben enthielt auch Anleitungen zur ordnungsgemäßen Quotenberechnung; es ist unbeantwortet geblieben.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf war seit ***Datum*** bis April 2015 handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***Y GmbH*** (früher FN ***) mit Sitz in Wien und dem Geschäftszweig Handel mit Waren aller Art. Die Löschung seiner Funktion wurde am ***Datum*** im Firmenbuch eingetragen.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum*** (Geschäftszahl ***) wurde über das Vermögen der ***Y GmbH*** das Sanierungsverfahren (mit Eigenverwaltung) eingeleitet. Die Sanierungsplanquote betrug 55%, zahlbar wie folgt:
a) 10% Barquote, zahlbar binnen 14 Tagen ab rechtskräftiger Verfahrensaufhebung, wobei das Erfordernis hierfür einschließlich sämtlicher bevorrechteter Forderungen bei sonstiger Versagung der Bestätigung bis beim Insolvenzverwalter zu erlegen ist;
b) je 10% bis , , und
c) 15% bis .
Der Sanierungsplan wurde rechtskräftig bestätigt, womit das Sanierungsverfahren aufgehoben ist. Als Barquote erhielt der Magistrat der Stadt Wien am einen Betrag von insgesamt € 273,36 ausbezahlt. Als Nachtragsquote ist am ein Betrag von € 153,23 an den Magistrat der Stadt Wien ausbezahlt worden. Weitere Quotenzahlungen hat der Magistrat der Stadt Wien nicht erhalten.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum*** (Geschäftszahl ***) wurde über das Vermögen der ***Y GmbH*** der Konkurs eröffnet. Der Konkurs ist am ***Datum*** mangels Masse aufgehoben worden. In der Folge wurde die Gesellschaft am ***Datum*** im Firmenbuch gelöscht.
Bei der Primärschuldnerin haften folgende bereits entstandene und fällige Abgabenverbindlichkeiten unberichtigt aus:
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Abgabenart | Zeitraum | Abgabenbetrag | Zahlung | Quote | offener Saldo |
Kommunalsteuer | 01/2014 | € 501,14 | -€ 274,70 | -€ 226,44 | € 0,00 |
02/2014 | € 468,68 | € 0,00 | -€ 142,60 | € 326,08 | |
03/2014 | € 554,52 | € 0,00 | € 0,00 | € 554,52 | |
04/2014 | € 554,52 | € 0,00 | € 0,00 | € 554,52 | |
05/2014 | € 564,79 | € 0,00 | € 0,00 | € 564,79 | |
06/2014 | € 877,39 | € 0,00 | € 0,00 | € 877,39 | |
07/2014 | € 546,36 | -€ 494,00 | € 0,00 | € 52,36 | |
08/2014 | € 319,37 | € 0,00 | € 0,00 | € 319,37 | |
€ 4.386,77 | -€ 768,70 | -€ 369,04 | € 3.249,03 | ||
Dienstgeberabgabe | 01/2014 | € 64,45 | -€ 4,00 | -€ 57,55 | € 2,90 |
02/2014 | € 64,45 | € 0,00 | € 0,00 | € 64,45 | |
03/2014 | € 64,45 | € 0,00 | € 0,00 | € 64,45 | |
04/2014 | € 64,45 | € 0,00 | € 0,00 | € 64,45 | |
05/2014 | € 64,45 | € 0,00 | € 0,00 | € 64,45 | |
06/2014 | € 64,44 | € 0,00 | € 0,00 | € 64,44 | |
07/2014 | € 64,44 | -€ 6,00 | € 0,00 | € 58,44 | |
08/2014 | € 64,44 | € 0,00 | € 0,00 | € 64,44 | |
€ 515,57 | -€ 10,00 | -€ 57,55 | € 448,02 | ||
Es wurden keine Abgabenbescheide über die haftungsgegenständlichen Abgaben erlassen. Die im angefochtenen Bescheid haftungsmäßig geltend gemachten Säumniszuschläge sind der Primärschuldnerin nicht mit Bescheid vorgeschrieben worden.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zur Vertreterstellung des Bf ergeben sich aus einem Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin. Auch die Feststellungen zum Sanierungs- bzw Konkursverfahren gründen sich auf die Eintragungen im Firmenbuch. Dass die Sanierungsquote 55% betrug, jedoch nur in Höhe von insgesamt € 426,59 (Quote: € 273,36; Nachtragsquote: € 153,23) an den Magistrat der Stadt Wien ausbezahlt worden ist, ergibt sich aus dem Vorbringen der belangten Behörde und wurde vom Bf im Verfahren nicht bestritten.
Die Feststellung, dass bei der Primärschuldnerin aufgrund von Lohn- und Gehaltsauszahlungen im Jahr 2014 eine Kommunalsteuerschuld in oben angeführter Höhe (Spalte "Abgabenbetrag") entstanden ist, gründet sich auf die von der Primärschuldnerin im Jahr 2015 abgegebenen Jahreserklärungen, die den Zeitraum 01-09/2014 abdecken. Die Jahreserklärungen wurden von der Steuerberaterin der Primärschuldnerin (***1***) abgegeben. Dass nur tatsächlich ausbezahlte Löhne und Gehälter in die erklärte Kommunalsteuerbemessungsgrundlage einbezogen wurden, erschließt sich aus einem auf der Kommunalsteuererklärung befindlichen handschriftlichen Vermerk ("Enthalten sind nur jene Löhne und Gehälter, die von der ***Y GmbH*** bezahlt wurden."). Die monatliche Aufgliederung der Abgabenbeträge, über die der Bf auch Kenntnis hat, ergibt sich aus einer von ***1*** zur Verfügung gestellten Unterlage. Eine exakte monatliche Aufgliederung der Dienstgeberabgabenbeträge war mangels verfügbarer Unterlagen nicht mehr möglich. Die monatlichen Abgabenbeträge wurden daher vom Bundesfinanzgericht durch Aliquotierung geschätzt.
Dass die unter Punkt II.1. tabellarisch angeführten Abgabenbeträge nicht in voller Höhe bezahlt worden sind, ist unstrittig. Die geleisteten Zahlungen (€ 778,70) ergeben sich aus dem beim Magistrat der Stadt Wien geführten Abgabenkonto der Primärschuldnerin und wurden dem Bf mit Vorhalt vom bekannt gegeben. Die Zahlungen wurden (wie auch die tatsächlich geleistete Sanierungsquote) mit den ältesten Abgabenverbindlichkeiten verrechnet, soweit keine Widmung erfolgt ist.
Dass keine Bescheide hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Abgaben erlassen worden sind, ergibt sich aus der Aktenlage. Gleiches gilt für die Feststellung der fehlenden bescheidmäßigen Vorschreibung der haftungsmäßig geltend gemachten Säumniszuschläge.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Zu klären war, ob die Haftungsinspruchnahme des Bf für die aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten und Nebenansprüche zu Recht erfolgt ist:
(1) Rechtliche Rahmenbedingungen
§ 6a Kommunalsteuergesetz 1993 regelt:
"(1) Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.
(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.
(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens."
§ 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz enthält folgende Regelung:
"(1) Die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung - BAO gilt sinngemäß.
(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.
(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung."
§ 80 Abs 1 BAO sieht vor: "Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."
Demnach setzt die Geltendmachung der Haftung gemäß § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz in Verbindung mit § 80 BAO folgendes voraus:
1. Vertreterstellung gemäß den §§ 80 ff BAO
2. Erschwerte Einbringlichkeit der betreffenden Abgabenforderung beim Vertretenen (Primärschuldner)
3. Verletzung von abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten
4. Verschulden des Vertreters
5. Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und erschwerter Einbringlichkeit
Die Erlassung von Haftungsbescheiden (§ 224 BAO) liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (siehe Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rn 5 mwN). Nach § 20 BAO müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium bei der Geltendmachung persönlicher Haftungen ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Dem Begriff "Billigkeit" ist die Bedeutung "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", dem Begriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl zB ). Neben der Nachrangigkeit der Haftung wäre bei der Ermessensübung in diesem Sinn beispielsweise ein behördliches Mitverschulden an der Erschwerung der Einbringung beim Hauptschuldner (etwa durch Säumigkeit der Abgabenbehörde bei der Eintreibung der Abgaben bei der Primärschuldnerin), die Geringfügigkeit des haftungsgegenständlichen Betrages oder die (endgültige) Uneinbringlichkeit beim Haftungspflichtigen selbst zu berücksichtigen (siehe dazu Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rn 7 mwN).
(2) Schlussfolgerungen
Die oben angeführten - aus § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz sowie den §§ 80 ff BAO ableitbaren - Haftungsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt:
Als GmbH-Geschäftsführer gehörte der Bf im hier relevanten Zeitraum (Mitte Februar 2014 bis Mitte September 2014) zum in den §§ 80 ff BAO angesprochenen Personenkreis.
Die in § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz normierte "erschwerte Einbringlichkeit" als Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme ist durch die Eröffnung des Konkursverfahrens (= Insolvenzverfahren im Sinne des § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz) gegeben. Das Konkursverfahren ist mittlerweile aufgehoben und die Gesellschaft aus dem Firmenbuch gelöscht. Eine (auch nur teilweise) Einbringung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin ist nicht mehr möglich.
Zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH gehört es, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe zB , , ). Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe wären monatsweise, jeweils am 15. des darauffolgenden Monates zu entrichten gewesen (siehe § 11 Abs 2 Kommunalsteuergesetz 1993 sowie § 6 Abs 1 Wiener Dienstgeberabgabegesetz). Die Fälligkeit der noch aushaftenden Abgaben (Zeitraum 01-08/2014) ist bis zur Konkurseröffnung am ***Datum*** eingetreten. Der Bf wäre als Geschäftsführer der Primärschuldnerin prinzipiell dazu verpflichtet gewesen, für die Entrichtung der betreffenden (monatlich fälligen) Abgaben Sorge zu tragen und zwar insoweit als hierfür liquide Mittel vorhanden waren (vgl zB , , ). Die gänzliche Mittellosigkeit der Gesellschaft zu den haftungsrelevanten Fälligkeitsterminen wurde vom Bf nicht aufgezeigt und ergibt sich auch sonst nicht aus der Aktenlage. Im Gegenteil: Es erschließt sich aus den vom Bf im Verfahren vorgelegten Umsatzlisten, dass einzelne Gläubiger voll befriedigt worden sind. Sofern die Primärschuldnerin nicht über ausreichende Mittel zur Befriedigung aller Verbindlichkeiten verfügte, hätte den Bf die Verpflichtung getroffen, alle Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Gelingt dem Vertreter der Nachweis, dass der Abgabengläubiger ebenso viel an vorhandenen Mitteln erhalten hat wie andere Gläubiger, dann haftet er nicht (). Es darf kein einziger Gläubiger dem Abgabengläubiger vorgezogen werden (, , ). Die volle Bezahlung der Löhne und Betriebskosten oder eine höhere Tilgung von Bankverbindlichkeiten ist ebenso schädlich wie Zug-um-Zug-Geschäfte, also Bargeschäfte. Entscheidet sich der Vertreter dafür, trotz nicht ausreichender Mittel andere Verbindlichkeiten voll oder in einem höheren Ausmaß zu tilgen, muss er dies auch bei den Abgabenschulden so handhaben. Diese Pflicht hat die Bf verletzt; bestimmte Verbindlichkeiten sind voll beglichen worden, während die betreffenden Abgabenschulden (Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe 01-08/2014) nicht zur Gänze gezahlt wurden.
Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert (auch leichte Fahrlässigkeit reicht aus, zB , /0137). Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (zB , , , , ). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (, ; zumindest "qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast"; siehe Ritz/Koran, BAO7 § 9 Rn 22). Auf Ebene des Verschuldens ist zu prüfen, ob dem Vertreter die objektive Rechtswidrigkeit seines Verhaltens (nämlich die Nichtentrichtung der hier gegenständlichen Abgaben) auch subjektiv vorwerfbar ist. Dies wäre etwa nicht der Fall, wenn der Bf die Unrichtigkeit (hier nicht fristgerechte Entrichtung der Abgabe) nicht hätte erkennen können (vgl etwa ). Dafür bestehen keine Anhaltspunkte.
Der Vertreter haftet für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreter tatsächlich erhalten hat (). Die Verletzung der Gleichbehandlungspflicht wird nur als kausal für den anteiligen Abgabenausfall angesehen (siehe Ritz/Koran, BAO7 § 9 Rn 27). Nach der Rechtsprechung des VwGH setzt die Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Zahlungen an andere Gläubiger spielen bei der Berechnung der "fiktiven" Quote keine Rolle. Die Quote, die errechnet wird, betrachtet nur, wie viel an Abgabenschulden getilgt worden wäre, wenn der Vertreter die vorhandenen Mittel gleichmäßig verteilt hätte. Diese Quote ist dann der Quote der tatsächlich bezahlten Abgabenschulden gegenüberzustellen. Für den Differenzbetrag haftet der Vertreter. Gelingt es dem Vertreter nicht, diese Quote nachzuweisen, haftet er für die vollen Abgabenrückstände (vgl , ). Der Bf hat vorgebracht, dass bei quotenmäßiger Verteilung der vorhandenen finanziellen Mittel jedenfalls nur die Ausschüttung einer geringen Quote an sämtliche Gläubiger möglich gewesen wäre. In Hinblick auf dieses nicht anhand von nachvollziehbaren Unterlagen substantiierte Vorbringen wurde der Bf vom Bundesfinanzgericht am mit detaillierten Anleitungen dazu aufgefordert, eine Quotenberechnung vorzulegen. Der Bf hat den Nachweis nicht angetreten.
Es bestehen auch keine Gründe, die es - im Rahmen der Ermessensübung - rechtfertigen, von der Haftungsinanspruchnahme im Ausmaß von € 3.697,05 Abstand zu nehmen bzw die Haftung noch weiter einzuschränken: Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann. Sachverhaltselemente, die eine Inanspruchnahme zur Haftung als unbillig (also einem berechtigten Interesse des Bf widersprechend) erscheinen lassen, wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.
Die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen setzt voraus, dass eine Abgabenschuld entstanden - und noch nicht (zB durch Entrichtung) erloschen - ist (Grundsatz der materiellen Akzessorietät der Haftung, vgl zB Stoll, BAO, 105; , ). Insoweit war der von der belangten Behörde in Haftung gezogene Betrag um von der Primärschuldnerin geleistete Zahlungen und die tatsächlich gezahlte Sanierungsquote zu reduzieren. Auch die im Haftungsweg vorgeschriebenen Säumniszuschläge waren aus der Haftung auszuscheiden: Nach § 217a Z 2 BAO werden Säumniszuschläge für Landes- und Gemeindeabgaben im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig. Die betreffenden Säumniszuschläge sind erst mit Haftungsbescheid vom bescheidmäßig festgesetzt worden. Sie sind daher nicht bis zum ***Datum*** fällig geworden.
Es war daher wie im Spruch zu befinden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Über die sich im gegenständlichen Fall stellende Rechtsfrage der Heranziehung des organschaftlichen Vertreters einer GmbH zur Haftung für deren Abgabenschulden wurde im Sinne der oben wiedergegebenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden. Darüber hinaus hing die Entscheidung von auf Ebene der Beweiswürdigung zu klärenden Sachfragen ab. Eine Revision ist daher unzulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 § 6a WDGAG, Wr. Dienstgeberabgabegesetz, LGBl. Nr. 17/1970 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 §§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6 Abs. 1 WDGAG, Wr. Dienstgeberabgabegesetz, LGBl. Nr. 17/1970 § 217a Z 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7400103.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at