Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.02.2024, RV/5100232/2023

Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff: ******, über die Abweisung eines Antrags auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes ********, VNR: ***111***, für die Zeiträume Mai 2014 bis Oktober 2022 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Finanzamt den Antrag der Beschwerdeführerin (Bf.) vom auf Zuerkennung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung hinsichtlich der Zeiträume Mai 2014 bis Oktober 2022 ab, weil bei ihrer Tochter ab November 2022 ein Grad der Behinderung von lediglich 30 % festgestellt worden sei. Es wurde auf die Bestimmung der §§ 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) sowie auf ein im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) erstelltes ärztliches Sachverständigengutachten vom verwiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.
Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass in einem weiteren Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom für den Zeitraum ab September 2022 nur ein Grad der Behinderung von 20 % festgestellt worden sei.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Das Finanzamt legte in der Folge die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vor.

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht bescheinigte nunmehr das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einen Grad der Behinderung von 50 % aufgrund der Befundlage durchgehend und auch rückwirkend ab September 2022 (Bescheinigung vom , VOB: ***000***).

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht sieht es als erwiesen an, dass beim Kind ********, VNR: ***111***, für die beschwerderelevanten Zeiträume ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt werden konnte.

2. Rechtslage

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 - FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich gemäß § 8 Abs. 1 FLAG 1967 nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird, und wird danach abgestuft im § 8 Abs. 2 FLAG 1967 näher festgelegt.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, um die in dieser Gesetzesstelle angeführten Beträge.

Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen (§ 8 Abs. 5 FLAG 1967).

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen (§ 8 Abs. 6 FLAG 1967).

Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt und ist die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4 leg. cit.) besonders zu beantragen.
Nach Absatz 2 der bezeichneten Gesetzesstelle wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Unter Behinderung im Sinne der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, ist nach deren § 1 die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt.

3. Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung

Strittig ist im Beschwerdefall, ob für die Bf. ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe (§ 8 Abs. 4 FLAG 1967) besteht, weil ihre Tochter erheblich behindert im Sinne des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ist.

Durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 hat der Gesetzgeber die Feststellung des Grades der Behinderung der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (). Daraus folgt, dass de facto eine Bindung an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes (Sozialministeriumservice) erstellten Gutachten gegeben ist. Die Tätigkeit der Behörden hat sich daher im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig, vollständig und nicht einander widersprechend anzusehen sind (z.B. mit Hinweis auf , und ; Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 29).

Auch das Bundesfinanzgericht hat somit für seine Entscheidung die ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen, sofern diese als vollständig und schlüssig anzusehen sind.

Dass die Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom , VOB: ***000***, unschlüssig oder unvollständig wäre, behauptet auch die belangte Behörde nicht.

Das Bundesfinanzgericht sieht es daher als erwiesen an, dass bei der Tochter der Bf. ein Grad der Behinderung von 50 v.H. und somit das Vorliegen einer erheblichen Behinderung im Sinne des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 festgestellt werden konnte.

Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Weder die im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen noch die einzelfallbezogene rechtliche Beurteilung weisen eine Bedeutung auf, die über den Beschwerdefall hinausgeht.
Die Revision ist daher gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100232.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at