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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.02.2024, RV/7100375/2024

Beschwerde gegen Zurückweisungsbescheid

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat seinen Hauptwohnsitz in Polen.

Am langte beim Finanzamt eine Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2021 ein.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2021 zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf. beschränkt steuerpflichtig sei, da er laut eingereichter Erklärung (Formular L 1) und dem Finanzamt vorliegenden Informationen in Österreich weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Aus diesem Grund sei der Bf. zur Antragsveranlagung gem. § 41 Abs. 2 EStG 1988 in der vorliegenden Form nicht berechtigt. Der Antrag war daher zurückzuweisen.

Mit Eingabe vom erhob der Bf. über FinanzOnline Beschwerde und führte begründend aus, dass er im ganzen Jahr in Österreich tätig gewesen sei und er als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln sei. Er beantrage noch einmal die Arbeitnehmerveranlagung zu überprüfen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, da die angeforderten Unterlagen nicht fristgerecht vorgelegt worden seien.

Mit Eingabe vom stellte der Bf. einen Antrag auf Vorlage der Bescheidbeschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht und beantragte im Zuge dessen die Anerkennung folgender Aufwendungen:

  1. Steuerberatungskosten in Höhe von € 150,00

  2. Krankheitskosten in Höhe von € 73,27

  3. Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von € 2.270,00

  4. Familienheimfahrten in Höhe von € 2.522,69

  5. Werbungskosten für Arbeitsmittel und Telefon in Höhe von € 294,30.

Die entsprechenden Unterlagen legte der Bf. in Kopie bei.

Mit Bericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Aufhebung des Bescheides.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehen und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat seinen Hauptwohnsitz in Polen.

Für die Zeiträume - , - und 20.04. - war er bei der Firma A GmbH angestellt. Seit bezieht er durchgehend Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von diesem Arbeitgeber.

Laut aktenkundiger Überlassungsmitteilungen wurde der Bf. ab in Vollzeit als Elektrohilfskraft bei der Fa. B und ab bei der Fa. C eingesetzt.

Im Streitjahr 2021 war der Bf. nachweislich in Österreich beruflich tätig und wohnte gemeinsam mit einem Kollegen in Wien in einer ca. 35 m² großen Wohnung. Der Bf. ist jedoch nicht Mieter der Wohnung.

Der streitgegenständliche Zurückweisungsbescheid wurde damit begründet, dass der Bf. beschränkt steuerpflichtig und daher zur Antragsveranlagung gem. § 41 Abs. 2 EStG 1988 nicht berechtigt sei.

In der Beschwerde vom brachte der Bf. im Wesentlichen vor, dass er das ganze Jahr in Österreich tätig gewesen und daher aufgrund seines gewöhnlichen Aufenthaltes unbeschränkt steuerpflichtig sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, da die angeforderten Unterlagen nicht fristgerecht vorgelegt worden seien.

Erst im Zuge der Stellung des Vorlageantrages am übermittelte der Bf. die entsprechenden Unterlagen.

2. Beweiswürdigung:

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.

3. Rechtliche Beurteilung:

Vorweg ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat und dagegen Beschwerde erhoben wird, "Sache" eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung ist (vgl. ; , Ra 2019/15/0036, jeweils mwN).

Strittig ist im gegenständlichen Beschwerdefall daher ausschließlich, ob der Zurückweisungsbescheid betreffend Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2021 vom zu Recht ergangen ist.

Unbeschränkt steuerpflichtig sind gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 knüpft die unbeschränkte Steuerpflicht an einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt der natürlichen Person im Inland an. Für die Auslegung der Begriffe Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt ist § 26 BAO und die hierzu ergangene Rechtsprechung maßgeblich.

Primäres Anknüpfungsmerkmal für den Eintritt der unbeschränkten Steuerpflicht ist das Vorliegen eines Wohnsitzes iSd § 26 Abs. 1 BAO. Demnach hat ein Steuerpflichtiger einen Wohnsitz im Inland, wenn er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung ist steuerrechtlich das Bestehen eines Wohnsitzes stets an die objektive Voraussetzung des Besitzes - hier gleichbedeutend mit Innehabung - einer Wohnung geknüpft. Die polizeiliche Meldung oder die Unterlassung derselben ist ebensowenig für die Frage des Wohnsitzes entscheidend, wie der Umstand, ob Miete bezahlt wird oder nicht. Der Wohnsitzbegriff des Steuerrechtes ist demnach auf keine bestimmte rechtsgeschäftliche Form abgestellt, sondern knüpft an die tatsächliche Gestaltung der Dinge an.

Um einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften zu begründen, bedarf es daher nur der tatsächlichen Verfügungsgewalt über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderungen jederzeit zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten. In diesem Sinn können auch Untermietzimmer einen Wohnsitz gemäß § 26 Abs 1 BAO darstellen (, , 89/13/0015). Hingegen stellt eine Schlafstelle am Arbeitsplatz, die mit anderen Arbeitnehmern geteilt wird, keine Wohnung dar (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 26 Rz 2; Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 13. Auflage, § 1 Rz 10).

Unbestritten ist, dass der Bf. in Österreich nicht über eine Wohnung verfügt.

Verfügt ein ausländischer Arbeitnehmer im Inland nicht über einen Wohnsitz iSd § 26 Abs. 1 BAO, kann er aufgrund seines gewöhnlichen Aufenthaltes unbeschränkt steuerpflichtig sein (§ 26 Abs. 2 BAO). Der gewöhnliche Aufenthalt verlangt grundsätzlich die körperliche Anwesenheit des Betreffenden. Man kann nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben (s. Ritz/Koran, BAO 7, §26 Tz 13).

Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 BAO tritt der gewöhnliche Aufenthalt im Inland jedenfalls dann ein, wenn Umstände erkennen lassen, dass der Abgabepflichtige nicht nur vorübergehend im Inland verweilt. Als nicht nur vorübergehender Aufenthalt wird ein Aufenthalt von mehr als 6 Monaten angesehen. Maßgeblich ist folglich das Vorliegen von Umständen, die für einen länger als 6 Monate dauernden Aufenthalt des Steuerpflichtigen im Inland sprechen. Ein durchgehender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten ist jedenfalls als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen und begründet rückwirkend die unbeschränkte Steuerpflicht.

Für den Eintritt der unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 BAO ist erforderlich, dass die natürliche Person eine gewisse sachlich-räumliche Bindung zum Inland herstellen möchte, die über eine rein körperliche Anwesenheit hinausgeht. Dabei gilt es insbesondere, Lebens- und Beschäftigungsverhältnisse des Steuerpflichtigen am Aufenthaltsort zu berücksichtigen (s. Marschner in Jakom EStG, 16. Aufl. (2023), § 1, Rz 46ff).

Der Bf. hat somit dadurch, dass er seit wiederkehrend bei einem inländischen Arbeitgeber beschäftigt war, wobei er seit durchgehend in Vollzeit in Österreich tätig war, einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründet. Damit sind die Voraussetzungen einer unbeschränkten Steuerpflicht im Veranlagungsjahr 2021 erfüllt.

Der angefochtene Zurückweisungsbescheid vom ist daher - wie auch von der belangten Behörde im Vorlagebericht beantragt - wegen seines rechtswidrigen Inhalts ersatzlos aufzuheben. Das Finanzamt wird in der Folge eine Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen haben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da gem. § 279 BAO eine (ersatzlose) Aufhebung zu erfolgen hat, wenn ein verfahrensrechtlicher Bescheid (zB: Zurückweisung eines Antrags) zu Unrecht erlassen wurde.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100375.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at