Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.02.2024, RV/7105018/2018

Haftung des Erwerbers eines Betriebes für betriebsbezogene Abgaben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Steuerberatung Ko GmbH, Im Kurpark 1, 2734 Puchberg am Schneeberg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Haftungsbescheid gem. § 14 BAO nach der am am Bundesfinanzgericht in Wien über Antrag der Partei (§ 78 BAO i. V. m. § 274 Abs. 1 Z 1 BAO) in Anwesenheit von Mag. Wolfgang Apfler und Herbert Scherleitner für die Steuerberatung Ko GmbH für die Beschwerdeführerin und von Karin Krotscheck, BA für das Finanzamt abgehaltenen mündlichen Verhandlung zur Steuernummer 04-***Str.Nr*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Bescheid

Am erließ das Finanzamt Wien 4/5/10 (Vorgänger des Finanzamtes Österreich, belangte Behörde) einen Haftungsbescheid. Mit diesem Haftungsbescheid zog es die Beschwerdeführerin zur Haftung für Abgabenschulden der Firma ***Primärschuld_neuN*** i.L. für Umsatzsteuern aus 9/2013 im Ausmaß von € 33.375,-- heran. Die Begründung lautet:

"Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet gemäß § 14 Abs. 1 BAO der Erwerber

a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;

b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen Waren. Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen musste und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.

Die Haftung knüpft dabei an die Übereignung eines Unternehmens (oder eines im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführten Betriebes) im Ganzen, also an den Übergang eines Unternehmens bzw. Betriebes an; dabei müssen nicht alle zum Unternehmen (Betrieb) gehörigen Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern nur jene, welche die wesentliche Grundlage des Unternehmens (Betriebes) bilden.

Aus der Rechnung Nr. R13053 vom ist ersichtlich, dass wesentliche Teile des Vermögens der ***Primärschuld_altN*** (nunmehr ***Primärschuld_neuN***) an die ***Bf1*** übereignet wurden. Der Haftungsbetrag entspricht der Umsatzsteuer aus dieser Rechnung, wobei die Vorsteuer von der ***Bf1*** geltend gemacht wurde. Eine Unkenntnis des aus der Rechnung resultierenden Abgabenanspruchs kann daher nicht angenommen werden, zumal auch der Geschäftsführer der ***Primärschuld_altN***, welcher erst mit Notariatsakt vom als Geschäftsführer ausschied, bereits mit Gründung der ***Bf1*** am als deren Geschäftsführer bestellt wurde.

Beilagen:
Rechnung Nr. R13053
Festsetzungsbescheid Umsatzsteuer 09/2013
Prüfungsbericht v. "

Beschwerde

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Verlängerung der Beschwerdefrist bis .

Schließlich langte gegen den Haftungsbescheid die mit datierte Beschwerde bei der belangten Behörde ein. Sie ist mit einem Eingangsstempel vom versehen. Die Beschwerde lautet:
"BESCHEIDBESCHWERDE
Gegen den Haftungsbescheid vom

Gegen den o.a. Bescheid erheben wir innerhalb offenen verlängerten Beschwerdefrist im Namen und im Auftrag unser o.a. Klientin das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Haftung hinsichtlich der aushaftenden Abgabenansprüche der Firma ***AB*** für die Abgabenschuldigkeit Umsatzsteuer 09/2013 i.H.v. € 33.375,-- die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts entstanden sind.

Wir stellen daher den
Beschwerdeantrag

Der angefochtene Bescheid ist ersatzlos aufzuheben.

Weiters stellen wir an das Finanzamt den

Antrag

Auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO für den Gesamtbetrag des mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachten Zahlungsanspruchs bis zu Entscheidung über die Beschwerde.

Begründung:

Die belangte Behörde hat die Firma ***Bf1*** zur Haftung der Abgabenschulden der Firma ***AB*** gem. § 14 Abs. 1 BAO herangezogen obwohl die Voraussetzungen für die Haftung nicht gegeben sind, da weder ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens geführter Betrieb im Ganzen erworben wurde.

Seit 1996 befasste sich die ***Primärschuld_altN*** mit der Entsorgung von Reifen und damit Zusammenhängenden Projekten (Schredder, Pyrolyseanlage). Dies ist der Kernbereich des Unternehmens wobei die wesentlichen Grundlagen aus den Abnahmeverträgen und der Betriebsanlagengenehmigungen sowie Lagerplatz und Förderbändern etc. besteht. Anfang 2013 wurde probeweise ein ***MN-Projekt*** gestartet um zu testen ob sich eine Marktnische erschließen lässt. Dadurch fielen diverse Anlaufkosten des Projekts sowie Kosten für Muster, bzw. Handelsware an.

Herr ***AB***, als Käufer der ***CD*** GesmbH, hatte aber ausschließlich Interesse für die Reifenentsorgung und wollte das ***MN-Projekt*** nicht weiterverfolgen. Ohne Infrastruktur der ***CD*** GesmbH wäre das ***MN-Projekt*** beendet gewesen, da für das Projekt keine eigenständigen, betrieblichen Strukturen vorhanden waren. Es wurden lediglich die Muster,- bzw. Handelswaren und mit dem Projekt zusammenhängende Kosten an die ***Bf1*** verkauft. Da Herr ***AB*** auch den Sitz nach Wien verlegte, weil dort sein Büro vorhanden war, wurden auch einzelne Teile des Büros ***Ort1*** an die ***Bf1*** verkauft.

Die wesentlichen Teile des Unternehmens wie Kundenstamm, Abnahmeverträge, Förderanlagen, div. Maschinen usw. verblieben in der ***CD*** GesmbH.

Zusammenfassung

Da somit weder ein, mit der notwendigen, gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter, gesondert geführter Betrieb im Ganzen noch die wesentlichen, für die Fortführung des Unternehmens, notwendigen Teile verkauft wurden, liegen die Voraussetzungen für eine Haftung gem. § 14 Abs.1 BAO nicht vor.

Der Bescheid ist ersatzlos aufzuheben."

Ergänzungsersuchen

Am ersuchte die belangte Behörde um Vorlage des Kaufvertrages, welcher der Rechnung R13053 der ***Primärschuld_altN*** zugrunde liegt.

Mit Schreiben vom antwortete die Beschwerdeführerin wie folgt:
"Da es sich in der Rechnung R13053 vom der ***CD*** GesmbH um den Verkauf von einzelnen Wirtschaftsgütern handelt, gibt es keinen zugrundeliegenden Kaufvertrag."

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , nachweislich zugestellt am hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und dies folgendermaßen begründet:

"Die vorliegende Beschwerde stützt sich hauptsächlich darauf, dass mit den Gegenständen laut der Rechnung Nr. R13053 vom keine wesentlichen, für die Fortführung des Unternehmens notwendigen Teile verkauft wurden.

Dem ist vom Finanzamt folgendes entgegenzuhalten:

Die in der Rechnung angeführten Gegenstände sind dem, auch in der Beschwerde genannten, ***MN-Projekt*** zuzuordnen. Dieses wurde im Jahr 2013 gegründet, wurde ursprünglich von der ***Primärschuld_altN*** (später umbenannt in ***Primärschuld_neuN***), danach von der ***Bf1*** und wird derzeit von der ***MN*** betrieben.

Geschäftsführer war in allen drei GmbHs im Zusammenhang mit dem ***MN-Projekt*** Hr. ***CD***.

Das ***MN-Projekt*** war seit der Gründung bis heute nicht nur lebensfähig, sondern wurde auch in ***PLZ_Ort1*** ***Ort1*** betrieben. Es wurde somit zumindest ein lebensfähiger Teilbetrieb übergeben. Hierfür sprechen auch die Daten der Firmenbuchbilanz:

[...]

Nach dem Verkauf war keine geschäftliche Tätigkeit der ***Primärschuld_neuN*** durch das Finanzamt mehr wahrnehmbar. Den Darstellungen des Beschwerdeführers wird daher von der Abgabenbehörde nicht gefolgt. Die vorliegende Beschwerde war somit abzuweisen."

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Gleichzeitig beantragte sie die Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO. Betreffend der Beschwerdegründe wurde auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen.

Vorlagebericht

Im Anschluss daran wurden die Beschwerdeakten dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Im Vorlagebericht wird der Sachverhalt wie folgt geschildert:

": Die damalige Fa. ***Primärschuld_altN***, jetzt ***Primärschuld_neuN***, stellt eine Rechnung über € 165.643,52 + USt € 33.128,70, in Summe € 198.772,22 an die ***Bf1*** aus.

: Der bisherige Geschäftsführer ***CD*** der ***Primärschuld_neuN*** wird abberufen (drei Tage vor Fälligkeit der Umsatzsteuer 09/2013!) und durch einen Hrn. ***AB*** ersetzt. Im Zuge der Haftungsinanspruchnahme von Hrn. ***AB*** stellte sich heraus, dass hier jemand mit einem Pass, lautend auf ***AB***, der jedoch bei einem Einbruch entwendet wurde, mit falschem Namen auftrat.

: Die ***Bf1*** unter dem Geschäftsführer ***CD*** macht mittels Umsatzsteuervoranmeldung 09/2013 € 33.990,12 als Gutschrift geltend. Von dieser Gutschrift wurden am € 33.368,07 rückgezahlt und am € 622,05 mit der Umsatzsteuer 10/2013 verrechnet.

: Im Zuge einer Außenprüfung des damals zuständigen Finanzamtes wurde festgestellt, dass die angeführte Rechnung von der ***Primärschuld_altN*** weder gemeldet noch entrichtet wurde. Es erfolgte eine Festsetzung der Umsatzsteuer 09/2013 in Höhe von € 34.000,00.

: Die ***Bf1*** wurde mit dem gegenständlichen Haftungsbescheid nach § 14 BAO zur Haftung herangezogen.

: Beschwerdefristverlängerungsantrag bis . Stattgabe ohne Ausfertigung eines Bescheides.

: Gegenständliche Beschwerde.

: Mittels Ergänzungsauftrag wurde ein Kaufvertrag im Zusammenhang mit der gegenständlichen Rechnung abverlangt.

: Antwort auf Ergänzungsauftrag, dass kein Kaufvertrag existiert.

: BVE

: Gegenständlicher Vorlageantrag."

Zusätzlich verwies die belangte Behörde darauf, dass das ***MN-Projekt*** seit mindestens 2013 durch die Familie ***CD*** in ***Ort1*** über bereits drei GmbHs betrieben werde und sofern es sich nicht ohnehin um eine Scheinrechnung handle, so fand hier ein Verkauf vom damaligen Geschäftsführer beider GmbHs an sich selbst statt. Deshalb beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde.

Beigelegt waren dem Vorlagebericht unter anderem diverse Firmenbuchauszüge, Firmenbuchbilanzen und Abgabenkontoauszüge.

Ergänzung zur Vorlage

Am langte beim Bundesfinanzgericht folgende Ergänzung zum Vorlageantrag ein:

"Im Namen und Auftrag unseres oben angeführten Klienten wird zusätzlich zur ursprünglichen Begründung der Beschwerde folgendes ausgeführt:

Es wurden, wie bereits angeführt, die im Zeitraum Jänner bis September 2013 angeschafften Muster,-Handelswaren und Anlaufkosten des ***MN-Projekt*** an die ***Bf1*** verkauft. Diese einzelnen Wirtschaftsgüter bilden keine selbstständige organisatorische Einheit und stellen somit keinen lebensfähigen Betrieb dar. Die ***Primärschuld_altN*** wurde lt Notariatsakt vom (Beilage 1) an den unter mehreren Interessenten ausgewählten Herrn ***AB*** verkauft, da er sich für die Projekte Schredder, Pyrolyse und Reifenentsorgung, den Kernbereich des Unternehmens, interessierte. Es wurde vom Notar ***Notar*** eine Identitätsprüfung durchgeführt und in den Notariatsakt aufgenommen und daher ist es sehr verwunderlich zu erfahren, dass es sich anscheinend nicht um Herrn ***AB*** gehandelt hat, da lt Finanzamt der Reisepass bei einem Einbruch entwendet worden ist. Herr ***CD*** ist jedenfalls durch die Identitätsprüfung des Notars, seinen Pflichten als ordentlicher Kaufmann nachgekommen.

Der Aufbau von notwendigen Strukturen (z.B. Verkaufsflächen, Vertriebsstrukturen, eigenes Rechenwerk u.a.) konnte auch in der ***Bf1*** nicht erfolgen, da Reifen auf dem Herrn ***CD*** gehörenden Grundstück liegen blieben und sogar laufend noch welche hinzugekommen sind. Da Herr ***AB*** für Herrn ***CD*** nicht mehr erreichbar war, musste Herr ***CD*** handeln und übernahm mit der ***Bf1*** wieder die Reifenentsorgung. Somit wurde das ***MN-Projekt*** wieder in den Hintergrund gedrängt. Das Hauptgeschäft der ***Bf1*** bestand somit wieder in der Reifenentsorgung, was in beiliegender Aufteilung der Erlöse und Kosten ersichtlich ist (Beilage 2).

Im Jahr 2015 wurde die ***Bf1*** von einem neuen 100 % igen Gesellschafter Geschäftsführer übernommen und durch die Gründung der ***MN*** und der Anmeldung eines Geschäfts in Wr. Neustadt konnte eine selbstständige, organisatorische Einheit gebildet werden, welche das ***MN-Projekt*** zum eigenständigen Betrieb machte."

Mitteilung des Beschwerdeführers

Mit Schreiben vom gab die Beschwerdeführerin folgendes bekannt:
"Mittlerweile erfolgte durch das Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt eine Betriebsprüfung für die Jahre 2013-2017 statt. Es wurde von der Prüferin festgestellt, dass es sich im Jahr 2013 um einen Verkauf von Handelsware und einzelne Gegenstände die das ***MN-Projekt*** betrifft handelte. (T2 2). Die ersten Einkäufe von Mustern u. ***MN-Projekt-Ware*** erfolgte im März 2013 und am wurden diese wieder verkauft.

Außerdem wurde festgesteilt, dass das ***MN-Projekt*** bis ins Jahr 2015 aufgebaut wurde T2 1). Es kann daher im Jahr 2013 kein eigenständiger Betrieb verkauft worden sein."

Beigelegt war ein Bericht über eine Niederschrift über eine Schlussbesprechung vom mit zwei Textziffern:

"Tz. 1 Allgemeines
Das geprüfte Unternehmen wurde mit Erklärung vom errichtet und ins Firmenbuch unter FN
***FN_Bf1*** eingetragen. Gesellschafter und Geschäftsführer war von Errichtung bis Herr ***CD***, ***Ort1***. Danach wurden die Anteile an Herrn ***EF*** verkauft. Betriebsgegenstand ist die Reifenentsorgung und bis 2015 wurde das ***MN-Projekt*** aufgebaut.

Tz. 2 Nicht abzugsfähige Vorsteuer
Mit Rechnung R13053 vom erwirbt das geprüfte Unternehmen die im Jahre 2013 angeschafften Handelswaren
***MN-Projekt*** und weitere für dieses Projekt erworbene Gegenstände von der Firma ***Primärschuld_altN*** in Höhe von € 165.643,52 zzgl. 20 % MWSt. Mit der UVA 9/2013 wird die in der Rechnung ausgewiesene Steuer als Vorsteuer in Höhe von € 33.128,70 geltend gemacht. Bei der in der Rechnung ausgewiesenen Handelsware handelt es sich um Waren der Firma ***GH***, D, nachgewiesen durch Lieferscheine. Die Ware hat einen Einstandspreis von € 25.000,-- und wurde um € 63.500,-- weiterfakturiert.

[…]

Herr ***CD*** war von Errichtung der ***Bf1*** am bis zum Geschäftsführer und Gesellschafter der Gesellschaft. Ebenso war er zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma ***Primärschuld_altN*** (jetzt ***AB***). Am wurden die Anteile der ***Primärschuld_altN*** an Herrn ***AB*** aufgrund der wirtschaftlichen Situation zu einem Abtretungspreis von € 1,-- veräußert. Wie sich in weiterer Folge herausstellt, verwendete dieser einen gestohlenen Reisepass. Herr ***AB*** war auch für Herrn ***CD*** nicht mehr erreichbar. Der gesamte Rechnungsbetrag (brutto) wurde am auf das betriebliche Konto der ***Primärschuld_altN*** überwiesen und mit diesem Betrag wurde das Verrechnungskonto des Herrn ***CD*** ausgeglichen. Die auf der Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer wurde von der ***Primärschuld_altN*** bis zum Verkauf der Gesellschaftsanteile nicht abgeführt und es wurde auch keine Überrechnung durchgeführt.
[…]"

Beschluss

Zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelte das Bundesfinanzgericht das Schreiben des Beschwerdeführers vom samt Notariatsakt vom sowie das Schreiben des Beschwerdeführers vom samt BP-Bericht des Finanzamtes Neunkrichen Wr. Neustadt vom der belangten Behörde zur Kenntnisnahme / Stellungnahme.

Dazu gab die belangte Behörde folgende Stellungnahme ab:

"Die Abgabenbehörde steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass ein Betrieb als Ganzes übereignet wurde. Nur weil in der zugrundeliegenden Rechnung alle Gegenstände einzeln angeführt wurden ändert dies nichts daran, dass die ehemalige ***Primärschuld_altN***, spätere ***Primärschuld_neuN***, nach dem Verkauf über kein Anlagevermögen mehr verfügte. Zu dieser Annahme gelangt die Abgabenbehörde, da laut Firmenbuch zum die ***Primärschuld_neuN*** noch über ein Anlagevermögen von € 139.146,19 verfügte, die ***Bf1*** zum über € 0,00. Zum verfügte die ***Bf1*** über ein Anlagevermögen von € 100.291,24 (s. hierzu auch die Aufgliederung in der BVE). Das Insolvenzverfahren betreffend der ***Primärschuld_neuN*** im Jahr 2015 wurde mangels Vermögennicht eröffnet.

Leider kann die Abgabenbehörde nicht beweisen, dass nach dem Verkauf keinAnlagevermögen und wahrscheinlich auch keine anderen Aktiva mehr bei der ***Primärschuld_neuN*** existierten, da keine Bilanz zum vorliegt, sondern kann nur von Indizienausgehen. Über diese Daten müsste jedoch der ehemalige Geschäftsführer der ***CD***/***Primärschuld_neuN*** verfügen. Immerhin war er ja Geschäftsführer beider GmbHs.

Auch ein detailliertes Anlageverzeichnis der ***Bf1*** zu könnte hierKlarheit schaffen. Das ***MN-Projekt*** war auf jeden Fall It. Internetrecherche (s.Vorlagebericht) spätestens seit tätig.

Die Anforderungen des § 14 BAO sind wie folgt erfüllt:
Laut Rechtsprechung müssen nicht alle zum Unternehmen (Betrieb) gehörigen
Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern nur jene, welche die wesentliche Grundlagedes Unternehmens (Betriebes) bilden und den Erwerber in die Lage versetzen, dasUnternehmen fortzuführen."

Mündliche Verhandlung:

In der mündlichen Verhandlung führten Vertreter der Beschwerdeführerin aus, dass ursprünglich geplant war, dass die ***Bf1*** das ***MN-Projekt*** abschließt; also musste das, was schon probiert wurde, in eine neue Gesellschaft transferiert werden. Allerdings ist die Reifenentsorgung dann in der ***Bf1*** weitergegangen und das ***MN-Projekt*** wurde nicht weiterbetrieben. Nach Ansicht der Vertreter der Beschwerdeführerin ist ein Hofladen noch kein Betrieb, weil die Grundlagen fehlen würden.
Zur Frage, welchen Firmenwert die Beschwerdeführerin abgeschrieben hat, gab der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin an, dass der Kauf irgendwie verbucht werden musste und es unerheblich sei, ob die Bezeichnung als Firmenwert richtig ist oder ob ein falscher Aktivierungsposten gewählt wurde.
Fragen zum Verrechnungskonto könne nach Angaben der Vertreter der Beschwerdeführerin vielleicht ***CD*** beantworten.

Der ehemalige Geschäftsführer der Verkäuferin (***Primärschuld_altN***) und der Käuferin (Beschwerdeführerin), ***CD***, wurde als Zeuge einvernommen. Zum Verrechnungskonto gab er an, dass es im Zuge des Verkaufs auf Null gestellt werden musste und seine Forderungen an die ***Primärschuld_altN*** mit dem Kaufpreis von der Beschwerdeführerin beglichen wurden.

Zum Verkauf der Geschäftsanteile an der ***Primärschuld_altN*** gab der Zeuge an, dass er die Reifenentsorgung schon länger verkaufen wollte und der Verkauf auf "flohmarkt.at" inseriert wurde. Dabei bezeichnete es der Zeuge als einen normalen Prozess, dass sämtliche Unterlagen bereits lange vor dem Notartermin übergeben werden.

Die Frage, mit welchem Namen sich der Käufer vorstellte, beantwortete der Zeuge dahingehend, dass er einen Personalausweis, eine Kopie oder vielleicht auch nur eine Visitenkarte hatte und er es nicht mehr wisse. Der Zeuge konnte auch nicht sagen, ab wann der Käufer nicht mehr für ihn erreichbar war.

Die Frage, ob es nun im Jahr 2013 einen Hofladen gab, beantwortete der Zeuge damit, dass dies so sein werde.

Zur Frage, ob ***MN-Projekt***-Produkte über einen mobilen Wagen verkauft werden sollten, gab der Zeuge an, dass im ersten Jahr ein Dorffest besucht wurde.

Nachreichung

Mit Faxnachricht vom langte vom Vertreter der Beschwerdeführerin ein nachgereichter Zeitungsartikel ein, aus dem hervorgehen soll, dass der "***MN-Projekt-Betrieb***" erst im Jahr 2014 begonnen wurde und der Hofladen erst im Oktober 2014 eröffnet worden wäre.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die ***Primärschuld_altN*** wurde im Jahr 1988 gegründet. Geschäftsführer und 10% Gesellschafter war ***CD***. Die restlichen Gesellschaftsanteile hielt ***KL***. Geschäftsgegenstand war hauptsächlich die Reifenentsorgung. Spätestens zu Beginn des Jahres 2013 begann die ***Primärschuld_altN*** zusätzlich mit dem "***MN-Projekt***". Es wurden Handelswaren eingekauft und Marketingaktivitäten gesetzt. Ein stationärer Hofladen wurde eingerichtet und ein mobiler Laden auf einem Verkaufsanhänger wurde betrieben.
Im Juli 2013 wurde die ***Bf1*** mit einer Stammeinlage von 200.000 € gegründet. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war ***CD***.

Am erstellte die ***Primärschuld_altN*** eine Rechnung an die ***Bf1***. Zum Bruttobetrag von 198.772,22 € wurden die wesentlichen Betriebsgrundlagen für den Betriebsteil "***MN-Projekt***" an die ***Bf1*** in Rechnung gestellt (Nettobetrag: 165.643,52).
Der Betrag wurde verwendet, um das Verrechnungskonto von ***CD*** bei der ***Primärschuld_altN*** auszugleichen. In der Rechnung vom sind auch Projektvorlaufkosten in Höhe von 25.000 € enthalten. Im Anlagenspiegel der ***Bf1*** zum ist der Zugang eines Geschäfts/Firmenwertes von 25.000 € ausgewiesen.
Die in der Rechnung vom ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 33.128,70 € wurde von der ***Primärschuld_altN*** nie in einer Umsatzsteuervoranmeldung erfasst und nie an das Finanzamt abgeführt. Die ***Bf1*** hat den Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung geltend gemacht und kannte somit die in Betracht kommenden Schulden.

Mit notariellem Abtretungsvertrag vom wurden die Gesellschaftsanteile der ***Primärschuld_altN*** um € 1 abgetreten. Erwerber der Gesellschaftsanteile war eine Person, die sich als ***AB*** ausgegeben hatte. Unmittelbar nach der notariellen Abtretung der Gesellschaftsrechte wurde die ***Primärschuld_altN*** in ***Primärschuld_neuN*** umbenannt und der Sitz der Gesellschaft nach Wien verlegt. Jene Person, die sich als ***AB*** ausgab, war für die Abgabenbehörde nicht erreichbar, zumal diese Person gefälschte Ausweise benützte.

Mit Haftungsbescheid vom zog die belangte Behörde die Beschwerdeführerin als Erwerberin des ***MN-Projekt***-Betriebes gem § 14 BAO zur Haftung in Höhe von 33.375 € heran. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom .

Beweiswürdigung

Aus dem Firmenbuch ist zur Firmenbuchnummer FN ***FN1*** zu entnehmen, dass die ***Primärschuld_altN*** im Jahr 1988 gegründet wurde. Geschäftsführer und Mitgesellschafter seit der Gründung war ***CD***. Die Feststellungen zum Geschäftsgegenstand der ***Primärschuld_altN*** gründen sich unter anderem auf die Angaben in der Beschwerde vom , in der ausgeführt wird, dass sich die ***Primärschuld_altN*** seit dem Jahr 1996 mit der Entsorgung von Reifen und damit zusammenhängenden Projekten befasste.

Aus dem Firmenbuch ist ersichtlich, dass der Jahresabschluss der ***Primärschuld_altN*** zum am beim Firmenbuchgericht eingelangt war. In diesem elektronisch eingereichten Jahresabschluss ist vermerkt, dass er am von "***CD***" unterschrieben wurde. In den Schriftsätzen der Beschwerdeführerin wurde - in Übereinstimmung mit der Aussage des Zeugen in der mündlichen Verhandlung (und damaligen Geschäftsführers) stets vorgebracht, dass sämtliche Buchhaltungsunterlagen bereits am übergeben worden wären.
Aus diesem Jahresabschluss ist ersichtlich, dass die Gesellschaft über ein Anlagevermögen in Höhe von ca. 45.000 € zum Bilanzstichtag () verfügte. Im Anhang des Jahresabschlusses heißt es zum negativen Eigenkapital: "Eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechtes besteht nicht, da der Gesellschafter ***CD*** erklärt hat mit seinen Forderungen in Höhe EUR 169.970,00 im Insolvenzfall hinter den übrigen Gläubigern hintanzustehen.
Der Restbetrag von EUR 688.108,92 gründet sich auf die unserer Meinung nach völlig unrichtige Vorgangsweise der Bezirkshauptmannschaft
***Ort3*** betreffend die Ersatzvornahme der Räumung der Deponie ***Ort2***. Die Abrechnung bzw. die Kostenvorschreibung in Höhe von EUR 659.681,49 wurde bereits mit Rechtsmittel bekämpft und auf eine rechtlich falsche Vorschreibung des Finanzamtes aufgrund einer Betriebsprüfung in Höhe von EUR 66.409,22. Dies wurde ebenfalls bereits mit Rechtsmittel bekämpft."

Der nächste Eintrag im Firmenbuch betrifft einen Antrag auf Sitzverlegung. Vorausgegangen ist diesem Antrag ein in Notariatsaktform gefasster Abtretungsvertrag vom .

Aus dem Jahresabschluss der ***Primärschuld_altN*** für 2012, der beim Firmenbuch hinterlegt ist, geht hervor, dass im Geschäftsjahr 2012 durchschnittlich zwei Arbeitnehmer (Arbeiter) bei der Gesellschaft beschäftigt waren. Aus den Daten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger geht hervor, dass im Jahr 2012 - beginnend von - ein ***OP*** als Arbeiter bei der ***Primärschuld_altN*** beschäftigt war. Aus diesen Daten geht ebenfalls hervor, dass das Arbeitsverhältnis am geendet hatte. Weitere Arbeitnehmer waren bei der ***Primärschuld_altN*** (oder nachfolgender Name: ***Primärschuld_neuN***) nicht mehr gemeldet. Aus den Daten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger für die Beschwerdeführerin (***Bf1*** bzw ***Bf1***) ist ersichtlich, dass genau dieser ***OP*** ab bei der Beschwerdeführerin als Arbeiter angemeldet wurde.

Die ***Primärschuld_altN*** war seit dem Jahr 2009 Alleingesellschafter der ***IJ*** mit der Firmenbuchnummer FN ***FN2***. Geschäftsführer von der Gründung dieser Gesellschaft im Jahr 2009 bis zur Sitzverlegung vom Burgenland nach ***Ort1*** im Jahr 2010 war ***CD***.
In der Rechnung vom von der ***Primärschuld_altN*** an die ***Bf1*** sind auch die Firmenanteile an der ***IJ*** erfasst, die - laut dieser Rechnung - um € 1 von der ***Primärschuld_altN*** an die ***Bf1*** abgetreten wurden. Ein Notariatsakt liegt dazu nicht vor. Auch aus dem Firmenbuch ist eine solche Anteilsabtretung nicht ersichtlich. Formfreie Einigungen über die Abtretung eines Geschäftsanteils sind unwirksam (vgl ).
Ersichtlich ist aus dem Firmenbuch allerdings, dass im Juni 2013 ein Sanierungsverfahren über das Vermögen der ***IJ*** eröffnet wurde.
Aus dieser Rechnung vom ist auch ersichtlich, dass neben ***MN-Projekt***-Handelsware und neben ***MN-Projekt***-Projektvorlaufkosten (beide zusammen 88.500 €) noch zahlreiche andere Wirtschaftsgüter, nämlich zB "Elektroinstallation", "Feuerschutzelement", "Sektionaltore", "Tresor Wandeinbau", "Hauseingangstüre", "Büroeinrichtung", "Ausstattung Büro", "Teppich", Computer und Computerzubehör verkauft wurden. Da es sich bei vielen dieser Gegenstände, die in der Rechnung vom angeführt sind, zwei Jahre später von der Beschwerdeführerin an die ***MN*** verkauft wurden, um Gegenstände handelt, die in einem Gebäude fest verbaut sind (zB "Tresor Wandeinbau") oder betriebliche Strukturen darstellen ("Ausstattung Büro", "Büroeinrichtung") ist schon deswegen vom Vorhandensein eines Betriebes auszugehen.

Aus dem Firmenbuchauszug der ***Bf1*** (FN ***FN_Bf1***) - also der Erwerberin bzw Empfängerin der Rechnung vom - ist ersichtlich, dass die Gesellschaft durch Errichtungserklärung vom gegründet wurde. Aus dieser Errichtungserklärung, die beim Firmenbuchgericht hinterlegt ist und in die Einsicht genommen wurde, geht hervor, dass das Stammkapital der Gesellschaft 200.000 € betragen soll und dass der Alleingesellschafter (***CD***) diese Stammeinlage übernimmt und hierauf eine Bareinzahlung von 200.000 € leistet. Dieser Betrag wurde auch tatsächlich an den Empfänger "***Bf1*** in Gründun" am überwiesen. Im Zuge einer Außenprüfung bei der ***Bf1*** im Jahr 2019 wurde gegenüber dem prüfenden Finanzamt angegeben, dass die ***CD*** GesmbH Verbindlichkeiten gegenüber Herrn ***CD*** in Höhe von 169.970 € sowie Verbindlichkeiten aus einem Verrechnungskonto in Höhe von 33.310,94 € bestanden. Zusammen ergibt dies 203.280,94 €.
Im Bericht über die Außenprüfung bei der ***Bf1*** hat die Prüferin festgehalten, dass der Rechnungsbetrag aus der Rechnung vom (Verkauf von Wirtschaftsgüter, die das ***MN-Projekt*** betrafen) in Höhe von 198.772,22 € brutto auf das betriebliche Bankkonto der ***Primärschuld_altN*** überwiesen wurde und "mit diesem Betrag wurde das Verrechnungskonto des Herrn ***CD*** ausgeglichen". Vorgelegt wurde dazu ein Ausdruck dieses Verrechnungskonto aus dem Jahr 2019, das jedoch nur die Höhe und die Entwicklung des Kontos im Jahr 2013 zeigt.
Zum Zahlungsfluss hat der Zeuge angegeben, dass seine Forderungen an die ***Primärschuld_altN*** beglichen wurden.
Im Ergebnis wurde das Gründungskapital der ***Bf1*** (der Beschwerdeführerin) an den Zeugen (und Gesellschafter/Geschäftsführer sämtlicher beteiligter Unternehmen) wieder ausbezahlt.

Aus Sozialversicherungsdaten, in die Einsicht genommen wurde, geht hervor, dass am ein ***OP*** als Arbeiter bei der Sozialversicherung angemeldet wurde.

In der Beschwerde vom wird angeführt, dass sich die ***Primärschuld_altN*** (letzter Name: ***Primärschuld_neuN***) seit 1996 mit der Entsorgung von Reifen und damit zusammenhängenden Projekten (Schredder, Pyrolyseanlage) beschäftigte und es sich dabei um den Kernbereich der Gesellschaft handle, wobei die wesentlichen Grundlagen aus den Abnahmeverträgen und der Betriebsanlagengenehmigung sowie Lagerplatz und Förderbändern etc. bestehen würde.
Aus dem Gewerbeinformationssystem ist dazu ersichtlich, dass die Gesellschaft eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe "Handelsgewerbe" verfügte, seit November 1995 ***CD*** der gewerberechtliche Geschäftsführer war und seit August 2005 die Gewerbeberechtigung für den Standort ***Ort1a*** gegolten hatte. Auf der Rechnung vom ist angeführt, dass die ***Primärschuld_altN*** eine "Zentrale Reifensammelstelle in NÖ" betrieb, wobei als Büroanschrift dieselbe Adresse wie in der Gewerbeberechtigung angeführt ist und als "Werksanschrift" ***Ort2*** genannt ist.

Mit Abtretungsvertrag vom , in den Einsicht genommen wurde, wurden die Geschäftsanteile der ***Primärschuld_altN*** um € 1 abgetreten. Festgehalten wurde im Abtretungsvertrag, dass sich der Abtretungspreis aus der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft ergeben würde, und der Erwerber erklärte, die Buchhaltungsunterlagen übernommen zu haben und die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu kennen. Zu welchem Zeitpunkt die Buchhaltungsunterlagen übernommen wurden, ist nicht im Vertrag vermerkt. Angeführt ist hingegen, dass ein Finanzverfahren und ein Verfahren über eine Reifenzwangsentsorgung anhängig sind. Im Zuge der Zeugeneinvernahme hat der Zeuge ausgesagt, dass sämtliche Geschäftsunterlagen, also auch Abnahmeverträge übergeben worden wären.

Dem beim Firmenbuchgericht hinterlegten Abtretungsvertrag ist noch eine Spezialvollmacht vom der Gesellschafterin ***KL*** angefügt, in der sie ***CD*** bevollmächtigt, ihren Geschäftsanteil an der ***Primärschuld_altN*** an eine "Frau ***UV***" abzutreten. Tatsächlich wurde der Abtretungsvertrag jedoch mit einem Herrn ***AB*** abgeschlossen. Diese Spezialvollmacht wurde am Freitag, erteilt und die Echtheit der Unterschrift wurde von jenem Notar bestätigt, der auch den Notariatsakt vom verfasst hatte.

Die Beschwerdeführerin erhob am eine Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2013 sowie gegen den Umsatzsteuerbescheid 2013 (beide vom ). Dieser Beschwerde vorangegangen war eine Außenprüfung des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt, in der festgestellt wurde, dass bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug der 33.128,70 € aus der Rechnung der ***Primärschuld_altN*** vom nicht vorliegen, zumal der damalige Geschäftsführer, ***CD***, hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit einem Finanzvergehen steht.
Auch in dieser Beschwerde wird - ebenso wie in der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid - angeführt, dass Herr ***AB***, als Käufer der ***CD*** GesmbH, ausschließlich Interesse für die Reifenentsorgung hatte und das ***MN-Projekt*** nicht weiterverfolgen wollte. Daher wurden am die Muster,- bzw. Handelswaren und mit dem Projekt zusammenhängende Kosten an die Beschwerdeführerin verkauft. Weiters heißt es sodann: "Im Zuge dessen wurde bereits am die gesamte Buchhaltung übergeben und somit auch der Betrieb übergeben. Zur formellen Übergabe kam es erst bei Notartermin am ."

Festzuhalten ist somit an dieser Stelle, dass die Buchhaltungsunterlagen vom damaligen Geschäftsführer ***CD*** am an einen Herrn ***AB***, der die ***Primärschuld_altN*** - jedoch ohne ***MN-Projekt*** - übernehmen wollte, übergeben worden sein sollen. Allerdings wurde der Jahresabschluss 2012 erst am beim Firmenbuch eingereicht. Aus diesem, beim Firmenbuchgericht hinterlegten, Jahresabschluss ist ersichtlich, dass er am vom Geschäftsführer (***CD***) unterzeichnet wurde. Insofern kann das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht zutreffend sein, zumal sonst nicht erklärbar ist, wie ein Jahresabschluss, der auch zu den Buchhaltungsunterlagen gehört, bereits am übergeben worden sein soll und einen Monat später dann immer noch vom Übergeber beim Firmenbuch eingereicht zu werden. Abgesehen davon wurden keine Bestätigungen, Quittungen etc. für die Übernahme der "Buchhaltungsunterlagen" vorgelegt.

Im Zuge des Haftungsverfahrens wollte die belangte Behörde zunächst den (neuen) Geschäftsführer (und Gesellschafter) der ***Primärschuld_altN*** (= ***Primärschuld_neuN***) zur Haftung heranziehen. Auf Grund der Ausweisdaten, die im Abtretungsvertrag genannt sind, konnte die belangte Behörde erheben, dass ein Herr ***AB*** tatsächlich in Budapest wohnhaft ist. Allerdings wurde beim echten ***AB*** am eingebrochen und unter anderem der Reisepass mit der Nummer ***Nr*** gestohlen. Der Einbruch/ Diebstahl vom wurde den ungarischen Behörden angezeigt, die sodann nach den entwendeten Ausweisdokumenten (erfolglos) gesucht hatten. Der entwendete Reisepass wurde als Identitätsnachweis für den Abtretungsvertrag vom verwendet.

Für das Bundesfinanzgericht stellt sich nun folgender Sachverhaltsablauf dar:
Unstrittig wurde die ***Bf1*** im Juli 2013 mit einem in bar einbezahlten Stammkapital von € 200.000 gegründet. Spätestens Ende August 2013 fassten die Gesellschafter der ***Primärschuld_altN*** den Entschluss, sich ihrer Gesellschaftsanteile zu entledigen, zumal diese Gesellschaft - laut einem Monat später eingereichter Firmenbuchbilanz - ein negatives Eigenkapital in Höhe von knapp 900.000 € für das Jahr 2012 auswies, das zu einem erheblichen Teil aus Forderungen des Finanzamtes und der Bezirkshauptmannschaft ***Ort3*** zurückzuführen ist. Dazu unterzeichnete ***KL*** am Freitag, - offensichtlich vor demselben Notar, der dann im November nochmals tätig wurde - eine Spezialvollmacht zur Veräußerung ihrer Geschäftsanteile an eine "Frau ***UV***, geboren tt.mm.jjjj".
Am Montag, , erstellte die ***Primärschuld_altN*** eine Rechnung an die ***Bf1*** in Höhe von 198.772,22 €. Dieser Betrag wurde zunächst von der ***Bf1*** an die ***Primärschuld_altN*** überwiesen. Von der ***Primärschuld_altN***, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Zeuge ***CD*** war, wurde das Geld in weiterer Folge an ***CD*** zurücküberwiesen. Der einzige angemeldete Arbeitnehmer der ***Primärschuld_altN*** wurde mit Ende August 2013 abgemeldet und am bei der Beschwerdeführerin, die den Reifenentsorgungsbetrieb nahtlos weiterführte, wieder angemeldet.

Ebenfalls am soll der Verkauf der Gesellschaftsanteile der ***Primärschuld_altN*** an einen bestimmten Käufer bereits festgestanden haben, zumal diesem Erwerber bereits am sämtliche Buchhaltungsunterlagen übergeben worden sein sollen. Dazu gab der Zeuge an, dass der Verkauf der GmbH-Anteile auf einer Flohmarkt-Seite im Internet ("flohmarkt.at") angepriesen worden sein soll. Allerdings handelt es sich bei dem von der Beschwerdeführerin und dem Zeugen behaupteten Erwerber nicht um jene beabsichtigte Erwerberin, die in der Spezialvollmacht, die nur drei Tage zuvor ausgestellt wurde, genannt ist.
Eine Identitätsprüfung des Erwerbers - mit dem vermeintlichen Namen ***AB*** - konnte am aber gar nicht vorgenommen werden, zumal der "Käufer" an diesem Tag noch gar nicht wissen konnte, dass er sich im November als "***AB***" ausgeben wird, weil er erst nach dem Einbruch/Diebstahl am einen Reisepass mit dem Namen "***AB***" vorweisen konnte. Dazu passt auch die unglaubwürdige Angabe des Zeugen, dass er "einen Personalausweis oder eine Kopie oder vielleicht auch nur eine Visitenkarte" zur Identitätsprüfung hatte und sich letztlich gar nicht mehr daran erinnern konnte bzw erinnern wollte.

Sofern sich tatsächlich ein Erwerber für den Reifenentsorgungsbetrieb interessiert hat, ist es vollkommen unverständlich, warum nicht bloß dieser Entsorgungsbetrieb, sondern die gesamte (wertlose) Gesellschaft, die sich erheblichen und existenzbedrohenden Forderungen der Bezirkshauptmannschaft und des Finanzamtes ausgesetzt sah, erworben wird.

In einer Ergänzung zum Vorlageantrag (datiert mit ) gab die Beschwerdeführerin an, dass die im Zeitraum Jänner bis September 2013 angeschafften Muster-, Handelswaren und Anlaufkosten des ***MN-Projekt*** von der ***Primärschuld_altN*** an die Beschwerdeführerin verkauft wurden und der Erwerber der ***Primärschuld_altN*** unter mehreren Interessenten ausgewählt worden sein soll. Weiters wird in dieser Ergänzung angeführt, dass der Aufbau von notwendigen Strukturen (zB Verkaufsflächen, Vertriebsstrukturen, eigenes Rechenwerk ua) auch in der ***Bf1*** (Beschwerdeführerin) nicht erfolgen konnte, da Reifen auf dem Herrn ***CD*** gehörenden Grundstück liegen geblieben wären und sogar laufend noch welche hinzugekommen wären. Daher hätte die ***Bf1*** (Beschwerdeführerin) wieder die Reifenentsorgung übernommen und so wäre das Projekt "***MN-Projekt***" wieder in den Hintergrund gedrängt worden.
Diese Angaben sind nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts aus folgenden Gründen unglaubwürdig:
-) Die ***Primärschuld_altN***, die sich - nach Angaben der Beschwerdeführerin - mit der Reifenentsorgung beschäftigte, hatte bis Ende August 2013 einen einzigen Mitarbeiter. Ab wurde dieser Mitarbeiter von der Beschwerdeführerin beschäftigt. Laut Beilage zur Ergänzung vom sind bei der Beschwerdeführerin für den Bereich "***MN-Projekt***" im Jahr 2013 keine Kosten für Fremdleistungen oder Personal angefallen. Hingegen sollen für den Bereich "Reifenentsorgung" alleine 5.306,46 € an Personalkosten angefallen sein.
Offensichtlich war nie geplant, diesen Mitarbeiter für den ***MN-Projekt***-Handelsbetrieb einzusetzen.

-) Aus Zeitungsberichten (zB Zeitung der Wirtschaftskammer Niederösterreich vom und Internetausdrucken) ist ersichtlich, dass die "Familie ***CD***" einen Hofladen in ***Ort1*** betrieb. Damit ist klar, dass Verkaufsflächen sehr wohl geschaffen wurden. Allerdings ist davon auszugehen, dass diese Verkaufsfläche tatsächlich nicht von der Beschwerdeführerin, sondern bereits von der ***Primärschuld_altN*** geschaffen wurde.
-) Die Internetadresse www.***MN-Projekt***-erlebnis.at gab es bereits im Mai 2013. Bereits im Mai 2013 war dort zu lesen, dass etwa Informationen über den Hofladen folgen werden (siehe Abfrageergebnis aus www.archive.org:

[...]

-) Auf der Internetseite der Marktgemeinde ***Ort1*** war im November 2017 zu lesen, dass der Hofladen bereits seit 5 Jahren (!) betrieben wurde. Aus einem Facebook-Auftritt geht hervor, dass es im November 2017 ein "5 Jahres Fest" für "***MN-Projekt*** & Hofladen" gab.
Daraus kann abgeleitet werden, dass es den (Teil)Betrieb bereits vor dem Jahr 2013 gab.
Die Angaben in der Nachreichung vom , dass es erst ab Oktober 2024 einen Hofladen gegeben hätte, lassen sich hingegen nicht einmal aus dem beigelegten (nicht datierten) Zeitungsartikel verifizieren.

-) Die Außenprüfung durch das Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt im Jahr 2019 hat festgestellt, dass die ***Primärschuld_altN*** Handelswaren von zumindest einem deutschen Unternehmen bezogen hatte, die - laut Rechnung vom - um das Zweieinhalbfache des Einstandspreises verrechnet wurden. Es ist gänzlich unverständlich, warum ein Erwerber von Einzelwirtschaftsgütern für Handelswaren, die jederzeit vom ursprünglichen Lieferanten bezogen werden können, um den zweieinhalbfachen Einstandspreis erwerben sollte ohne von einem Betriebserwerb auszugehen.

-) Aus den Daten über innergemeinschaftliche Erwerbe des Jahres 2013 (erstes Halbjahr) ist ersichtlich, dass von zumindest zwei deutschen Lieferanten Handelswaren bezogen wurden und auch Gegenstände für eine Ladeneinrichtung (UID ***UID_ST*** = ***ST***; ***UID_GH*** = ***GH***; ***UID_QR*** = ***XY***.de [***QR***]. Auf den Erwerb von Handelswaren wurde auch in der Nachreichung durch die Beschwerdeführerin vom hingewiesen.

-) Aus der Rechnung vom ist auch ersichtlich, dass "Projektvorlaufkosten" um 25.000 € verrechnet wurden. Was genau unter solchen Projektvorlaufkosten zu verstehen ist, ist in der Rechnung nicht genannt. Auch in den sonstigen Eingaben der Beschwerdeführerin findet sich dazu nichts. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts sind solche Kosten am ehesten mit einem selbst geschaffenen Firmenwert zu vergleichen. Dazu passt auch, dass im Jahresabschluss der Beschwerdeführerin für das Jahr 2013 ein Geschäfts-(Firmen-)Wert enthalten ist, für den im Jahr 2013 die Halbjahres-Afa geltend gemacht wurde (auch in der Körperschaftssteuererklärung).
-) Aus der Rechnung vom ist auch ersichtlich, dass ein "Pferdeanhänger" um € 9.800 (netto) verkauft wurde. Auf der Internetseite www.***MN-Projekt***-erlebnis.at finden sich Informationen und Fotos über einen "mobilen Hofladen". Aus den Fotos ist erkennbar, dass dieser mobile Hofladen in einem Pferdeanhänger untergebracht ist.
-) Für die Kunden der ***MN-Projekt***-Waren war nicht ersichtlich, von welcher GmbH der Betrieb geführt wurde. Der Erwerberin war es auch ohne Probleme möglich, das "***MN-Projekt***" als Betrieb weiterzuführen. Aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin den Betrieb unter den gegebenen Verhältnissen tatsächlich weitergeführt hat, kann abgeleitet werden, dass ein lebensfähiger Betrieb übertragen wurde (vgl ).

Gemäß § 166 BAO kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Bei der Tatsachenfeststellung besteht keine Beschränkung auf eine mathematisch-exakte Beweisführung (); vielmehr sind aus Beweisergebnissen Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu ziehen (). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, im Rahmen der der Behörde nach § 167 Abs. 2 BAO zukommenden "freien Überzeugung" von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt ().

Zusammenfassend gelangt das Bundesfinanzgericht zu dem Ergebnis, dass die ***Primärschuld_altN*** ab Verkauf des (Teil)Betriebes "***MN-Projekt***" im September 2013 eine wertlose Firmenhülle war, während der (Teil)Betrieb "***MN-Projekt***" von der Beschwerdeführerin durchgehend weitergeführt wurde und die Übertragung der GmbH-Anteile an der ***Primärschuld_altN*** an eine Person, die gestohlene Ausweisdaten vorlegt, der billigste Weg war, die überschuldete und wertlose Firmenhülle (samt deren Gläubiger) loszuwerden.

Rechtsgrundlagen

§ 14 BAO lautet:

§ 14. (1) Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber

a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;
b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.

Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen mußte und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.

(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 gelten nicht bei einem Erwerb im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens, bei einem Erwerb aus einer Insolvenzmasse im Sinne des § 2 Abs 2 der Insolvenzordnung (IO) oder bei einem Erwerb während der Überwachung durch eine im Sanierungsplan bezeichnete Person als Treuhänder der Gläubiger (§§ 157 bis 157f IO).

Rechtliche Beurteilung

Die Haftung nach § 14 Abs 1 lit a BAO knüpft an die Übereignung eines Unternehmens oder eines im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführten Betriebes im Ganzen, also an den Übergang eines lebenden oder lebensfähigen Unternehmens (Betriebes) an; damit müssen nicht alle zum Unternehmen (Betrieb) gehörigen Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern nur jene, welche die wesentliche Grundlage des Unternehmens (Betriebes) bilden und den Erwerber in die Lage versetzen, das Unternehmen fortzuführen. Auch die Übertragung eines Teilbetriebes ist von § 14 BAO erfasst (). Die Frage, welche Wirtschaftsgüter die wesentliche Grundlage des Unternehmens (Betriebes) bilden, ist in funktionaler Betrachtungsweise nach dem jeweiligen Unternehmens- oder Betriebstyp zu beantworten (vgl. ). Es kommt nicht darauf an, ob der Erwerber bereit ist, den erworbenen Betrieb unverändert fortzuführen, wenn die insgesamt erworbenen Wirtschaftsgüter objektiv die Fortführung des Betriebes ermöglichten (). Es ist maßgeblich, ob nach der Verkehrsauffassung ein lebendes (oder lebensfähiges) Unternehmen übereignet wurde: es ist also darauf abzustellen, was übereignet wurde, und nicht darauf, was der Erwerber in weiterer Folge mit dem übereigneten Vermögen tat. Zentraler Gesichtspunkt der Betriebsnachfolge im Sinne des § 14 BAO ist der Erwerb einer funktionsfähigen Einheit und daher derjenigen Betriebsmittel, durch die der Erwerber in die Lage versetzt wird, den Betrieb fortzuführen ().

Unter "Übereignung" gemäß § 14 BAO ist die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht anzusehen. Es kommt nicht auf eine besondere zivilrechtliche Gestaltung an (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 164 f). Als Zeitpunkt der Unternehmensübereignung wird dabei jener anzunehmen sein, in welchem so viel an Unternehmensgrundlagen auf den Nachfolger übertragen worden ist, dass diesem die Unternehmensfortführung ermöglicht ist ().

Die Rechtsprechung stellt darauf ab, dass ein Erwerb etwa durch Kauf der Geschäftseinrichtung als einer der wesentlichen Geschäftsgrundlagen dann ausreicht, wenn die andere wesentliche Geschäftsgrundlage, zB das Lokal, lediglich in Bestand genommen wird, sohin der Eigentümer anstatt mit dem vorigen Betreiber des Unternehmens nunmehr mit dem Erwerber der Geschäftseinrichtung einen Bestandvertrag abschließt ().

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. , ), dass eine durch die Unternehmensveräußerung entstehende Umsatzsteuerschuld vom Haftungstatbestand des § 14 Abs. 1 lit. a BAO erfasst wird (). In einem Fall der Teilbetriebsübertragung darf die Haftung nur für Abgaben, die dem entsprechenden Teilbetrieb zuzuordnen sind, geltend gemacht werden (). Die im angefochtenen Bescheid geltend gemachte Haftung betrifft jene Wirtschaftsgüter (Anlage- und Umlaufvermögen), die zur Weiterführung des Betriebsteils "***MN-Projekt***" notwendig waren. Insbesondere ist auszuschließen, dass das Warenlager eines ***MN-Projekt***-Waren-Handelsbetriebes auch in Bezug auf einen Betriebszweig Reifenverwertung die wesentliche Betriebsgrundlage darstellt. Ein "gesondert geführter Betrieb" im Sinne des § 14 Abs. 1 BAO ist auch ein Teilbetrieb ().
Voraussetzung für das Vorliegen eines derivativen (abgeleiteten) Firmenwertes ist etwa der entgeltliche Erwerb eines (Teil-)Betriebes oder Mitunternehmeranteiles (Winkler in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 8 Anm 29; Kanduth-Kristen in Jakom EStG14, § 8 Rz 48). Im Zuge der Bilanzerstellung für das Wirtschaftsjahr 2013 wurde von der Beschwerdeführerin ein Firmenwertzugang in Höhe von 25.000 € erfasst und von diesem Betrag die Halbjahres-Afa geltend gemacht. Ein Firmenwert kann nur dann abgeschrieben werden, wenn dieser Firmenwert zuvor entgeltlich erworben wurde. Sowohl aus Sicht des Verkäufers als auch aus Sicht des Käufers lag ein (Tei)Betrieb vor.

Ein Teilbetrieb ist ein organisch in sich geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gewerbebetriebes, der es vermöge seiner Geschlossenheit ermöglicht, die gleiche Erwerbstätigkeit ohne weiteres fortzusetzen (). Der betriebliche Einkünfte erzielende Teilbetrieb muss sich aus der Gesamtbetätigung ohne organisatorische Schwierigkeiten herauslösen lassen und setzt mindestens einen weiteren Teilbetrieb (Restbetrieb) voraus. Die organische Geschlossenheit eines Betriebsteils zeigt sich daran, dass mehrere Wirtschaftsgüter innerhalb eines Betriebes eine Einheit bilden (eigenständiger betrieblicher Funktionszusammenhang) und diese dem Erwerber im Falle der Veräußerung die Fortführung der Tätigkeit ermöglichen. Die erforderliche gewisse Selbständigkeit des Betriebsteiles setzt voraus, dass sich der Betriebsteil bereits vor der Veräußerung von der übrigen betrieblichen Tätigkeit hinreichend nach außen erkennbar abhebt bzw abgrenzen lässt (). Eigenständige Lebensfähigkeit eines Betriebsteiles liegt vor, wenn der Betriebsteil bei Wegdenken des Restbetriebes ohne Zuführung weiterer Betriebsgrundlagen eigenständig funktionsfähig ist, dh eigenständige wesentliche Betriebsgrundlagen hat. Für einen Teilbetrieb sprechen allgemein folgende Merkmale: eigenes Anlagevermögen, eigenes Warenlager; unterschiedliches Warenangebot; Branchenungleichheit; eigener Kundenkreis. Es ist auf das Gesamtbild abzustellen (vgl ; ). Alle diese Merkmale treffen auf den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt zu.

Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (§ 2 Abs 1 UStG). § 14 BAO dient dem Zweck, die im Unternehmen oder Betrieb als solchem liegende Sicherung für die sich auf das Unternehmen oder den Betrieb gründenden Abgabenschulden durch den Übergang des Unternehmens oder Betriebes in andere Hände nicht verloren gehen zu lassen. Es kann dahin gestellt bleiben, ob der im § 14 BAO verwendete Begriff des Unternehmens mit dem Begriff des Unternehmens im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1994 gleichzusetzen ist. Der Zweck der Bestimmung des § 14 BAO, auch die damit verbundenen Abgabenschulden weiterhin dadurch zu sichern, dass der Rechtsnachfolger in Bezug auf die übertragenen Grundlagen in bestimmtem Umfang haftet, führt dazu, den Begriff des Unternehmens im Sinne des § 14 BAO nach der Verkehrsauffassung zu bestimmen (). Ein weites Verständnis des Unternehmensbegriffs entspricht dem Zweck der Regelung.

Zentraler Gesichtspunkt der Betriebsnachfolge ist der Erwerb einer funktionsfähigen Einheit und daher derjenigen Betriebsmittel, durch die der Erwerber in die Lage versetzt wird, den Betrieb fortzuführen durch ein oder auch mehrere aufeinander folgende Rechtsgeschäfte (). Für einen Handelsbetrieb ist das Warenlager wesentliche Geschäftsgrundlage (zB ). Die Beschwerdeführerin konnte das Unternehmen bzw den Betrieb auch ohne Investitionen fortführen, zumal bereits sämtliche Betriebsmittel für den Verkauf von ***MN-Projekt***-Produkten vorhanden und von der Beschwerdeführerin erworben wurden.

Auch nach der Verkehrsauffassung lag im Zeitpunkt des Verkaufs (September 2013) ein Unternehmen iSd § 14 BAO vor. Es wurden Waren eingekauft, Waren verkauft, Verkaufswagen unterhalten, Marketingaktivitäten gesetzt. Schließlich wurde der Teilbetrieb bzw das Unternehmen samt "Projektvorlaufkosten" und Handelswaren (inklusive einem erhelblichen Aufschlag auf den Einkaufspreis) an die Beschwerdeführerin verkauft, die das Unternehmen auch tatsächlich weiterführte. Folgt man der Argumentation der Beschwerdeführerin, hat sich die Verkäuferin (***Primärschuld_altN***) mit zwei unternehmerischen Tätigkeiten beschäftigt - einerseits der Reifenentsorgung und andererseits dem ***MN-Projekt***. Nach Angaben der Beschwerdeführerin wurde die Reifenentsorgung am (durch Übergabe sämtlicher Buchhaltungsunterlagen) an einen "interessierten" Erwerber verkauft. Insofern blieb nur noch das ***MN-Projekt*** als unternehmerischer Bereich über, der von der Beschwerdeführerin übernommen wurde.

Bei der Ermessensübung ist insbesondere der Grundsatz der Subsidiarität der Haftung zu beachten, d.h. wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner (Veräußerer des Unternehmens oder Betriebes) nicht ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könnte. Der Hauptschuldner (***Primärschuld_altN*** bzw nach Namensänderung ***Primärschuld_neuN***) hat weder Abgabenerklärungen abgegeben noch Abgaben entrichtet. Vielmehr ist der Hauptschuldner wegen Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht worden, nachdem ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wurde. Die für die Ermessensübung relevante Zielrichtung des § 14 BAO liegt darin, die im Unternehmen (Betrieb als solchem) liegende Sicherung für die auf den Betrieb sich gründenden Abgabenschulden durch den Übergang des Unternehmens (Betriebes) in andere Hände nicht verloren gehen zu lassen.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im vorliegenden Fall entscheidungswesentlich die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes war, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht vor (vgl ), weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

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