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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 16.02.2024, RV/7104479/2019

Einstellung des Verfahrens aufgrund Wegfalls der Rechtsfähigkeit (Löschung einer vermögenslosen GmbH)

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** betreffend

  1. Umsatzsteuer 2008 datiert vom ,

  2. Umsatzsteuer 2009 datiert vom und

  3. Festsetzung Umsatzsteuer für 01-05/2009 datiert vom

beschlossen:

I. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin wurde mit Eintragung am gemäß § 40 FBG (Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991) wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

Der ehemalige Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, ***1*** ***2***, wurde mit Bescheid datiert vom als Haftungspflichtiger gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO (Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961) für € 45.000,00 herangezogen.

Die verfahrensgegenständliche Beschwerde wurde vom Finanzamt sowohl als eine des ehemaligen Geschäftsführers als auch als eine der vollbeendeten Gesellschaft (der Beschwerdeführerin) gewertet.

Der Beschwerde des ehemaligen Geschäftsführers im Haftungsverfahren wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts () stattgegeben und der angefochtene Haftungsbescheid aufgehoben.

In diesem Verfahren wurde unter anderem festgehalten, dass die genannten € 45.000,00 bei der Beschwerdeführerin uneinbringlich seien, da im über ihr Vermögen eröffneten Konkurs nach Verteilung lediglich an die Massegläubiger der Konkurs aufgehoben und die Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht worden sei.

Allerdings wurde vom Finanzamt die gegenständliche Beschwerdeschrift im Zweifel auch als eine der Beschwerdeführerin interpretiert um sicherzugehen, dass diesem Anbringen kein Inhalt unterstellt wird, welcher einer Partei die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt.

Dementsprechend wurde in der an den ehemaligen Parteienvertreter der Beschwerdeführerin adressierten Beschwerdevorentscheidung datiert vom die Beschwerde mit Argument zurückgewiesen, dass eine vollbeendigte Gesellschaft keinen Vertreter haben könne und die Beschwerde jedenfalls verspätet sei.

Dagegen richtet sich der im Namen des ehemaligen Geschäftsführers durch dessen steuerliche Vertreterin erhobene mit Telefax am übermittelte Vorlageantrag, welcher auch die Beschwerdeführerin und deren Steuernummer nennt. Darin wird argumentiert, dass die genannte Beschwerdevorentscheidung ohnehin möglicherweise ein rechtliches "Nullum" sei, da die im Namen der Beschwerdeführerin keine Beschwerde erhoben worden, in der Beschwerdevorentscheidung der Adressat nicht bezeichnet und diese nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei.

2. Sachverhalt

Die vom Finanzamt als Beschwerdeführerin angesehene ehemalige ***Bf1*** wurde mit dem am eingetragenen Beschluss des Firmenbuches gemäß § 40 FBG gelöscht, da im über diese Gesellschaft eröffneten Konkurs das Vermögen lediglich an die Massegläubiger verteilt worden ist.

Die vom Finanzamt im Weg der griffweisen Schätzung nach § 184 BAO festgesetzten € 45.000,00 an Umsatzsteuer für die Beschwerdezeitraum waren bei der ehemaligen im Beschwerdezeitraum niemals tätig gewordenen Gesellschaft uneinbringlich, weswegen das Finanzamt eine Aussetzung der Einbringung (§ 231 BAO) verfügt hat und der Saldo auf dem Abgabenkonto der ehemaligen Gesellschaft € 0,00 betragen hat.

3. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem jeweils unwidersprochenen Parteienvorbringen, den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen, dem Einblick in die Datenbanken der Finanzverwaltung und dem Firmenbuch.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Einstellung des Verfahrens

Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat bloß deklarativen Charakter () und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Aktivvermögen vorhanden ist (ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, z.B. ; , 6 Ob 244/22h) und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt sind (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 79, Tz 10 f; ; , 2006/13/0187).

Die Rechts- und Parteifähigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bleibt daher auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch solange erhalten, als noch Abwicklungsbedarf besteht (vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3, § 79 Anm 4), was dann der Fall ist, wenn eine Abgabenfestsetzung etwa durch Anrechnung von bereits entrichteten Steuervorauszahlungen, Abzugsteuern oder Vorsteuern in einem Abgaben- oder Beschwerdeverfahren zu einem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen kann. Abwicklungsbedarf und somit Parteifähigkeit besteht trotz bereits erfolgter Löschung im Firmenbuch ferner, wenn eine Abgabe bereits entrichtet wurde und in einem Abgaben- oder Beschwerdeverfahren ein möglicher Rückforderungsanspruch und somit eine etwaige Forderung geltend gemacht wird (; , Ra 2015/16/0074). An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide können daher bei bestehendem Abwicklungsbedarf grundsätzlich rechtswirksam ergehen (; , 2006/16/0220; , 2007/15/0112; , Ro 2014/13/0035).

Bis zur Vollbeendigung braucht die aufgelöste Gesellschaft einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter. Grundsätzlich fungiert der vormalige Geschäftsführer als "geborener Liquidator" (; ).

Der Auflösung folgt in der Regel die Liquidation oder Abwicklung (§ 89 GmbHG; GmbH-Gesetz, RGBl.Nr. 58/1906)). Während dieser Zeit wird eine Kapitalgesellschaft durch die im Firmenbuch eingetragenen Liquidatoren oder Abwickler (§ 93 GmbHG) vertreten.

Nach Beendigung der Liquidation und Entlastung der Liquidatoren erfolgt die Löschung im Firmenbuch (§ 93 GmbHG). Mit ihr endet auch das Liquidatorenamt. Sollten in weiterer Folge noch Bescheide an die im Firmenbuch gelöschte Gesellschaft erlassen werden, regelt § 80 Abs. 3 BAO, dass Zustellungsvertreter einer gelöschten GmbH nach Beendigung der Liquidation ist, wer gemäß § 93 Abs. 3 GmbHG auf die Dauer von sieben Jahren zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war. Bei diesem "Verwahrer", der in Ermangelung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrages oder eines Gesellschafterbeschlusses durch das Gericht bestimmt wird, kann es sich um einen Gesellschafter oder um eine dritte Person handeln.

Keine Liquidation findet hingegen im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft und im Falle der Löschung einer Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 Abs. 1 FBG (Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991) statt (vgl. Haberer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 89 Rz 11 f).

Die Vertretungsregelung des § 80 Abs. 3 BAO erfasst nur jene Fälle, in denen eine Liquidation (§ 89 GmbHG) stattgefunden hat. Nicht erfasst sind Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft gemäß § 40 Abs. 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wird oder eine Gesellschaft gemäß § 39 Abs. 1 FBG bei Konkursabweisung mangels eines zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichenden Vermögens (§ 71b IO) als aufgelöst gilt und daher mangels Vermögens von Amts wegen zu löschen ist (vgl. ).

Die Löschung gemäß § 40 Abs. 1 FBG sowie die im Firmenbuch gemäß § 39 Abs. 2 FBG einzutragende Auflösung gelten zwar nur als deklarativ und führen grundsätzlich nicht zur Vollbeendigung der Gesellschaft (vgl. dazu auch ).

Jedoch ist mit der nur deklarativ wirkenden Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch nach der Rechtsprechung des OGH konstitutiv auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft durch die bisherigen Geschäftsführer oder Liquidatoren verbunden, selbst wenn die Gesellschaft noch fortbesteht, weil etwa noch Aktivvermögen vorhanden ist (ständige Rechtsprechung des OGH, z.B. ; , 6 Ob 244/22h). Demnach können in diesem Fall an eine im Firmenbuch gelöschte juristische Person mangels Handlungsfähigkeit keine Bescheide mehr wirksam erlassen werden (vgl. Knechtl/Mitterlehner/ Panholzer, Die Kapitalgesellschaft in der Steuererklärung 2018, 31 mit weiteren Nachweisen). Eine Zustellung etwa an den früheren Geschäftsführer wäre unwirksam (vgl. ; ).

Mit der Konkurseröffnung ist die zuvor von der Beschwerdeführerin. erteilte Vollmacht gemäß § 1024 ABGB (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811) kraft Gesetzes erloschen. Die Vollmacht erlischt endgültig, sie lebt auch nicht mit Aufhebung der Insolvenz wieder auf (vgl. etwa Perner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1024 Rz 1f mit weiteren Nachweisen).

Da somit niemand die Beschwerdeführerin vertritt und eine andere Person, der eine Erledigung für die Beschwerdeführerin zugestellt werden kann, soweit ersichtlich nicht besteht, kann eine Erledigung durch das erkennende Gericht im gegenständlichen Verfahren ohne Kuratorbestellung für die gelöschte GmbH nicht mehr zugestellt werden, selbst wenn diese als Steuersubjekt noch existieren sollte (vgl. etwa mit weiteren Nachweisen).

Eine Kuratorbestellung setzt ein zwar handlungsunfähiges, jedoch existentes Steuersubjekt voraus. Sofern kein Abwicklungsbedarf besteht, liegt aber gar kein Rechtssubjekt mehr vor. Mangels Abwicklungsbedarf besteht auch keine Parteifähigkeit mehr. Zur Bestellung eines Kurators gemäß § 82 Abs. 2 BAO besteht in einem solchen Fall kein Anlass ().

Die Aufhebung des Konkurses nach Verteilung des Massevermögens ist ein Indiz dafür, dass die GmbH vermögenslos ist (). Die amtswegige Löschung nach § 40 FBG hat das Vorliegen von Vermögenslosigkeit der Gesellschaft zur Voraussetzung. Die gegenständliche Abgabe ist daher uneinbringlich (vgl. nochmals ).

Wurde eine Abgabe bereits entrichtet, stellt ein möglicher Rückforderungsanspruch ein Aktivvermögen der gelöschten GmbH dar, weswegen in diesem Fall die Parteifähigkeit weiterbestehen würde. Die Parteifähigkeit setzt freilich Aktivvermögen voraus (; , Ra 2017/17/0066; , Ra 2017/17/0147; , Ra 2015/16/0074).

Da die streitgegenständlichen Abgabenforderungen bislang nicht entrichtet wurden, würde selbst eine vollinhaltliche Stattgabe der Beschwerde zu keinem Aktivvermögen der gelöschten GmbH führen. Weder diese noch in weiterer Folge deren Gläubiger könnten ein Abgabenguthaben lukrieren. Somit liegt im gegenständlichen Fall eine Vollbeendigung der gelöschten GmbH vor (vgl. ). Es besteht daher keine Veranlassung zur Bestellung eines Kurators gemäß § 82 Abs. 1 BAO ( mit Verweis auf Stoll, BAO, 809; ).

Das Beschwerdeverfahren ist somit durch das Verwaltungsgericht mittels Beschluss einzustellen (). Auch wenn in den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung die Einstellung des Beschwerdeverfahrens mit Beschluss nicht ausdrücklich vorgesehen ist, entspricht dies jenen Fällen des § 33 Abs. 1 VwGG, in denen es zum Wegfall der Rechtspersönlichkeit der beschwerdeführenden Partei kommt (vgl. ; , RV/5100334/2016 mit weiteren Nachweisen).

4.2. Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da in diesem Beschluss der herrschenden Judikatur insbesondere gefolgt wurde, wurden keine Rechtsfragen berührt deren Bedeutung über die Entscheidung in dieser Angelegenheit hinausgeht.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 40 Abs. 1 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991
§ 82 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise





ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104479.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at