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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.02.2024, RV/2100174/2021

Alleinerzieherabsetzbetrag in aufrechter Ehe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Vertreter, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Streit zwischen den Verfahrensparteien besteht darüber, ob der Alleinerzieherabsetzbetrag der verheirateten Beschwerdeführerin (Bf) zusteht.

Die Bf hat in der Arbeitnehmerveranlagung 2019, eingelangt beim zuständigen Finanzamt am , den Alleinerzieherabsetzbetrag beantragt.

Das Finanzamt hat im Einkommensteuerbescheid 2019 vom den Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt, weil die Bf im Veranlagungsjahr mehr als 6 Monate in einer Gemeinschaft mit ihrem Ehepartner gelebt hat.

Die Bf hat dagegen fristgerecht, durch ihre steuerliche Vertretung, beim Finanzamt das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht.

In der Beschwerde wird ausgeführt, dass die Bf im Jahr 2019 nur mit ihrem Sohn im gemeinsamen Haushalt lebte und nicht mit ihrem Ehepartner, mit dem sie seit tt.mm.2018 verheiratet ist. Ihr Ehemann übersiedelte erst am zur Bf, womit erst ab diesem Datum der gemeinsame Haushalt begründet wurde, und somit der Alleinerzieherabsetzbetrag für das Jahr 2019 der Bf zustehe.

Das Finanzamt, als Rechtsnachfolger für das Finanzamt alt (gem §323b Abs 1 BAO) hat am die Beschwerdevorentscheidung erlassen und mit folgender Begründung den Alleinerzieherabsetzbetrag versagt:

"Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben verheiratete Personen nur dann Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag, wenn sie von ihrem Ehegatten dauernd getrennt leben. Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung; es ist den Ehegatten allerdings möglich, diese Vermutung zu widerlegen ( 89/13/0135).

Mehrere Wohnsitze bewirken keine dauernde Trennung. Maßgebend für das Tatbestandsmerkmal, nicht dauernd getrennt zu leben, ist die Anzahl der Wohnsitze oder die polizeiliche Meldung, sondern ausschließlich die Sachverhaltsfrage, ob der Steuerpflichtige, der den Alleinerzieherabsetzbetrag beantragt, bei an sich aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit seinem Ehegatten lebt oder nicht ( 95/13/0161).

Die nach der Rechtsprechung für ein Leben in Gemeinschaft geforderte "Wohnungs-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft" kann durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein, es kann sogar eines dieser Merkmale zur Gänze fehlen, ohne dass eine Gemeinschaft nicht mehr vorliegen würde.

Die räumliche Trennung allein indiziert noch nicht zwingend, dass keine Lebensgemeinschaft vorliegt, weil auch in einer Ehe, bei der die Ehegatten nach § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen, sich etwa auch aus beruflichen Gründen zu getrennten Wohnungen entschließen, einvernehmlich getrenntes wohnen als zulässig betrachtet wird.

Auch wenn sie erst im Jahr zwei 2020 zusammengezogen sind, wobei anzumerken ist, dass die Meldedaten nur Indizien dafür sind, wird von einer Lebensgemeinschaft ab der Verehelichung ausgegangen, da die fehlende Wohngemeinschaft allein nicht indiziert, dass keine Lebensgemeinschaft vorliegt."

Am stellte die Bf durch ihre steuerliche Vertretung fristgerecht den Vorlageantrag ihrer Beschwerde gem §264 BAO an das Bundesfinanzgericht.

In der Begründung wurde unter Verweis auf das VwGH Erkenntnis () zur widerlegbare Vermutung einer gemeinsamen Lebensführung bei Ehegatten ausgeführt:

Die Bf sei zwar im Veranlagungszeitraum verheiratet gewesen, ihr Ehemann wohnte jedoch in seinem Einfamilienhaus, da er 4 Kinder aus erster Ehe hat. Der ältere Sohn wohnte ständig bei ihm, die zwei minderjährigen Kinder wohnten laut Scheidungsvertrag jede Woche Donnerstag und Freitag bei ihm. Es ist ihrem Ehegatten sehr wichtig gewesen, seinen Kindern das gewohnte Umfeld zu erhalten, sie zu unterstützen und an der Erziehung mitzuwirken.

Die Bf habe lediglich eine Wohnfläche von 70 m² zur Verfügung gehabt. Ihr Sohn wohnte im Jahr 2019 bei ihr. Aus Rücksicht auf die Kinder habe das Ehepaar bei der Eheschließung einvernehmlich getrenntes wohnen vereinbart.

Um dennoch eine gemeinsame Wohnungsgemeinschaft zu ermöglichen, haben die Eheleute einen Zubau am Wohnsitz der Bf getätigt, womit ein gemeinsamer Haushalt am begründet wurde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Unstrittig ist, dass die Bf im Veranlagungszeitraum 2019 bereits verheiratet war und mit ihrem Sohn noch alleine in ihren bisherigen Wohnsitz dauernd lebte, während ihr Ehegatte mit seinen vier Kinder in seinem bisherigen Wohnsitz wohnte, bis es den Eheleuten durch einen Zubau ab dem möglich war, einen gemeinsamen Haushalt zu gründen.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1 Zu Spruchpunkt I.

Rechtsgrundlagen:

§ 33 Abs. 4 Zif 2 EStG 1988: Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind mehr als 6 Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.

§ 33 Abs. 4 Zif 1 EStG 1988: Alleinverdiener sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind, die mehr als 6 Monate im Kalenderjahr mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben, wenn der Partner Einkünfte von höchstens 6.000 EUR im Jahr erzielt.

Rechtliche Erwägungen:

Der Alleinerzieherabsetzbetrag steht gem § 33 Abs 4 Z 2 EStG Alleinerziehenden zu. Alleinerzieher sind Steuerpflichtige, die mit mindesten einem Kind (§106 Abs 1) mehr als 6 Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe) Partner leben.

Verheiratete Personen haben nur dann Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag, wenn sie von ihrem Ehepartner dauernd getrennt leben (Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2021, § 33 Rz 68).

Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung. Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar (zB , ). Das Vorliegen mehrerer (Familien-) Wohnsitze steht einer gemeinsamen Lebensführung alleine nicht entgegen (; , RV/2357-W/06).

Dass (noch) keine gemeinsame Wohnung besteht, lässt bei einer "intakten" Ehe noch nicht auf das Merkmal des "Dauernd-Getrennt-Lebens" schließen ( mit Hinweis auf ).

Die räumliche Trennung allein ist kein "Dauernd-getrennt"-Leben im oa. Sinne. Maßgebend ist das Beenden der ehelichen (partnerlichen) Lebensgemeinschaft iSd. §§ 90 ff ABGB beziehungsweise §§ 8 f. EPG, die auch bei getrennten Wohnsitzen bestehen kann (Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke [Hrsg.], MSA EStG 11. EL § 33 Anm. 51).

Mehrere Wohnsitze oder die polizeiliche Meldung an unterschiedlichen Wohnsitzen bewirken für sich alleine keine dauernde Trennung. Vielmehr ist entscheidend, ob der Steuerpflichtige bei aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit seinem Ehegatten lebt oder nicht (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 33 Rz 42; ; ähnlich ; ).

Das eheliche Zusammenleben bzw. die eheliche Gemeinschaft besteht im Allgemeinen aus einer Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft. Da die Ehegatten ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen, kann durchaus auch das ein oder andere Merkmal fehlen ().

Dasselbe gilt, wenn jeder der Ehegatten über eine eigene Wohngelegenheit verfügt, diese aber aus "platztechnischen" oder anderen Gründen nicht aufgeben kann (oder möchte). Wenn sich die Ehepartner stattdessen im beiderseitigen Einvernehmen darauf verständigen, getrennt voneinander zu wohnen, bedeutet dies für sich allein noch nicht, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht besteht (zB ).

Auch in aufrechter Ehe ist die Beibehaltung (oder Gründung) mehrerer Wohnsitze keineswegs außergewöhnlich, ebenso die Aufteilung der Kosten in der Weise, dass jeder der Partner für jeweils eine (eigene) Wohnung aufkommt (vgl. ).

Gegenständlich kann von einer intakten Ehe im Veranlagungsjahr 2019 gesprochen werden. Sie wurde im Oktober 2018 geschlossen und aus Platzgründen einigte man sich, dass jeder Ehepartner mit seinen Kindern (vorerst) in seinem bisherigen Wohnsitz wohnt, da der Bf an ihrem bisherigen Wohnsitz nur eine begrenzte Wohnfläche (rund 70m²) zur Verfügung stand.

Durch einen Zubau im darauffolgenden Jahr wurde das Platzproblem gelöst und ein gemeinsamer Wohnsitz gegründet (siehe Vorlageantrag vom ). Dies spricht auch dafür, dass es sich um eine intakte, aufrechte Ehe handelt.

Die zeitlich befristeten getrennten Wohnsitze bis zur Fertigstellung des Zubaus bewirkten keine dauernde Trennung iS der oben angeführten Judikatur.

Dem Umstand, dass Ehegatten getrennte Wohnungen benützen und dadurch einer finanziellen Mehrbelastung ausgesetzt sind, misst der Gesetzgeber im Rahmen der Vorschriften betreffend die Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages keine tatbestandsmäßige Bedeutung zu (zB ). Dies vor dem Hintergrund, dass sich der Ehegatte durch die Eheschließung zur umfassenden Beistandspflicht gegenüber dem anderen Ehepartner bereit erklärt hat. Dass diese, auch die finanziellen Belange umfassende Beistandspflicht grundsätzlich geeignet ist, die wirtschaftliche Leistungskraft der Bf zu beeinflussen, kann nicht in Abrede gestellt werden (siehe nochmals ).

Da aus den angeführten Gründen das Tatbestandsmerkmal des Dauernd-Getrenntlebens im Sinne der Rechtsprechung des VwGH nicht vorliegt, zumal die Bf in einer funktionierenden Beziehung mit ihrem Ehepartner im Veranlagungszeitraum und darüber hinaus lebt, konnte der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zuerkannt werden.

Auch ein allenfalls möglicher Alleinverdienerabsetzbetrag gem § 33 Abs 4 Z 1 EStG steht nicht zu, da das Tatbestandsmerkmal, dass der Ehepartner im Kalenderjahr nicht mehr Einkünfte als EUR 6.000,- bezog, nicht vorliegt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In Anlehnung an die klaren gesetzlichen Bestimmungen und Judikatur des VwGH war eine Revision nicht zuzulassen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100174.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at