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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.03.2024, RV/2100406/2014

Pfändung einer Geldforderung, Entstehen der Steuerschuld

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Helmut Hirsch Rechtsanwalt, Josef-Krainer-Straße 46/I, 8074 Raaba, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Pfändung einer Geldforderung zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Höhe der Pfändung wird auf den Betrag von 2.377,15 €, samt Gebühren und Barauslagen somit von 2.400,92 €, eingeschränkt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Über das Einzelunternehmen ***Bf1*** (Bf.) wurde am das Sanierungsverfahren eröffnet und am wurde der Sanierungsplan mit einer Quote von 30% rechtskräftig bestätigt.
Aufgrund der am durchgeführten Umsatzsteuerveranlagung für das Jahr 2010 ergab sich am Abgabenkonto eine Gutschrift in Höhe von € 1.673,40. Am wurde dieser Betrag mit einer Konkursforderung in dieser Höhe (KR 1-12/2004) verrechnet. Durch diese Verrechnung entstand am Abgabenkonto ein Rückstand, weshalb am bescheidmäßig eine Geldforderung in Höhe von 2.510,18 € gepfändet wurde. Dagegen wurde am das Rechtsmittel der Berufung, nunmehr Beschwerde, erhoben. In der Begründung führt der Bf. unter anderem aus, dass die Verrechnung zu Unrecht erfolgt sei, da Konkursforderungen aufgenommen worden seien, die aus einem Zeitraum lange vor der Eröffnung des Sanierungsverfahrens resultieren.

In der BVE vom wurde das Rechtsmittel mit der Begründung abgewiesen, dass die Verrechnung zurecht erfolgt sei, da das Guthaben aus der Jahresumsatzsteuerveranlagung für das Jahr 2010 stamme und daher zweifelsfrei eine Insolvenzforderung darstelle, da die Sachverhaltsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens liege.

Gegen diese Entscheidung wurde am der Vorlageantrag eingebracht.

Der Bf. führt darin aus, dass die Abgabenbehörde übersehe, dass es sich bei der Kraftfahrzeugsteuer für 1-12/2004 um eine Insolvenzforderung handle, welche im Insolvenzverfahren angemeldet wurde und hinsichtlich dieser Forderung ein Sanierungsplan mit einer 30 %igen Quote abgeschlossen worden sei. Dadurch sei der Schuldner von seinen Verbindlichkeiten befreit und müsse diese nachträglich nicht mehr ersetzen bzw. dafür aufkommen. Damit sei das Schicksal der Kraftfahrzeugsteuer 1-12/2004 als erledigt anzusehen. Es sei nämlich nicht statthaft, ein Guthaben, das am dem Bf. zufällt, mit der durch den Sanierungsplan erledigten Forderung aufzurechnen, wenn auch das am beschiedene Guthaben sich auf einen Zeitraum vor Insolvenzeröffnung beziehe.
Weiters sei die Einbuchung der KR 4-12/2011 per nicht statthaft, zumal diese Forderung zumindest bis eine Insolvenzforderung darstelle, welche im Insolvenzverfahren anzumelden gewesen wäre.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Datum erließ das Finanzamt gegenüber der Firma HG einen Bescheid betreffend Pfändung einer Geldforderung. Der Primärschuldner und Beschwerdeführer hat(te) gegen diese Firma eine Forderung offen, die vom Finanzamt gem. § 65 AbgEO in Höhe des zum damaligen Zeitpunkt aushaftenden Abgabenrückstandes samt Gebühren und Barauslagen von 2.535,28 € gepfändet wurden.

Im Rechtsmittel dagegen wurde vorgebracht, dass die Pfändung der Geldforderung rechtswidrig sei, da die dargestellte Schuld nicht zu Recht bestehe. Dem Steuerkonto sei zu entnehmen, dass darauf zum Beispiel per ein Guthaben von 1.099,94 € aufweise. In rechtswidriger Weise seien per Konkursforderungen wieder aufgenommen worden, die aus einem Zeitraum lange vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung vor dem LGZ resultierten. Selbiges gelte für die am eingebuchte Festsetzung von Beträgen, die (zumindest teilweise) ebenfalls einen Zeitraum vor Insolvenzeröffnung beträfen. Unter Einem werde aus den dargestellten Gründen auch gegen die Festsetzung der Abgabenschuld von 1.673,40 € per und 639,90 € per berufen (Konkursforderung). Darüber hinaus bestehe aufgrund der Vermittlung AGH in Höhe von 375,00 € per sogar ein Guthabensstand von 375,00 €. Die gegenständliche bekämpfte Pfändung einer Gegenforderung sei sohin jedenfalls rechtswidrig.

In der BVE vom wurde durch das Finanzamt ausgeführt, dass es im gegenständlichen Fall um die Jahresumsatzsteuererklärung für das Jahr 2010 gehe, welche als Gutschrift von 1.673,40 € auf dem Abgabenkonto verbucht worden sei. Da das Sanierungsverfahren erst am eröffnet wurde, stelle dieses Guthaben aus dem Jahr 2010 zweifelsfrei eine Insolvenzforderung dar, da die Sachverhaltsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens liege. In der insolvenzrechtlichen Verrechnung der Zulässigkeit einer Aufrechnung nach § 19 IO komme es nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung oder Bescheiderlassung an, sondern auf die Sachverhaltsverwirklichung, welche tatbestandsmäßig zur Entstehung des Vergütungs- bzw. Rückforderungsanspruches geführt habe.

Im Vorlageantrag vom wurde vorgebracht, dass das Finanzamt unrichtigerweise davon ausgehe, dass ein Guthaben vom (bezogen auf die Umsatzsteuer 2010) "zweifelsfrei eine Insolvenzforderung" darstellen würde, welche die Aufrechnung mit der längsten aushaftenden abgabenrechtlichen Schuld rechtfertigen würde. Hiebeiübersehe jedoch die Abgabenbehörde, dass es sich lediglich bei der längst aushaftenden Schuld, nämlich der Kraftfahrzeugbesteuerung für den Zeitraum 1-12/2004 tatsächlich um eine Insolvenzforderung handle, welche auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bf. angemeldet worden sei und hinsichtlich dieser Forderung ein Sanierungsplan mit einer 30%igen Quote, zahlbar in zwei Barquoten, abgeschlossen worden sei. Dieser Sanierungsplan sei am rechtskräftig bestätigt worden und werde ein Schuldner bekanntlich gemäß § 156 Abs. 1 IO von der Verbindlichkeit befreit, seine Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen. Damit sei das Schicksal der Kraftfahrsteuer 1-42/2004 als erledigt anzusehen. Nicht statthaft sei es mit einem Guthaben, welches am dem Bf. zufalle, mit der durch den Sanierungsplan erledigten Forderungen aufzurechnen, wenn auch das am beschiedene Guthaben sich auf einen Zeitraum vor Insolvenzeröffnung (also vor dem ) beziehe. Weiters unstatthaft sei die Einbuchung der Kraftfahrzeugsteuer 4-12/2011 per , zumal diese Forderung zumindest bis eine Insolvenzforderung darstelle, welche im Insolvenzverfahren geltend zu machen gewesen wäre. Schlussendlich habe am ein Guthaben von 375,00 € bestanden, sodass der angefochtene Pfändungsbescheid auch zumindest in der BVE zu korrigieren gewesen wäre.

2. Beweiswürdigung

Der oben angeführte Sachverhalt findet sowohl im Verfahrensablauf als auch im Akteninhalt Deckung, er wird auch von den Parteien nicht in Abrede gestellt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Streit besteht im gegenständlichen Fall darüber, ob, in welchem Ausmaß und zu welchem Zeitpunkt eine Aufrechnung von Abgabengutschriften oder -guthaben zulässig ist und ob es sich dabei um Insolvenzforderungen handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () handelt es sich bei Rückforderungsansprüchen um nichts anderes als um "negative Abgabenansprüche". Solche Ansprüche entstehen (wie die Abgabenansprüche im engeren Sinn) kraft Gesetzes jeweils zu dem Zeitpunkt, in dem ein gesetzlicher Tatbestand, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbindet, verwirklicht wird. Auf die Bescheiderlassung kommt es dabei nicht an. Mit dem Bescheid wird lediglich die Durchsetzung des Anspruchs gegenüber der Abgabenbehörde bewirkt, nicht aber das Entstehen des Anspruchs.

Nach der herrschenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes () tritt die Tilgung einer Forderung mit Zugang der Aufrechnungserklärung rückwirkend in dem Zeitpunkt ein, in dem die Forderungen einander erstmals aufrechenbar gegenübergestanden sind. Standen Forderungen einander bereits bei Konkurseröffnung aufrechenbar gegenüber, hinderten auch die konkursrechtlichen Vorschriften die Aufrechnung nicht. Die Verrechnung von Abgabenansprüchen für Zeiträume vor der Konkurs- bzw. Insolvenzeröffnung ist ohne insolvenzrechtliche Einschränkung zulässig (vgl. ).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung () die Auffassung, dass den Aufrechnungsvorschriften der KO und der AO (insbesondere §§ 19, 20 KO und AO) der Vorrang vor den Verrechnungsregeln des § 214 BAO zukommt. Der Einwand des Bf., dass eine Insolvenzforderung nicht mit einem Guthaben, welches nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens entstanden sei, verrechnet werden könne, übersieht aber, dass diese Einschränkung der Aufrechnung nur während der Dauer des Sanierungsverfahrens gilt. Nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann sich der frühere Gemeinschuldner nicht mehr auf die konkursrechtliche Aufrechnungsbeschränkung berufen (vgl. Fischerlehner in SWK 2002, S 840, mit dem Hinweis auf Schubert in Konecny/Schubert, KO, §§ 19, 20, Rz. 14).

Das Sanierungsverfahren über den Bf. wurde am eröffnet und nach rechtskräftiger Bestätigung mit Beschluss vom bestätigt worden.

Da der Abgabenanspruch bei der Umsatzsteuer mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind bzw. die Entgelte vereinnahmt worden sind, entstand Umsatzsteuergutschrift für das Jahr 2010 mit Ablauf des Kalenderjahres 2010 und damit vor Insolvenzeröffnung (). Dass die Umsatzsteuer 2010 mit Datum verbucht wurde, ist daher im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung.

Zuzustimmen ist dem Bf. jedoch im Zusammenhang mit der Kraftfahrsteuer, denn bei dieser ist für den Zeitraum 4-5/2011 ein aliquoter Betrag von 133,03 € aus dem Pfändungsbetrag herauszurechnen, sodass sich der im Spruch ersichtliche Betrag der Pfändung ergibt.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall ist keine der im Gesetz angeführten Voraussetzungen gegeben, auch die angeführte Judikatur und Literatur zu diesem Fragekomplex ist einheitlich.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100406.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at