Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 07.02.2024, RV/7104015/2023

Keine Wiederaufnahme auf Antrag gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO, wenn die als neu hervorgekommen bezeichneten Tatsachen dem Beschwerdeführer schon immer bekannt waren

Beachte

Revision eingebracht. Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/13/0047.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Anna Radschek, die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Heumesser und Dip. Ing. Thomas Hrdinka in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung der Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO betreffend Umsatzsteuer 2020 und 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Umsatzsteuerbescheide 2020 und 2021 und beantragte Wiederaufnahme:

Die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2020 langte am bei der belangten Behörde ein, die antragsgemäße Erlassung des Erstbescheides erfolgte am .

Für das Jahr 2021 langte die Umsatzsteuerjahreserklärung am ein, und die antragsgemäße Veranlagung erfolgte mittels Bescheid vom .

Betreffend beide Jahre wurde am ein erster Antrag auf (amtswegige) Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO gestellt und um Berücksichtigung der Vorsteuerpauschale gemäß § 14 UStG 1994 ersucht, da die Beantragung im Zuge der jeweiligen Jahreserklärungen irrtümlicherweise unterlassen worden sei.

Als Beilage wurden korrigierte Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2020 und 2021 übermittelt.

Mit Bescheiden vom wurde dieser erste Antrag auf Wiederaufnahme des mit Umsatzsteuerbescheid 2020 vom bzw. mit Umsatzsteuerbescheid 2021 vom abgeschlossenen Verfahrens mit der Begründung abgewiesen, dass seitens der Abgabenbehörde keine der erforderlichen Wiederaufnahmegründe gegeben seien. Die Beseitigung der Folgen der unterlassenen Geltendmachung der Vorsteuerpauschalierung könne nicht durch die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgen.

2. Neuerliche Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2020 und 2021:

Mit Schriftsatz vom beantragte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers neuerlich die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2020 und 2021, welche mit Bescheiden vom (2020) und vom (2021) abgeschlossen worden waren.

Der Antrag stütze sich auf das Vorliegen eines Tatbestandes im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO, da neue Tatsachen hervorgekommen seien und die Kenntnis dieser Umstände einen im Spruch anderes lautende Bescheide herbeigeführt hätte. Er erfolge fristgerecht im Sinne des § 304 BAO, da bis dato eine Verjährung hinsichtlich der relevanten Veranlagungen noch nicht eingetreten sei.

Als Begründung wurde angeführt, im Zuge einer Besprechung mit dem Beschwerdeführer habe sich herausgestellt, dass irrtümlicherweise nicht alle Ausgaben (Vorsteuern) in den Umsatzsteuererklärungen 2020 und 2021 dem Finanzamt bekanntgegeben worden seien.

Als selbständiger IT-Techniker, der regelmäßig zu Hause arbeite, seien die Internet- und Telefonkosten für den Beschwerdeführer von maßgebender Bedeutung. Die Kosten seien zu 80% betrieblicher Natur. Der Aufstellung zufolge ergebe sich daraus ein jährlicher Vorsteuerabzug in Höhe von 41,84 €. Es würden dazu beispielhaft Rechnungen beigelegt.

Ein Tatbestand im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO liege vor, wenn Tatsachen oder Beweismittel in einem abgeschlossenen Verfahren neu hervorkämen. Dabei sei es unerheblich, ob diese Umstände dem Abgabenpflichtigen bereits im Zeitpunkt der Bescheidausstellung bekannt gewesen oder erst später zur Kenntnis gelangt seien. Maßgeblich sei ausschließlich, dass die Umstände für die Behörde neu hervorkämen, somit dieser nicht schon in ihrer ursprünglichen bescheidmäßigen Erledigung bekannt gewesen seien.

Wenn die Behörde hiergegen einwende, dass bei vom Abgabepflichtigen beantragten Wiederaufnahmen nach der neueren Rechtsprechung des VwGH die Umstände aus Sicht des Steuerpflichtigen neu hervorgekommen sein müssen, sei dem entgegenzuhalten, dass diese Sichtweise es insbesondere bei Einnahmen-Ausgaben-Rechnern (Zufluss-, Abflussprinzip) unmöglich machen würde, eine Wiederaufnahme wirksam durchzusetzen. Die Behörde könnte sich nämlich dann immer auf den Standpunkt stellen, dass dem Steuerpflichtigen ja wohl alle Zu- und Abflüsse, die auf seinem Bankkonto ein- oder abgingen, bzw. alle Barein- und -ausgänge hätten bekannt sein müssen. Diese Rechtsansicht würde also der Wiederaufnahme auf Antrag jeden Raum bzw. Anwendungsbereich nehmen. Dass dies nicht im Sinne des Gesetzgebers sei, liege auf der Hand und werde auch von der Lehre vielfach so vertreten.

Schließlich würde die neuere Rechtsansicht des VwGH auch bei der Erstattung von Selbstanzeigen zu seltsamen Ergebnissen führen. Der Steuerpflichtige hätte nämlich keinen Rechtsanspruch mehr auf Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn er im Rahmen einer Selbstanzeige verschwiegene Einnahmen - die aus seiner Sicht ja schon bekannt gewesen seien - der Behörde nachträglich bekannt gebe. In diesem Zusammenhang sei auch festzuhalten, dass auf eine amtswegige Maßnahme nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein Rechtsanspruch bestehe (Verweis auf ). Eine Entscheidungspflicht betreffend Anregung einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens bestehe nicht (Verweis auf ).

Die Selbstanzeige könnte somit - wenn die Behörde keine amtswegige Wiederaufnahme anstrenge - völlig ins Leere laufen bzw. hätte keine Wirksamkeit. Dieses sinnwidrige Ergebnis könne keinesfalls dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Infolgedessen sei die neuere Rechtsprechung zur Wiederaufnahme auf Antrag abzulehnen.

Es werde daher gebeten, sich nicht auf die neuere Rechtsansicht des VwGH hinsichtlich Wiederaufnahme auf Antrag zu berufen, sondern sich mit der Sache auseinanderzusetzen.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens führe zur gänzlichen Beseitigung jenes Bescheids, der das nunmehr wiederaufgenommene Verfahren seinerzeit zum Abschluss gebracht habe. Das bedeute, dass der neu ergehende Sachbescheid in jeder Hinsicht - auch über die eigentlichen Wiederaufnahmegründe hinaus - vom ursprünglichen Bescheid abweichen könne und daher kein Fall der Teilrechtskraft vorliege. Auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe eines Verfahrens zur Kenntnis gelangten, sei Bedacht zu nehmen.

Die neuen Umsatzsteuererklärungen 2020 und 2021 würden diesem Schreiben beigelegt.

Im Hinblick auf den Zweck des § 303 BAO sei bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu geben.

Im Falle der Geringfügigkeit neu hervorgekommener Tatsachen habe die Behörde Verhältnismäßigkeitsüberlegungen in ihre Ermessensentscheidung einzubeziehen.

Eine allgemein gültige Grenze, bei welchem Betrag nicht mehr von absoluter Geringfügigkeit bzw. bei welchem Prozentsatz nicht mehr von relativer Geringfügigkeit gesprochen werden könne, gebe es nicht. Als Richtschnur könnten lediglich jene VwGH-Erkenntnisse dienen, bei denen jedenfalls keine oder eine Geringfügigkeit vorgelegen sei. So habe der VwGH Änderungen aufgrund der Auswirkungen der Wiederaufnahmegründe von unter 1% als relativ geringfügig bzw. unbedeutend bezeichnet (). Im vorliegenden Fall hätten die Änderungen bzw. Anträge auf Vorsteuerpauschalierung jedenfalls einen maßgeblichen Einfluss auf das umsatzsteuerliche Ergebnis der betreffenden Jahre.

Im Sinne der Rechtsrichtigkeit (vor Rechtsbeständigkeit) werde um die Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 2020 und 2021 gemäß § 303 BAO und Neuausstellung der betreffenden Bescheide ersucht, da sich die Sprüche der Umsatzsteuerbescheide 2020 und 2021 aufgrund des oben dargestellten Sachverhaltes als nicht richtig erweisen würden, ein Rechtsmittel gemäß § 243 BAO iVm. § 245 BAO gegen die betreffenden Steuerbescheide nicht mehr zulässig sei und die Kenntnis der angeführten Umstände im Spruch anders lautende Bescheide herbeigeführt hätte.

3. Angefochtene Bescheide:

Mit Bescheiden vom wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom erneut abgewiesen. In der mit datierten und am zugestellten gesonderten Bescheidbegründung wurde die Abweisung damit begründet, dass aufgrund der vom Beschwerdeführer angeführten Gründe keine Wiederaufnahme erfolgen könne.

4. Beschwerde:

Gegen diese Bescheide richtet sich die Beschwerde vom , in welcher die Aufhebung dieser Abweisungsbescheide, sowie die Wiederaufnahme und Neuveranlagung der Umsatzsteuer 2020 und 2021 im Sinne der Eingabe vom beantragt werden.

Einleitend wird festgehalten, dass der Wiederaufnahmeantrag vom zu Recht abgewiesen woden sei, weil hier kein Wiederaufnahmegrund angeführt worden sei.

Im Wiederaufnahmeantrag vom seien dagegen die Gründe für die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerveranlagungen 2020 und 2021 im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO nämlich, dass die Telefon- und Internetkosten des Beschwerdeführers der betreffenden Jahre neu hervorgekommen seien, in deutlicher Weise vorgebracht worden.

Außerdem sei in dem besagten Schreiben in aller Deutlichkeit dargelegt worden, warum die neuere Rechtsprechung betreffend die Wiederaufnahme auf Antrag im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2014/15/005S, zu sinnwidrigen Ergebnissen führe bzw. abzulehnen sei.

Bei der Wiederaufnahme auf Antrag sei das Neuhervorkommen von Tatsachen aus Sicht der Behörde zu beurteilen. Die Behörde habe bislang nichts von den Telefon- und Internetkosten des Beschwerdeführers gewusst, somit sei ein Wiederaufnahmegrund iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO gegeben. In diesem Sinne habe die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers um Wiederaufnahme der Umsatzsteuerveranlagungen 2020 und 2021 und um antragsgemäße Abänderung der Bescheide im Sinne der beigebrachten Erklärungen gebeten.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens führe zur gänzlichen Beseitigung jenes Bescheids, der das nunmehr wiederaufgenommene Verfahren seinerzeit zum Abschluss gebracht habe. Das bedeute, dass der neu ergehende Sachbescheid in jeder Hinsicht - auch über die eigentlichen Wiederaufnahmegründe hinaus - vom ursprünglichen Bescheid abweichen könne und daher kein Fall von Teilrechtskraft vorliege. Auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe eines Verfahrens zur Kenntnis gelangten, sei Bedacht zu nehmen.

Im Hinblick auf die für die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers unverständliche Begründung der abweisenden Bescheide vom werde festgehalten: Der Beschwerdeführer habe ein Recht auf Beachtung des Geäußerten durch die Behörde. Es werde daher ersucht, dieses Recht, mit anderen Worten das Parteiengehör, welches zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates gehöre, nicht einfach beiseite zu schieben.

Es werde daher beantragt

a. die Abweisungen der Wiederaufnahmeanträge betreffend Umsatzsteuer 2020 und 2021 aufgrund der dargelegten Beschwerdegründe aufzuheben und die Wiederaufnahme zu veranlassen sowie die Neuveranlagung der Umsatzsteuer 2020 und 2021 im Sinne der Eingabe vom vorzunehmen;

b. von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung im Sinne des § 262 Abs. 2 lit. a BAO Abstand zu nehmen (Direktvorlage an das Bundesfinanzgericht), und

c. eine Entscheidung durch den gesamten Senat gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 BAO zu veranlassen.

Die der Eingabe vom beigelegten Umsatzsteuerjahreserklärungen entsprechen jenen des ersten Antrages auf Wiederaufnahme vom . Darin sind sämtliche Vorsteuern jeweils unter den Kennzahlen 060 und 084 erfasst und betreffen daher die Geltendmachung der Vorsteuerpauschalierung und nicht die (unpauschalierte) Berücksichtigung der Telefon- und Internetkosten.

5. Beschwerdevorlage

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Antrag nach § 262 Abs. 2 lit. a BAO entsprechend ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundefinanzgericht zur Entscheidung vor und führte im Vorlagebericht vom nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen aus, die beigelegten Umsatzsteuerjahreserklärungen würden nicht auf die Berücksichtigung der Telefon- und Internetkosten in Höhe von 41,84 Euro pro Jahr abzielen, sondern auf die Geltendmachung der Vorsteuerpauschalierung.

Die Berücksichtigung einer irrtümlicherweise nicht geltend gemachten Vorsteuerpauschalierung könne jedoch nicht auf Grundlage der Bestimmung des § 303 Abs. 1 lit. b BAO erfolgen.

Unter Berücksichtigung der Art der in der Beschwerde vergessenen Aufwendungen bestehe kein Zweifel, dass diese Aufwendungen dem Beschwerdeführer bereits im Zuge des ursprünglichen Veranlagungsverfahrens bekannt gewesen seien und geltend gemacht hätten werden können. Den Ausführungen der steuerlichen Vertretung zufolge wäre die Bekanntgabe dieser Aufwendungen irrtümlicherweise unterblieben.

Es sei nicht ersichtlich, welche Tatsachen oder Beweismittel hinsichtlich der in Rede stehenden Positionen neu hervorgekommen seien, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht bzw. der Behörde nicht hätten bekanntgegeben werden können.

Es werde daher beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der steuerlich vertretene Beschwerdeführer machte in den Umsatzsteuererklärungen für 2020 und 2021 weder Vorsteuerbeträge aus Telekommunikationsleistungen noch eine Vorsteuerpauschalierung gemäß § 14 UStG 1994 geltend. Die Umsatzsteuerveranlagungen erfolgten erklärungsgemäß. In den gegenständlichen Wiederaufnahmeanträgen gab der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers als Wiederaufnahmegrund den Neuerungstatbestand gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO an, weil die Vorsteuerabzugsberechtigung aus den vom Beschwerdeführer empfangenen Telekommunikationsleistungen der belangten Behörde anlässlich der Umsatzsteuerfestsetzung nicht bekannt gewesen sei. Für die neu zu erlassenden Sachbescheide beantragte er jedoch die Berücksichtigung der Vorsteuerpauschale gemäß § 14 UStG 1994.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen und entspricht dem oben geschilderten Verfahrensgang. Der Sachverhalt ist nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach § 305 BAO steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des nach § 307 Abs. 1 BAO aufzuhebenden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3 BAO) zuständig gewesen wäre.

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die gemäß § 305 BAO zuständige Behörde (vgl. ).

Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften (vgl. ; , Ra 2014/15/0006).

Zweck der Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (vgl. ). Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. ).

Was "Sache" des Wiederaufnahmeverfahrens ist, bestimmt sich am Wiederaufnahmegrund, nicht am Sachbescheid, um dessen Wiederaufnahme es geht (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2954; ).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, hat ein Antrag auf Wiederaufnahme - bei Geltendmachung des Wiederaufnahmetatbestandes der neu hervorgekommenen Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel für den Steuerpflichtigen "neu hervorgekommen sind". Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem derartigen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht der antragstellenden Person zu beurteilen ist (vgl. bspw. , mwN). Tatsachen, die dem Beschwerdeführer bzw. seinem rechtsfreundlichen Vertreter schon immer bekannt gewesen sind, deren steuerliche Berücksichtigung er aber unterlassen hat, eröffnen ihm daher keinen Antrag auf Wiederaufnahme. Die Kenntnis eines Rechtsvertreters ist dabei der antragstellenden Person zuzurechnen (vgl. ).

Der erkennende Senat teilt die Bedenken des Beschwerdeführers gegen die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs schon deshalb nicht, weil der einzelne Steuerpflichtige zwar keinen Anspruch auf eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens hat, die belangte Behörde aber im Sinne einer gleichmäßigen Besteuerung aller Abgabepflichtigen angehalten ist, für sie neu hervorgekommene Tatsachen, deren Berücksichtigung erhebliche steuerliche Auswirkung hätte, im Rahmen einer amtswegigen Wiederaufnahme aufzugreifen.

Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs war daher der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO im Sinne der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs erfolgte, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


Stoll, BAO-Kommentar, 2954




ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104015.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at