Lieferschwellenüberschreitung - Haftung für nicht in Österreich abgeführte Umsatzsteuer
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde des ***Bf1***, geboren am Datum, Adresse, vertreten durch die V, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer x, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner steuerlichen Vertreterin, S, der Vertreterin des Finanzamtes Österreich, V, sowie der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Haftung auf nachstehende Beträge in der Höhe von insgesamt 25.337,26 € eingeschränkt:
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Abgabenart | Betrag laut Haftungsbescheid | Haftungsbetrag neu (60 %) |
Umsatzsteuer 10-12/2011 | 8.459,08 | 5.075,45 |
Umsatzsteuer 01-03/2012 | 7.817,05 | 4.690,23 |
Umsatzsteuer 04-06/2012 | 11.222,77 | 6.733,66 |
Umsatzsteuer 07-09/2012 | 14.729,86 | 8.837,92 |
gesamt | 25.337,26 |
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) wurde am Datum1 zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der mit dem Gesellschaftsvertrag vom Datum2 errichteten F.GmbH mit dem Sitz in X, Bundesrepublik Deutschland, bestellt (Auszug des Handelsregisters B des Amtsgerichts München vom ).
Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der F.GmbH war der Betrieb eines Online-Handels für Küchengeräte.
Mit dem Beschluss des Amtsgerichts München vom Datum3, Gz, wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst.
Das Insolvenzverfahren wurde durch den Beschluss des Amtsgerichtes München vom Datum4 aufgehoben (Quote 0,434115 %, Quotenzahlung an das Finanzamt 269,64 €).
Die Gesellschaft ist wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 394 FamFG im Handelsregister gelöscht (Auszug des Handelsregisters B des Amtsgerichts München vom ).
Mit dem Auskunftsersuchen vom teilte das Finanzamt Graz-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich) dem Bf. mit, dass am Abgabenkonto der F.GmbH Umsatzsteuern der Jahre 2011 und 2012 in der Gesamthöhe von 59.468,40 € aushaften, die als uneinbringlich anzusehen seien. Dem Bf. sei als Geschäftsführer und damit als zur Vertretung der GmbH nach außen berufenes Organ die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Vertretenen oblegen.
Der Bf. wurde aufgefordert, einen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen.
Im Schriftsatz vom führte der steuerliche Vertreter des Bf. aus, diesem sei es nicht möglich, das Ergänzungsersuchen detailliert zu beantworten. Um einen Quotenschaden zu ermitteln, sei eine umfangreiche Akteneinsicht unabdingbar. Da der ehemalige Steuerberater der F.GmbH nicht aktiv zur Aufklärung beitrage, habe der Bf. keine Möglichkeit, Einsicht in das Zahlenmaterial zu nehmen.
Der Bf. sei zwar ab Juni 2012 am Papier Geschäftsführer der F.GmbH gewesen, die operativen Geschäfte habe jedoch Herr T geführt. Ein möglicher Quotenschaden, der wahrscheinlich gar nicht zu Tage treten würde, sei daher nicht dem Bf., sondern den tatsächlich tätigen Personen zur Last zu legen. Der Bf. gehe davon aus, dass aufgrund der nicht vorhandenen österreichischen UID-Nummer bzw. der vor seiner Zeit zu spät veranlassten Registrierung in Österreich die nun in Österreich geforderte Umsatzsteuer an den deutschen Fiskus bezahlt worden sei.
Dem Schriftsatz lag eine Stellungnahme des Bf. mit folgendem Wortlaut bei:
"Ich habe 06.2012 die Geschäftsführung der F.GmbH übernommen. Zu diesem Zeitpunkt begann meine Einarbeitungsphase für ca. 6-9 Monate, die von einem der Gesellschafter der Alleingesellschaft, Hr. T übernommen wurde.
Sämtliche Rechnungen, die umsatzsteuerrechtlich zu berücksichtigen sind, wurden entsprechend an das deutsche Finanzamt, fristgerecht zu jedem Zeitpunkt, abgeführt.
Das gesamte Thema der Lieferschwellenüberschreitung, insbesondere Österreich, wurde bis zum Jahresende 2012 durch die Steuerkanzlei S bearbeitet. Hier wurde auch eine USt-ID inÖsterreich beantragt.
Unter Berücksichtigung der Tätigkeit von mir, kann auch gern die Meinung oder Stellungnahme desHerrn T, Gesellschafter der Alleingesellschaft, der die Fäden in der Hand hatte, eingeholt werden. Herr T ist einer der Gesellschafter, der regelmäßig in X in den Geschäftsräumen präsent war. Auch die Mail bzgl. der Lieferschwellen 2011 beispielsweise, ging an Herrn T, ich habe lediglich eine Kopie erhalten.
Mit der Insolvenztabelle des Insolvenzverwalter I, München, wurde am die Forderung des Finanzamt Graz aufgeführt. Hier ist am aufgeführt, dass das Finanzamt Graz ein Vollstreckungsersuchen für die Gesamtforderung gestartethat. Aktuell gehe ich davon aus, dass die angefallene USt-Abfuhr in Höhe von ca. 60k Euro (19%Steuer) aus Deutschland an das Finanzamt F abgeführt wurde.
Bis zum Zeitpunkt des Insolvenzantrages vom war die F.GmbH weder zahlungsunfähig noch überschuldet im Sinne der Insolvenzordnung. Nach den Feststellungen des Insolvenzverwalters trat die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung erst infolge der Weigerung der Alleingesellschafterin zur Gewährung weiterer Gesellschaftsdarlehen und der anschließendenKündigung seitens der Geschäftsbank ein.
Noch in einer Gesellschaftersitzung vom waren zwischen den Gesellschaftern die weiteren anstehenden Planungsschritte zur Ausarbeitung des Vertriebes, der hierfür geplanten Marketingaktionen, Personalplanung, Einrichtung eines Showrooms zur Gewinnung weiterer Kunden besprochen worden. Zu diesem Zeitpunkt war - wie bereits in der Vergangenheit - die Zurverfügungstellung weiterer finanzieller Mittel zur Fortführung und Ausweitung des Geschäftsbetriebes durch die Gesellschafterin in Aussicht gestellt worden.
Aufgrund der Budgetplanung forderte ich die Gesellschafter zuletzt am zur weiteren zugesagten Unterstützung auf, um die geplanten Maßnahmen und Investitionen umsetzen zukönnen. Erst am erhielt ich von Seite der Gesellschafterin die Information, dass keine ausreichenden Finanzmittel zur Verfügung gestellt würden. Unmittelbar danach kündigte die Bank den Kreditrahmen des Darlehens.
Erst zu diesem Zeitpunkt war somit offenkundig, dass die Zahlungsunfähigkeit gegeben ist. Ich handelte sofort und stellte am einen formlosen und am einen formgerechtenInsolvenzantrag beim Amtsgericht München. Umgehend wurde sodann der Onlineshop inaktiv geschaltet, damit keiner weiteren Bestellungen bzw. Zahlungen angenommen werden können.
In dem Insolvenzantrag habe ich die offene Umsatzsteuer für das Finanzamt Österreich mit den Einzelsummen: 42.245,- Euro (USt 2012) und 17.240,- Euro (USt 4Q.) an erster Stelle aufgeführt.
Nach meinem Kenntnisstand lag bis zum Insolvenzantrag keine gültige USt-ID für Österreich vor.Diese wurde durch die Steuerkanzlei S beantragt. Eine Abfuhr dieser Steuer sollte meines Kenntnisstandes erfolgen, wenn eine entsprechende USt-ID für Österreich vorliegt.
Darf ich abschließend zusammenfassen. Mit der Übernahme der Geschäftsführung und einer Einarbeitungsphase von ca. 6-9 Monaten kümmerte ich mich um das Tagesgeschäft der F.GmbH. Dies betraf insbesondere das Tagesgeschäft im Onlineverkauf, eingehender Bestellungen, natürlich in Zusammenarbeit der Mitarbeiter der F.GmbH.
Mit den, für die Einarbeitungsphase vereinbarten Tagen, war der Gesellschafter Hr. T vor Ort und hat neben der Einforderung von Informationen auch zahlreiche Termine und Aufgaben wahrgenommen. Hier auch Präsentationen, mögliche Neukunden (Hersteller), Akquise von Personal, Kontaktaufnahme wegen Kauf von Lagerhallen/Büroräumen bzw. Ausstellungsräumen.
Nun stellt sich die Frage, ob nicht besser der Gesellschafter, Hr. T und der von ihm eingeführte Steuerberater S Auskunft darüber geben können, warum nicht bereits in dem Zeitraum weit vor meiner Zeit (bis bzw. während meiner Einarbeitungsphase), eine Anmeldung derLieferschwellenüberschreitung "in Angriff" genommen wurde.
Ich stehe jederzeit für weitere Auskünfte zur Verfügung.
Bitte beachten Sie noch folgendes:
Sämtliche Angaben habe ich nach bestem Wissen und Gewissen gemacht und anhand von meinen Notizen/Unterlagen nachvollzogen. Beachten Sie ebenfalls, dass bereits ca. 8 Jahre vergangen sind und ich mich nicht mehr genau erinnern kann, sondern ich lediglich mich auf meine o.g. Informationen stützen. …"
Mit dem Haftungsbescheid vom zog das Finanzamt den Bf. gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für die aushaftenden Abgaben der F.GmbH in der Höhe von insgesamt 59.468,40 € (Umsatzsteuer 10-12/2011 8.459,08 €, Umsatzsteuer 01-03/2012 7.817,05 €, Umsatzsteuer 04-06/2012 11.222,77 €, Umsatzsteuer 07-09/2012 14.729,86 € und Umsatzsteuer 10-12/2012 17.239,64 €) heran.
Es sei davon auszugehen, dass der GmbH Mittel zur Verfügung gestanden seien, um Verbindlichkeiten zu bezahlen. Dem Bf. als Vertreter der GmbH sei der Nachweis oblegen, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wären. Da der Bf. trotz Aufforderung keine rechnerische Darstellung der quotenmäßigen Gleichbehandlung aller Gläubiger übermittelt habe, sei die Haftung für den gesamten Abgabenrückstand auszusprechen.
Dem Haftungsbescheid wurden die Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheide für 10-12/2011, 01-03/2012, 04-06/2012 und 07-09/2012 angeschlossen.
In der gegen diesen Bescheid am eingebrachten Beschwerde wird vorgebracht:
I. Sachverhalt
1.) Der Beschwerdeführer übernahm am die Geschäftsführung der F.GmbH, Amtsgericht München Nr,, Adresse. Die Gesellschaft war im Onlinevertrieb von Küchengeräten (Ofen, Herd, Dunstabzug etc.), Spülen, Armaturen usw. tätig.
Sein Vorgänger in der Geschäftsführung, Herr V, bekleidete das Amt von 08/2011 bis zu seiner Abberufung am .
Die Gesellschaft verfügte über drei Gesellschafter.
Im Außenauftritt war vor allem einer der Gesellschafter, Herr T, aktiv. Er führte die operativen Geschäfte (Planung des Ankaufs von Lagerhallen und Showrooms, Abwicklung von Präsentationen vor der Industrie, Akquise von Personal usw.)
Beweis:
PV;
Nachtrag zur Urkunde des Notars N, Amtssitz in München, vom , Beilage 1;
Herr T, p.A. Adresse, als Zeuge;
Herr V, Adresse, als Zeuge;
weitere Beweise vorbehalten.
2.) Im Jahr 2012 war die F.GmbH steuerlich durch die Steuerkanzlei S damals Adresse, vertreten. Zuvor erfolgte die Vertretung durch Herrn H, und zwar von der Gründung an bis 2011. Es war unter anderem Aufgabe des Steuerberaters das Thema der Lieferschwellenüberschreitung mit Österreich korrekt zu behandeln und insbesondere eine österreichische UID.Nr. zu beantragen sowie die Registrierung in Österreich zu veranlassen. Hauptansprechperson für die steuerliche Vertretung war der Gesellschafter T.
Selbst der Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer 10-12/2011 vom erging zu Handen der steuerlichen Vertretung S.
Mit Bescheid des Finanzamts Graz Stadt vom wurde der ehemalige Geschäftsführer V (!) zur Nachholung der Umsatzsteuererklärung 2012 aufgefordert.
Die nunmehr mit Haftungsbescheid geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten, siehe Punkt 7.), wurden im Umfang von ca. 60.000,00 EUR fälschlicherweise in Deutschland mit einem Steuersatz von 19 % abgeführt.
Beweis:
Beischaffung des Steueraktes;
Bescheid vom , Beilage 2;
Herr S, Adresse, als Zeuge;
Herrn H, Adresse, als Zeuge;
im Übrigen wie bisher.
3.) Thema der Gesellschaftersitzung vom war unter anderem der Ausbau des Vertriebes, die hierfür geplanten Marketingaktionen, die erforderliche Personalplanung sowie die Errichtung eines Showrooms zur Gewinnung weiterer Kunden. Den Mitarbeitern wurde unmittelbar nach der Sitzung die Zurverfügungstellung weiterer finanzieller Mittel zur Fortführung und Ausweitung des Geschäftsbetriebes durch die Gesellschafter zugesagt.
Um die geplanten und geforderten Maßnahmen im Tagesgeschäft umsetzen zu können, forderte der Beschwerdeführer letztmalig am die Gesellschafter zur Anweisung der zugesagten finanziellen Mittel auf. Am erfolgte die Antwort der Gesellschafter dahingehend, dass keine weiteren Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden würden. In der Folge erhielt der Beschwerdeführer Kenntnis davon, dass es zur Kündigung des Kreditrahmens des Darlehens durch die Hausbank gekommen war.
Beweis:
wie bisher.
4.) Auf Grund dieser unerwarteten Geschehnisse stellte der Beschwerdeführer bereits am bzw. korrigiert am einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht München. Zeitgleich wurde der Online-Shop deaktiviert. Im Insolvenzantrag führte der Beschwerdeführer die offene Umsatzsteuer für das Finanzamt Österreich mit den Einzelsummen EUR 42.245 (USt. 2012) und EUR 17.240 (USt. 4Q) an erster Stelle an. Erst am Datum4 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.
Beweis:
Insolvenzantrag vom 14.02. bzw. ;
Insolvenzgutachten vom , Beilage 3;
Auszug aus der Tabelle nach § 175 tituliert, Beilage 4;
Beschluss des Amtsgerichts München vom Datum4, Beilage 5;
Beschaffung des Aktes Gz, Amtsgericht München, Abteilung für Insolvenz- undRestrukturierungssachen;
im Übrigen wie bisher.
5.) Ende Oktober 2020 ersuchte das Finanzamt Graz-Stadt den Einschreiter im Vorhalteverfahren um Beantwortung eines Ergänzungsersuchens im Steuerakt der F.GmbH. Mit Schreiben vom hat die V, Adresse, bereits der Behörde den Sachverhalt geschildert und gleichzeitig eine persönliche Stellungnahme des Beschwerdeführers übermittelt, in welcher der organisatorische Ablauf im Unternehmen in den Jahren 2011-2013 geschildert wird. Die Behörde stellte damals telefonisch die positive Erledigung der Angelegenheit in Aussicht.
Beweis:
Ersuchen um Auskunft des Finanzamts Graz Stadt vom , Beilage 6;
Schreiben der V vom , Beilage 7;
Stellungnahme des Beschwerdeführers, Beilage 8;
Im Übrigen wie bisher.
6.) Schon damals war es dem Beschwerdeführer sehr daran gelegen, an der Aufklärung des Sachverhalts aktiv mitzuwirken. Aus diesem Grund kontaktierte er auch die ehemalige steuerliche Vertretung, um das vollständige Zahlenmaterial zu erhalten. Der ehemalige Steuerberater lehnte eine Mithilfe jedoch ab.
Beweis:
wie bisher.
7.) Dennoch wird der Beschwerdeführer mit Haftungsbescheid vom als Haftungspflichtiger gern. § 9 i.V.m. §§ 80 ff BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma F.GmbH im Ausmaß von EUR 59.468,40, betrifft Umsatzsteuer 10-12/2011, 01-03/2012, 04-06/2012, 07-09/2012 sowie 10.12/2012 in Anspruch genommen.
Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der geltend gemachten Umsatzsteuern war die Gesellschaft jedenfalls nicht zahlungsunfähig.
ii. Rechtliche Beurteilung
Der gegenständlich angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet:
1.) Voraussetzung für die Vertreterhaftung nach § 9 Abs. 1 BAO sind eine fällige Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.
Die Vertreterhaftung nach § 9 BAO erstreckt sich vor allem auf Abgaben, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretungstätigkeit fällt (Ritz, BAO, 6.A., Rz 29 zu § 9).
Die Behörde macht im Haftungsbescheid die Umsatzsteuer 10-12/2011, 01-03/2012, 04-06/2012, 07-09/2012 sowie 10.12/2012 geltend. Die Umsatzsteuer 10-12/2011 war am , die Umsatzsteuer 01-03/2012 am fällig.
Zu den genannten Zeitpunkten war der Beschwerdeführer nicht Geschäftsführer der Vertretenen und scheidet betreffend die Umsatzsteuer 10-12/2011 und 01-03/2012 eine Haftung schon aus diesem Grund aus.
2.) Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschuldigkeiten des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur in dem Umfang, in dem ein Veranlassungszusammenhang zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht.
Da die haftungsgegenständlichen Abgaben an das Finanzamt in Deutschland abgeführt wurden, kann nicht von einer Verletzung des Gleichheitsgebotes gesprochen werden. Zum Fälligkeitszeitpunkt reichten die liquiden Mittel der GmbH zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger aus.
Hinzu komm, dass der Beschwerdeführer war zwar Geschäftsführer war, er hatte aber faktisch mit der Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen nichts zu tun. Insb. dieZusammenarbeit mit der damaligen steuerlichen Vertretung lief vereinbarungsgemäß im Wesentlichen über die Gesellschafter. Für den Beschwerdeführer gab es keinen Grund daran zu zweifeln, dass die abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht erfüllt worden wären. Auch die Thematik Lieferschwelle für die Umsatzsteuer in Österreich wurde mit der steuerlichen Vertretung besprochen.
Vielmehr hat der Beschwerdeführer unverzüglich gehandelt, als für diesen klar war, dass Zahlungsunfähigkeit besteht und das Finanzamt Österreich an erste Stelle gesetzt.
Es kann somit nicht von einer Pflichtverletzung des Vertreters gesprochen werden.
3.) Bei der Ermessensübung im Haftungsverfahren ist die Angemessenheit der Haftungsinanspruchnahme in Bezug auf berechtigte Interessen der Parteien und die verwaltungsökonomische Durchsetzung von Abgabenansprüchen zu würdigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme eines Haftungspflichtigen andererseits ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme des Haftungspflichtigen berücksichtigen muss.
Gegenständlich beträgt die Zeitspanne zwischen dem Feststehen der Uneinbringlichkeit (Datum4) und der Geltendmachung des Haftungsanpruchs (Haftungsbescheid vom ) über 2 Jahre!
Davon abgesehen, dass die Behörde auf diesen Umstand gar nicht eingegangen ist, ist die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers schon aus diesem Grund als unbillig anzusehen.
In diesem Zusammenhang muss jedenfalls auch gewürdigt werden, dass die haftungsbegründende Umsatzsteuer zum Großteil (fälschlicherweise) an das Finanzamt in Deutschland abgeführt wurde. Dennoch wurde die Forderung im Insolvenzverfahren anerkannt. Korrekterweise hätte eine Rückzahlung durch die deutsche Finanz passieren müssen.
Der Beschwerdeführer hat während seiner gesamten Tätigkeit als Geschäftsführer und darüber hinaus nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und unverzüglich nach Bekanntwerden der finanziellen Schwierigkeiten die entsprechenden Schritte in die Wege geleitet.
In Abwägung der dargestellten Aspekte erweist sich die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftungspflichtigen als nicht geboten.
Aus all diesen Gründen stellt die Beschwerdeführerin sohin folgende
ANTRÄGE:
1. Die Behörde möge eine Beschwerdevorentscheidung unterlassen; sowie
2. Die Behörde möge eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen; sowie
3. Die Behörde möge im Senat entscheiden;
4. Die Behörde möge die Aussetzung der Einhebung des strittigen Abgabenbetrages gem. § 212a BAO aussprechen; sowie
5. Die Behörde möge der Beschwerde stattgeben und den Haftungsbescheid aufheben bzw. in eventu eine Reduktion der Haftungssumme aussprechen.
Im Vorlagebericht vom nahm das Finanzamt Österreich zu den Ausführungen in der Beschwerde wie folgt Stellung:
"§ 9 BAO stellt nicht auf eine faktische Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten ab. Ein De-facto Geschäftsführer - welcher laut dem Vorbringen des Bf. Herr T wäre - ist kein Vertreter iSd § 80 Abs 1 BAO und des § 18 Abs 1 GmbHG; seine Heranziehung zur Haftung ist daher unzulässig ( RV/1238W/04; ; ). Maßgebend für die Vertreterhaftung ist die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer der GmbH. Dies gilt unabhängig davon, ob die betreffende Person, also der Bf., tatsächlich als Geschäftsführer tätig ist oder zB nur ein "Pro-forma Geschäftsführer" (; , Ra 2014/16/0026) oder "nur auf dem Papier" (; , 2013/16/0166; , Ra 2017/16/0025; Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 9, Rz 1). Auch wenn sich der Bf. bei Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt (oder er eine solche Beschränkung in Kauf genommen hat), die ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen unmöglich machen, so liegt hierin selbst ein haftungsrelevantes Verschulden (zB ; , 2001/13/0168; , 2006/13/0052; , Ra 2014/16/0026; Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 9, Rz 16).
Dass die operativen Geschäfte und die Kommunikation mit dem steuerlichen Vertreter entsprechend einer internen Vereinbarung demnach nicht vom Bf., sondern Herrn T geführt worden wären, schließt daher keinesfalls eine Inanspruchnahme des Bf. aus, sondern stellt vielmehr selbst haftungsrelevantes Verschulden dar.
Zur Haftung für Abgaben, deren Zahlungstermin vor der Geschäftsführertätigkeit des Bf. liegen sei auszuführen, dass die Haftung zwar vor allem auf Abgaben, deren Zahlungstermin (zB Fälligkeitszeitpunkt) in die Zeit der Vertretungstätigkeit fällt besteht. Nach Rechtsprechung des VwGH besteht sie jedoch weiters für noch offene Abgabenschuldigkeiten des Vorgängers (; , 2000/16/0601;), weil die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschulden erst mit deren Abstattung endet (zB ; , 2000/15/0119; , 2013/16/0208; Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 9, Rz 25).
Zudem hat sich der Geschäftsführer bei Übernahme der Vertretertätigkeit darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß der von ihm nunmehr Vertretene bisher seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen ist (zB , 0006, 0007; , 2006/13/0094; , 2011/16/0079, Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 9, Rz 15).
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden (vgl § 80 Abs 2 BAO). Die Abführung einer Umsatzsteuer an den deutschen Fiskus entbindet den Bf. nicht von seiner Haftung. Vielmehr hat dieser dafür zu sorgen, dass die Abgaben entsprechend der geltenden Gesetze an die zuständige Abgabenbehörde abgeführt wird. Dies insbesondere unter dem Aspekt, dass selbst ein Rechtsirrtum einen Haftungspflichtigen nicht von seiner Haftungspflicht exkulpieren kann, zumal das Risiko des Rechtsirrtums derjenige trägt, der es versäumt, sich an geeigneter Stelle (somit bei der zuständigen Abgabenbehörde) zu erkundigen. Da die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme nach Ansicht der Abgabenbehörde daher vorliegen, wird beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."
Im Schriftsatz vom zog der Bf. den Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurück.
In der mündlichen Verhandlung führte der Bf. am aus, die Lieferschwellenüberschreitung sei nie Gegenstand in Gesprächen mit T gewesen. Das gesamte Steuerthema sei von T mit der neuen steuerlichen Vertretung S gemanagt worden. Er habe damit nichts zu tun gehabt und habe sich nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer nicht um die steuerlichen Angelegenheiten der GmbH gekümmert. Er sei von den Gesellschaftern über den Tisch gezogen worden, indem man ihn als Geschäftsführer vorgeschoben habe.
Von der Vertreterin des Bf. wurde ein ergänzendes schriftliches Vorbringen vorgelegt, in dem zum Verschulden des Vertreters ausgeführt wird, zu den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben seien der Gesellschaft ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden, sodass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen komme. Auf Grund der Beauftragung eines Steuerberaters habe der Bf. davon ausgehen können, dass das Thema Lieferschwellenüberschreitung mit Österreich steuerlich korrekt abgehandelt werde. Es habe für den Bf. auch keine Überwachungspflicht bestanden, da die Abgaben in Zusammenarbeit mit der steuerlichen Vertretung immer korrekt abgeführt worden seien.
Auf Befragen der Richterin führte der Bf. aus, er habe keine Kontrollen des steuerlichen Vertreters durchgeführt. Zu einem Steuerberaterwechsel sei es gekommen, weil T die ursprüngliche Steuerberatungskanzlei zu klein gewesen war. Er wollte eine andere Soft- und Hardware sowie zusätzliches Personal. Er habe auch einen Buchhalter eingestellt.
Zur Kausalität wird im ergänzenden Vorbringen ausgeführt, die Auflösung der GmbH stehe in keinem Zusammenhang mit einer allfälligen Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter. Selbst wenn die Abgabe ordnungsgemäß entrichtet worden wäre, wäre es zu einer Insolvenzeröffnung gekommen, sodass mangels Kausalität der Pflichtverletzung mit der Uneinbringlichkeit eine Haftung ausscheide.
Die Vertreterin des Finanzamtes führte aus, die ureigenste Aufgabe eines Geschäftsführers einer GmbH sei es, die Abgaben der Gesellschaft zu entrichten. Laut Judikatur des VwGH liege auch dann eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers vor, wenn dieser mit der Abgabenentrichtung durch Dritte bzw. damit einverstanden sei, dass im Hintergrund jemand Anderer die Geschäftsführertätigkeiten bzw. die abgabenrechtlichen Belange der Gesellschaft wahrnehme.
Das Finanzamt habe lediglich einen Betrag von 269 Euro als Quotenauszahlung erhalten, obwohl 60.000 Euro angemeldet waren. Die Uneinbringlichkeit der Abgaben sei daher evident. Die Kausalität liege darin, dass die Abgaben nicht zum Fälligkeitszeitpunkt entrichtet wurden und daher nunmehr bei der GmbH wegen der Insolvenz und Löschung der Gesellschaft nicht eingebracht werden könnten.
Hinsichtlich der Ermessensentscheidung verwies die Vertreterin des Bf. auf das schriftliche Vorbringen in der Beschwerde.
Die Vertreterin des Finanzamtes verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass das Finanzamt das Vorhalteverfahren bereits vor dem Ende des Insolvenzverfahrens begonnen habe und dass das Haftungsverfahren in die Corona-Zeit gefallen sei, in der den Finanzämtern nahe gelegt worden sei, Handlungen, die die Wirtschaft weiter belasten könnten, zu unterlassen. Die Ausfertigung des Haftungsbescheides sei daher erst im Jahr 2023 erfolgt.
Die Vertreterin des Finanzamtes beantragte die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.
Die steuerliche Vertreterin des Bf. beantragte die Aufhebung des Haftungsbescheides.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in § 80 Abs. 1 BAO erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der Ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden konnten.
Unbestritten ist, dass die am Abgabenkonto der F.GmbH aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht München sowie der Auflösung der Gesellschaft nicht einbringlich sind (siehe Auszug des Handelsregisters B des Amtsgerichts München vom ).
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte über Eigenantrag der Schuldnerin am (siehe Stellungnahme des Bf. vom und Insolvenzgutachten vom ).
Nach den Ausführungen des vorläufigen Insolvenzverwalters im Insolvenzgutachten traten Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Schuldnerin spätestens am in unmittelbarer Folge der Weigerung der Alleingesellschafterin zur Gewährung weiterer Gesellschafterdarlehen und der Kündigung der Darlehen seitens der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG ein.
Diese Feststellung deckt sich mit dem Vorbringen des Bf. in der Stellungnahme vom , wonach er die Gesellschafter am aufforderte, die zugesagte finanzielle Unterstützung zu leisten. Am teilte die Gesellschafterin dem Bf. mit, keine Finanzmittel mehr zur Verfügung zu stellen. Unmittelbar darauf kündigte die Bank den Kreditrahmen des Darlehens, woraufhin der Bf. umgehend den Onlineshop inaktiv stellte, um weitere Bestellungen abzublocken und am einen formlosen und am einen formgerechten Insolvenzantrag beim Amtsgericht München stellte.
Es ist daher davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der am fälligen Umsatzsteuer
10-12/2012 dem Bf. keine finanziellen Mittel zur Entrichtung zur Verfügung standen, weshalb eine Haftung des Bf. für die Umsatzsteuer 10-12/2021 nicht geltend gemacht werden kann. Insoweit war der Beschwerde stattzugeben.
Der Bf. wurde nach eigenen Angaben im Juni 2012 mit Gesellschafterbeschluss zum alleinigen Geschäftsführer der F.GmbH bestellt. Die Eintragung des Bf. als Geschäftsführer im Handelsregister München erfolgte erst am . Der Bf. fungierte daher ab diesem Zeitpunkt als alleiniger, für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft verantwortlicher Geschäftsführer.
Wie die Vertreterin des Finanzamtes in der mündlichen Verhandlung ausführte, gehörten zu den Pflichten des Bf. als Geschäftsführer insbesondere die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).
Der Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung ändern nichts an der Stellung des Geschäftsführers als Organwalter und am Bestand der ihn nach § 80 BAO treffenden Pflichten.
Die Haftung nach § 9 BAO setzt ein Verschulden des Geschäftsführers an der Pflichtverletzung (und damit am Abgabenausfall) voraus. Als schuldhaft im Sinne dieser Bestimmung gilt jede Form des Verschuldens, somit auch leichte Fahrlässigkeit (VwGH vS , 91/13/0037). Der Vertreter einer juristischen Person darf bei Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen keine geringere Sorgfalt beobachten, als bei Wahrnehmung seiner sonstigen Obliegenheiten ().
Stehen Vertreterstellung und Uneinbringlichkeit fest, trifft den Geschäftsführer einer Gesellschaft im Haftungsverfahren die Obliegenheit darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf (vgl. ; ).
Der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, haftet somit für diese Abgaben, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.
So gehört es zu den Pflichten der zur Vertretung einer juristischen Person Berufenen, durch geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen, insbesondere durch Einrichtung von Kontrollmechanismen dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten tatsächlich erfolgt ().
Der Bf. brachte in der mündlichen Verhandlung vor, um die abgabenrechtlichen Belange habe sich der Gesellschafter T gekümmert. Dieser sei die Hauptansprechperson für die steuerliche Vertretung der Gesellschaft gewesen.
Vorgebracht wurde weiters, den Bf. hätten keine Überwachungspflichten getroffen, weil die abgabenrechtlichen Verpflichtungen von der steuerlichen Vertretung immer korrekt erfüllt worden seien.
Nach der Rechtsprechung des VwGH entbindet die Beauftragung eines Wirtschaftstreuhänders mit der Wahrnehmung der Abgabenangelegenheiten den Geschäftsführer nicht von der Informations- und Überwachungspflicht (). Diese hat der Bf. nach eigenen Aussagen nicht wahrgenommen.
Der vertretungsbefugte Geschäftsführer ist von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben nicht deshalb befreit, weil die Geschäftsführung - sei es auf Grund eines eigenen Willensentschlusses des Geschäftsführers, sei es über Weisung von Gesellschaftern, sei es aufgrund einer sonstigen Einflussnahme wirtschaftlich die Gesellschaft beherrschender Personen - faktisch anderen Personen zusteht und der Geschäftsführer dadurch der Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung beraubt ist, ob die jeweils fällig werdenden Abgaben zumindest anteilig entrichtet werden, sich aber gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsicht und Kontrollaufgaben in Bezug auf die Entrichtung der Abgaben nicht durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzt oder von seiner Geschäftsführerfunktion zurücktritt ().
Der Bf. hat die Geschäftsführung der F.GmbH übernommen, ohne sich um die abgabenrechtlichen Belange der Gesellschaft zu kümmern und ohne sich bei Übernahme seiner Funktion darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm vertretene GmbH bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist (siehe dazu ).
Eine leichte Fahrlässigkeit liegt aber schon dann vor, wenn sich der Geschäftsführer zur Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Verpflichtungen eines Dritten bedient, dessen Tätigkeit jedoch nicht ausreichend überwacht (). Auch der Überwachungspflicht ist der Bf. nicht nachgekommen.
Dass dem Bf. keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne, weil die Umsatzsteuer in Deutschland abgeführt wurde und die GmbH im Zeitpunkt der Fälligkeit der gegenständlichen Abgaben liquid war, ist nicht stichhältig. Laut Insolvenzgutachten entwickelte sich der Umsatz der GmbH zunächst vielversprechend und lag letztlich bei rund 6,43 Millionen €. Aufgrund der Größenordnung des Umsatzes, der Nähe des Unternehmensstandortes zu den Nachbarstaaten sowie des Unternehmensgegenstandes (Onlineverkauf) musste sich zwangsläufig die Frage nach der korrekten Abfuhr der Umsatzsteuer für Warenlieferungen ins Ausland stellen. Tatsächlich war das Thema Lieferschwellenüberschreitung auch Gegenstand von Besprechungen im Unternehmen (siehe Beschwerde vom , Punkt 2). Es wäre daher die Aufgabe des Geschäftsführers gewesen, die Abfuhr der Umsatzsteuer an die zuständige Abgabenbehörde in Österreich zu veranlassen bzw. zu überwachen. Da sich der Bf. jeglicher Mitwirkung an bzw. Überwachung der abgabenrechtlichen Belange der Gesellschaft enthalten hat, ist ihm eine schuldhafte Pflichtverletzung dahingehend anzulasten, dass die Umsatzsteuer in Österreich nicht abgeführt wurde.
Dem Vorbringen, der Bf. hafte nicht für Abgaben, deren Fälligkeitstag nicht während seiner Geschäftsführertätigkeit liegt, ist nicht zuzustimmen. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den vorhandenen Mitteln der Gesellschaft entrichtet werden. Der Vertreter ist auch verpflichtet, bis zur Begründung seiner Vertretungsfunktion fällig gewordene, aber noch nicht entrichtete Abgabenrückstände zu begleichen (siehe und , 95/15/0163). Die Gesellschaft bleibt nämlich verpflichtet, Abgaben, mit deren Entrichtung oder Abfuhr sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen, weil die Pflicht der Gesellschaft zur Entrichtung der Abgaben erst mit deren Abstattung endet ().
Wie bereits ausgeführt, hat sich, wer die Geschäftsführung einer GmbH (neu) übernimmt, darüber unterrichten müssen, ob und in welchem Umfang die GmbH bisher ihre abgabenrechtlichen Verpflichtungen erfüllt hat. Dem Betreffenden obliegt auch die Beweislast, dass er sich in diesem Sinn unterrichtet hat ().
Ein diese Vorgaben erfüllendes Vorbringen wurde seitens des Bf. nicht erstattet.
Die Umsatzsteuer für die Zeiträume 10-12/2011, 01-03/2012, 04-06/2012 und 07-09/2012 wurde mit den Bescheiden des Finanzamtes Graz-Stadt vom festgesetzt; diese wurden sowohl dem Vorhalt vom als auch dem Haftungsbescheid vom angeschlossen.
Geht einem Haftungsbescheid (an den Geschäftsführer) ein Abgabenbescheid (an die GmbH) voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung (hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Abgabe) grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten ().
Hinsichtlich der angeführten Zeiträume war die Abgabenbehörde daher an die in den Bescheiden vom festgesetzte Umsatzsteuer gebunden.
Zur Kausalität ist auf die ständige Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach die Abgabenbehörde infolge der schuldhaften Pflichtverletzung auch davon ausgehen konnte, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabe war ().
Bei schuldhafter Pflichtverletzung spricht die Vermutung für eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall ().
Nicht die Kausalität zwischen der Auflösung der GmbH in Folge des Insolvenzverfahrens und der schuldhaften Pflichtverletzung ist von Bedeutung, sondern die Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Bf. und der Uneinbringlichkeit der Abgaben.
Die Geltendmachung der Haftung im Sinne des § 9 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.
Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Berücksichtigt man im vorliegenden Fall den Umstand, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nur beim Bf. einbringlich gemacht werden können, so ist bei der Ermessensprüfung dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung der Vorzug gegenüber dem Interesse des Bf., nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden, zu geben.
Den Ausführungen in der Beschwerde zum Ermessen ist aber insoweit zuzustimmen, als der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass die Frage der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit bei der Ermessensübung berücksichtigt werden muss.
Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder dem Hervorkommen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung anderseits ist ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf. Ein solcher Umstand kann jedoch auch lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sind. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab ().
Die Haftungsinanspruchnahme des Bf. für Abgabenschulden der Jahre 2011 und 2012 erfolgte mit dem Bescheid vom . Da die Haftungsinanspruchnahme zeitnah zur Löschung der Gesellschaft im Handelsregister des Amtsgerichtes München am erfolgte - die erste Aufforderung zur Stellungnahme erfolgte seitens des Finanzamtes bereits am - ist im vorliegenden Fall nicht von einem langen Zeitabstand zwischen dem endgültigen Feststehen der Uneinbringlichkeit der Umsatzsteuern und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme des Bf. auszugehen.
Allerdings ist nach der Rechtsprechung des VwGH auch ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung zu berücksichtigen. Ein (Nicht-)Verschulden des Finanzamtes an diesem langen Zeitabstand ist dabei nicht von Bedeutung.
Nach Ansicht des Senates lässt der Umstand, dass die Haftungsinanspruchnahme des Bf. erst 10 Jahre nach der Entstehung der Abgabenansprüche erfolgte, eine Reduktion der Haftungsbeträge um 40% gerechtfertigt erscheinen.
Weitere Billigkeitsgründe wurden nicht vorgebracht.
Der Beschwerde war daher teilweise stattzugeben.
Zur Unzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Beilage für die Parteien: Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100548.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at