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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 27.02.2024, RV/7102020/2022

Verlängerungshandlungen im Feststellungsverfahren verlängern die Verjährungsfrist auch im Einkommensteuerverfahren der Beteiligten.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Walter Aiglsdorfer, den Richter Dr. Ansgar Unterberger sowie die fachkundigen Laienrichter Mag Markus Fischer und Mag. Ulrike Richter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Wolfgang Halm, Berggasse 10, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2011 und 2012 Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers Arian Selimaj zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Einkommensteuerbescheiden 2011 und 2012 vom wurden die ursprünglichen Bescheide gemäß § 295 Abs. 1 BAO geändert.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Änderung aufgrund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes Wien 3/6/11/15 zu Steuernummer ***1*** (Fa. ***2***) vom erfolgt seien.
Ebenso wurden Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2011 und 2012 erlassen.

Mit Eingabe vom wurde Beschwerde gegen diese Bescheide eingebracht.
Begründend wurde ausgeführt, dass hinsichtlich sämtlicher bekämpfter Bescheide Festsetzungsverjährung iSd § 207 BAO vorliegen würde, sodass diese rechtswidrig seien; einerseits die beiden Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 sowie andererseits die Bescheide über die Anspruchszinsen 2011 und 2012, da kein wie immer gearteter Steuerrückstand bestehen würde. Der Ordnung halber werde darauf hingewiesen, dass gegen die Bescheide 2011 und 2012 gemäß § 188 BAO bereits am Einspruch erhoben und im Übrigen auch dort das Vorliegen von Verjährung eingewandt worden sei. Da im gegenständlichen Fall die Verjährungsfrist 5 Jahre betragen würde und diese Frist jedenfalls abgelaufen sei, zumal die nunmehr abgeänderten Bescheide einerseits vom und andererseits vom stammen würden und somit die 5-jährige Frist für die Verjährung iSd § 207 BAO abgelaufen sei.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass Grundlagenbescheide (§ 188 BAO), die eindeutig auf die Geltendmachung von bestimmten Abgaben gerichtet seien, für die Verjährung der abgeleiteten Bescheide bedeutsam seien. Feststellungsbescheide würden somit die Verjährungsfrist für jene Abgabenansprüche die von den Feststellungsbescheiden abgeleitet seien, verlängern. Seit dem Jahr 2016 würden aktive Ermittlungen u.a. auch gegen das dem Feststellungsbescheid zugrundeliegende Unternehmen laufen. Die Beschwerde sei somit hinsichtlich des Verjährungseinwandes als unbegründet abzuweisen gewesen.
Gemäß § 252 Abs. 1 BAO könne ein Bescheid, der von einem Feststellungsbescheid abgeleitet sei, nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend seien. Die Beschwerde sei auch diesbezüglich als unbegründet abzuweisen gewesen.

Mit Eingabe vom wurde beantragt, die Beschwerde vom gegen die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen (Vorlageantrag).
Wie bereits im Rechtsmittel mitgeteilt, würde Festsetzungsverjährung bestehen, welche selbstverständlich auch für Bescheide gemäß § 295 BAO bestehe, weshalb die Beschwerdevorentscheidungen vom , zugestellt am , unrichtig erscheinen. Wie bereits in der Beschwerde vom dargelegt, sei im gegenständlichen Fall die fünfjährige Verjährungsfrist iSd § 207 BAO anzuwenden, sodass Rechtswidrigkeit vorliegen würde.
Es werde daher, wie bisher, die ersatzlose Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 beantragt und zusätzlich die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie die Durchführung einer Senatsentscheidung.
Diesbezüglich werde auch auf den Punkt 2. der Beschwerde vom verwiesen.

Mit Vorlagebericht vom wurde gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Nach Darlegung einer umfassenden Stellungnahme beantragte die belangte Behörde eine Abweisung der Beschwerde.

Mit Beschluss vom übermittelte der nunmehr zuständige Richter folgendes Schreiben an die Beschwerdeführerin (zu Handen des bevollmächtigten Vertreters):
"In Vorbereitung zur beantragten Senatsverhandlung möchte ich ihnen hiermit die Ergebnisse meiner Recherchen zur Kenntnis bringen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat kürzlich judiziert, dass an Verlängerungshandlungen keine allzu formalistische Sichtweise Platz greifen dürfe (vgl. ). Weiters gibt es Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, dass Feststellungsbescheide die Verjährungsfristen für jene Abgabenansprüche verlängern, die von den Feststellungsverfahren abgeleitet sind (vgl. ; ).
Die im Feststellungsverfahren vorgenommenen Ermittlungsschritte (Verlängerungshandlungen) sind also auch im streitgegenständlichen Verfahren zu beachten (vgl. Ellinger ua, BAO³, § 209 Rz 5).
Die entsprechenden Verlängerungshandlungen wurden bereits im Vorlagebericht dargestellt.

Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich auch der erkennende Senat dieser Rechtsansichten anschließen würde - ohne hiermit dessen Entscheidung vorwegzunehmen.

Ich ersuche um Darstellung von Gründen, warum die genannten Entscheidungen gegenständlich nicht anzuwenden sein sollten."
[…]."

Mit Eingabe vom übermittelte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verfahrenshilfe.
"In oben bezeichneter Beschwerdesache stelle ich iSd § 292 BAO den Antrag auf Verfahrenshilfe und ersuche, dass im Wege der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Herr WP und Stb. Dr. Wolfgang Halm als Verfahrenshelfer bestellt wird. Ich benötige einen Verfahrenshelfer im oberhalb angeführten Verfahren, zumal ichergänzend einen Antrag auf Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung iSd § 206 BAO stellen werde."

Mit Beschluss vom wurde gegenständlicher Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe gemäß § 292 BAO abgewiesen ().

Mit Eingabe vom gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie das bisherige Vorbringen vollinhaltlich aufrechterhalten würde, insbesondere auch bezüglich der Festsetzungsverjährung.
Zusätzlich werde beantragt, gemäß § 206 Abs. 1 lit. b BAO auszusprechen, dass für die Jahre 2011 und 2012 keine Einkommensteuer festgesetzt werde.
Wie bereits vorgebracht, sei die Beschwerdeführerin zwar formell Komplementärin der protokollierten Firma ***2***, jedoch tatsächlich in das betriebliche Geschehen überhaupt nicht eingebunden.
Aus Kostenersparungsgründen sei im Übrigen die Firma ***2*** aufgelöst und auf die Beschwerdeführerin als Betriebsnachfolgerin übertragen worden.
Aufgrund der beiden Einkommensteuerbescheide würde der Rückstand rund 100.000,00 € betragen. Die Beschwerdeführerin würde rund 1.800,00 € pro Monat beziehen, wovon ihr jedoch für den persönlichen Lebensunterhalt weniger als 1.000,00 € verbleiben würden.
Wie sich aus dem Steuerakt ergeben würde, sei die Beschwerdeführerin am ***3*** geboren und würde daher in wenigen Monaten das 83. Lebensjahr vollenden.
Wenn man weiter berücksichtigen würde, dass sie maximal 500,00 € pro Monat auf den Abgabenrückstand entrichten könne (sie müsse ja noch 332,00 € pro Monat durch viele Jahre hindurch an die SVS bezahlen), so wäre die jährliche Zahlung rund 6.000,00 € und es gelte noch zu berücksichtigen, dass sie im Falle einer ratenweisen Entrichtung auch noch Stundungszinsen zahlen müsse, welche in den ersten Jahren 3.000,00 € - 4.000,00 € pro Jahr ausmachen würden.
Das würde heißen, dass die Kapitaltilgung während der ersten Jahre der Ratenzahlung höchstwahrscheinlich nur 2.000,00 € bis 3.000,00 € ausmachen würde.

Selbst wenn man die Frage der Stundungszinsen außer Acht lassen würde, würde es bedeuten, dass die Beschwerdeführerin für die Entrichtung des Steuerrückstandes rund 16 Jahre brauchen würde; sie würde dann mit 99 oder 100 Jahren schuldenfrei sein.
Es sei wohl auch dem Bundesfinanzgericht verständlich, dass die Beschwerdeführerin aufgrund des Lebensalters auch nicht mehr im Stande sei, zusätzliche Einkünfte zu generieren, sondern im Gegenteil noch die Kosten des noch anhängigen Steuerverfahrens der ehemaligen Firma ***2*** tragen müsse.
Aus all den genannten Gründen werde hilfsweise der Antrag auf Abstandnahme von der Festsetzung bzw. Nullstellung des Abgabenkontos bzw. Erlassung von Nichtfestsetzungsbescheiden gestellt.

Mit Beschluss vom wurde der belangten Behörde die Eingabe vom zur Kenntnisnahme übermittelt, ebenso die Vermögensaufstellung welche im Zuge des Verfahrens bzgl. Verfahrenshilfe übermittelt worden sei.
Weiters wurde angeführt, dass nach Ansicht des Richters zur Beschwerde betreffend Anspruchszinsen 2011 und 2012 keine Beschwerdevorentscheidung übermittelt worden sei. Allenfalls sei diese noch zu erlassen und nach allfälligem Vorlageantrag vorzulegen.

Im Antwortschreiben vom gab der zuständige Amtsvertreter bekannt, dass zur Vermögensaufstellung der Beschwerdeführerin keine weiterreichenden Informationen des Finanzamtes Österreich vorliegen würden. Es werde jedoch angemerkt, dass der Kontoauszug der Bank Austria auf "***4***" lauten würde. Es hätte nicht geprüft werden können, ob das angegebene Konto der Beschwerdeführerin gehören würde und sie die Kosten damit getragen hätte. Weiters würde es zweckmäßig sein, wenn Kontoauszüge über mehrere Monate vorgelegt werden würden, um den Zahlungsfluss und die Liquidität der Beschwerdeführerin festzustellen.
Leider sei der Abgabenbehörde nicht bekannt, ob eventuell pfändbare Vermögensgegenstände oder weitere Konten vorhanden seien. Dies wäre bei Vorliegen eines Exekutionstitels durch die Abgabensicherung zu prüfen. Allenfalls sei hierbei auch eine Kontenregisterabfrage im Einbringungsverfahren indiziert. Im Falle einer inhaltlichen Abweisung der Beschwerde würde eine (gänzliche) Abstandnahme von der Festsetzung jedoch nicht zweckmäßig erscheinen, da dies den totalen Ausfall zur Folge haben würde. Nach den derzeitigen Informationen scheine mindestens eine teilweise Einbringung möglich.

Mit Bescheid vom wurde die Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Anspruchszinsen seitens der belangten Behörde "nachgeholt" und die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Ein diesbezüglicher Vorlageantrag wurde nicht eingebracht.

In der am Sitz des Bundesfinanzgerichtes durchgeführten mündlichen Senatsverhandlung am ergänzte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin seinen Antrag gemäß § 206 BAO auch auf die Abgaben hinsichtlich Einkommensteuer und Anspruchszinsen für das Jahr 2009.
Derzeit würden rund 153.000,00 € ausgesetzt sein; unter Berücksichtigung der bereits angefallenen Aussetzungszinsen würde sich der rückständige Betrag auf rund 189.000,00 € erhöht haben.
Das Nettoeinkommen der Beschwerdeführerin würde inkl. 13. und 14. Monatsbezug ca. 2.000,00 € betragen. Die Wohnungskosten würden 580,00 € pro Monat und die Zahlungen an die Pensionsversicherungsanstalt (SVS) 332,00 € betragen.
Die Säumniszinsen würden derzeit ungefähr 5% betragen; somit errechnen sich zusätzliche Zahlungen zwischen 5.000,00 € und 6.000,00 € pro Jahr.
Die Beschwerdeführerin sei gestern vom Spital entlassen worden (***5***). Hier seien Rückschläge nicht auszuschließen - das Geburtsjahr der Beschwerdeführerin sei 1940.
Solange Zahlungen an die SVS und die Wohnung geleistet werden müssten, würde der Beschwerdeführerin ein Betrag von ca. 1.000,00 € pro Monat verbleiben.
Die Steuerschulden aus dem Jahr 2009 würden sich auf ca. 50.000,00 € belaufen.
Derzeit seien 153.673,61 € ausgesetzt; hinzukommen würden noch Aussetzungszinsen von ca. 5% pro Jahr.

Die Beschwerdeführerin würde eine Wohnung im Haus der Tochter bewohnen; die besagten Kosten würden im Wesentlichen Betriebskosten umfassen; dies sei auch bereits im Vermögensbekenntnis vom (Anmerkung Richter: Eingabe vom ) angegeben worden (u.a. Wohnrecht für ca. 70m²).

Weiters sei noch zu ergänzen, dass zu den Zahlungen auch noch allfällige Stundungszinsen kommen würden. Es würden also nur die Zinsen beglichen werden können. Eine tatsächliche Tilgung der Rückstände sei somit nicht möglich.
Wie sich aus den Akten des BFG ergebe, hätte die Beschwerdeführerin unter Wahrheitspflicht angegeben, dass sie keinerlei Vermögen besitzen würde. Hier werde auch auf den Steuerakt der ***2*** verwiesen.

Es sei also klar festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin die vorgeschriebenen Abgaben nicht zahlen wird können.

Zu den Verlängerungshandlungen sei noch anzuführen, dass die Bestimmungen in den §§ 207-209 das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Beschwerdeführerin auf ein ordnungsggemäßes Verfahren verletzen würden. Sie hätte ein Recht darauf, dass sowohl die Finanzbehörden als auch das Bundesfinanzgericht ihren gesetzlichen Erledigungsverpflichtungen nachzukommen hätten. Es würde einen groben Rechtsmangel darstellen, dass hier durch schleppende Verfahrenserledigung die Festsetzungsverjährung nicht Platz greifen würde.
Diesbezüglich sei auch zweifellos eine Verletzung von EU-Recht gegeben; in Kombination mit einer Verletzung der europäischen Menschenrechtskonvention.

Abschließend sei noch Richtigstellung anzumerken. Im Vorlagebericht sei eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft angeführt worden. Tasächlich würde es eine solche nicht geben.

Der Beisitzer gab noch zu Bedenken, dass die Zahlungen der Sozialversicherung keinen Vorrang vor anderen Abgabenzahlungen hätten.

Die Amtsvertreterin wies in ihrer Stellungnahme noch darauf hin, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Rahmen der KG (Anmerkung Richter: Fa. ***2***) nicht Verfahrensgegenstand sei.
Zur Vermögenslage könne sie keine Angaben machen.
Im Einkommensteuerverfahren würde es nur um Verjährungsbestimmungen gehen, welche seitens der Betriebsprüfung deutlich dargestellt worden seien.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Gegenständlicher Sachverhalt richtet sich in inhaltlichen Belangen ausschließlich auf die Ergebnisse einer Betriebsprüfung der Firma "XY" (***1***).
Die Bescheide über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2011 und 2012 datieren vom .
In Anlehnung an diese Bescheide wurden die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 der Beschwerdeführerin gemäß § 295 Abs. 1 BAO geändert.

Eingewendet wird gegen diese Bescheidänderungen, dass bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Seitens des erkennenden Gerichtes ist eine Festsetzungsverjährung aufgrund von zeitgerechten Verlängerungshandlungen nicht zu erkennen.
Verlängerungshandlungen betreffend Grundlagenbescheide wirken sich auch auf abgeleitete Bescheide aus.

Weiters ist darauf zu verweisen, dass betreffend die Höhe der festgesetzten Einkünfte (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) ausschließlich im Feststellungsverfahren der Personengesellschaft abzusprechen ist.

Betreffend die Vermögenslage der Beschwerdeführerin kann nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass die Abgaben keinesfalls bezahlt werden können. Es ist hier auch auf die Ausführungen im Beschluss betreffend Verfahrenshilfe zu verweisen.

Wesentlich ist auch, dass der tatsächliche Abgabenrückstand bzw. die Abgabennachforderung von dem Verfahren hinsichtlich Feststellung der Einkünfte abhängt (Feststellungsverfahren Firma ***2***).

2. Beweiswürdigung

Betreffend die Verjährungsbestimmungen wurde bereits im Vorlagebericht auf die entsprechenden Verlängerungshandlungen verwiesen (auch im Feststellungsverfahren der Personengesellschaft).
Diesen Verlängerungshandlungen wurde auch im Zuge der mündlichen Senatsverhandlung nicht widersprochen.

Diese werden hier nochmals dargestellt:
< Einkommensteuer 2011:
- : Beginn der Verjährungsfrist
- : Erstbescheid Einkommensteuer 2011
- : Beginn Außenprüfung (Prüfungsauftrag)
- : Schreiben Finanzamt an Personengesellschaft (Möglichkeit der Akteneinsicht)
- : ZMR Abfrage
- : Ergänzungsersuchen (Sachverhalt - Parteiengehör)
- : Einkommensteuerbescheid 2011 (Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO)

< Einkommensteuer 2012:
- : Beginn der Verjährungsfrist
- : Erstbescheid
- weitere Verlängerungshandlungen gleich wie bei der Einkommensteuer 2011

< Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung:
Hier ist auf die Ausführungen im Beschluss des BFG betreffend Antrag auf Verfahrenshilfe zu verweisen (). Darin wurde auch die wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin dargestellt.

Weiters hat der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung die Einkommenssituation der Beschwerdeführerin dargestellt (siehe Niederschrift zur mündlichen Verhandlung - im Teil des Verwaltungsgeschehens oben wiedergegeben).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung:

Gemäß § 206 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde von der Festsetzung von Abgaben ganz
oder teilweise Abstand nehmen,
a) soweit Abgaben von den Folgen eines durch höhere Gewalt ausgelösten Notstandes
betroffen werden, vor allem soweit abgabepflichtige Vorgänge durch Katastrophenschäden(insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden) veranlasst wordensind;
b) soweit im Einzelfall auf Grund der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch gegenüber dem Abgabepflichtigen nicht durchsetzbar sein wird.
c) wenn in einer Mehrheit von gleichgelagerten Fällen der behördliche Verwaltungsaufwand
außer Verhältnis zur Höhe der festzusetzenden Abgabe steht.
Gemäß Abs. 2 legitim. erlischt durch die Abstandnahme (Abs. 1) der Abgabenanspruch (§ 4)nicht. Die Abstandnahme berührt nicht die Befugnis, diesbezügliche persönliche Haftungengegenüber Haftungspflichtigen geltend zu machen.

Wie aus dem Gesetzestext klar zu entnehmen ist, liegt die Abstandnahme von der Festsetzung im Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde ("kann"). Gemäß § 269 Abs. 1 BAO kann diese Entscheidung auch von Verwaltungsgerichten getroffen werden (vgl. ; -F/08).

Dem Abgabenrückstand liegt jedenfalls kein Ereignis nach lit. a (höhere Gewalt) vor.

Gegenständliche Abgabennachforderung resultiert im Wesentlichen aus dem Ergebnis einer Beteiligung. Auch hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beteiligung ist noch ein Beschwerdeverfahren anhängig. Das heißt also, dass die Abgabennachforderungen auch wesentlich vom Ergebnis dieses Verfahrens abhängen (vor allem auch das Jahr 2009 betreffend).
Die gesetzliche Bestimmung führt die "Bestimmtheit" der Nichtdurchsetzbarkeit der Abgabenentrichtung an.
Wenn die Abgabennachforderung noch gar nicht mit Bestimmtheit (der Höhe nach) klar feststeht (das Feststellungsverfahren ist noch nicht rechtskräftig entschieden), kann eine derartige Bestimmtheit nicht erkannt werden.

Wie aus dem Vermögensbekenntnis der Beschwerdeführerin im Verfahren betreffend Verfahrenshilfe hervorgeht, ist tatsächlich ein wesentlicher Schuldstand jener gegenüber der belangten Behörde. Allerdings resultiert dieser, wie bereits erwähnt, aus dem Ergebnis einer Beteiligung. Dieser Betrag ist allerdings derzeit ausgesetzt (§ 212a).

Auch aus den Darstellungen der Beschwerdeführerin ist nicht mit Bestimmtheit anzunehmen, dass der Abgabenanspruch nicht durchsetzbar sein wird, zumal der tatsächliche Abgabenanspruch noch gar nicht endgültig feststeht. Dieser kann sich durch die Entscheidung im Feststellungsverfahren noch grundsätzlich ändern.
Anmerkung Richter: Das Verfahren hinsichtlich der Feststellungsbescheide ist noch nicht abgeschlossen.

Bei dieser Sachlage erscheint es dem erkennenden Senat nicht möglich und zulässig zu sein, das Ermessen hinsichtlich Nichtfestsetzung einer Abgabe zu Gunsten der Beschwerdeführerin auszuüben.

Ergänzend wird hier noch auf die Möglichkeit der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO verwiesen. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Aussetzung von beschwerdeverfangenen Abgaben, wobei nicht nur eine Beschwerde gegen den (abgeleiteten) Abgabenbescheid an sich, sondern auch eine Beschwerde gegen dem (abgeleiteten) Abgabenbescheid vorgeschalteten Feststellungsbescheid genügt (vgl. ).

Einkommensteuer 2011 und 2012:

§ 207 Abs. 1 BAO:
Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
Abs. 2 leg.cit.
Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, …,
bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre.

Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

Gemäß § 208 Abs. 1 BAO beginnt die Verjährung
a) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird;

§ 209 Abs. 1 BAO:
Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein weiteres Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Gemäß Abs. 2 leg.cit verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4).

Die Bundesabgabenordnung beinhaltet kein Verbot, der Festsetzung vorangehende abgabenrechtliche Schritte zu unternehmen.
Angemerkt wird hierzu, dass Feststellungsbescheide ohne Bedachtnahme auf Verjährungsbestimmungen erlassen werden können (vgl. ).
Die Frage der Verjährung ist erst im Zusammenhang mit einer Abgabenfestsetzung zu beurteilen (vgl. ).

Gemäß oben genannter gesetzlicher Bestimmungen beginnt gegenständlich das Recht die Abgaben festzusetzen am (betreffend Einkommensteuer 2011) sowie (betreffend Einkommensteuer 2012).
Grundsätzlich würden also die Festsetzungsverjährungen am (für 2011) und (für 2012) eintreten.

Allerdings sind hier Verlängerungshandlungen zu beachten.

Die Verjährung des Bemessungsrechtes wird durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches vorgenommene, nach außen erkennbare Handlung verlängert - auch dann, wenn sich diese Handlung nicht gegen die schließlich in Anspruch genommene Person gerichtet hat (vgl. ) oder diese behördlichen Schritte der tatsächlich abgabepflichtigen Person nicht zur Kenntnis gelangt sind (vgl. ; ).

Wie auch schon im Vorlagebericht seitens der belangten Behörde angemerkt wurde, sind Grundlagenbescheide (§ 188 BAO), die eindeutig auf die Geltendmachung von bestimmten Abgaben gerichtet sind, für die Verjährung der abgeleiteten Bescheide bedeutsam. Die im Feststellungsverfahren vorgenommenen Ermittlungsschritte (Verlängerungshandlungen) sind also auch im streitgegenständlichen Verfahren zu beachten (vgl. Ellinger ua, BAO³ § 209 Rz 5).
Feststellungsbescheide verlängern die Verjährungsfristen für jene Abgabenansprüche, die von den Feststellungsbescheiden abgeleitet sind - auch wenn es sich hierbei allenfalls um ein anderes Finanzamt handelt (vgl. ; ; ).

Es sind gegenständlich folgende Verlängerungshandlungen zu beachten:

< Erstbescheide Einkommensteuer 2011 und 2012:
Diese Bescheide sind jedenfalls nach außen erkennbar der Beschwerdeführerin zugestellt worden - diesbezüglich wurden keine Einwendungen dargestellt.
Bescheide verlängern die Verjährungsfristen der Abgaben die sie betreffen (vgl. ). Das heißt also, dass die entsprechenden Erstbescheide die Verjährungsfristen um jeweils ein Jahr verlängert haben (ESt 2011: bis und ESt 2012 bis ).

< Prüfungsauftrag ():
Der Prüfungsauftrag (der Personengesellschaft) umfasst die Jahre 2007 bis 2016 (also auch die streitgegenständlichen Jahre 2011 und 2012) und wurde nachweislich von einem Vertreter der Personengesellschaft unterzeichnet. Er ist somit jedenfalls nach außen in Erscheinung getreten und tatsächlich innerhalb der entsprechenden Verjährungsfrist () zur Kenntnis gebracht worden. Ein Zusammenhang mit der Geltendmachung von bestimmten Abgaben ist einem Prüfungsauftrag wohl immanent.
Somit hat sich die Festsetzungsverjährung um ein weiteres Jahr verlängert (bis zum ).

< Schreiben "Erläuterung zur Belegvorlage" vom :
Dieses Schreiben ist nachweislich der Personengesellschaft zu Handen der Beschwerdeführerin zugestellt worden. Es ist also ebenfalls nach außen erkennbar ergangen. Ersichtlich sind hier auch Hinweise auf die Ermittlung zur Abgabenfestsetzung (auch Möglichkeit zur Akteneinsicht).
< Abfrage ZMR vom :
Nicht entscheidend ist hier, dass die Amtshandlung für den Abgabepflichtigen erkennbar war.
Gemäß diesen beiden Amtshandlungen hat sich die Festsetzungsverjährung bis zum verlängert (vgl. ).

< Vorhalt vom :
Hier wurde der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs der im Zuge der laufenden Außenprüfung der Personengesellschaft ermittelte Sachverhalt übermittelt. Hierin wurden auch die entsprechenden Feststellungen dargelegt.
Auch dieses Schreiben ist somit nach außen erkennbar ergangen und hat sich auf entsprechende Ermittlungen zur Abgabenfestsetzung bezogen.
Somit hat sich durch diese Amtshandlung die Festsetzungsverjährung bis zum verlängert.

Allgemeines zu den Verlängerungshandlungen:

Es ist nicht erforderlich, dass Amtshandlungen zum Beweisthema tatsächlich etwas beitragen (können); es ist lediglich erforderlich, dass die Amtshandlung nach außen erkennbar ist (so also auch ZMR Abfragen (vgl. ). Auch eine Einsichtnahme in das Firmenbuch vermittelt fristverlängernde Wirkung (vgl. ).

Die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlungen sind jedenfalls auch abgabenbehördliche Prüfungen (vgl. ; ; zu Prüfungsauftrag vgl. ).

Auch Vorhalte und sonstige Anfragen verlängern die Verjährungsfrist (vgl. ; ).

Um verjährungsfristverlängernd zu wirken, muss die Amtshandlung nicht gegen den Abgabenschuldner persönlich gerichtet sein (vgl. ;); tatsächlich müssen sie dem Abgabenschuldner nicht einmal zur Kenntnis gelangen (vgl. ; ).

Gemäß oben dargestellten Ermittlungshandlungen (nach außen erkennbare Amtshandlungen) haben sich die Verjährungsfristen jedenfalls bis zum verlängert, zumal sie auch darauf ausgerichtet waren, einen Abgabenanspruch geltend zu machen (Feststellung von Einkünften zur Festsetzung von Einkommensteuern).
Die streitgegenständlichen Bescheide datieren vom - wurden als innerhalb der entsprechenden Verjährungsfristen erlassen.
Die Beschwerde war demnach als unbegründet abzuweisen.

§ 252 Abs. 1 BAO:
Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.

Das heiß also, dass Einwendungen in Hinsicht auf die Bemessungsgrundlage (hier Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Beteiligung an der Gesellschaft "XY") im Feststellungsverfahren zu tätigen sind.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall liegen keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor. Das Bundesfinanzgericht folgt hinsichtlich der Fragen der Verjährung der abgeleiteten Bescheide der im Erkenntnis dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen. Im Übrigen sind Tatfragen, die nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beantworten sind, einer (ordentlichen) Revision nicht zugänglich.
Ebenso wird im Zusammenhang mit der Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung der gesetzlichen Bestimmung gefolgt ("Ermessen").

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 206 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 269 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 252 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102020.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at