Hinterziehung von nichtselbständigen Einkünften aus einem schweizer Dienstverhältnis
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Andreas Stanek, die Richterin Mag. Manuela Puntigam sowie die fachkundigen Laienrichter Manfred Fiala und Dipl. Ing Thomas Hridinka in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Ernst & Young Steuerberatungs- gesellschaft m.b.H., Wagramer Straße 19, 1220 Wien, über dessen Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend Einkommensteuer 2011 und 2012 sowie Anspruchszinsen gemäß § 205 BAO für 2011 und 2012, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung der mündlichen Verhandlung am , in Anwesenheit der Schriftführerin Roman Schuster, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der steuerlich vertretene Beschwerdeführer (Bf.) reichte am seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2011 (BFG-Akt AS 1 - 17) sowie seine Einkommensteuererklärung 2012 (ESt-Akt AS 18 - 43) beim Wohnsitzfinanzamt ein.
Mit den den Erklärungen beigefügten Erläuterungen gab der Bf. bekannt, ein lokales Dienstverhältnis mit der AG in der Schweiz abgeschlossen zu haben. Zur Dienstverrichtung in der Schweiz habe der Bf. einen Wohnsitz in Deutschland begründet, seinen Wohnsitz in Österreich aber weiter aufrechterhalten. Da die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Bf. in Österreich gelegen wären, habe sich der Lebensmittelpunkt des Bf. weiterhin in Österreich befunden, weswegen der Bf. in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig sei (BFG-Akt AS 16 und AS 39f).
Der Bf. beantragte die nunmehr bekanntgegebenen nichtselbständigen Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug bei der Ermittlung der österreichischen Einkommensteuer zu berücksichtigen.
Mit Bescheiden vom wies das Finanzamt den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2011 und 2012 zurück, da die Anträge nicht fristgerecht eingebracht worden seien (BFG-Akt AS 44f und AS 46f).
Am behob das Finanzamt diese beiden Zurückweisungsbescheide gemäß § 299 Abs. 1 BAO und verwies dabei auf die gesonderte Begründung zu den am ergangenen Einkommensteuerbescheiden 2011 und 2012 (BFG-AS 48, AS 49). Mit diesen zugleich ergangenen Einkommensteuerbescheiden setze das Finanzamt am die Einkommensteuer für 2011 und 2012 nunmehr- unter Anrechnung der in der Schweiz entrichteten Steuer ergab sich eine Abgabennachforderung für 2011 in Höhe von € 3.589,00 und für 2012 in Höhe von € 19.216,00 - erklärungsgemäß fest (BFG-AS 50ff, AS 55ff).
In dieser gesondert ergangenen Bescheidbegründung vom führte das Finanzamt (wörtlich dargestellt) aus:
" … Das Recht eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
Die Verjährungsfrist beträgt gem. § 207 Abs. 2 1. Satz BAO u.a. bei der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer fünf Jahre. Nach § 207 Abs. 2 2. Satz BAO (in der hier anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 105/2010: § 323 Abs. 27 BAO) beträgt die Verjährungsfrist, soweit eine Abgabe hinterzogen ist, zehn Jahre.
Der Abgabenhinterziehung macht sich nach § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Nach § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
Fahrlässig handelt hingegen, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 8 Abs. 2 FinStrG).
Die Abgabe ist nicht daran gehindert, im Abgabenverfahren - ohne dass es einer finanzstrafbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bedarf - festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO hinterzogen sind.
Das jahrelange Nichterklären von ausländischen Einkünften in derart beträchtlicher Höhe im Inland stellt für einen durchschnittlich gebildeten Menschen wie den Abgabepflichtigen augenscheinlich vorsätzliches Verhalten im Sinne des § 8 FinStrG dar. Zunächst erscheint ein bloßes "Vergessen" in Anbetracht der Höhe von € 124.885,91 (2012) ausgeschlossen. Die sich aus dem Vorliegen einer Doppelbesteuerung ergebenden Rechtsfragen hingen mögen für einen steuerlichen Laien nicht ohne weiteres zu lösen sein. Es erfordert Kenntnisse des internationalen Steuerrechts, insbesondere des ggst. DBAs mit der Schweiz und der diesem zugrundeliegenden Anrechnungsmethode.
Hingegen setzt der sog dolus eventualis keine genaue Rechtskenntnis bzw. die Fähigkeit, derartige Rechtsfragen unzweifelhaft zu lösen, voraus. Es genügt, dass der Abgabenpflichtige einen Abgabenausfall durch sein Untätig sein ernsthaft für hält und sich damit abfindet. Dass ein Veranlagtwerden in der Schweiz typischerweise steuerliche Vorteile bieten würde (sog. "Steueroase"), weshalb die Rep. Ö wie auch andere EU-Staaten stets bestrebt ist, dieser Ungleichbesteuerung durch legistische Gegenmaßnahmen entgegenzuwirken, ist jedem normal verständigen Menschen, insbesondere aber einen Bezug zur Schweiz aufweisenden Menschen, bekannt. Es erscheint nahezu undenkbar, dass sich ein solcher Mensch nicht nach der steuerlichen Rechtslage bzw. nach den für ihn gebotenen Maßnahmen erkundigt haben soll. Eine diesbezügliche Unterlassung kann allergünstigstenfalls als Inkaufnahme der Bewirkung einer massiven Abgabenverkürzung im Inland angesehen werden (in der Regel sogar als reine Absicht).
Da somit der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 2. Satz BAO jedenfalls gegeben ist, erfolgt die Erlassung der Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist. … " (BFG-Akt AS 59f).
Als Folge der Festsetzung der Abgabenachforderungen ergingen entsprechende Anspruchszinsenbescheide für 2011 und 2012 gleichen Datums (BFG-Akt AS 63ff und AS 66 ff).
Mit Schriftsatz vom erhob der Bf. Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 sowie die Festsetzung von Anspruchszinsen für 2011 und 2012. Begründend hielt der Bf. dabei fest, dass im gegenständlichen Fall die verlängerte Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben mangels hinterzogener Abgaben nicht zur Anwendung komme. Eine vorsätzliche Hinterziehung sei dem Bf. nicht vorzuwerfen.
"… In der Begründung des Finanzamtes wird ausgeführt, dass das jahrelange Nichterklären von ausländischen Einkünften in derart beträchtlicher Höhe im Inland für einen durchschnittlich gebildeten Menschen wie dem Abgabepflichtigen augenscheinlich vorsätzliches Verhalten darstellen würde.
Dem ist entgegen zu halten, dass die Nichtabgabe von Erklärungen aber auch die Höhe der Einkünfte per se keinen Vorsatz und somit eine Hinterziehung augenscheinlich machen.
Die Hinterziehung setzt klare und nachvollziehbare Feststellungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite voraus, welche auch aus der Bescheidbegründung ersichtlich sein müssen, nur dann kann von Hinterziehung ausgegangen werden.
Wie das Finanzamt selbst einräumt, handelt es sich im konkreten Fall um Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Doppelbesteuerungsrecht und führt das Finanzamt wohl auch zu Recht aus, dass die sich diesbezüglich ergebenden Rechtsfragen für einen steuerlichen Laien nicht ohne weiteres zu lösen sind.
Gerade bei gegenständlichem Sachverhalt zeigt sich die Komplexität der Materie.
Die Steuernachleistung in Österreich resultiert aus der im Doppelbesteuerungsabkommen Österreich/Schweiz vorgesehenen Anrechnungsmethode. Wobei die Anrechnungsmethode nur in wenigen der von Österreich abgeschlossenen DBAs vereinbart ist. Im Großteil der DBAs ist die Befreiungsmethode vorgesehen. Bei einem DBA mit Befreiungsmethode hätte sich keine Steuerpflicht in Österreich ergeben.
Weiters hatte Herr ***Bf1*** beginnend mit dem Veranlagungsjahr 2011 einen Wohnsitz in Deutschland, ist zu seiner Arbeitsstätte in die Schweiz gependelt und hat zugleich auch seinen Wohnsitz in Österreich beibehalten.
In einer derartigen Konstellation bedarf es nicht nur eines Verständnisses für das DBA Österreich/Schweiz (Anrechnungsmethode) sondern auch eines Verständnisses für das DBA Österreich/Deutschland (Befreiungsmethode) bzw. dem DBA Deutschland/Schweiz und ein umfassendes Verständnis dafür, wie diese DBAs im Verhältnis zu einander auszulegen sind.
Es ist nahezu unmöglich für den steuerrechtlichen Laien hier eine korrekte Bestimmung der doppelbesteuerungsrechtlichen Ansässigkeit (zwei Wohnsitz in zwei Mitgliedstaaten sowie eine Arbeitsstätte in einem weiteren Mitgliedstaat, der kein Wohnsitzstaat ist) vorzunehmen.
Darüber hinaus handelt es sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Das Besteuerungsrecht hat dabei im Doppelbesteuerungsrecht grundsätzlich der Tätigkeitsstaat.
[Der Bf.] war ausschließlich in der Schweiz tätig. Die Schweiz hat im Einklang mit dem DBA auch besteuert. Weiters hat [der Bf.] auch Sozialversicherungsabgaben in der Schweiz bezahlt, woraus in Summe auch eine höhere Abgabenbelastung resultierte. Somit wäre für einen normal verständigen Menschen ein Unrechtsgehalt im Sinne einer Steuerhinterziehung - ausgelöst ausschließlich durch die im DBA vorgesehene Anrechnungsmethode - nicht erkennbar gewesen.
Auch [der Bf.] erkannte aufgrund der angeführten Umstände nicht, dass er einen steuerlich sehr komplexen Sachverhalt verwirklicht hat und kann ihn somit auch eine allenfalls mangelnde Erkundigung nicht in dem Sinne vorgeworfen werden, dass er vorsätzlich gehandelt hat. Wenn überhaupt, dann wäre von Fahrlässigkeit auszugehen.
Auch den pauschalen Ausführungen der Finanzverwaltung, wonach eine Veranlagtwerden in der Schweiz typischerweise steuerliche Vorteile bietet und in diesem Zusammenhang auf Steueroasen Bezug genommen wird, kann im konkreten Fall nicht gefolgt werden.
Die Schweiz wird insbesondere aufgrund des rigiden Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit Kapitalvermögen als Steueroase bezeichnet.
Dass aber damit jede Einkünfteerzielung in der Schweiz für einen normal verständigen Menschen steuerlich problematisch sein soll und hier automatisch vorsätzliches Handels impliziert wird, ist unseres Erachtens jedenfalls überschießend und kann alleine nicht ausreichen, einen Vorsatz zu begründen. Aufgrund der generell sehr hohen Besteuerung von Arbeitseinkommen in Österreich gäbe es diesbezüglich auch mit vielen anderen Nachbarstaaten eine Ungleichbesteuerung, die - folgt man den Ausführungen des Finanzamtes - eine Erkundigungspflicht auslösen würden.
Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass das Finanzamt offenbar allein aufgrund des Bezuges zur Schweiz von einem Hinterziehungsvorsatz ausgeht. Weitere objektive Umstände die auf einen Hinterziehungsvorsatz schließen lassen, werden nicht vorgebracht. Insbesondere wird die Komplexität des konkreten Falls im Hinblick auf die subjektive Tatseite nicht ausreichend gewürdigt.
Der vom Finanzamt unterstellte Unrechtsgehalt wären auch für einen normal verständigen Menschen aufgrund der objektiven Umstände dieses Falles (siehe oben) unseres Erachtens keinesfalls erkennbar gewesen. [Der Bf.] war der nachvollziehbaren Ansicht, dass aufgrund seiner ausschließlichen Tätigkeit in der Schweiz, aufgrund eines Schweizer Arbeitsvertrages und der Besteuerung in der Schweiz, keine weiteren steuerlichen Verpflichtungen in Österreich mehr bestehen. … "
Der Bf. beantrage die Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 sowie die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2011 und 2012 da diese Veranlagungsjahre bereits verjährt seien (BFG-Akt AS 69-72).
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde des Bf. als unbegründet ab.
"… Das Vorbringen verkennt die Natur des bedingten Vorsatzes. Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt bereits vorsätzlich, wer die Verwirklichung eines Sachverhaltes, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, ernsthaft für möglich hält und sich damit abfindet.
Die Ausführungen, wonach es dem Abgabepflichten bzw Verdächtigten an (aktivem) Wissen über das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und der Schweiz gemangelt habe, insb. dass er nicht über die beiden grundsätzlichen Modelle zur Vermeidung von Doppelbesteuerung, nämlich der Anrechnungs- und der Befreiungsmethode hinreichend informiert war, insbesondere, dass ihm nicht bewusst war, dass sich aufgrund der konkret heranzuziehenden Anrechnungsmethode, und nur aufgrund von dieser, die gegenständliche Abgabennachforderung ergeben würde, sind entbehrlich, denn selbstverständlich kann ein derartiges (aktives) Wissen bei einem durchschnittlichen steuerlichen Laien nicht vorausgesetzt werden.
Indes verkennen die Ausführungen, wonach sich bei Heranziehung der sog. Befreiungsmethode im konkreten Fall keine steuerliche Auswirkung ergeben hätte, den unzweifelhaften Umstand, dass auch eine solche Kenntnis der (nationalen wie internationalen) Steuervorschriften einem offensichtlichen Laien wie dem Abgabepflichtigen bzw, wie es wörtlich heißt, einem "normal verständigen Menschen" typischerweise nicht bekannt sind. In Wahrheit ist es für einen normal verständigen Menschen, also steuerlichen Laien ziemlich belanglos, ob seine Einkünfte aus der Schweiz oder einem anderen (Aus-)Land stammen bzw ob die Befreiungs- oder Anrechnungsmethode zur Anwendung gelangt oder nicht. Hingegen ist sich jeder normalverständige steuerliche Laie bewusst, dass ausländische Einkünfte eine für ihn hinreichend komplexe steuerliche Konstellation bewirken, die ihn der Verpflichtung aussetzt, fachkundigen Rat einzuholen. Gerade ein solcher normalverständiger steuerlicher Laie weiß um seine grundsätzliche Unkenntnis, um seine Unfähigkeit, die steuerlichen Rechtsfragen zu lösen.
Hingegen ist es jedem normalverständigen Menschen hinlänglich bekannt, dass die Schweiz, wenn schon nicht eine "Steueroase", so doch ein "Niedrigsteuerland" darstellt, und dass ein Veranlagt werden in der Schweiz mit steuerlichen Vorteilen verbunden ist, weshalb die anderen Staaten bei zwischenstaatlich steuerrelevanten Sachverhalten zu entsprechenden legistischen Ausgleichsmaßnahmen tendieren. Zwar ist hier nur von ungefährem Wissen auszugehen, was indes an der für jedermann erkennbaren Notwendigkeit der Einholung fachkundigen Rates nicht das Geringste zu ändern vermag. Der Tenor der Beschwerdeausführungen setzt sich über derartige Überlegungen konsequent hinweg bzw scheint sich über Begriffe wie Vorsatz (dh bedingter Vorsatz, dolus eventualis), der von (böser) Absichtlichkeit (dolus malus) strikt zu unterscheiden ist, bzw von strafrechtlicher Verschuldenslehre im Allgemeinen nicht ganz im Klaren:
"Dass aber damit jede Einkünfteerzielung in der Schweiz für einen normal verständigen Menschen steuerlich problematisch sein soll und hier automatisch vorsätzliches Handeln impliziert wird, ist jedenfalls überschießend und kann alleine nicht ausreichend, einen Vorsatz zu begründen."
Wenn man nicht unterstellen will, dass im ersten Fall bloß bedingter, im zweiten Fall jedoch böser Vorsatz gemeint sein soll, erscheint das eigentlich Gemeinte nicht erkennbar, denn natürlich impliziert die Annahme "vorsätzlichen Handelns" "vorsätzliches Verhalten". Der nächste Satz ist hingegen nicht bloß tautologisch, sondern fußt ganz offensichtlich auf einer irrigen Prämisse:
"Aufgrund der generell sehr hohen Besteuerung von Arbeitseinkommen in Österreich gäbe es diesbezüglich auch mit vielen anderen Nachbarstaaten eine Ungleichbesteuerung, die [...] eine Erkundigungspflicht auslösen würde."
Dies selbstverständlich, muss hier geantwortet werden. Selbstverständlich wird ein laienhafter, indes steuerehrlicher Abgabepflichtiger in derartigen Fällen fachkundigen Rat einholen. Selbstverständlich macht sich ein Abgabenpflichtiger, der dies unterlässt, höchst verdächtig, um es vorsichtig auszudrücken, das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 FinStrG begangen zu haben.
Genau aber darin besteht die crux des vorliegenden Falles. Wie seitens Finanzamtes bereits dargelegt, hat der Abgabenpflichtige seinen steuerlichen Verpflichtungen, fachkundigen Rat einzuholen, über Jahre nicht entsprochen, dies im Bewusstsein seines unzureichenden Wissens, an welchem auch eine oberflächliche Kenntnis von Begriffen wie "Anrechnungs-" oder "Befreiungsmethode" nicht das Geringste ändern würde. Mit dieser Gleichgültigkeit hat er einen Abgabenausfall der Republik Österreich sowie einen Verstoß gegen deren Steuervorschriften in Kauf genommen, sohin eine Abgabenverkürzung ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden. Sein Verhalten stellt geradezu ein Musterbeispiel für bedingt vorsätzliches Verhalten dar. ..." (BFG-Akt AS 77 - 79).
Mit Schriftsatz vom beantragt die steuerliche Vertretung des Bf. einerseits die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht andererseits die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie die Entscheidung durch den Senat. Auf die bisherigen Ausführungen verweisend führte die steuerliche Vertretung ergänzend aus, dass
". … nach ständiger Rechtsprechung des OGH Eventualvorsatz vor[liegt], wenn der Täter das mit seinem Handeln verbundene Risiko erkannt und als so hoch eingeschätzt hat, dass er die Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbildes als naheliegend ansieht, sich aber dennoch zur Tat entschließt, weil er auch einen solchen Ablauf der Ereignisse hinzunehmen gewillt ist. Es wird folglich eine zielgerichtete subjektive Einstellung vorausgesetzt. Diese zielgerichtet subjektive Einstellung ist unserem Mandanten jedoch keinesfalls zu unterstellen. Auch ist die für den Vorsatz erforderliche Wollens- und Willenskomponente im konkreten Fall gerade nicht gegeben.
Die - im Übrigen nicht näher substantiierten - Ausführungen der Behörde im Rahmen der Bescheidbegründung, wonach "jedem normalverständigen Menschen hinlänglich bekannt" sein müsste, dass die Schweiz ein "Niedrigsteuerland" darstelle und die Einholung fachkundigen Rates unausweichlich sein soll, überzeugen nicht. Die Qualifikation der Schweiz als Niedrigsteuerland mag - wie auch bereits in der Beschwerde angeführt - vielleicht für die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen gelten, ist in dieser Pauschalität jedoch keineswegs für die Besteuerung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zutreffend. Hier sei nur daran erinnert, dass bei der Beurteilung des Steuerniveaus in der Schweiz nicht nur die bundesweite Einkommensteuer, sondern auch die - von den Kantonen und Gemeinden in unterschiedlicher Höhe erhobenen - Staats- und Gemeindesteuern zu berücksichtigen sind, was zu einer entsprechend höheren Gesamtsteuerbelastung des Einkommens führt.
Unabhängig davon ist es nach der Rechtsprechung des VwGH gerade nicht ausreichend, das Vorliegen von Vorsatz mit "als nahezu allgemein bekannt anzusehenden Umständen" zu begründen (). Wenn die Behörde somit argumentiert, dass unserem Mandanten bestimmte Umstände - seien diese nun zutreffend oder nicht - bewusst sein hätten müssen, verkennt sie, dass bloß "potentielles Wissen" für die Annahme von Vorsatz nicht ausreichend ist. In diesen Fällen kommt allenfalls (unbewusste) Fahrlässigkeit in Betracht. Diese mag unter Umständen im Rahmen der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit finanzstrafrechtlich relevant sein kann, führt mangels Vorliegens einer Hinterziehung allerdings gerade nicht zur Anwendung der zehnjährigen abgabenrechtlichen Festsetzungsverjährung. Feststellungen der Behörde, dass die für den Vorsatz erforderliche Wissenskomponente entsprechend ausgeprägt ist, bleibt die Beschwerdevorentscheidung schuldig und liegt schädliches Wissen unseres Mandanten auch tatsächlich nicht vor.
Unser Mandant war der Ansicht, dass aufgrund seiner ausschließlichen Tätigkeit in der Schweiz, seines Schweizer Arbeitsvertrages und der monatlichen Besteuerung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in der Schweiz, keine weiteren steuerlichen Verpflichtungen in Österreich mehr bestehen. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erfolgt in der Schweiz wie auch in Österreich ein monatlicher (Quellen-)Steuereinbehalt. Wir weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass - hätte sich der Sachverhalt in Österreich ereignet - unser Mandant aufgrund des korrekten monatlichen Steuereinbehalts nicht einmal verpflichtet gewesen wäre, eine Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen.
Dass unser Mandant davon ausgegangen ist, Einkünfte eines Arbeitnehmers würden (nur) dort besteuert, wo die Tätigkeit ausgeübt wird, und mit dem Steuerabzug durch den Arbeitgeber seien alle steuerlichen Pflichten erfüllt, ist aus dem Blickwinkel eines steuerlichen Laien mehr als nachvollziehbar und entspricht im Übrigen auch der Verteilung der Besteuerungsrechte nach den meisten von Österreich abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (i.e., Befreiungsmethode). Vor diesem Hintergrund und ohne Hinzutreten weiterer Umstände eine besondere Erkundigungspflicht anzunehmen, scheint unseres Erachtens überschießend. Doch selbst in dem Fall, dass unterstellt wird, dass unserer Mandant pflichtwidrig keinen fachmännischen Rat eingeholt hätte, würde bloß potentielles Unrechtsrechtsbewusstsein vorliegen, dass nach allgemeinen (finanz-)strafrechtlichen Grundsätzen eine Vorsatzhaftung ausschließt (Schmitt zu § 9 FinStrG in FinstrG Bd. 1 2018, 5. Aufl. 2018, Rz 6a mwN).
Dass unser Mandant also den tatbildmäßigen Erfolg des § 33 Abs. 1 FinStrG ernstlich für möglich gehalten hat und sich damit abgefunden hat und somit vorsätzlich Abgaben hinterzogen haben soll, ist in keiner Weise nachvollziehbar. Das ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass ein positiver Willensentschluss, sich mit der Verwirklichung eines Hinterziehungstatbestandes abzufinden, weder vorliegt, noch von der Behörde Feststellungen in diese Richtung getroffen worden wären. Vielmehr war unser Mandant der irrigen Ansicht, dass mit der Besteuerung der Einkünfte in der Schweiz sämtliche Steuerverpflichtungen erfüllt waren und ist somit einem Tatbildirrtum unterlegen. Ein solcher Irrtum über das Bestehen oder den Umfang einer abgabenrechtlichen Verpflichtung schließt einen auf ihre Verletzung gerichteten Vorsatz aber gerade aus. In der führenden Kommentarliteratur wird der Fall "dass jemand in Anwendung der Bestimmung des Doppelbesteuerungsabkommens darüber irrt, dass im Ausland erzielte Einkommen im Wohnsitzstaat zu versteuern sind" sogar explizit als Beispiel für den Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale genannt (siehe Schmitt zu § 9 FinStrG in FinstrG Bd. 1 2018, 5. Aufl. 2018, Rz 5a).
Liegt aber - wie im konkreten Fall - ein beachtlicher Irrtum vor, ist eine Vorsatzhaftung und damit das Vorliegen eines Hinterziehungsdelikts ausgeschlossen. Aufgrund des Umstandes, dass die zehnjährige Verjährungsfrist nur im Fall von Hinterziehung zum Tragen kommt, ist die Frage der Entschuldbarkeit des Irrtums (und damit die Frage einer möglichen Fahrlässigkeitsstrafbarkeit) hier nicht von Belang. Dies wurde von der Behörde in keiner Weise gewürdigt, obwohl sie von Amts wegen auch auf entlastende Umstände berücksichtigen müsste.
Im Ergebnis liegt unseres Erachtens jedenfalls kein vorsätzliches Verhalten unseres Mandanten (und dementsprechend auf keine Hinterziehung) vor und stellt sich die Berufungsvorentscheidung vor diesem Hintergrund als inhaltlich rechtswidrig dar. Wir beantragen daher die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 sowie die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2011 und 2012 aufzuheben, da aufgrund von § 209 Abs.1 BAO für diese Veranlagungsjahre bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist."
(BFG-Akt AS 83 - 85).
Während der Bf. die Stattgabe der Beschwerde beantragt, fordert die Amtspartei hingegen deren Abweisung.
In der am durchgeführten mündlichen Senatsverhandlung stellten die Verfahrensparteien einvernehmlich zunächst außer Streit, dass im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nunmehr ausschließlich die Beurteilung der "subjektiven Tatseite" des Bf. bei der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung gemäß § 33 FinStrG strittig sei.
Ergänzend befragt gab der Bf. an, im Jahr 2011 von einem Headhunter kontaktiert worden zu sein, ob er sich vorstellen könne, als IT-Exchange-Spezialist in der Schweiz zu arbeiten. Zum damaligen Zeitpunkt arbeitete der Bf. bereits 13 Jahre in der IT-Branche, zu der er als Quereinsteiger im Zuge seines abgebrochenen Maschinenbaustudiums kam. Bis zu diesem Zeitpunkt sei der Bf. in verschiedenen Firmen im Bereich Projektmanagement, Infrastruktur und Datencentermanagement tätig gewesen. Bei seinem letzten Dienstgeber in Österreich im Jahr 2011 war der Bf. zuständig für die Integration des internationalen IT-Infrastruktur-Managements.
Einer der Gründe für die Zusage des Bf. sei gewesen, dass er damals ein Einfamilienhaus, finanziert mit einem SFR Fremdwährungskredit, erworben habe.
Anlässlich des Abschlusses des Anstellungsvertrages mit der AG habe der Bf. ein kleines Appartement in L (BRD) angemietet. Den täglichen Arbeitsweg von seinem Wohnsitz in Deutschland an den Dienstort habe der Bf. mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt.
Auskünfte, was denn auf den Bf. zukäme als er in Deutschland seinen polizeilich gemeldeten Wohnsitz gründete, holte er keine ein. Wichtig sei ihm nur gewesen, einen Schlafplatz zu haben. Die nächsten Jahre sei der Bf. Freitagnachmittags via A mit dem Zug zur Familie nach Österreich und Sonntags sodann wieder zurückgefahren.
2012 habe der Bf. über einen Bekannten einen Steuerberater kennengelernt und diesem im Zusammenhang um allfällige Steuererleichterungen mit Kindern die Vollmacht erteilt in seinen Finanzamtsakt Einsicht zu nehmen, ob der Bf. denn Arbeitnehmerveranlagung beim Finanzamt eingereicht hätte. Dass der Bf. Steuererklärungen für den Zeitraum vor 2011 regelmäßig eingereicht habe, die zu einer Steuergutschrift führten sei ihm nicht mehr erinnerlich. Dieser Steuerberater habe sich nach Einsicht in den Steuerakt des Bf. nicht wieder gemeldet und habe der Bf. auch kein Honorar entrichtet (BFG-Akt AS 100).
Über Befragen des Gerichtes, warum denn der Bf. für den Zeitraum 2011 keinen Antrag auf Arbeitsnehmerveranlagung gestellt habe, zumal die zu erwartenden Steuerrückzahlung für die österreichischen Bezüge eine höhere als in den Vorjahren wäre, erklärt dieser, dass sich seine Lebensumstände geändert hätten, er die Zeit mit seiner Familie verbringen wollte und wegen des erhöhten Stressfaktors andere Sorgen als die Steuer gehabt habe.
Auskünfte über eine potentielle Steuerpflicht anlässlich seiner Wohnsitzbegründung in L (Deutschland) habe er nicht eingeholt. Zwar sei dem Bf. "die 183-Tage-Regel" durchaus bekannt gewesen und habe er somit "ein bisschen was gewusst und ein bisschen was nicht gewusst". Dennoch habe er weitere Auskünfte betreffend einer potentiellen steuerlichen Problematik definitiv nicht eingeholt. Er sei der Auffassung gewesen, weder 183 Tage in Deutschland noch 183 Tage in Österreich aufhältig gewesen zu sein und wären aus diesem Grund mit der Entrichtung der Schweizer Steuer sämtliche Steuerverpflichtungen abgegolten.
Bewusst geworden sei dem Bf. die steuerliche Problematik erst, als auf einer Videowall in der Schweiz ein Steuerdatenaustausch zwischen Österreich und der Schweiz thematisiert und angekündigt worden sei. Auch habe er ein diesbezügliches Gespräch im Zug verfolgt, weswegen er sich an den nunmehrigen steuerlichen Vertreter gewandt habe, welcher die erteilte Vollmacht im anmerkte.
Der Bf. sei zwar bei international tätigen Unternehmen beschäftigt gewesen, doch der Begriff des "Doppelbesteuerungsabkommen" sei ihm im Gegensatz zu heute nicht geläufig gewesen. Um steuerliche Belange habe er sich auch nicht kümmern müssen, wenn er für kurze Zeit ins Ausland entsendet wurde. Die Differenz zwischen den Steuersätzen in Österreich und der Schweiz bzw. die jeweilige Abgabenbelastung habe er nicht hinterfragt. Auch habe er in der Schweiz keinen Steuerausgleich eingereicht, da er diesbezüglich kein Wissen gehabt habe.
Abschließend beantragt der steuerliche Vertreter der Beschwerde stattzugeben, da der Bf. keine Absicht gehabt habe Steuern zu hinterziehen. Der Einwand des Finanzamtes, wonach die Schweiz eine Steueroase sei, weise für Einkünfte des Bf. keine Relevanz auf, zumal die Abgabenhöhe (Sozialversicherung und Steuerhöhe) in etwa 35 % betragen. Nach Auffassung des Bf. wären durch die Entrichtung der Steuer in der Schweiz auf Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit weitere Erkundigungen nicht notwendig. Trotz hoher Ausbildung ist der Bf. ein steuerlicher Laie und hatte keine Absicht (Willenskomponente) Steuern zu hinterziehen.
Der Vertreter des Finanzamtes verweist auf das bisherige Vorbringen, beantragt die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde und verweist darauf, dass sich die familiäre Situation des Bf. steuerlich nicht verändert habe (Kinderfreibetrag, Mehrkindzuschlag, Erhöhungsbetrag für Sonderausgaben - bisher in den Veranlagungen immer beantragt). Es sei nicht nachvollziehbar, warum eine Akteneinsicht genehmigt worden sein soll, wenn ab dem Jahr 2011 keine Steuerpflicht des Bf. in Österreich besteht.
I. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Nach Schulabschluss sowie nach Abbruch seines Maschinenbaustudiums war der Bf. bis zum in Österreich als IT-Fachmann - Koordinator für die Integration internationaler Unternehmens-IT-Infrastruktur - nichtselbständig beschäftigt.
Nachdem ein Personalberater ("Headhunter") den Bf. von einem Berufswechsel überzeugte schloss der Bf. am mit der AG, mit Sitz in M in der Schweiz, einen Anstellungsvertrag ab und war dort ab als leitender Angestellter tätig. Im Kalenderjahr 2011 hat der Bf. bis November in Österreich und danach etwa 1 ½ Monate in der Schweiz gearbeitet.
Für seine Tätigkeit in der Schweiz begründete der Bf. einen (polizeilich gemeldeten) Wohnsitz in Deutschland, von dem aus er zu seinem Arbeitsort in der Schweiz pendelte.
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. befindet sich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in Österreich, da die Familie - Ehefrau und vier Kinder - des Bf. sich durchgängig hier aufhält. Der Bf. ist am Familienwohnsitz auch ansässig iSd Art 4 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (kurz DBA).
Neben seinen ausländischen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit und Kapitalerträgen iHv € 37,09 (im Jahr 2012) verfügte der Bf. über keine weiteren Einkünfte im Inland- und Ausland.
Für die Abgabenzeiträume 2006 bis 2010 reichte der Bf. regelmäßig elektronisch - ein FinanzOnline Zugang besteht seit - Arbeitnehmerveranlagungen beim Finanzamt ein und ergab die Durchführung dieser regelmäßig Gutschriften:
Erklärung 2006, eingereicht am , Gutschrift € 1.129,06;
Erklärung 2007, eingereicht am , Gutschrift € 1.413,02;
Erklärung 2008, eingereicht am ,
Einkommensteuerbescheid 2008 vom , Gutschrift € 1.373,06;
Erklärung 2009, eingereicht am ,
Einkommensteuerbescheid 2009 vom , Gutschrift € 1.285,41;
Erklärung 2010, eingereicht am ,
Einkommensteuerbescheid 2010 vom , Gutschrift € 711,29.
Am - sohin etwa 1 ½ Jahre nach elektronischer Abgabe der AN-Erklärungen 2009 - 2011 - merkte ein Steuerberater eines Bekannten des Bf. in dessen elektronischen Steuerakt eine Vollmacht zum Zweck der Akteneinsicht an. Diese Vollmacht der steuerlichen Vertretung umfasste sowohl eine Geld- als auch Zustellvollmacht und wurde vom Bf. vor dem Hintergrund allfälliger Steuererleichterungen im Zusammenhang mit Kindern erteilt. Der Widerruf dieser Vollmacht erfolgte am . Sodann gab die nunmehrige steuerliche Vertretung die vom Bf. erteilte Vollmacht im elektronischen Steuerakt an.
Vor der Offenlegung am hat der Bf. für die Streitjahre keine Einkommensteuererklärungen bzw. Arbeitnehmerveranlagungen, mit denen die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erklärt worden wären, bei den österreichischen Abgabenbehörden abgegeben. Auskünfte und Informationen bzw. Beratungsdienstleistungen über eine mögliche Steuerpflicht in Deutschland oder Österreich hat der Bf. bis Mitte 2018 keine eingeholt.
Durch diese Nichtoffenlegung hat der Bf. die Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG bewirkt. Der Bf. hat durch sein bewusstes Unterlassen des Einholens von Auskünften bzw. durch sein bewusstes Unterlassen der Informationsbeschaffung in steuerlichen Angelegenheiten die Abgabenhinterziehung ernstlich für möglich gehalten und sich mit ihr abgefunden zu haben (bedingter Vorsatz).
Außer Streit steht zwischen den Verfahrensparteien, dass der im Inland ansässige Bf. in Österreich der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, die sich gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 auf alle in- und ausländischen Einkünfte erstreckt. Unstrittig ist weiters, dass das Besteuerungsrecht gemäß Art 15 DBA hinsichtlich der aus der Schweiz stammenden nichtselbständigen Einkünfte nach den abkommensrechtlichen Bestimmungen sowohl der Schweiz als auch Österreich zukommt, wobei Österreich gemäß Art 23 Abs. 2 DBA die in der Schweiz entrichtet Steuer - unter Beachtung des Anrechnungshöchstbetrages - auf die in Österreich entfallende Steuerschuld anrechnet.
Die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit wären vom Bf. in Österreich offenzulegen und der Besteuerung zu unterwerfen gewesen. Der Bf. hat durch die Verletzung der ihn nach § 119 BAO treffenden Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch das Nichterklären der in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit eine Verkürzung der Abgaben bewirkt. Die objektive Tatseite des § 33 Abs. 1 FinStrG ist damit erfüllt und wird vom Bf. nunmehr auch gar nicht bestritten.
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist nunmehr ausschließlich strittig, ob der Tatbestand der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung gemäß § 33 FinStrG erfüllt ist und demnach die längere Frist von 10 Jahren gemäß § 207 Abs. 2 BAO bei der Einkommensteuerfestsetzung zum Tragen kommt.
Beweiswürdigung
Diese Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Akten des Abgabenverfahrens, der Einsichtnahme in den elektronischen Steuerakt, Erhebungen im Abgabeninformationssystem, den im Zuge des Beschwerdeverfahrens dem Bundesfinanzgericht übermittelten Dokumenten, des in der mündlichen Verhandlung erstatteten Vorbringens sowie der Befragung des Bf. anlässlich der durchgeführten mündlichen Verhandlung. Für das Bundesfinanzgericht haben sich weder in Wahrnehmung der amtswegigen Ermittlungspflicht noch im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO) Anhaltspunkte ergeben, an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zu zweifeln.
Die Beurteilung des Verhaltens des Bf. - des bewussten Nichteinholens von Auskünften bzw. des bewussten Nichtinformierens in steuerlichen Angelegenheiten - erschließt sich nach Dafürhalten des BFG aus den wiederkehrenden Aussagen des Bf. in der mündlichen Verhandlung, wonach "er andere Sorgen gehabt habe als die Steuer". Eigenen Aussagen zufolge hat der Bf. zumindest rudimentäres Wissen in Bezug auf die "183 Tage Regel" gehabt, sich aber dennoch keine relevanten steuerlichen Auskünfte bzw. Informationen verschafft.
Auch aus dem Umstand, dass der Bf., nachdem er einem Steuerberater im August 2012 Vollmacht erteilte hatte Einsicht in seinen elektronischen Steuerakt zu nehmen, es bewusst unterließ Informationen über das Ergebnis dieser Akteneinsicht zu erlangen folgt nach Dafürhalten des Bundesfinanzgerichtes das oben festgestellte bewusste Nichteinholen von Auskünften bzw. des bewussten Nichtinformierens in steuerlichen Angelegenheiten.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Ad Einkommensteuer 2011 und 2012
§ 207 BAO normiert:
"(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt … bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe."
§ 33 FinStrG bestimmt:
"(1) Der Abgabenhinterziehung macht sich schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
(2) […]
(3) Eine Abgabenverkürzung nach Abs. 1 oder 2 ist bewirkt,
a) wenn Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig festgesetzt wurden oder infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten, […]"
§ 8 FinStrG regelt:
"(1) Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
(2) Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will."
§ 9 FinstrG lautet:
"Dem Täter wird weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dem Täter wird Fahrlässigkeit auch dann nicht zugerechnet, wenn ihm bei der Tat eine entschuldbare Fehlleistung unterlief"
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist nunmehr ausschließlich strittig, ob der Tatbestand der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung gemäß § 33 FinStrG erfüllt ist und demnach die längere Frist von 10 Jahren gemäß § 207 Abs. 2 BAO bei der Einkommensteuerfestsetzung zum Tragen kommt.
Im Rahmen der Vorfragenprüfung nach § 116 BAO hat das Bundesfinanzgericht das Vorliegen des für die Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG erforderlichen Vorsatzes (§ 8 Abs. 1 FinStrG) zu prüfen.
Der Tatbestand der Abgabenhinterziehung besteht aus zwei Seiten, einer objektiven und einer subjektiven Tatseite.
Im Beschwerdefall steht unstrittig fest, dass der Bf. seiner Offenlegungs- und Wahrheitspflicht tatsächlich nicht nachgekommen ist. Eine Grundvoraussetzung für die Bewirkung einer Abgabenverkürzung durch Nichterfüllung einer Erklärungs-, Anmelde- oder Anzeigepflicht ist, dass der Abgabenbehörde die Entstehung des konkreten (auf eine bestimmte Abgabenart und ein bestimmtes Veranlagungsjahr bezogenen) Abgabenanspruches überhaupt nicht bekannt geworden ist. War somit das Entstehen des Abgabenanspruches der Abgabenbehörde dem Grunde nach bekannt, so kann die Nichtabgabe einer Steuererklärung keine Abgabenverkürzung mehr bewirken und stellt damit auch keine Abgabenhinterziehung dar. Das bedeutet, dass ein bereits wegen der Veranlagung zur Einkommensteuer beim Finanzamt geführter Abgabepflichtiger durch das Unterlassen der Abgabe von Steuererklärungen für ein Veranlagungsjahr keine Abgabenverkürzung hinsichtlich der bekannten Abgabenpflichten begehen kann. Veranlagungssteuern begründen eine Art Dauerschuldverhältnis, weil die Behörde auf Basis der ihr bekannten Informationen von einem Fortbestand der Verhältnisse ausgehen darf und muss. Diese Pflichtverletzung ist dann nur mehr - bei Vorsätzlichkeit - als Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG strafbar, sofern es nicht zu einer zu niedrigen Abgabenfestsetzung kommt. Die von § 33 Abs. 3 lit. a FinStrG geforderte Kenntnis kann sich nur auf die Entstehung des Abgabenanspruches dem Grunde nach beziehen, da die Höhe des Abgabenanspruches in jedem Falle erst durch Abgabenerklärungen oder Sachverhaltsermittlungen der Behörde im Nachhinein bekannt werden kann. Auch hätte sonst § 33 Abs. 3 lit. a 1. Halbsatz FinStrG keine praktische Bedeutung (vgl. Reger/Nordmeyer/Hacker/Kuroki, Das Finanzstrafgesetz 4, Bd. 1, § 33 Rzen 40 ff; Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 33 Rzen 14 ff).
Nach Ansicht des Finanzgerichtes hatte die Abgabenbehörde, was die hier in Rede stehende bescheidmäßig festzusetzende Einkommensteuer 2011 und 2012 betrifft, erst nach Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist Kenntnis von der Entstehung des (konkreten) Abgabenanspruches dem Grunde nach und konnte damit die hier unstrittig vorliegende Nichtabgabe der vorgeschriebenen Steuererklärung eine Abgabenverkürzung bewirken. Der Bf. war vor Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist zwar hinsichtlich seiner lohnsteuerpflichtigen Einkünfte bereits steuerlich erfasst (in den Jahren 2002 bis 2010 wurden jährlich Arbeitnehmerveranlagungen elektronisch an das Finanzamt übermittelt), allerdings hat die Abgabenbehörde erst im Zuge der Veranlagung des Bf. zur Einkommensteuer 2011 bis 2017 im August 2018, somit nach Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist für die Einkommensteuer 2011 und 2012, von den ausländischen Einkünften des Bf. erfahren. Die (objektive) Abgabenhinterziehung ist somit vollendet.
Fraglich ist, ob auch die subjektive Tatseite, der Vorsatz, gegeben ist. Es werden drei Arten von Vorsatz unterschieden, Absicht, Wissentlichkeit (dolus principialis) und bedingter Vorsatz (dolus eventualis).
Im Falle der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG genügt der bedingte Vorsatz. Bedingter Vorsatz liegt bereits dann vor, wenn der Täter die Verwirklichung eines Sachverhaltes, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet (§ 8 Abs. 1 FinStrG).
Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu schließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. ).
Zur subjektiven Tatseite ist dem auf einen Vorsatz ausschließenden Irrtum abzielenden Einwand, der Bf. habe angenommen mit der Entrichtung der Schweizer Steuer auf seine nichtselbständigen Einkünfte alle Verpflichtungen erfüllt zu haben, wie folgt zu entgegnen:
Der Hinterziehungstatbestand richtet sich nach § 33 Finanzstrafgesetz (FinStrG). Ob eine Abgabe hinterzogen ist, ist eine im Abgabenveranlagungsverfahren zu klärende Vorfrage (vgl. Ritz, BAO5, § 207 Tz 15). Nicht erforderlich ist daher für die Annahme der zehn Jahre betragenden Verjährungsfrist ein rechtskräftiger Schuldspruch im Finanzstrafverfahren oder die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus, und zwar auch dann, wenn im Verwaltungsverfahren noch keine Verjährungseinrede erhoben wurde. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde I. Instanz nachzuweisen. Aus der Begründung des Bescheides muss sich ergeben, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse sowie auf Grund welcher Überlegungen zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung die Annahme der Hinterziehung gerechtfertigt ist. Im Übrigen gilt die Unschuldsvermutung auch für die Beurteilung der "hinterzogenen Abgabe" (vgl. Ritz, BAO5, § 207 Tz 15, und die dort angeführte VwGH-Rechtsprechung; Seewald in Tannert, Finanzstrafrecht § 33 FinStrG E 37; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 207, Anm. 17f).
Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG erfordert Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genügt. Nach § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbestand entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet (bedingter Vorsatz). Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht (). Eine vorsätzliche Steuerhinterziehung kann nur angenommen werden, wenn der Vorsatz alle Tatumstände erfasst; dies gilt auch für den bedingten Vorsatz (; 94/69). Der Täter muss wissen und wollen, dass er eine abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt und dass diese Pflichtverletzung zur Abgabenverkürzung führt. Bei Verletzungsdelikten hat sich das Bedenken und Beschließen auf den tatbildmäßigen Erfolg zu beziehen. Hingegen reicht das Wissen des Abgabepflichtigen um seine abgabenrechtlichen Verpflichtungen einerseits und deren Unterlassung andererseits allein noch nicht hin, unter allen Umständen auf eine mit Vorsatz begangene Tathandlung zu schließen ( 433/70; ). Es reicht nicht aus, den deliktischen Vorsatz allein auf die Tatsache der Abgabenverkürzung zu stützen (). Aus dem Gesamtbild muss sich ein eindeutiger Beweis für das Vorliegen des Vorsatzes auf alle Merkmale des Tatbestandes sowie auf alle einzelnen, dem Abgabepflichtigen zur Last gelegten Tathandlungen gegeben sein (vgl. 22/62). Bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn der Täter die Verwirklichung des Unrechtes des Sachverhaltes zwar nicht anstrebt, nicht einmal mit Bestimmtheit mit dem Eintritt des verpönten Erfolges rechnet, dies jedoch für möglich hält, somit als naheliegend ansieht und einen solchen Erfolg hinzunehmen gewillt ist bzw. sich damit abfindet. Davon spricht man, wenn der Täter intellektuell erkannt hat, dass sein Verhalten zu einer Steuerverkürzung führen kann und er diesen Erfolg billigend in Kauf nimmt (vgl. Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 33 Rz 216 und die dort zitierte OGH- bzw. VwGH-Rechtsprechung). Auch bedingter Vorsatz setzt grundsätzlich eine (die Abgabenverkürzung in Kauf nehmende) zielgerichtete subjektive Einstellung des Täters voraus, auf deren Vorhandensein oder Nichtvorhandensein nur aus seinem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten unter Würdigung aller sonstigen Sachverhaltselemente geschlossen werden kann (vgl. ; ). Von der Judikatur werden an die Wissenskomponente keine allzu strengen Maßstäbe angelegt. Demnach genügt es für den Hinterziehungsvorsatz des § 33 FinStrG, wenn der Abgabepflichtige eine grundsätzliche Steuerpflicht seiner Einkünfte ernstlich für möglich hält. Der Vorsatz entfällt nicht deshalb, weil er nicht weiß, welche Rechtsnorm anzuwenden bzw. welche Einkunftsart davon betroffen ist. Die Kenntnis über das prinzipielle Bestehen einer Einkommensteuerpflicht kann bei intellektuell durchschnittlich begabten Personen vorausgesetzt werden (Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 33, Rz 219; VwGH 97/15/0056)
Der Tatvorsatz muss bereits vor bzw. bei Ausführung der Tat vorliegen, sodass nachträglich eingetretene Umstände nicht von Bedeutung sind (vgl. ; Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 33 Rz 224).
Nach § 9 FinStrG wird dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter grobe Fahrlässigkeit zuzurechnen. In keinem Fall des Irrtums liegt daher - mangels Vorsatzes - Abgabenhinterziehung gemäß § 33 FinStrG vor.
In der Beschwerde wird im Wesentlichen eingewendet, der Bf. sei irrtümlich davon ausgegangen, dass die ausländischen Einkünfte durch den Abzug der Schweizer Lohnsteuer in Österreich nicht zu besteuern seien.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen:
Der Bf. war vor seiner Auslandstätigkeit im Inland beschäftigt. Ihm war das Ausmaß der Steuerbelastung in Österreich daher durchaus bewusst. In den Jahren 2010 und 2011 lag der Durchschnittsteuersatz für die österreichischen Einkünfte bei rund 31-32%. Obwohl er in der Schweiz 2012 Bruttobezüge in Höhe von € 124.885,91 (abzüglich einbehaltener Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von € 15.851,66) bezog hat, wurden nur € 11.658,51 an Lohnsteuer einbehalten; das entspricht einer Lohnsteuerbelastung von nicht einmal 11 %. Es ist unglaubwürdig, dass der Bf. der Annahme war, sämtliche Steuerpflichten damit erfüllt zu haben. Die Nichtabgabe der Arbeitnehmerveranlagung 2011 (und in weiterer Folge auch 2012) ist keinesfalls als Element eines Irrtums, denn mehr eines Vorsatzes zu werten.
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist regelmäßig anzunehmen, dass jeder, der sich zum Zwecke der Einkünfteerzielung ins Ausland begibt, Erkundigungen einholt. Diese Erkundigungen betreffen verschiedene Lebensbereiche, wie etwa Aufenthaltstitel, Anmeldung eines Kfz, Straßenverkehrsordnung, medizinische Versorgung, pensions- und sozialversicherungsrechtliche Belange.
Nach Lehre und Rechtsprechung kann bei intellektuell durchschnittlich begabten Personen die Kenntnis über das prinzipielle Bestehen einer Einkommensteuerpflicht grundsätzlich vorausgesetzt werden (vgl. Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 33 Rz 219, sowie , und ).
Dass sich der Bf. über so ein wichtiges Thema wie Besteuerung nicht erkundigt haben soll, ist unglaubwürdig und wurde vom Bf. auch nicht behauptet.
Die Erklärung des Bf., einerseits es hätten sich seine Lebensumstände geändert und er wollte die (spärliche) Zeit mit seiner Familie verbringen, andererseits hätte er wegen des erhöhten Stressfaktors andere Sorgen als die Steuer gehabt, vermag nicht zu überzeugen. Der Bf. hat vom Zeitpunkt der Unterzeichnung des Dienstvertrages beim Schweizer Dienstgeber bis in das erste Halbjahr 2018, sohin 6 ½ Jahre, keine Maßnahmen getroffen um das rechtswidrige Handeln zu vermeiden.
Warum der Bf. für 2011 keine Arbeitnehmerveranlagung durchführte, obwohl er noch bis November 2011 bei einem inländischen Arbeitgeber tätig war und die Veranlagungen der Vorjahre stets eine Gutschrift ergeben hatten, spricht gegen die Behauptung eines Rechtsirrtums. Denn bei der Annahme, für die Schweizer Einkünfte bestehe in Österreich keine Erklärungspflicht, wäre es naheliegend gewesen, die Schweizer Einkünfte nicht in die Erklärung aufzunehmen, aber dennoch Werbungskosten, Sonderausgaben und Kinderfreibeträge für 2011 geltend zu machen.
Der vom Bf. in diesem Kontext vorgebrachte Einwand, er habe sich an die Abgabe der Erklärungen der Vorjahre nicht erinnern können und deswegen dem Steuerberater eine Vollmacht erteilt, vermag nicht zu überzeugen. Für den Bf. als Teilnehmer im FinanzOnline-System und als IT-Fachmann sollte eine diesbezügliche Datenabfrage keine besondere Schwierigkeit dargestellt haben und hätte sofortige Klarheit über die rechtskräftigen Veranlagungen der Vorjahre verschafft. Die Erteilung einer Vollmacht zur Akteneinsicht stellt sich für das Bundesfinanzgericht dafür wäre in diesem Fall entbehrlich gewesen.
Sollte der Bf. der Auffassung gewesen sein keine AN-Erklärungen eingereicht zu haben, so ist nicht nachvollziehbar, warum sich der Bf. nicht nach dem Ergebnis der Akteneinsicht seines bevollmächtigten Steuerberaters erkundigt hat, um für den Fall der Richtigkeit seiner Auffassung, sodann für die betreffenden Jahre AN-Erklärungen nachzureichen, zumal Steuergutschriften - Berücksichtigung der Kinderfreibeträge, des Mehrkindzuschlages bzw. des Erhöhungsbetrages für Sonderausgaben - zu erwarten gewesen wären.
Auch ist die Vollmachtserteilung an einen Steuerberater im ersten Halbjahr 2012 zwecks Akteneinsicht in den elektronischen Steuerakt für das Bundesfinanzgericht in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar, wenn mit der Entrichtung der Schweizer Lohnsteuer alle sämtliche steuerlichen Verpflichtungen abgegolten gewesen sein sollen.
Es ist unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar sich über Steuererleichterungen im Zusammenhang mit Kindern zu erkundigen, wenn von einer Steuerpflicht in Österreich nicht ausgegangen wird. Dass die Erkundigungen die Vorjahre betroffen haben soll, ist auszuschließen, da zum Zeitpunkt der Bevollmächtigung die Vorjahre bereits rechtskräftig veranlagt waren.
Es ist zumindest davon auszugehen, dass der Bf. eine aufgrund der Nichterklärung der Schweizer Einkünfte eintretende Abgabenverkürzung jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Der Bf. hat keine Maßnahmen getroffen um das rechtswidrige Handeln zu vermeiden.
Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes geht das Verhalten des Bf. daher über Fahrlässigkeit hinaus. Für die Annahme der Fahrlässigkeit ist die Behauptung einem Irrtum unterlegen zu sein, nicht ausreichend, da der Wille des Bf. zur korrekten steuerlichen Vorgangsweise durch keinerlei (weitere) Indizien zum Ausdruck kommt.
Das Bundesfinanzgericht geht daher bei einem Abgabepflichtigen in der Situation des Bf. davon aus, dass er sich nicht nur über die steuerlichen Verhältnisse in der Schweiz erkundigt hat, sondern auch, dass er bei einer Besteuerung von bisher in Österreich zwischen 31 und 32 % Einkommensteuer und der Erkenntnis, dass die in der Schweiz erzielten unselbständigen Einkünfte "nur" mit rund 11 % besteuert wurden, hier einer Handlungspflicht durch Erklärung der ausländischen Einkünfte in Österreich erfordert hätte, der er - um sich weitere Abgaben zu ersparen - nicht nachgekommen ist.
Der Bf. konnte das Vorliegen eines das vorsätzliche Handeln ausschließenden Irrtum (§ 9 FinStrG) hinsichtlich der Steuerpflicht der in der Schweiz erzielten nichtselbständigen Einkünfte in Österreich somit nicht darlegen.
Unter Würdigung der vorliegenden Sachverhaltselemente kommt das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass der Bf. die Abgabenverkürzung wenn auch nicht absichtlich und wissentlich, so doch zumindest billigend in Kauf genommen hat, womit der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben iSd § 207 Abs. 2 BAO erfüllt ist. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind damit innerhalb der hier anzuwendenden 10-Jährigen Verjährungsfrist ergangen. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Ad Anspruchszinsen
§ 205 BAO lautet
"(1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus
a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,
b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,
c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.
(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.
[…]"
Das Bundesfinanzgericht sieht es als erwiesen an, dass das Finanzamt mit Datum Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012 mit Abgabennachforderungen iHv € 3.589,00 (2011) und € 19.216,00 (2012) sowie Bescheide für dieselben Jahre über die Festsetzung von Anspruchszinsen iHv € 272,88 (2011) und € 1.308,15 (2012) erlassen hat.
Der Sachverhalt ist nicht strittig und ergibt sich aus den vorliegenden Beweismitteln.
Die Festsetzung von Anspruchszinsen ist eine sich aus dem Gesetz ergebende objektive Rechtsfolge. Dabei ist der Abgabenbehörde weder ein Ermessen eingeräumt noch kommt es auf ein Verschulden bzw. Nichtverschulden des Abgabepflichtigen am Entstehen zinsenrelevanter Nachforderungen an (vgl. ).
Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Abgabenbescheid getroffen worden sind, kann der abgeleitete Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Abgabenbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind (§ 252 Abs. 2 BAO iVm § 252 Abs. 1 BAO).
Anspruchszinsen sind mit Abgabenbescheid festzusetzen, wobei Bemessungsgrundlage die jeweilige Nachforderung oder Gutschrift ist, die sich aus dem Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides (Stammabgabenbescheid), ergibt (vgl. ).
Anspruchszinsen gehören nach § 3 Abs. 2 lit. b BAO zu den Nebenansprüchen und sind zur festzusetzenden Abgabe formell akzessorisch (vgl. ).
Anspruchszinsenbescheide sind somit nach ständiger Rechtsprechung an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommensteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden (vgl. ; ; ) und aufgrund dieser Bindung nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar ist, der maßgebende Stammabgabenbescheid sei rechtswidrig (vgl. Ritz, BAO, 6. Aufl., § 205 Tz 34; ebenso , mwN).
Eine rechtskräftige Einkommensteuerfestsetzung wird vom Gesetz nicht verlangt (vgl. ).
Anspruchszinsenbescheide sind - wie ausgeführt - an die Stammabgabenbescheide gebunden. Wenn sich diese nachträglich als rechtswidrig erweisen und abgeändert oder aufgehoben werden, sind neue, an die geänderten Stammabgabenbescheide gebundene Anspruchszinsenbescheide zu erlassen (vgl. ; ; ; Ritz, BAO 6, § 205 Tz 35).
Nachdem aus den oben angeführten Gründen Verjährung der Erlassung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012 nicht entgegenstand, erweisen sich auch die angefochtenen Anspruchszinsenbescheide als rechtmäßig.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im streitgegenständlichen Fall nicht vor, da die Frage des Vorliegens einer Abgabenhinterziehung im Wege der freien Beweiswürdigung zu lösen war (vgl. ; ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 33 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 8 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 9 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104460.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at