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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.02.2024, RV/7200092/2021

Einreihung von Unterwäsche für Erwachsene mit Inkontinenz in die Kombinierte Nomenklatur

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7200092/2021-RS1
Inkontinenzunterwäsche für Erwachsene ist unter Bedachtnahme auf die HS-Erläuterungen zu Kapitel 9619 der KN in der Position 9619 0050 10 der KN einzureihen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , MRN ***1***, und über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , MRN ***2***, betreffend Einfuhrabgaben zu Recht erkannt:

I. Zu MRN ***1***:
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert:
Die Anführung der Warennummern in den Feldern 33 der Zollanmeldung wird für beide Positionen abgeändert auf: 9619 0050 10
Die Festsetzung des Zolls wird zu Gunsten der Bf. abgeändert von € 21.197,92 auf € 18.548,18.

II. Zu MRN ***2***:
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert:
Die Anführung der Warennummern in den Feldern 33 der Zollanmeldung wird für beide Positionen abgeändert auf: 9619 0050 10
Die Festsetzung des Zolls wird zu Gunsten der Bf. abgeändert von € 8.775,24 auf € 7.678,32.

III. Im Übrigen werden die beiden o.a. Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

IV. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

V. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Mitteilung gem. Art. 102 Abs. 1 UZK vom setzte das Zollamt Österreich die Eingangsabgabenschuld zur Zollanmeldung MRN ***1*** vom fest. Diese Mitteilung gilt gem. § 59 ZollR-DG als Abgabenbescheid.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom der nunmehrigen Beschwerdeführerin (Bf.), ***Bf.***, die in der erwähnten Zollanmeldung als direkt Vertretene genannt ist.

Das Zollamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***3***, als unbegründet ab.

Die Bf. stellte daraufhin mit Schriftsatz vom den Vorlageantrag.

Mit Mitteilung gem. Art. 102 Abs. 1 UZK vom setzte das Zollamt Österreich die Eingangsabgabenschuld zur Zollanmeldung MRN ***2*** vom fest.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom der Bf., die in der erwähnten Zollanmeldung als direkt Vertretene genannt ist.

Das Zollamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***4***, als unbegründet ab.

Die Bf. stellte daraufhin mit Schriftsatz vom den Vorlageantrag.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit den beiden o.a. Zollanmeldungen wurde Inkontinenzunterwäsche für Damen und Inkontinenzunterwäsche für Herren in den zollrechtlich freien Verkehr überführt (Art. 5 Nr. 16 Buchstabe a UZK).

Laut den Angaben der Bf. als direkt Vertretene (und somit Anmelderin gem. Art. 5 Nr. 15 UZK) im Feld 33 der beiden Zollanmeldungen handelte es sich bei diesen Erzeugnissen einerseits um Waren der Position 6108 2200 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) - darunter fallen Slips und andere Unterhosen aus Gewirken oder Gestricken, für Frauen oder Mädchen, aus Chemiefasern - mit einem Zollsatz von 12,00 % bzw. andererseits um Waren der Position 6107 1100 00 der KN -darunter fallen Slips und andere Unterhosen aus Gewirken oder Gestricken, für Männer oder Knaben, aus Baumwolle - ebenfalls mit einem Zollsatz von 12,00 %.

In den Zollanmeldungen wird auf die nachstehend angeführten zwei Untersuchungsbefunde des Zollamtes verwiesen. Dort werden die Erzeugnisse wie folgt beschrieben:

ETOS-Erledigung 659/2021

Beschaffenheit der Ware:

eine schwarzer Boxer; Größe M (5); im vorderen Bereich mit einem erweiternden, mehrlagig gearbeiteten Einsatz, auf Grund des Schnitts eindeutig als Männerbekleidung erkennbar; textiles Erzeugnis

Untersuchungsergebnis:

elastische, eng anliegende Unterwäsche (Boxer) mit elastischem Bund; ohne Eingriff; die Außenseite besteht aus Cellulosefasern; im eingearbeiteten Einsatz an der Vorderseite befinden sich 4 Lagen (innen aus Polyester, erste Zwischenlage aus Cellulose, zweite Zwischenlage aus einem weißen Vlies auf Polyesterbasis, dritte Zwischenlage aus Polyester und körperabgewandt mit einer Polyurethanfolie überzogen); Ankündigung als Unterwäsche bei Blasenschwäche

ETOS-Erledigung 660/2021

Beschaffenheit der Ware:

eine schwarze Unterhose; Größe L (40/42); im Schritt mehrlagiges, textiles Erzeugnis

Untersuchungsergebnis:

elastische, eng anliegende Unterwäsche mit elastischem Bund; ohne Eingriff; die Außenseite besteht aus Polyamidfasern; im Schritt befinden sich 5 Lagen (innen aus Polyester, erste und zweite Zwischenlage aus Cellulose, dritte Zwischenlage aus einem weißen Vlies auf Polyesterbasis, die vierte Zwischenlage aus Polyester und körperzugewandt mit einer Polyurethanfolie überzogen); Ankündigung als Unterwäsche bei Blasenschwäche.

Die beiden Beschwerden zielten ursprünglich darauf ab, eine Einreihung dieser Wirtschaftsgüter in die Position 9619 0040 10 der KN (das sind hygienische Binden (Einlagen), Tampons und ähnliche Waren) zu erreichen (Zollsatz 6,30 %). In zwei ergänzenden Eingaben vom änderte die Bf. ihre Argumentation dahingehend ab, dass es sich um Medizinprodukte mit einem Zollsatz von 0 % handle. Unter welcher konkreten Position der KN diese Erzeugnisse demnach nach Ansicht der Bf. einzureihen wären, ist weder diesen beiden Schriftsätzen noch den sonstigen Eingaben der Bf. zu entnehmen.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in die vom Zollamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte und unter Berücksichtigung der seitens der Bf. nachgereichten Unterlagen und Warenmuster.

Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Rechtslage:

Gem. Art. 56 Abs. 2 Buchstabe a UZK umfasst der Gemeinsame Zolltarif auch die Kombinierte Nomenklatur (KN) nach der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87.

Die Allgemeine Vorschriften (AV) zur Kombinierten Nomenklatur lauten auszugsweise:

Für die Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur gelten folgende Grundsätze:

AV 1

Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist - die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.

AV 2

a. Jede Anführung einer Ware in einer Position gilt auch für die unvollständige oder unfertige Ware, wenn sie im vorliegenden Zustand die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware hat. Sie gilt auch für eine vollständige oder fertige oder nach den vorstehenden Bestimmungen dieser Vorschrift als solche geltende Ware, wenn diese zerlegt oder noch nicht zusammengesetzt gestellt wird.

b. Jede Anführung eines Stoffes in einer Position gilt für diesen Stoff sowohl in reinem Zustand als auch gemischt oder in Verbindung mit anderen Stoffen. Jede Anführung von Waren aus einem bestimmten Stoff gilt für Waren, die ganz oder teilweise aus diesem Stoff bestehen. Solche Mischungen oder aus mehr als einem Stoff bestehenden Waren werden nach den Grundsätzen der Allgemeinen Vorschrift 3 eingereiht.

AV 3

Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2 b) oder in irgendeinem anderen Fall zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird wie folgt verfahren:

a. Die Position mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Positionen mit allgemeiner Waren-bezeichnung vor. Zwei oder mehr Positionen, von denen sich jede nur auf einen Teil der in einer gemischten oder zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe oder nur auf einen oder mehrere Bestandteile einer für den Einzelverkauf aufgemachten Warenzusammenstellung bezieht, werden im Hinblick auf diese Waren als gleich genau betrachtet, selbst wenn eine von ihnen eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung enthält.

b. Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der Allgemeinen Vorschrift 3 a) nicht eingereiht werden können, werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.

c. Ist die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 3 a) und 3 b) nicht möglich, wird die Ware der von den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen in dieser Nomenklatur zuletzt genannten Position zugewiesen.

AV 6

Maßgebend für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position sind der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und - sinngemäß - die vorstehenden Allgemeinen Vorschriften. Einander vergleichbar sind dabei nur Unterpositionen der gleichen Gliederungsstufe. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten bei Anwendung dieser Allgemeinen Vorschrift auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln.

Die Überschrift zu Kapitel 61 der KN lautet:

"Kleidung und Bekleidungszubehör, aus Gewirken oder Gestricken".

Der Wortlaut der Position 6107 der KN bestimmt auszugsweise:


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6107
Slips und andere Unterhosen, Nachthemden, Schlafanzüge, Bademäntel und -jacken, Hausmäntel und ähnliche Waren, aus Gewirken oder Gestricken, für Männer oder Knaben
-
Slips und andere Unterhosen
6107 2100 00
--
aus Baumwolle

Der Wortlaut der Position 6108 der KN bestimmt auszugsweise:


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6108
Unterkleider, Unterröcke, Slips und andere Unterhosen, Nachthemden, Schlafanzüge, Negligees, Bademäntel und -jacken, Hausmäntel und ähnliche Waren, aus Gewirken oder Gestricken, für Frauen oder Mädchen
-
Unterkleider und Unterröcke
-
Slips und andere Unterhosen
6108 2100 00
--
aus Baumwolle
6108 2200 00
--
aus Chemiefasern
6108 2900 00
--
aus anderen Spinnstoffen
-
Nachthemden und Schlafanzüge
-
andere

Der Wortlaut der Position 9619 der KN bestimmt auszugsweise:


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9619
Hygienische Binden (Einlagen) und Tampons, Windeln, Windeleinlagen und ähnliche Waren aus Stoffen aller Ar
9619 0030 00
-
aus Spinnstoffwatte
-
aus anderen Spinnstoffen
9619 0040
--
Hygienische Binden (Einlagen), Tampons und ähnliche Waren
9619 0040 10
---
aus Gewirken oder Gestricken
9619 0040 90
---
andere
9619 0050
--
Windeln und Windeleinlagen und ähnliche Waren
9619 0050 10
---
aus Gewirken oder Gestricken
9619 0050 90
---
andere
-
aus anderen Stoffen

Anmerkung 1 u) zum Abschnitt XI der KN (Spinnstoffe und Waren daraus) lautet:

Zum Abschnitt XI gehören nicht:

Waren des Kapitels 96 (z. B. Bürsten, Reisezusammenstellungen von Waren zum Nähen, Reißverschlüsse, Farbbänder für Schreibmaschinen, hygienische Binden (Einlagen) und Tampons, Windeln und Windeleinlagen).

Erwägungen:

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das für die zolltarifliche Einreihung von Waren entscheidende Kriterium allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der KN-Position und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Dies ergibt sich auch aus den Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben bestehen die vom Ausschuss für das Harmonisierte System ausgearbeiteten Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. ; ).

Die Erläuterungen zum Harmonisierten System zu Position 9619 der KN lauten:

"Hierher gehören hygienische Binden (Einlagen) und Tampons, Windeln und ähnliche Waren, einschließlich saugfähiger hygienischer Stilleinlagen, Windeln für Erwachsene mit Inkontinenz und Slipeinlagen, aus Stoffen aller Art.

Im Allgemeinen handelt es sich bei den Erzeugnissen dieser Position um Einwegartikel. Viele dieser Erzeugnisse sind zusammengesetzt aus:

a. einer inneren Lage (z. B. aus Vliesstoffen), die dazu geeignet ist, Flüssigkeit von der Haut des Trägers aufzusaugen und dadurch Wundreibung zu vermeiden;

b. einer saugfähigen Einlage zum Sammeln und Halten der Flüssigkeit bis das Erzeugnis weggeworfen werden kann; und

c. einer äußeren Lage (z. B. aus Kunststoff) um ein Entweichen der Flüssigkeit aus der saugfähigen Einlage zu vermeiden.

Die Erzeugnisse dieser Position sind gewöhnlich so geformt, dass sie sich gut an den menschlichen Körper anpassen.

Hierher gehören auch ähnliche herkömmliche Erzeugnisse, die nur aus Spinnstoffen bestehen und gewöhnlich nach dem Waschen wiederverwendet werden können.

Hierher gehören nicht Erzeugnisse wie Einweg-Operationsabdecktücher, saugfähige Einlagen für Krankenhausbetten, Operationstische und Rollstühle oder nicht saugfähige Stilleinlagen oder andere nicht saugfähige Erzeugnisse (im Allgemeinen Einreihung nach ihrer stofflichen Beschaffenheit)."

Strittig ist einzig die Einreihung der zollabgefertigten Inkontinenzunterwäsche in den Zolltarif und die sich daraus ergebende Höhe des anzuwendenden Zollsatzes.

Das Zollamt vertritt die Ansicht, die von der Bf. selbst in den o.a. Zollanmeldungen erklärte Einreihung unter Warennummer 6107 1100 00 (für die Herrenunterwäsche) bzw. 6108 2200 00 (für die Damenunterwäsche) sei zutreffend.

Die Bf. meinte hingegen zunächst, es handle sich um Windeln der Position 9619 der KN und vertritt nunmehr die Ansicht, es handle sich um "Medizinprodukte", die ex Tarif zollfrei seien.

Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich bei den eingeführten Waren nach den glaubwürdigen (und vom Zollamt nicht in Zweifel gezogenen) Angaben der Bf. einerseits um "Blasenschwäche-Unterwäsche für Herren" und andererseits um "Blasenschwäche-Unterwäsche für Damen" handelt.

Die Bf. beschreibt diese Wirtschaftsgüter in der Beschwerde, als nachhaltige Alternative zu Windeln. Es sei versucht worden, Windeln zu erzeugen, die nicht "hässlichen" herkömmlichen Windeln ähnlich sehen. Der Umstand, dass es sich um besonders ästhetische Windeln handle, ändere nichts daran, dass es sich letztendlich ausschließlich um Windeln handle. Charakterbestimmend für die gegenständlichen Erzeugnisse sei ihre Verwendung als Inkontinenzunterwäsche, die der Aufnahme von ungewollten Ausscheidungen diene.

An Hand der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Muster stellen sich die Erzeugnisse als aus Gewirken aus Spinnstoffen gefertigte Inkontinenzunterwäsche für Frauen bzw. für Männer in Form von Taillenslips dar. Sie sind im Schrittbereich zusätzlich mit einer flüssigkeitsundurchlässigen, saugfähigen Innenlage ausgestattet. Laut Ankündigung sind sie waschbar und für wiederholte Verwendung geeignet. Es handelt sich demnach um "Windeln oder ähnliche Waren" für Erwachsene mit Inkontinenz.

Betrachtet man den für die zolltarifliche Einreihung maßgeblichen Gesetzestext der Nomenklatur, zeigt sich, dass Windeln und ähnliche Waren in der Überschrift zu Position 9619 der KN namentlich genannt sind.

Windeln für Erwachsene mit Inkontinenz werden in den o.a. HS-Erläuterungen zu Position 9619 der KN ausdrücklich erwähnt.

Allein aus dieser für das Schicksal der vorliegenden Beschwerde wesentlichen Feststellung folgt ohne jeden Zweifel, dass die Bf. im Recht ist, wenn sie in der Beschwerde die Einreihung unter die Position 9619 der KN als zutreffend erachtet.

Zu prüfen bleibt, in welche Unterposition die gegenständlichen Waren fallen und welche Zollsätze sich daraus ergeben.

Die Bf. meinte ursprünglich, es sei ein Zollsatz von 6,30 % zur Anwendung zu bringen. Dieser Zollsatz gilt für Waren der Position 9619 0040 (Hygienische Binden (Einlagen), Tampons und ähnliche Waren). Die Einreihung unter diese Position kommt eindeutig nicht in Betracht. Denn es handelt sich hier gerade nicht um die in dieser Position genannten Erzeugnisse wie Einlagen und dergleichen, sondern -wie die Bf. selbst einräumt - um Windeln oder ähnliche Waren.

Windeln und ähnliche Waren für Inkontinenz werden von der Position 9619 0050 00 der KN erfasst (Windeln und Windeleinlagen für Säuglinge und Kleinkinder und ähnliche Waren, aus Gewirken oder Gestricken). Sie unterliegen einem Zollsatz von 10,50 %.

Bemerkt wird, dass sich das vorliegende Einreihungsergebnis mit zahlreichen verbindlichen Zolltarifauskünften anderer Mitgliedstaaten deckt, die allesamt ähnliche Produkte betreffen.

So hat etwa die deutsche Zollverwaltung unter vZTA-Nummer DEBTI43604/22-1 vom eine vZTA-Entscheidung erlassen, in der die Ware wie folgt beschrieben wird:

"Es handelt sich um Inkontinenzhosen für Frauen und Männer in Form von Taillenslips aus Gewirken aus Spinnstoffen, die im Schrittbereich zusätzlich mit einer flüssigkeitsundurchlässigen, saugfähigen, gerauten Innenlage aus Polyurethan ausgestattet sind. Der Männerslip weist im vorderen Bereich zusätzlich einen Eingriff auf. Die Slips werden bei Inkontinenz getragen und sind zur mehrfachen Verwendung bestimmt. Abbildung siehe Anlage. Derartige Waren gehören als "den Windeln für Säuglinge und Kleinkinder ähnliche Waren aus Spinnstoffen aller Art, aus anderen Spinnstoffen als Spinnstoffwatte" zur Unterposition 9619 0050 der Kombinierten Nomenklatur."

Beispielsweise verwiesen wird außerdem auf die vZTA-Entscheidung der niederländischen Zollverwaltung vom , vZTA-Nummer NLBTI2022-0778, die folgende mit den gegenständlichen Erzeugnissen durchaus vergleichbare Ware beschreibt, die ebenfalls unter Position 9619 0050 der KN eingereiht wurde:

"Eine sogenannte Menstruationsunterhose mit - je nach Spezifikation - folgenden Merkmalen und Eigenschaften: - feuchtigkeitsabsorbierend, zum Auffangen von Flüssigkeiten; - zur Anwendung während der Menstruation; - aus Maschenware aus Polyester und Elasthan; - geeignet, nach dem Waschen mehrmals verwendet zu werden; - oben eine Öffnung für den Unterkörper; - zwei Beinöffnungen unten; - oben gesäumt; - mit Paspeln an den Beinöffnungen versehen; - einer im Schritt ist ein doppellagiger Strick, der oben rechteckige Öffnungen aufweist; - zwischen dem im Schritt aufgebrachten doppellagigen Gestrick und dem Textil auf der Außenseite wurde eine Textilschicht mit einer mit bloßem Auge sichtbaren Beschichtung aufgebracht, die dafür sorgt, dass das doppellagige Gestrick Flüssigkeiten zurückhalten kann."

Wenn diese Entscheidungen auch keine für das Bundesfinanzgericht bindende Rechtsnorm bilden, zeigen sie doch eine europaweit einheitliche Würdigung der hier zu lösenden Einreihungsfrage. Es spricht daher auch aus dieser Sicht alles für das oben erläuterte Ergebnis.

Zu dem im Vorlageantrag angesprochenen Begehren auf Einreihung als "Medizinprodukt" wird ausgeführt:

Die Bf. begründet dieses Ansinnen mit dem Argument, auf Grund des Medizinprodukte-gesetzes sei die Einreihung von Inkontinenzunterwäsche als Medizinprodukt zwingend. Die Bf. sei daher gezwungen, die für den Handel mit Medizinprodukten erforderlichen Schritte (CE-Konformitätskennzeichnung, Konformitätsbewertungsverfahren, Konformitätserklärung) durchzuführen.

Gemäß einem von ihr namentlich erwähnten unabhängigen Prüf- und Forschungsinstituts mit Sitz in Österreich sei die Blasenschwäche-Unterwäsche in die Klasse 1 der Medizinprodukte laut Medizinproduktegesetz einzureihen. Der Zollbehörde stehe es nicht frei, die angeführten Produkte einer anderen Warenklasse zuzuordnen.

Dem ist zu entgegnen, dass die von der Bf. ins Spiel gebrachten Normen einen anderen Regelungsinhalt haben und die darin allenfalls festgelegten Definitionen daher nicht zur Auslegung der Bestimmungen der KN geeignet sind.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass sich in der gesamten KN an keiner einzigen Stelle der von der Bf. verwendete Begriff "Medizinprodukte" findet. Wenn sie meint, die gegenständlichen Waren seien von der Position 3005 der KN erfasst, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Überschrift dieser Position lautet "Watte, Gaze, Binden und ähnliche Erzeugnisse (z. B. Verbandzeug, Pflaster zum Heilgebrauch, Senfpflaster), mit medikamentösen Stoffen getränkt oder überzogen oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf zu medizinischen, chirurgischen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Zwecken."

Die HS-Erläuterungen zu Position 3005 der KN bestimmen unter Buchstabe d), dass hygienische Binden (Einlagen) und Tampons, Windeln und Windeleinlagen und ähnliche Waren der Position 9619 nicht zu dieser Position gehören. Damit steht fest, dass die gegenständlichen Erzeugnisse von einer Einreihung in das Kapitel 30 der KN ausgeschlossen sind.

Nach dem oben Gesagten und aufgrund der unmissverständlichen Formulierungen in den o.a. HS-Erläuterungen zu Position 9619 der KN kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die eingeführten Wirtschaftsgüter in die Position 9619 0050 10 einzureihen sind.

Die Einfuhrabgaben waren daher wie folgt neu zu berechnen:

MRN ***1***


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Pos
Warennummer
Zollwert
Zollsatz
Zoll
1
9619 0050 10
88.324,68
10,50
9.274,09
2
9619 0050 10
88.324,68
10.50
9.274,09
Summe
18.548,18

MRN ***2***


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Pos
Warennummer
Zollwert
Zollsatz
Zoll
1
9619 0050 10
36.563,47
10,50
3.839,16
2
9619 0050 10
36.563,47
10.50
3.839,16
Summe
7.678,32

Hinweis:

Gem. § 62 ZollR-DG hat die Abänderung der Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer im Rechtsbehelfsverfahren zu unterbleiben, soweit der Empfänger für diese Abgabe nach den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Die Bf. ist laut den Angaben in der Zollanmeldung hinsichtlich der hier anfallenden Einfuhrumsatzsteuer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt. Eine sich auf Grund der geänderten zolltarifarischen Einreihung ergebende Abänderung der Abgabenfestsetzung hinsichtlich dieser Abgabe hatte daher zu unterbleiben. Eine diesbezügliche Neuberechnung der Eingangsabgaben war somit entbehrlich.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte Rechtsprechung stützen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu klären. Die Einreihung der gegenständlichen Erzeugnisse in die KN ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 59 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 62 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Verweise
UZK, Zollkodex Art. 102 Abs. 1
UZK, Zollkodex Art. 5 Nr. 16 Buchstabe a
UZK, Zollkodex Art. 5 Nr. 15
UZK, Zollkodex Art. 56 Abs. 2 Buchstabe a


ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7200092.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at