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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.01.2024, RV/7102633/2023

Widerruf einer Löschung von Abgabenschuldigkeiten wegen Guthaben aus der Arbeitnehmerveranlagung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse Rauhofer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Widerruf einer Löschung von Abgabenschuldigkeiten, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Befund und Gebührenfestsetzung zu ***ErfNr***

Mit Befund vom teilte das Bundesverwaltungsgericht dem damals für die Erhebung der Gebühren nach § 24a VwGG zuständigen Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (kurz FAGVG - nunmehr Finanzamt Österreich, Dienststelle für Sonderzuständigkeiten, kurz FAÖ) mit, dass für einen am von Herrn ***Bf1*** (der nunmehrige Beschwerdeführer, kurz Bf.) in einer Angelegenheit nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz eingebrachten Fristsetzungsantrag nach § 38 VwGG die Gebühr nach § 24a Z 1 VwGG in Höhe von 240 € nicht ordnungsgemäß entrichtet worden sei.

Mit Bescheid vom zu ***ErfNr*** setzte das FA GVG daraufhin eine Gebühr in Höhe von 240 € und eine Gebührenerhöhung in Höhe von 120 €, insgesamt somit 360 €, gegenüber dem Bf. fest.

Mit Schreiben vom stellte der Bf. einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil er erst nach einem erfolglosen Einbringungsversuch von der Vorschreibung erfahren hätte. Gleichzeitig erhob er Beschwerde gegen die Vorschreibung.

Mit Bescheid vom gab das FA GVG dem Wiedereinsetzungsantrag statt.

Nach einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung des FA GVG vom und der Einbringung eines Vorlagenantrages wurde die Beschwerde in der Gebührenangelegenheit vom Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/7104211/2015 als unbegründet abgewiesen und erwuchs damit die Gebührenfestsetzung zu ***ErfNr*** über insgesamt 360,00 € in Rechtskraft.

Einbringungsversuche - Löschung gemäß § 235 BAO

Aufgrund der Gewährung einer Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a war der Betrag von 360,00 € vom bis ausgesetzt.

Trotz diverser im Jahr 2018 erfolgten Einbringungsmaßnahmen (Zahlungsaufforderung und Begehungen durch die Vollstreckungsbediensteten) konnte der durch Pfändungsgebühren auf insgesamt € 382,25 angewachsene Rückstand am Abgabenkonto des Bf. mit der StNr ***BF1StNr1*** vom FA nicht einbringlich gemacht werden.

Deshalb verfügte das FA GVG mit Bescheid vom gemäß § 235 Abs. 1 BAO die Löschung folgender, am Abgabenkonto des Bf. mit der StNr ***BF1StNr1*** offenen Abgabenschuldigkeiten iHv insgesamt € 382,25 gegen jederzeitigen Widerruf:

Der Bescheid wurde wie folgt begründet:

"Die Löschung erfolgte, weil alle Möglichkeiten der Einbringung bisher erfolglos versucht worden sind, Einbringungsmaßnahmen derzeit offenkundig aussichtslos sind und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden kann, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden

Gemäß § 235 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten von Amts wegen durch Abschreibung gelöscht werden, wenn alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden kann, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden."

Zu diesem Zeitpunkt bezog der Bf. Notstandshilfe und stand er in keinem Beschäftigungsverhältnis und verfügte er über kein verwertbares Vermögen.

Widerruf der Löschung

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich (kurz FAÖ) vom , StNr.: ***BF1StNr1*** wurde die erfolgte Löschung hinsichtlich der Abgabenschuldigkeiten iHv EUR 382,25 widerrufen.

Begründet wurde der Widerrufsbescheid wie folgt:

"Auf Grund eines beim Finanzamt Österreich Dienststelle ***X*** vorhandenen Guthabens sind die Gründe für eine Löschung nicht mehr gegeben

Beschwerde gegen den Widerrufsbescheid

In der fristgerechten Beschwerde wandte der Bf ein, dass ein Widerruf nur möglich sei, solange ein Abgabenanspruch bestehe. Gemäß § 235 Abs. 2 BAO sei aber durch die verfügte Löschung vom (dieser Bescheid vom ersetze den Bescheid vom !) der Abgabenanspruch erloschen. Der Bf. beantragte, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und den zu Unrecht einbehaltenen Betrag seines Guthabens in Höhe von € 382,25 auf sein Girokonto zu überweisen, in eventu die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , dem Bf zugestellt am , wies das FAÖ die Beschwerde mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 294 Abs. 1 BAO ist eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, durch die Abgabenbehörde - soweit nicht Widerruf oder Bedingungen Vorbehalten sind - zulässig, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend waren. Gemäß Abs. 3 lebt der Abgabenanspruch durch Widerruf der Abschreibung einer Abgabe wieder auf.

Da in Ihrem Fall von einer wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit per , gesprochen werden kann, ist der Widerruf der Löschung und aufgrund dessen das Wiederaufleben des Abgabenanspruches zulässig.

Aus genannten Gründen ist Ihrer Beschwerde der Erfolg zu versagen"

Vorlageantrag

Im Vorlageantrag des Bf vom wurde ergänzend ausgeführt, dass die (bloße) Verfügung der Löschung im Bescheid vom KEINE Begünstigung, Berechtigung oder Befreiung von einer Pflicht darstelle. Vielmehr sei durch diesen Bescheid der rechtliche Zustand seiner damaligen tatsächlichen Lebensumständen - Leben UNTER dem Existenzminimum - angepasst worden.

Vorlage der Beschwerde ans BFG

Am legte das FA die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor und gab im Vorlagebericht - der auch dem Bf. übermittelt wurde - eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt ab:

"Wird die Abschreibung einer Abgabe widerrufen (§ 294), so lebt der Abgabenanspruch wieder auf. Für die Zahlung, die auf Grund des Widerrufes zu leisten ist, ist eine Frist von einem Monat zu setzen (vgl. § 235 Abs 3 BAO). Da in § 235 BAO die Widerrufsmöglichkeit des § 294 BAO ausdrücklich vorgesehen ist, ist § 294 BAO für den Widerruf von Bescheiden über Löschungen anwendbar (). Bei maßgeblicher Besserung der Wirtschaftslage kann die Zurücknahme von Löschungsbescheiden nach § 294 BAO erfolgen (vgl ). Bei Widerruf lebt der Abgabenanspruch mit der ursprünglichen Fälligkeit wieder auf. Eine Nachfrist ist in § 235 Abs 3, zweiter Satz BAO festgelegt. Wie verfahrensgegenständlich sachverhaltsmäßig festgestellt wurde, ist der Beschwerdeführer seit in einem aufrechten Dienstverhältnis. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers haben sich dadurch wesentlich geändert. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Löschung von Abgabenschuldigkeiten liegen daher vor; der Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , StNr. ***BF1StNr1***, erging sohin zu Recht.

Beweisaufnahme durch das BFG

Vom BFG wurde Beweis erhoben durch Einsicht in die vom FA elektronisch vorlegten Teile des Einbringungsaktes zur StNr. ***BF1StNr1*** sowie Abfragen bei den Finanzanwendungen zu ***ErfNr***, StNr. ***BF1StNr1*** sowie StNr. ***StNr2*** und ergibt sich daraus der oben dargestellte Verfahrensablauf sowie der unten dargestellte Sachverhalt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im Zeitpunkt der Erlassung des Löschungsbescheides im Jahr 2018 bezog der Bf. Notstandshilfe und stand er in keinem Beschäftigungsverhältnis. Er verfügte über kein pfändbares Vermögen. Eine Einbringung der gegenüber dem FA GVG offenen Abgabenschuldigkeiten iHv insgesamt 382,25 € zur StNr. ***BF1StNr1*** war zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich.

Im Jahr 2022 nahm der Bf. eine unselbständige Tätigkeit als ***Y*** auf und bezog er aus dieser Tätigkeit im Jahr 2022 insgesamt ein Einkommen in Höhe von € 21.921,30 (siehe dazu den Einkommensteuerbescheid; laut Lohnzettel betrugen im Zeitraum 01.03- seine Bruttobezüge € 29.351,57 und seine sonstigen Bezüge € 4.123,40).

Durch die Arbeiternehmerveranlagung 2022 entstand am am Abgabenkonto des Bf. bei einer anderen Dienststelle des FAÖ unter der Steuernummer ***StNr2*** ein Guthaben in Höhe von € 998,00.

Durch die Umbuchung eines Teilbetrages des Guthabens iHv € 382,25 vom Steuerkonto ***StNr2*** auf das Steuerkonto ***BF1StNr1*** konnten die gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten iHv € 382,25 € entrichtet werden ohne die wirtschaftliche Existenz des Bf. zu gefährden. Der Restbetrag des aus der Arbeitnehmerveranlagung am Steuerkonto ***StNr2*** entstanden Guthabens iHv € 615,75 wurde am an den Bf. ausbezahlt.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtslage

Gemäß § 235 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten von Amts wegen durch Abschreibung gelöscht werden, wenn alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden kann, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden.

Gemäß § 235 Abs. 2 BAO erlischt der Abgabenanspruch durch die verfügte Abschreibung.

Wird die Abschreibung einer Abgabe widerrufen (§ 294 BAO), so lebt gemäß § 235 Abs. 3 BAO der Abgabenanspruch wieder auf. Für die Zahlung, die auf Grund des Widerrufes zu leisten ist, ist eine Frist von einem Monat zu setzen.

Gemäß § 294 Abs. 1 BAO ist eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, durch die Abgabenbehörde - soweit nicht Widerruf oder Bedingungen vorbehalten sind - nur zulässig,

a) wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend gewesen sind, oder

b) wenn das Vorhandensein dieser Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden ist.

Rechtsmäßigkeit des Widerrufs der Löschung wegen Änderung der Verhältnisse

In § 235 Abs. 3 BAO wird die Widerrufsmöglichkeit des § 294 BAO ausdrücklich erwähnt, woraus sich die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 294 BAO auf die Löschung von Abgabenschuldigkeiten jedenfalls ergibt.

Änderungen und Zurücknahmen von Löschungsbescheiden können nach § 294 BAO bei maßgeblicher Besserung der Wirtschaftslage erfolgen (Ritz/Koran, BAO7, § 235 Tz 7; )

Von einem Vorbehalt im Sinne des § 294 Abs. 1 BAO kann nur dann gesprochen werden, wenn der vorbehaltene Widerruf determiniert ist, was für den Fall eines nicht determinierten Vorbehalts bedeutet, dass "nur" die Widerrufsgründe des § 294 Abs. 1 BAO in Betracht kommen. Soll der Widerruf einer Begünstigung gültig vorbehalten werden, muss der Bescheid erkennen lassen, unter welchen Umständen ein Widerruf in Betracht kommt. Die Zurücknahme bedarf daher zureichender sachlicher Gründe, die im kausalen Zusammenhang mit der ursprünglichen Erlassung des Bescheides stehen (vgl. ua ).

Auf § 294 Abs. 1 lit. a BAO gestützte Maßnahmen setzen voraus, dass sich die tatsächlichen, für die Bescheiderlassung maßgebenden Verhältnisse geändert haben (vgl. Stoll, BAO, 2841; Ritz/Koran, BAO7, § 294 RZ 9).

Eine Löschung von fälligen Abgabenschuldigkeiten setzt gemäß § 235 Abs. 1 BAO entweder tatsächliche Erfolglosigkeit oder offensichtliche dauernde Aussichtslosigkeit der Einbringung voraus. Ersteres ist anzunehmen, wenn die Exekutionsführung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Abgabenschuldners versucht wurde, die Einbringungsmaßnahmen jedoch erfolglos verlaufen sind (Stoll, BAO, 2411). Zweiteres setzt die deutlich erkennbare, abschätzbare, mit einiger Gewissheit anzunehmende ("offenkundige") Uneinbringlichkeit der Abgaben voraus.

Das Finanzamt hat im Jahr 2018 die Löschung der Abgabenschuldigkeiten des Bf. iHv € 382,25 mit Bescheid rechtskräftig verfügt, weil zuvor alle Möglichkeiten der Einbringung der geschuldeten Abgaben erfolglos versucht worden waren, Einbringungsmaßnahmen damals aussichtslos waren und aufgrund der damaligen Sachlage nicht angenommen werden konnte, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zum Erfolg führen würden.

Durch die im Jahr 2022 erfolgte Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit als ***Y*** und die am erfolgte Arbeitnehmerveranlagung 2022, die zu einer Gutschrift iHv € 998,00 auf dem Abgabenkonto mit der StNr. ***StNr2*** geführt hat, hat sich die wirtschaftliche Situation des Bf., die Grund für die davor bescheidmäßig erfolgte Löschung gewesen ist, objektiv gesehen deutlich verbessert. Entgegen den Ausführungen des Bf. kommt es für den Widerruf nicht darauf an, ob er im Jahr 2018 unter dem Existenzminimum gelebt hat, sondern nur darauf, dass zwischenzeitig eine Änderung eingetreten ist. Die gesetzliche Vorgabe, dass sich die tatsächlichen, für die Bescheiderlassung maßgebenden Verhältnisse ändern (§ 294 Abs. 1 lit. a BAO), ist somit hier erfüllt.

Der Widerruf der Löschung einer Abgabe liegt als Maßnahme im Sinn des § 294 BAO im Ermessen ():

Aus der Sicht des Bundesfinanzgerichtes ist im vorliegenden Fall dem Interesse des Finanzamtes an der möglichen Einbringung der Abgaben der Vorzug vor dem Interesse des Beschwerdeführers auf Rückzahlung des gesamten Guthabens zu geben, zumal die Löschung der Abgabenschulden im Jahr 2018 ausdrücklich gegen jederzeitigen Widerruf verfügt worden ist. Schließlich konnte der Beschwerdeführer infolge des Vorbehaltes eines Widerrufes nicht darauf vertrauen, dass bei Entstehen eines Guthabens ein solches an ihn ausbezahlt und der Staat gleichzeitig auf seinen Abgabenanspruch dauerhaft verzichten würde (vgl. dazu ).

Keine Einhebungsverjährung im Zeitpunkt des Widerrufs

§ 238 BAO regelt die - für die Erlassung eines Widerrufs einer Löschung relevante - Verjährung fälliger Abgaben. Nach § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe ().

Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Unterbrechungshandlung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO zählt, dass sie nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Amtshandlung zur Erreichung des angestrebten Erfolges konkret geeignet ist und ob der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlangte (vgl. z.B. Ritz/Koran7, § 238 Tz 12, mit Hinweisen auf ständige Judikatur des ; ).

Gemäß § 238 Abs. 2, letzter Satz, BAO beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Unterbrechung eingetreten ist, die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Neben den im Gesetz selbst beispielsweise aufgezählten Maßnahmen (Mahnung, Vollstreckungsmaßnahmen, Bewilligung einer Zahlungserleichterung, Erlassung eines Haftungsbescheides) sind Unterbrechungshandlungen etwa eine zur Durchsetzung eines Abgabenanspruches an die zuständige Behörde gerichtete Meldeanfrage der Finanzbehörde, der der Aufenthalt der Steuerpflichtigen unbekannt ist (vgl. ), sowie an den Abgabenpflichtigen gerichtete Vorhalte, Anfragen und Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen und Beweismitteln (vgl. ). Weitere Beispiele für Unterbrechungshandlungen (Erhebungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen, Amtshilfeersuchen, Sicherstellungsaufträge, Vollstreckungsbescheide, Widerruf von Zahlungserleichterungen, Zahlungsaufforderungen) finden sich jeweils mit Judikatur- bzw. Literaturnachweisen bei Ritz/Koran, BAO7, § 238 RZ. 11ff ().

Die Gebühr nach § 24a VwGG wurde im Jahr 2014 mit Überreichung der Eingabe beim Bundesverwaltungsgericht fällig, die bescheidmäßige Festsetzung erfolge im Jahr 2015 und wäre die Einhebungsverjährung somit rechnerisch mit Ablauf des Jahres 2020 eingetreten, falls keine Unterbrechungshandlung gesetzt worden wäre. Wie oben beim Verfahrensablauf dargestellt sind im vorliegenden Fall im Jahr 2018 eine Reihe von nach außen erkennbaren Maßnahmen erfolgt, wie z.B. die Beendigung der Aussetzung, die anschließenden Einbringungsversuche und die Erlassung des Löschungsbescheides und hat sich somit die Verjährungsfrist gemäß § 238 Abs. 2 letzter Satz BAO bis zum Ablauf des Jahres 2023 verlängert. Bei Erlassung des gegenständlichen Widerrufsbescheides am war daher noch keine Einhebungsverjährung eingetreten.

Antrag auf Rückzahlung nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides

Zu dem in der Beschwerde enthaltenen Antrag auf Rückzahlung des Guthabens aus der Arbeitnehmerveranlagung ist zu bemerken, dass über einen Rückzahlungsantrag von der Abgabenbehörde mit Bescheid abzusprechen ist, soweit dem Antrag nicht entsprochen wird (vgl Ritz/Koran, BAO7, Rz 14 zu § 239). Eine Säumnis der Abgabenbehörde ist mit dem Instrument der Säumnisbeschwerde verfolgbar (Ritz/Koran, BAO7, Rz 14a zu § 239).

Über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, ist gemäß § 216 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist innerhalb von fünf Jahren, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig. Im gegenständlichen Fall liegt weder ein Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides vor, noch wurde ein solcher erlassen. Auch über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der vollständigen Rückzahlung des Guthabens aus der Arbeitnehmerveranlagung auf Grund der Umbuchung eines Teilbetrages des Guthabens vom Abgabenkonto mit der StNr ***StNr2*** auf das Abgabenkonto mit der StNr. ***BF1StNr1*** wurde im nunmehr angefochtenen Bescheid vom (Widerrufsbescheid) nicht abgesprochen und sind diese Fragen daher nicht Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens.

Kein wirksamer Antrag auf mündliche Verhandlung

Zu dem in der Beschwerde in eventu gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung ist zu bemerken, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedingte Prozesshandlungen im Allgemeinen unzulässig sind ( mit Hinweis auf Stoll, BAO, 2574 und weitere Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes). Zu einer Beschwerde die mit dem Satz endete "für den Fall, dass der Beschwerde nicht ohnedies vollinhaltlich stattgegeben wird, wird die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt", sprach der VwGH aus, dass die BAO bedingte Verhandlungsanträge nicht vorsieht und somit der Antrag der Beschwerdeführerin unwirksam war (vgl. ). Eventualanträge können sich nur auf innerprozessuale Bedingungen beziehen. Wird ein Eventualantrag - unabhängig von einem bestimmten prozessualen Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - für den Fall der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer bestimmten Auslegung (etwa der angefochtenen Entscheidung) gestellt, so ist er schon deshalb unzulässig, weil er nicht auf eine innerprozessuale Bedingung abstellt (vgl. ua. ). Auch im gegenständlichen Fall wurden in der Beschwerde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter einer unzulässigen Bedingung gestellt ("in eventu"), weshalb der Antrag als nicht wirksam anzusehen ist.

Die Beschwerde ist daher ohne vorherige Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzuweisen.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der oben zitierten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 235 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 235 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 294 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102633.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at