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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.01.2024, RV/5100500/2020

Haftung für Lohnsteuern, deren Bezahlung vom Masseverwalter angefochten wurde

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100500/2020-RS1
Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer erst nach Fälligkeit abgeführten Lohnsteuer unterbricht den Kausalverlauf zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt jedenfalls dann nicht, wenn der Fälligkeitszeitpunkt vor dem Beginn der Anfechtungsfrist lag (BFH , VII R 19/08).
RV/5100500/2020-RS2
Die Lohnsteuer wird vom Arbeitnehmer geschuldet (§ 83 Abs. 1 EStG). Für die Einbehaltung und Abfuhr haftet aber der Arbeitgeber dem Bund (§ 82 EStG). Er hat aufgrund dieser Bestimmung für eine fremde Schuld, nämlich jene des lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmers einzustehen. Die Geltendmachung dieser Haftung erfolgt durch Erlassung eines Haftungsbescheides, und erst durch den Haftungsbescheid entsteht die Abgabenschuld des Arbeitgebers (Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze, § 30 IO Tz 87 mit Judikaturnachweisen).
RV/5100500/2020-RS3
Die Zahlung der Lohnsteuer ist nach den Bestimmungen der §§ 30, 31 IO unanfechtbar, soweit kein Haftungsbescheid (§ 82 EStG) gegen den Arbeitgeber erlassen wurde (vgl. ; ; vgl. auch ).
RV/5100500/2020-RS4
Auch Lohnsteuerzahlungen, die durch Anrechnung von Saldozahlungen auf die älteste Schuld erfolgten, sind der Anfechtung nach den § 30 und 31 IO entzogen (vgl. ).
RV/5100500/2020-RS5
Werden anfechtungsfest bezahlte Lohnsteuern zu Unrecht vom Insolvenzverwalter angefochten, und entspricht das Finanzamt diesen Anfechtungen, ist für die dadurch eingetretene Uneinbringlichkeit der Lohnsteuern bei der Primärschuldnerin nicht die verspätete Entrichtung durch den Geschäftsführer kausal, sondern die unberechtigte Anfechtung der Zahlungen durch den Insolvenzverwalter und die zu Unrecht erfolgte Ankerkennung dieser Anfechtung durch das Finanzamt. Für eine Geschäftsführerhaftung fehlt daher der Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***StB***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO für aushaftende Lohnsteuern der Firma ***P-GmbH*** (FN ***1***) im Ausmaß von 15.421,64 € in der am durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und die Haftungsinanspruchnahme auf folgende Abgaben in Höhe von insgesamt 10.000,01 € eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag (100 %)
Betrag (68 %)
Lohnsteuer
2014
223,17
151,76
Lohnsteuer
07/15
3.264,11
2.219,59
Lohnsteuer
11/15
3.710,38
2.523,06
Lohnsteuer
01/16
3.111,92
2.116,11
Lohnsteuer
03/16
2.342,09
1.592,62
Lohnsteuer
04/16
2.054,22
1.396,87
Summe
10.000,01

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Mit Gesellschaftsvertrag vom wurde die Firma ***P-GmbH*** gegründet (Primärschuldnerin; protokolliert im Firmenbuch unter FN ***1***). Geschäftsführer derselben ist seit Gründung der Beschwerdeführer.

Im Jahr 2003 war ein Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft nach rechtskräftiger Bestätigung des am angenommenen Zwangsausgleiches aufgehoben worden.

Die Gesellschaft war in den Jahren 2015 und 2016 mit der termingerechten Entrichtung der laufend anfallenden Selbstbemessungsabgaben in Rückstand. Am wurde für einen Rückstand von 61.981,46 € (zuzüglich Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer) die Entrichtung in monatlichen Raten von 6.000,00 € bewilligt. Im Spruch des Bescheides wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass Terminverlust eintritt, wenn nicht in die Zahlungserleichterung einbezogene Abgaben nicht fristgerecht entrichtet werden.

Die Ratenvereinbarung wurde nicht eingehalten und es trat Terminverlust ein. Der Beschwerdeführer sprach daher am persönlich beim Finanzamt vor. Dabei wurde vereinbart, dass sofort ein Betrag von 30.000,00 € bezahlt wird (Barerlag) und der restliche Rückstand in Monatsraten von 4.000,00 € entrichtet wird. Ferner wurde festgehalten, dass daneben die laufenden monatlichen Abgaben zusätzlich entrichtet werden. Schließlich wurde die Übermittlung einer Offene-Posten-Liste verlangt. Aus dieser Liste war ersichtlich, dass sämtliche Kundenforderungen an die Bank zediert waren.

Das am gestellte Zahlungserleichterungsansuchen bewilligte das Finanzamt mit Bescheid vom (Monatsraten von 4.000,00 € bei einem Rückstand von 46.697,64 € zuzüglich Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer). Auch dieser Bescheid enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass Terminverlust eintritt, wenn nicht in die Zahlungserleichterung einbezogene Abgaben nicht fristgerecht entrichtet werden. Ungeachtet dessen wurden die laufenden Lohnabgaben dem Finanzamt lediglich termingerecht bekannt gegeben, aber nicht zum Fälligkeitstermin entrichtet. Auch die Rate für Juni 2016 (fällig am ) wurde nicht entrichtet; in diesem Monat erfolgten keinerlei Zahlungen an das Finanzamt.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die monatlich fälligen Lohnabgaben im haftungsrelevanten Zeitraum dem Finanzamt zwar regelmäßig fristgerecht bekannt gegeben wurden, zu den laufenden Fälligkeitsterminen aber keine Entrichtung erfolgte. Gleiches gilt für die Umsatzsteuervorauszahlungen. Im Zeitraum bis (Eröffnung des Sanierungsverfahrens) erfolgten ausweislich der Zahlungsbelege lediglich Teilzahlungen auf den offenen Rückstand ("TZ offener Rückstand") bzw. aufgrund der oben erwähnten Bewilligungen kurzzeitig Ratenzahlungen (Ausnahme: mit - verspäteter - Überweisung vom wurde eine Verrechnungsweisung betreffend die nicht haftungsgegenständlichen Lohnabgaben 12/2015 erteilt). Der Beschwerdeführer hat als Geschäftsführer der Primärschuldnerin das Abgabenkonto damit gleichsam als Kreditkonto betrachtet, auf welches lediglich Teilzahlungen zur Abdeckung des aufgelaufenen Rückstandes geleistet wurden.

Am ersuchte daher das Finanzamt die Finanzprokuratur um Einbringung eines Konkursantrages bei einem offenen Rückstand von 61.765,40 €. Die laufenden Selbstbemessungsabgaben würden nicht entrichtet, der Abgabenrückstand bestehe schon seit längerem und es würden keine ausreichenden Zahlungen geleistet. Der Insolvenzantrag wurde von der Finanzprokuratur am an das Landesgericht ***3*** übermittelt. Das Landesgericht ***3*** wies den Antrag mit Beschluss vom mit der lapidaren und überdies unzutreffenden Begründung ab, dass die Primärschuldnerin mit ihren Gläubigern Ratenvereinbarungen getroffen habe und diese einhalte; die Konkursvoraussetzung der Zahlungsunfähigkeit sei nicht gegeben. Dagegen wurde durch die Finanzprokuratur am Rekurs erhoben. Dem Rekurs wurde mit Beschluss des OLG ***4*** vom Folge gegeben. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Antragstellerin (das Finanzamt) mit der Vorlage des vollstreckbaren Rückstandsausweises vom , in dem Steuerrückstände seit Mai 2015 geltend gemacht würden, ihre fällige Insolvenzforderung und auch die Zahlungsunfähigkeit der Primärschuldnerin ausreichend bescheinigt habe. Die Feststellung des Erstgerichts, die Primärschuldnerin habe mit ihren Gläubigern Ratenvereinbarungen getroffen und halte diese ein, stehe mit den vorgelegten Urkunden nicht im Einklang. Bereits mit ihrem Insolvenzeröffnungsantrag habe die Antragstellerin einen vollstreckbaren Rückstandsausweis vom über insgesamt EUR 61.765,40 vorgelegt. Diese Forderung habe die Antragsgegnerin in der Einvernahmetagsatzung vom anerkannt. Darüber hinaus habe die Antragstellerin dem Erstgericht mit Eingabe vom mitgeteilt, dass der Rückstand auf insgesamt EUR 74.911,90 angestiegen und keine Vereinbarung zur Abstattung des Rückstandes getroffen worden sei. Die Primärschuldnerin hingegen habe sich auf eine ältere Zahlungsvereinbarung mit der Antragstellerin noch vom über den Betrag von insgesamt lediglich EUR 48.447,64 berufen. Dazu habe sie nur die erste Seite eines Bescheides der Antragstellerin über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen vorgelegt, in dem die Abstattung dieses Betrages in monatlichen Raten von je EUR 4.000,00, beginnend am (Schlusszahlung am : EUR 4.447,64), bewilligt worden sei. Selbst nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin (Primärschuldnerin) sei diese Ratenvereinbarung nicht eingehalten worden, weil bereits die erste Zahlung an das Finanzamt erst Mitte Juli 2016 erfolgt sei. Diese Ratenvereinbarung habe überdies betraglich nicht den gesamten durch den Rückstandsausweis vom bescheinigten offenen Betrag von EUR 61.765,40 umfasst.

Nachdem auch von der NÖ GKK ein Insolvenzantrag gestellt worden war, eröffnete das Landesgericht ***3*** schließlich über Antrag der Primärschuldnerin mit Beschluss vom , Zl. 14 S 137/16, das Sanierungsverfahren.

Im Zuge einer vor Insolvenzeröffnung durchgeführten Lohnsteuerprüfung betreffend den Zeitraum bis (Bericht vom ) wurde eine Abfuhrdifferenz mit dem Betriebslohnkonto in Höhe von 223,17 € an Lohnsteuer 2014 (34,13 € an DB und 3,03 € an DZ) festgestellt.

Nach Insolvenzeröffnung wurde eine Lohnsteuerprüfung betreffend den Zeitraum bis (Insolvenzeröffnung) durchgeführt und dabei im Bericht vom festgestellt, dass im September und Oktober 2016 die Löhne nur zum Teil ausbezahlt worden wären. Die Differenz zu den bisher gemeldeten Lohnabgaben ergäbe eine Gutschrift in Höhe von 4.302,00 € an Lohnsteuer, die mit "Haftungsbescheid" gemäß § 82 EStG vom festgesetzt wurde.

Der Insolvenzverwalter hat mit Eingabe vom die von der Primärschuldnerin an das Finanzamt geleisteten Zahlungen vom in Höhe von 6.000,00 € und vom in Höhe von 10.000,00 € gemäß § 31 IO angefochten. Die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin habe dem Finanzamt bekannt sein müssen, zumal das Finanzamt bereits vor längerer Zeit einen Konkursantrag gestellt habe. Der Insolvenzverwalter bezog sich damit auf den Insolvenzantrag des Finanzamtes vom .

Mit weiterer Eingabe vom wurden vom Insolvenzverwalter auch die Zahlungen vom (10.000,00 €), (12.000,00 €), (6.000,00 €), (4.000,00 €) und (4.000,00 €), insgesamt somit 36.000,00 €, angefochten. Zur Begründung der Kenntnis des Finanzamtes von der Zahlungsunfähigkeit verwies der Insolvenzverwalter neuerlich auf den Konkursantrag des Finanzamtes und ferner auf bereits im September 2015 vom Finanzamt durchgeführte Pfändungen.

Vom Finanzamt wurden die Anfechtungen anerkannt und insgesamt 52.000,00 € (16.000,00 € im Dezember 2016 und 36.000,00 € im Jänner 2017) an den Insolvenzverwalter überwiesen. Die zuvor mit diesen Zahlungen abgedeckt gewesenen Abgaben der Primärschuldnerin lebten dadurch wieder auf.

Das Sanierungsverfahren wurde mit Beschluss vom nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes aufgehoben. Die Gläubiger erhielten eine Quote von 32 %, zahlbar 8 % binnen 14 Tagen, 8 % binnen 12 Monaten, 8 % binnen 16 Monaten und die restlichen 8 % binnen 24 Monaten ab Annahme des Sanierungsplanes.

In einem Vorhalt vom teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer mit, dass seine Heranziehung zur Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO für näher aufgegliederte, nach Abzug der Zahlungsplanquote bei der Primärschuldnerin nicht mehr einbringliche Abgaben in Höhe von 60.659,52 € geprüft werde, und forderte ihn zur Beantwortung einer Reihe von Fragen - insbesondere betreffend die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes - auf.

Dazu wurde nach gewährter Fristerstreckung am eine Stellungnahme durch die ehemaligen Rechtsvertreter der Primärschuldnerin im Insolvenzverfahren abgegeben und auf die Anfechtungen von Zahlungen durch den Insolvenzverwalter hingewiesen. Auf diese Anfechtungen habe der Beschwerdeführer keinen Einfluss gehabt. Schon diese Anfechtung zeige, dass die Finanz besser behandelt worden wäre als viele andere Gläubiger, die ihre Forderungen zu 100 % angemeldet und vor Insolvenzeröffnung keine Zahlungen mehr erhalten hätten. Die Umsatzsteuern der letzten beiden Monate vor Insolvenzeröffnung wären "nicht zu berücksichtigen", da sie erst nach Insolvenzeröffnung fällig geworden wären, und "auch nicht die Beträge für Lohnsteuer, DB, DZ aus den Löhnen und Gehältern, die nicht ausbezahlt wurden". Schließlich wurden die angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers näher dargestellt.

Nachdem der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers um Fristverlängerung zur Abgabe einer Stellungnahme zum Vorhalt vom ersucht hatte, legte dieser am eine Aufstellung vor, aus der sich - ausgehend von den vorhandenen Gesellschaftsmitteln zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen - die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes durch den Beschwerdeführer ergäbe.

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß §§ 9, 80 BAO nur für folgende aushaftende Lohnsteuern der Primärschuldnerin in Höhe von insgesamt 15.421,64 € (nach Abzug der Sanierungsquote) in Anspruch:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag (100 %)
Betrag (68 %)
Lohnsteuer
2014
223,17
151,76
Lohnsteuer
07/15
3.264,11
2.219,59
Lohnsteuer
11/15
3.710,38
2.523,06
Lohnsteuer
01/16
3.111,92
2.116,11
Lohnsteuer
03/16
2.342,09
1.592,62
Lohnsteuer
04/16
2.054,22
1.396,87
Lohnsteuer
06/16
2.729,57
1.856,11
Lohnsteuer
07/16
2.502,19
1.701,49
Lohnsteuer
08/16
2.741,22
1.864,03
Summe
22.678,87
15.421,64

In der Begründung verwies das Finanzamt im Wesentlichen auf das bereits abgeschlossene Insolvenzverfahren bei der Primärschuldnerin. Da nach Ansicht des Finanzamtes im Zuge des Vorhalteverfahrens die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes ausreichend nachgewiesen worden sei, werde die Haftung nur für die ausständigen Lohnsteuern ausgesprochen. Hinsichtlich dieser verwies das Finanzamt auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG und die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Dem Haftungsbescheid wurden die oben erwähnten Lohnsteuerprüfberichte vom und samt Bescheiden angeschlossen.

Nach mehrfach gewährter Verlängerung der Beschwerdefrist wurde gegen diesen Bescheid mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung habe es offene Gehaltsforderungen von Seiten der Dienstnehmer in Höhe von 47.930,97 € gegeben. Vom Masseverwalter wären Zahlungen durch die Primärschuldnerin an das Finanzamt wieder rückgefordert worden, wodurch sich die offenen Verbindlichkeiten an das Finanzamt auf € 173.147,16 erhöht hätten. Aufgrund der Rückforderungen des Masseverwalters wären mit 16.000,00 € und mit 36.000,00 € auf das Massekonto überwiesen worden. In der Rückstandsaufgliederung des Finanzamtes vom würden die Abgabenarten nach Fälligkeitstag aufgelistet, eine Zuordnung, welche Abgaben durch die Rücküberweisung auf das Massekonto wieder in den Rückstandsausweis aufgenommen wurden, gehe aus der Aufstellung nicht hervor. Es sei nicht möglich, nachzuvollziehen, welche Abgabenschuldigkeiten vor Rückforderung des Masseverwalters beglichen waren und welche nicht. Festzuhalten sei auch, dass im Rückstandsausweis vom Abgaben aufgelistet seien, deren Fälligkeit nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens liege. Diesen Abgabenforderungen könne die Rückforderung des Masseverwalters keinesfalls zugeordnet werden, wodurch feststehe, dass im Zeitpunkt der Eröffnung des Sanierungsverfahrens die im Haftungsbescheid geforderten Abgaben beglichen gewesen wären; das Wiederaufleben der Abgabenschuld liege nicht im Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers. Die Tatsache, dass die Löhne nicht vollständig an die Mitarbeiter ausgezahlt und vom Masseverwalter "Gelder dem Abgabenkonto entzogen wurden", könne beim Geschäftsführer keine Haftung auslösen. Bei einem Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung obliege dem Masseverwalter die Geschäftsführung, dem Beschwerdeführer wäre es gar nicht möglich gewesen, die Rücküberweisungen vom Abgabenkonto der Primärschuldnerin zu verhindern. Es werde die Aufhebung des Haftungsbescheides und im Falle einer Vorlage der Beschwerde an das BFG eine mündliche Verhandlung gemäß § 274 BAO beantragt.

Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. In der ausführlichen Begründung wurde nach Darlegung der Rechtsgrundlagen ausgeführt:

"Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, dass das Aufleben einer Abgabenschuld in Folge einer Anfechtung durch den Masseverwalter zu keiner (schuldhaften) Pflichtverletzung führt und dieser somit nicht gem. §§ 9 iVm 80 ff BAO zur Haftung herangezogen werden dürfe, hat der VwGH mit Erkenntnis vom , GZ 2000/14/0162 entschieden, dass es auf der Hand liegt, dass durch derartige, der Anfechtung unterliegende Zahlungen an die Abgabenbehörde in der Vergangenheit gelegene und vom Vertreter zu verantwortende Versäumnisse bei der zeitgerechtenAbgabenentrichtung nicht beseitigt werden können. Andernfalls es im Belieben des Vertreters läge, sich durch die Verwirklichung eines einzelnen Anfechtungstatbestandes jeder abgabenrechtlichen Geschäftsführerhaftung zu entledigen.

Darauf basierend erging am , GZ 2012/08/0227 das Erkenntnis des VwGH, mit welchem dieser entschied, dass mit der (erfolgreichen) Anfechtung die Zahlung den Insolvenzgläubigern gegenüber als unwirksam erklärt wird (§ 27 IO), die Forderung wieder auflebt und als Insolvenzforderung geltend zu machen ist (§ 41 Abs. 2 IO). Der Gemeinschuldner hat als Folge der Rechtsunwirksamkeit seiner Leistung seine Verpflichtung nicht erfüllt (vgl. näher Rebernig in Konecny/Schubert, aaO, § 41 KO Rz 16). Insoweit liegt daher keine im Rahmen der Ermittlung der Haftungssumme wegen Gläubigerungleichbehandlung zu berücksichtigende wirksame Zahlung vor. Durch die Nichtberücksichtigung erfolgreich angefochtener Zahlungen wird insbesondere verhindert, dass sich ein Vertreter durch Leistung einer anfechtbaren Zahlung unmittelbar vor Insolvenzeröffnung seiner Haftung entledigen könnte (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom , ZI. 2000/14/0162). Der Betrag aus der erfolgreich angefochtenen Zahlung kommt letztlich auch dem haftenden Vertreter insoweit zu Gute, als dieser Betrag dann im Rahmen der Quote an alle Gläubiger - sohin auch an den Zahlungsempfänger - ausgeschüttet wird und damit der Haftungsrahmen reduziert wird.

Entsprechend der Judikatur der VwGH ändert das Wiederaufleben einer Abgabenschuld in Folge einer Anfechtung durch den Masseverwalter gem. §§ 30 Abs 1 Z 3 und 31 IO nichts an den vom Vertreter zu verantwortenden Versäumnissen bei der zeitgerechten Abgabenentrichtung und reduziert der Betrag aus der erfolgreich angefochtenen Zahlung letztlich nur in Höhe der Quote an alle Gläubiger (somit auch das Finanzamt) den Haftungsrahmen.

Die vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommene offene Lohnsteuer für die haftungsgegenständlichen Zeiträume wurde auch nicht unter Berücksichtigung der wirksamen angefochtenen Zahlungen wirksam zum Fälligkeitszeitpunkt beglichen. Zum Teil liegt sogar ein halbes Jahr zwischen dem Fälligkeits- und (angefochtenen) Zahlungszeitpunkt.

Es ist jedoch gerade die Aufgabe des Geschäftsführers dafür Sorge zu tragen, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet. Und wie bereits im Haftungsbescheid ausgeführt, ist hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten hat. Es wäre daher Ihre Pflicht als Geschäftsführer gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 EStG für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen würden, verpflichtet wäre, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen hätte. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung wäre jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken."

Sodann stellte das Finanzamt detailliert dar, welche Abgabenschuldigkeiten durch die Anfechtungen geleisteter Zahlungen wieder aufgelebt sind. Dies habe unter anderem die Lohnsteuern 03/2016, 04/2016, 06/2016, 07/2016 und 08/2016 betroffen. Die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern 2014, 07/2015, 11/2015 und 01/2016 wären dagegen nie entrichtet worden.

Im (nach gewährter Fristverlängerung eingebrachten) Vorlageantrag vom wurde zum Teil das Beschwerdevorbringen wörtlich wiederholt und zu den aufgrund der Anfechtung des Masseverwalters wiederaufgelebten Lohnsteuern ausgeführt, es gehe aus dieser Auflistung eindeutig hervor, dass "die Zahlungen in voller Höhe und fristgerecht durch den Geschäftsführer an das Finanzamt überwiesen" worden wären. Die seitens des Finanzamtes "nicht bestrittenen fristgerechten Zahlungen der Abgaben" führten auch nicht zu vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Versäumnissen in der Vergangenheit; in der Vergangenheit wären die Zahlungen firstgerecht entrichtet worden. Die in der Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung, dass durch derartige der Anfechtung unterliegende Zahlungen an die Abgabenbehörde in der Vergangenheit gelegene und vom Vertreter zu verantwortende Versäumnisse bei der zeitgerechten Abgabenentrichtung nicht beseitigt werden könnten, gehe somit ins Leere. Eine nachträgliche Anfechtung im Zeitpunkt der Insolvenz könne dem Geschäftsführer nicht als schuldhafte Pflichtverletzung im "Abgabenzeitpunkt" (gemeint wohl: Fälligkeitszeitpunkt) zur Last werden.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben. Eine fristgerechte Entrichtung der haftungsgegenständlichen Lohnsteuern zum jeweiligen Fälligkeitstermin habe niemals stattgefunden. Die Lohnsteuern 2014, 07/2015, 11/2015 und 01/2016 wären überhaupt nie entrichtet worden. Die aufgrund der Anfechtung wiederaufgelebten Lohnsteuern 03/2016, 04/2016, 06/2016, 07/2016 und 08/2016 wären zum Fälligkeitstag ebenfalls nicht entrichtet, sondern im Schnitt erst rund drei Monate nach Fälligkeit (durch die oben angeführten Teilzahlungen auf den offenen Rückstand) abgedeckt worden.

Die für die Erledigung der Beschwerde zuständig gewesene Richterin trat mit in den Ruhestand. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes wurde die Gerichtsabteilung des erkennenden Richters für die Erledigung (unter anderem) der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Am wurden die Verfahrensparteien zu der für den anberaumten mündlichen Verhandlung geladen.

Die steuerliche Vertreterin des Beschwerdeführers erläuterte in einem ergänzenden Schriftsatz vom die Ursachen für die Insolvenz der Primärschuldnerin. Aus dem Debitorenkonto aus dem Geschäftsjahr 2015/16 gehe hervor, dass die Forderung an die ***2*** GmbH einen Saldo von € 47.654,55 ausweise. Im Jahr 2016 sei die finanzielle Situation der Primärschuldnerin soweit ausgeglichen gewesen, dass die aushaftende Abgabenschuld beim Finanzamt in regelmäßigen Raten von unterschiedlicher Höhe immer wieder abgebaut werden habe können. Mit dem Finanzamt sei bei einem persönlichen Termin in der Abgabensicherung eine mündliche Vereinbarung hinsichtlich der Ratenzahlungen getroffen worden, die es der Primärschuldnerin ermöglicht habe, einen ungestörten Geschäftsbetrieb fortzuführen. Im November 2016 sei es bei der ***2*** GmbH zu massiven Zahlungsschwierigkeiten gekommen, die in einem Insolvenzantrag geendet hätten und auch bei der Primärschuldnerin die finanzielle Situation aus dem Gleichgewicht gebracht hätten. Entsprechend der Empfehlung des beauftragten Rechtsanwalts habe die Primärschuldnerin mit die Insolvenz angemeldet. Entsprechend der IO sei der Insolvenzantrag zu einem Zeitpunkt gestellt worden, in dem die Zahlungsfähigkeit der Primärschuldnerin durch den Forderungsausfall der ***2*** GmbH nicht mehr gegeben war. Die Zahlungen an das Finanzamt vom über € 6.000,- und vom über € 10.000,- wären zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem die Zahlungsfähigkeit der Primärschuldnerin unbestritten gewesen sei. Die Rückforderung durch den Masseverwalter sei für die gegenständliche Zahlung nicht rechtens gewesen. Die Rückforderung der Zahlung in Höhe von € 36.000,- resultiere aus einer Zahlung vom - einem Zeitpunkt, an dem die Zahlungsfähigkeit der Primärschuldnerin uneingeschränkt gegeben gewesen sei. Die Argumentation, der Beschwerdeführer hätte zum Zeitpunkt der Zahlung von der Zahlungsunfähigkeit wissen müssen, gehe zum Zahlungszeitpunkt ins Leere.

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden die Ursachen für die Insolvenz der Primärschuldnerin und der Verfahrensgang vor dem Landesgericht ***3*** bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens, insbesondere der Beschluss des OLG ***4*** vom erörtert. Ferner wurde die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung für Lohnsteuern und die Anfechtung auch von Lohnsteuerzahlungen durch den Insolvenzverwalter thematisiert. Die Verhandlung endete mit der Verkündung der gegenständlichen Entscheidung.

II. Beweiswürdigung

Der oben festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den zitierten Aktenteilen, dem Vorbringen des Beschwerdeführers, den Eintragungen im Abgabeninformationssystem, dem Firmenbuch, und der Ediktsdatei.

Dem im Vorlageantrag erhobenen Einwand, die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern wären "in voller Höhe und fristgerecht durch den Geschäftsführer an das Finanzamt überwiesen" worden, hielt das Finanzamt im Vorlagebericht zutreffend entgegen, dass eine fristgerechte Abfuhr der haftungsgegenständlichen Lohnabgaben in keinem Fall erfolgt war. Dies steht auch im Einklang mit den Buchungen am Abgabenkonto. Die monatlich fällig gewordenen Lohnabgaben wurden zwar fristgerecht dem Finanzamt bekannt gegeben, eine fristgerechte Entrichtung derselben erfolgte jedoch tatsächlich nie. Auch die Umsatzsteuervorauszahlungen waren lediglich zu den Fälligkeitsterminen bekannt gegeben, aber nicht entrichtet worden. Wie aus den vorliegenden Zahlungsbelegen und den Buchungen am Abgabenkonto unschwer zu entnehmen ist, erfolgten bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens (mit Ausnahme der oben erwähnten Überweisung vom betreffend die nicht haftungsgegenständlichen Lohnabgaben 12/2015) immer nur Teilzahlungen auf den offenen Rückstand, die auch einen Teil der haftungsgegenständlichen Lohnsteuern nach bereits eingetretener Fälligkeit bis zur Anfechtung durch den Masseverwalter abgedeckt hatten (Lohnsteuern 03/2016, 04/2016, 06/2016, 07/2016 und 08/2016).

Das in der Stellungnahme vom und in der Beschwerde erstattete Vorbringen, es wären nicht mehr alle Löhne und Gehälter ausbezahlt worden, wurde berücksichtigt. Laut der durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurden im September und Oktober 2016 die Löhne tatsächlich nur mehr zum Teil ausbezahlt. Das Finanzamt hat daher die am Abgabenkonto ausgewiesenen Lohnsteuern für diese Monate nicht in den Haftungsbescheid aufgenommen.

Unzutreffend war das Vorbringen im Schriftsatz vom , wonach die Anfechtung einer Zahlung von 36.000,00 € durch den Masseverwalter aus einer Zahlung vom über 30.000,00 € resultiere. Diese Zahlung wurde vom Masseverwalter nicht angefochten; die tatsächlich angefochtenen Zahlungen wurden oben festgestellt.

III. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

1) Die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern sind unstrittig und wurden von der Primärschuldnerin selbst dem Finanzamt termingerecht bekannt gegeben. Für September und Oktober 2016 wurden laut den Feststellungen anlässlich der Lohnsteuerprüfung die Löhne und Gehälter nicht mehr zur Gänze ausbezahlt. Die gemeldeten Lohnabgaben wurden daher korrigiert. Das Finanzamt hat die Lohnsteuern für die genannten Monate auch nicht in die Haftungsinanspruchnahme einbezogen.

2) Ebenso unstrittig ist die Stellung des Beschwerdeführers als für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten verantwortlicher Geschäftsführer.

3) Die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin steht ebenso fest. Das Sanierungsverfahren endete mit einem rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan. Die Sanierungsquote wurde mit 32 % bestimmt und vom Finanzamt bei Geltendmachung der Haftung von den einzelnen haftungsgegenständlichen Abgaben in Abzug gebracht.

4) Bereits das Finanzamt hat zur Frage des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Haftung für Lohnsteuer hingewiesen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt. Die einbehaltene Lohnsteuer ist zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden und unterliegt (auch) bei sich bis zum Abfuhrzeitpunkt geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dem Gleichbehandlungsgebot. Somit trifft den Vertreter nach § 80 BAO die Verpflichtung, die Lohnsteuer einerseits einzubehalten und andererseits - ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten und des Gleichbehandlungsgebotes - zur Gänze dem Finanzamt zum Fälligkeitstag abzuführen (z.B. mwN).

Diese Pflicht hat der Beschwerdeführer verletzt. Es wurden zwar die Lohnabgaben stets termingerecht bekannt gegeben, aber in keinem Fall zum Fälligkeitstermin abgeführt. An dieser schuldhaften Pflichtverletzung ändert auch der Umstand nichts, dass die gemeldeten Lohnsteuern zum Teil in weiterer Folge (im Schnitt rund drei Monate verspätet) durch Teilzahlungen auf den offenen Abgabenrückstand abgedeckt wurden.

Damit ist aber auch aus der Anfechtung dieser Teilzahlungen durch den Masseverwalter für die vor dem fällig gewesenen Lohnsteuern für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Damit wurde lediglich die verspätete teilweise Entrichtung der Lohnsteuern rückgängig gemacht. An der aufgezeigten schuldhaften Pflichtverletzung änderte weder die verspätete Bezahlung der Lohnsteuern etwas, noch die Anfechtung dieser Zahlungen durch den Masseverwalter. Das Finanzamt hat daher zutreffend auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, dass durch derartige, der Anfechtung unterliegende Zahlungen an die Abgabenbehörde in der Vergangenheit gelegene und vom Vertreter zu verantwortende Versäumnisse bei der zeitgerechten Abgabenentrichtung nicht beseitigt werden können. Andernfalls es im Belieben des Vertreters läge, sich durch die Verwirklichung eines einzelnen Anfechtungstatbestandes jeder abgabenrechtlichen Geschäftsführerhaftung zu entledigen (). Die Verletzung der Pflicht, die Lohnsteuern zur Gänze dem Finanzamt zum Fälligkeitstermin abzuführen, kann daher nicht mit verspäteten Teilzahlungen auf den aufgelaufenen Abgabenrückstand saniert werden. Ein Geschäftsführer soll sich nach zutreffender Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor einer sich abzeichnenden Insolvenz durch eine anfechtbare Zahlung des Abgabenrückstandes seiner haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit entziehen können.

Bei der Prüfung der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit kommt es auf den Vergleich mit einer Kausalkette im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens, hier also der Entrichtung der Lohnsteuern zur Gänze zum Fälligkeitstermin an. Keiner näheren Erörterung bedarf diese Frage hinsichtlich der vor Insolvenzeröffnung ohnehin nie (auch nicht durch angefochtene und verspätete Saldozahlungen) entrichteten Lohnsteuern 2014, 07/2015, 11/2015 und 01/2016. Die Nichtentrichtung der dieser Lohnsteuern war kausal für deren Uneinbringlichkeit (in dem Ausmaß als keine Abdeckung durch die Sanierungsplanquote erfolgte).

Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer erst nach Fälligkeit abgeführten Lohnsteuer unterbricht den Kausalverlauf zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt jedenfalls dann nicht, wenn der Fälligkeitszeitpunkt vor dem Beginn der Anfechtungsfrist lag (BFH , VII R 19/08). Das Insolvenzverfahren wurde am eröffnet, die sechsmonatige Anfechtungsfrist des § 31 Abs. 2 KO begann damit am . Die haftungsgegenständliche Lohnsteuer 03/2016 war am und die Lohnsteuer 04/2016 am fällig. Da diese beiden Lohnsteuern vor dem fällig waren, liegt durch die erfolgreiche Anfechtung der (verspäteten) Zahlungen auch hier keine Unterbrechung des Kausalverlaufes vor: wären diese Abgaben zum Fälligkeitstag zur Gänze entrichtet worden, wäre die Entrichtung vor dem erfolgt und wären die Zahlungen daher jedenfalls unanfechtbar gewesen.

Somit verbleiben noch die Lohnsteuern 06, 07 und 08/2016, die nach dem Beginn der Anfechtungsfrist fällig waren:

Die Lohnsteuer wird vom Arbeitnehmer geschuldet (§ 83 Abs. 1 EStG), für die Einbehaltung und Abfuhr haftet aber der Arbeitgeber dem Bund (§ 82 EStG). Er hat aufgrund dieser Bestimmung für eine fremde Schuld, nämlich jene des lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmers einzustehen. Die mittlerweile gefestigte Ansicht der Rechtsprechung dazu ist, dass die Geltendmachung dieser Haftung durch Erlassung eines Haftungsbescheides nach § 224 Abs. 1 BAO erfolgt und erst durch den Haftungsbescheid die Abgabenschuld des Arbeitgebers entsteht (Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze, § 30 IO Tz 87 mit Judikaturnachweisen).

Damit ist die Zahlung der Lohnsteuer nach den Bestimmungen der §§ 30, 31 IO unanfechtbar, soweit kein Haftungsbescheid (§ 82 EStG) gegen den Arbeitgeber erlassen wurde (vgl. ; ; vgl. auch ). Im gegenständlichen Fall wurden hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Lohnsteuern 06, 07 und 08/2016 keine Haftungsbescheide an die Primärschuldnerin erlassen.

Auch Lohnsteuerzahlungen, wenn sie durch Anrechnung von Saldozahlungen auf die älteste Schuld erfolgten, sind der Anfechtung nach den § 30 und 31 IO entzogen (dies betrifft Saldozahlungen des Schuldners, die gemäß § 214 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 213 Abs. 1 BAO zwingend auf die Lohnsteuer verrechnet werden mussten, die dadurch getilgt wurde). Im , hatte sich der Oberste Gerichtshof mit dem Problem zu beschäftigten, dass ungewidmete Saldozahlungen erfolgten. Das Höchstgericht hat die auf Lohnsteuern entfallenden Anteile der Saldozahlungen als unanfechtbar gemäß §§ 30 und 31 IO gewertet.

Das bedeutet für den gegenständlichen Fall, dass Zahlungen auf die nach dem fällig gewordenen Lohnsteuern jedenfalls anfechtungsfest waren und der Insolvenzverwalter damit zu Unrecht die Saldozahlungen, soweit dadurch die Lohnsteuern 06, 07 und 08/2016 abgedeckt wurden, angefochten hat, und das Finanzamt zu Unrecht diesen Anfechtungen entsprochen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zahlungen zum Fälligkeitstermin oder danach geleistet wurden oder worden wären. Somit wäre auch im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens (Entrichtung dieser Lohnsteuern zum Fälligkeitstermin) kein anderes Ergebnis eingetreten, als die Unanfechtbarkeit dieser Lohnsteuerzahlungen. Für die Uneinbringlichkeit dieser Lohnsteuern war daher nicht die verspätete Entrichtung durch den Beschwerdeführer kausal, sondern die unberechtigte Anfechtung der Zahlungen durch den Insolvenzverwalter und die zu Unrecht erfolgte Anerkennung dieser Anfechtung durch das Finanzamt. Insofern fehlt es damit am Kausalzusammenhang und war der Beschwerde insoweit stattzugeben. Die Lohnsteuern 06, 07 und 08/2016 wurden daher aus der Haftung ausgeschieden.

5) Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen. Dem Bundesfinanzgericht ist in Ermessensfragen volle Kognition eingeräumt. Allfällige Mängel der Ermessensübung durch die Verwaltungsbehörde sind daher insoweit nicht von Bedeutung ().

Die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung in der Regel auch allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung ins Treffen geführt werden. Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein aber noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Die Haftung darf keineswegs etwa nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden (; ). Die Heranziehung des Geschäftsfühers zur Haftung kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (; ). Für die Ermessensübung bedarf es daher keiner Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenssituation des Haftungspflichtigen (). Weiters ist zu berücksichtigen, dass sich die oben angeführten Pflichtverletzungen über einen langen Zeitraum erstreckt haben. Wie festgestellt werden musste, hatte der Beschwerdeführer das Abgabenkonto der Gesellschaft gleichsam als Kreditkonto betrachtet, auf welches lediglich Teilzahlungen zur Abdeckung des aufgelaufenen Rückstandes geleistet wurden; termingerechte Zahlungen der Selbstbemessungsabgaben konnten nicht festgestellt werden. Bei dieser Sachlage war die Geltendmachung der Haftung zweckmäßig und nicht unbillig.

Es war damit spruchgemäß zu entscheiden.

Revisionsbegründung

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 31 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 30 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 78 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100500.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at