Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.02.2024, RV/2100106/2024

Vorsteuern, die im Erstattungsverfahren gewährt worden sind, können im Veranlagungsverfahren nicht mehr gewährt werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH, Renngasse 1 Tür Freyung, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheidr des Finanzamtes Österreich vom betreffend Umsatzsteuer 2012 und Umsatzsteuer 2013 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit den folgenden Bescheiden wurde der Beschwerdeführerin die Erstattung von Vorsteuern gewährt:

Entsprechend den Ausführungen in den oa. Bescheiden wurden diese Beträge auf das von der Bf. bekanntgegebene Bankkonto überwiesen.

Entsprechend einer mit Schriftsatz vom von der Bf. eingereichten Offenlegung führte sie aus, sie habe im Jahr 2012 und 2013 steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen in Höhe von 530.000 € und 1.257.500 € ausgeführt.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die steuerpflichtigen Jahresumsätze entsprechend festgesetzt und die erklärten Erwerbsteuern als Vorsteuern berücksichtigt. Eine Berücksichtigung der erklärten Vorsteuern unterblieb, weil diese bereits im Erstattungsverfahren gewährt worden seien.

Innerhalb verlängerter Frist erhob die Bf. durch ihre Vertreterin Beschwerde und führt u.a. Folgendes aus:

" …
Mit der aufgrund der Begründung darauf schließenden Sachlage des von der Abgabenbehörde angenommenen Sachverhalts verkennt diese, dass wir zu keiner Zeit die in § 1 Abs. 1 VO
BGBl. Nr. 279/1995 genannten Voraussetzungen für ein Vorsteuererstattungsverfahren erfüllt haben. Aufgrund der in unserer Offenlegung erklärten Umsätze der Jahre 2012 und 2013 fallen wir für den gesamten Zeitraum 2012 und 2013 in das Veranlagungsverfahren, weshalb die Vorsteuern dieser Jahre in den entsprechenden Umsatzsteuerbescheiden hätten berücksichtigt werden müssen. Die gegenständlich erfolgte Vorsteuererstattung für einen Zeitraum, in welchem wir jedoch Umsätze erzielt haben, ist einer rechtskonformen Vorgehensweise entgegenstehend.

Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom , 2001/15/0175, bezugnehmend auf das zeitlich parallele Vorliegen eines Vorsteuerrückerstattungsverfahrens und eines Veranlagungsverfahrens wie folgt festgehalten:
"Dass die beiden Verfahren (das Vorsteuerrückerstattungsverfahren nach der Verordnung
BGBl. Nr. 279/1995 und das Veranlagungsverfahren) unabhängig voneinander bestehen können, zeigt auch § 4 Abs. 1 der Verordnung. Nach dieser Bestimmung sind bereits rückerstattete Vorsteuerbeträge bei der Veranlagung nicht zu berücksichtigen. Dies trifft etwa dann zu, wenn ein kürzerer Rückerstattungszeitraum als das Kalenderjahr gewählt wurde und dafür Vorsteuerbeträge rückerstattet worden sind, dann etwa wegen geänderter Voraussetzungen in späteren Kalendermonaten desselben Kalenderjahres eine Veranlagung zum Tragen kommt und das gesamte Kalenderjahr nach § 21 Abs. 4 UStG 1994 veranlagt wird und die Veranlagung damit auch einen Zeitraum erfasst, über den im Vorsteuerrückerstattungsverfahren bereits abgesprochen worden ist."

Der VwGH bezieht sich in seiner Entscheidung explizit auf § 4 VO BGBl. Nr. 279/1995, welche jedoch nur dann zur Anwendung gelangt, wenn § 1 VO BGBl. Nr. 279/1995 erfüllt ist (siehe oben). Gesetzt den Fall es lägen in den Anfangsmonaten eines Jahres bei einem nicht im Inland ansässigen Unternehmer keine Umsätze vor, so ist die Vorsteuer im Wege des Vorsteuererstattungsverfahrens rückzuerstatten. Wird sodann am Ende des Jahres aufgrund getätigter Umsätze eine Veranlagung für das gesamte Jahr vorgenommen, so sind die bereits rückerstatteten Vorsteuerbeträge der ersten Kalendermonate, in welchen keine steuerbaren Tatbestände in Österreich gesetzt wurden, in der Jahreserklärung nicht zu berücksichtigen.
In dem vom VwGH geschilderten Verfahren sowie in jenen, auf welche die VO
BGBl. Nr. 279/1995 Anwendung findet, liegen in einem Jahre zwei abgabenrechtlich unterschiedlich zu behandelnde Verfahren vor, welche am Ende eines Kalenderjahres zusammengefasst gemäß der VO BGBl. Nr. 279/1995 zu behandeln sind. Ebendieser Sachverhalt, den auch die Abgabenbehörde offenbar bei Begründung der Umsatzsteuerbescheide 2012 und 2013 angenommen hat, liegt jedoch gegenständlich nicht vor. Die Behörde verkennt somit die Sachlage, weshalb es der Bescheidbegründung beider Umsatzsteuerbescheide an einer korrekten abgabenrechtlichen Würdigung mangelt.

Ergänzend hat der Unabhängige Finanzsenat hat in seiner Berufungsentscheidung vom , RV/0771-G/12, wie folgt festgestellt:
"Liegen die Voraussetzungen für das Erstattungsverfahren vor, dann ist die Geltendmachung von Vorsteuern im Wege einer Veranlagung ausgeschlossen."
E contrario ist die Geltendmachung von Vorsteuern im Wege des Erstattungsverfahren ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen für das Veranlagungsverfahren vorliegen. In den Jahren 2012 und 2013 sind Vorsteuern aus lokalen Zukäufen angefallen, welche in kausalem Zusammenhang mit den jeweiligen steuerpflichtigen Umsätzen der Periode stehen, weshalb ein Vorsteuererstattungsverfahren in unserem Falle jedenfalls nicht die korrekte abgabenverfahrensrechtliche Vorgehensweise darstellt. Da wir zu keiner Zeit die Voraussetzungen des Vorsteuererstattungsverfahrens erfüllt haben, ist auch die Erlassung der Vorsteuererstattungsbescheide für die Jahre 2012 und 2013 nicht rechtskonform
erfolgt.

Ebenso wird in der Literatur (Kommentar zur Mehrwertsteuer, Kronsteiner/Pfeiffer in Scheiner/Kolacny/Caganek, §21 Rz 94 f.) diese Ansicht vertreten:
"Sind die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 der VO gegeben, kann der Abzug der Vorsteuern nur nach der VO vorgenommen werden. Eine Veranlagung ist ausgeschlossen. Es ist aber möglich, dass Erstattungsverfahren und normales Besteuerungsverfahren nacheinander (nicht nebeneinander) zur Anwendung gelangen.
Beispiel:
Der ausländische Unternehmer bewirkt erst im zweiten Halbjahr Umsätze in Österreich. Erstattungsverfahren: Jänner bis Juni.
Normales Besteuerungsverfahren Juli bis Dezember.
Im Falle der Veranlagung sind die erstatteten Vorsteuern nicht (noch einmal) zu berücksichtigen."

Bei der gegenständlichen Verfahrenslage bestünde seitens der Abgabenbehörde die Möglichkeit, nach Ablauf der Beschwerdefrist der nun ausgestellten Umsatzsteuerbescheide 2012 und 2013 die ursprünglich im Vorsteuererstattungsverfahren 2012 und 2013 geltend gemachten Vorsteuern in Höhe von insgesamt EUR 288.420 abzuerkennen.
Dies könnte damit begründet werden, dass das Vorsteuererstattungsverfahren aufgrund inländischer Umsätze niemals hätte beschritten werden dürfen.
Unseren Gedanken bezüglich der weiteren Vorgehensweise fortführend, sind die Umsatzsteuerbescheide 2012 und 2013 aufgrund Rechtswidrigkeit aufzuheben, da die in den Erstattungsbescheiden ausgewiesene Vorsteuer in den jeweiligen Umsatzsteuerbescheiden berücksichtigt hätten werden müssen. Sodann ist eine amtswegige Wiederaufnahme gemäß
§ 303 BAO anzuregen, um dieVorsteuererstattungsbescheide der Jahre 2012 und 2013 aufzuheben. Abschließend ist im Wege des Veranlagungsverfahrens die Bescheiderlassung betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2012 und 2013 erneut vorzunehmen, wobei die Vorsteuer der jeweiligen Jahre (2012 und 2013) als solche festzusetzen wäre. Die Zahllast bzw. das Guthaben ist entsprechend der eingereichten Umsatzsteuererklärungen auszuweisen. Bereits erstattete Beträge (Guthaben) sind wie auch sonst als "bisher vorgeschriebene Umsatzsteuer" im Bescheid zu erfassen.
Bezugnehmend auf die Zulässigkeit der Vorsteuererstattungsbescheide dürfen wir darauf hinweisen, dass der Bescheid über die Erstattung von Vorsteuern für 01-12/2012 vom über den gesamten Erstattungszeitraum 2012 abspricht. Zudem liegt uns ein weiterer Vorsteuererstattungsbescheid vom vor, in welchem Vorsteuern in Höhe von EUR 52.400,00 für den Erstattungszeitraum 01-07/2012 ausgewiesen sind. Die Vorsteuererstattungsbescheide sprechen daher - einander überschneidend - über ein und denselben Abgabenanspruch ab.
Formalrechtlich ersetzt daher der Bescheid vom (Zeitraum 01-12/2012) jenen früher ergangenen vom (Zeitraum 01-07/2012). Die gegenwärtige
Verfahrenssituation widerspricht daher einer rechtskonformen Vorgehensweise, da nur der Vorsteuererstattungsbescheid vom über Vorsteuern in Höhe von EUR 48.620 dem Rechtsbestand angehört und den Bescheid über den Erstattungszeitraum 01-07/2012ersetzt ("lex posterior derogat legi priori").
Aufgrund der uns unstrittigerweise zustehenden Vorsteuern in Höhe von insgesamt EUR 101.020, wäre der nach derzeitigem Stand nicht durch einen im Rechtsbestand liegenden Bescheid zugesprochene Vorsteuerbetrag in Höhe von EUR 52.400,00 im Bescheid 01-12/2012 zu berücksichtigen gewesen. Zur Wiederherstellung des rechtskonformen Zustands ist daher - ebenso aufgrund des nun aufgezeigten, groben Verfahrensfehlers
eine amtswegige Aufhebung der Vorsteuererstattungsbescheideunumgänglich sowie eine Berücksichtigung der gesamten Vorsteuerbeträge im neu zu erlassenden Umsatzsteuerbescheid erforderlich.
3. Fazit
Die Bescheide über die Erstattung von Vorsteuern für die Jahre 2012 und 2013 waren somit niemals rechtskonform, da wir in diesem Zeitraum Umsätze erzielt haben und die Voraussetzungen der Vorsteuererstattung (siehe Ausführungen oben) daher zu keiner Zeit vorgelegen sind. Die Abgabenbehörde hat jedoch die Anwendung der Verordnung
BGBl. Nr. 279/1995 angenommen, weshalb sie in ihrer Bescheidbegründung auch die Vorsteuern nicht berücksichtigt hat. Da aufgrund unserer getätigten Umsätze gegenständlich § 1 VO BGBl. Nr. 279/1995 - und somit auch § 4 VO BGBl. Nr. 279/1995 - nicht zur Anwendung gelangt, war die fehlende Berücksichtigung der Vorsteuern in den Bescheiden gemäß § 4 VO BGBl. Nr. 279/1995 nicht rechtmäßig. Die Erstattungsbescheide sind somit aufzuheben. Die Vorsteuern sind daher direkt in den Umsatzsteuerbescheiden 2012 und 2013 auszuweisen. Aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit, welche auf derMöglichkeit der Aberkennung der bereits erstatteten Vorsteuer durch die Abgabenbehördeberuht, ist die Einbringung ebendieser Beschwerde zur Erreichung der Rechtssicherheit unumgänglich.
…"

In ihrer Beschwerdevorentscheidung wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, auf § 21 Abs. 9 UStG 1994 gestützte Bescheide stellten keine Umsatzsteuer- Veranlagungsbescheide iSd § 21 Abs. 4 UStG 1994 dar. Ein Bescheid betreffend Vorsteuerrückerstattung habe gem. § 21 Abs. 9 UStG 1994 zwar u.a. das Fehlen von Umsätzen iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 zur verfahrensrechtlichen Voraussetzung, spreche selbst nicht über Art und Höhe der vom Unternehmer erzielten Umsätze ab ().
Beim Vorsteuererstattungsverfahren nach der VO BGBl. Nr. 279/1995 und der in § 21 Abs. 4 UStG 1994 vorgesehenen Veranlagung der Jahresumsatzsteuer handelt es sich um gesonderte Verfahren ().
§ 4 Abs. 1 der VO regle, bereits erstattete Vorsteuerbeträge seien bei der Veranlagung nicht (nochmals) zu berücksichtigen. Die Bestimmung stelle zwar grundsätzlich auf einen Fall ab, in dem ein kürzerer Rückerstattungszeitraum als das Kalenderjahr gewählt wurde und dafür Vorsteuerbeträge erstattet worden sind, sodann aber etwa wegen geänderter Voraussetzungen in späteren Kalendermonaten desselben Kalenderjahres (inländische Umsätze) eine Veranlagung nach § 21 Abs. 4 UStG 1994 zum Tragen komme, wobei hinsichtlich eines Teiles des Veranlagungszeitraumes bereits über eine Vorsteuerrückerstattung abgesprochen worden sei. Insofern erteile also die auf § 21 Abs. 9 UStG 1994 gestützte VO die Ermächtigung, dass - unter den Voraussetzungen der VO - abweichend von § 198 Abs. 2 BAO über einen Teil der im Veranlagungsbescheid zu erfassenden Bemessungsgrundlage (und damit Abgabenhöhe) in einem gesonderten Bescheid abgesprochen werden könne. Im gegenständlichen Fall seien die nach § 21 Abs. 9 UStG 1994 ergangenen Bescheide rechtswidrig, weil davon auszugehen sei, dass der im Ausland ansässige Unternehmer in den betreffenden Zeiträumen Umsätze im Inland getätigt habe. Diese seien allerdings in Rechtskraft erwachsen. Im Hinblick auf diese rechtskräftigen Bescheide nach § 21 Abs. 9 UStG 1994 ergebe sich aus § 4 Abs. 1 der VO das Zusammenwirken zwischen ihnen und den nachfolgenden Umsatzsteuer-Veranlagungsbescheiden der beiden Streitjahre (). Die bereits gewährten Vorsteuern im Vorsteuererstattungsverfahren seien daher zwingend im Veranlagungsverfahren abzuziehen.

In der weiteren Folge stellt die Bf. ohne weitere inhaltliche Ausführungen den Antrag die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

In ihrem Vorlagebericht führte neben den bisher in der Beschwerdevorentscheidung dargestellten Gründen aus, die doppelte Gewährung von Vorsteuern sei nach der Judikatur des VwGH ausgeschlossen, wenn Vorsteuern bereits rechtskräftig gewährt wurden und würde im Ergebnis dem Neutralitätsgedanken der Umsatzsteuer widersprechen und zu einer Bereicherung des Unternehmers führen. Da trat sie dem Beschwerdeantrag entgegen und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Bf. reichte für die Zeiträume 2012 und 2013 Vorsteuererstattungsanträge ein, die vom Finanzamt antragsgemäß erledigt wurden.
In der weiteren Folge stellt sich unstrittig das Vorliegen von Inlandsumsätzen heraus und es erfolgt eine Jahresveranlagung zur Umsatzsteuer. Die im Erstattungsverfahren bereits gewährten Vorsteuern wurden nicht mehr gewährt.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung stützt sich auf die objektiv unbestrittene Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Rechtsquellen:

Umsatzsteuergesetz 1994

§ 12 Abs. 1 UStG 1994 lautet:

Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Besteuert der Unternehmer nach vereinnahmten Entgelten (§ 17) - ausgenommen Unternehmen im Sinne des § 17 Abs. 1 zweiter Satz - und übersteigen die Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 - hierbei bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer Ansatz - im vorangegangenen Veranlagungszeitraum 2 000 000 Euro nicht, ist zusätzliche Voraussetzung, dass die Zahlung geleistet worden ist. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung der Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft;
2. a) die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind,
b) in den Fällen des § 26 Abs. 3 Z 2 die geschuldete und auf dem Abgabenkonto verbuchte Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind;
3. die gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 1a, Abs. 1b, Abs. 1c, Abs. 1d und Abs. 1e geschuldeten Beträge für Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

§ 21 Abs. 4 UStG 1994 lautet:
Der Unternehmer wird nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt. Enden mehrere Veranlagungszeiträume in einem Kalenderjahr (§ 20 Abs. 1 und 3), so sind diese zusammenzufassen. Der Unternehmer hat für das abgelaufene Kalenderjahr eine Steuererklärung abzugeben, die alle in diesem Kalenderjahr endenden Veranlagungszeiträume zu umfassen hat.

§ 21 Abs. 9 UStG 1994 lautet:
Der Bundesminister für Finanzen kann bei nicht im Inland ansässigen Unternehmern, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln. Bei nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern kann weiters bestimmt werden, dass bestimmte Vorsteuerbeträge von der Erstattung ausgeschlossen sind. In der Verordnung kann festgelegt werden:
- ein besonderes Verfahren für die Vorsteuererstattung,
- ein Mindestbetrag, ab dem eine Vorsteuererstattung erfolgt,
- innerhalb welcher Frist der Erstattungsantrag zu stellen ist,
- dass der Bescheid über die Erstattung der Vorsteuerbeträge elektronisch zugestellt wird,
- wie und in welchem Umfang der zu erstattende Betrag zu verzinsen oder zu vergebühren ist.
Vorsteuern im Zusammenhang mit Umsätzen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers sind nur erstattungsfähig, wenn die Umsätze in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig ist, ein Recht auf Vorsteuerabzug begründen. Einem Unternehmer, der im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist und Umsätze ausführt, die zum Teil den Vorsteuerabzug ausschließen, wird die Vorsteuer höchstens in der Höhe erstattet, in der er in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre.

Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, StF: BGBl. Nr. 279/1995

§ 4 Abs. 1:
Ist bei den in § 1 Abs. 1 genannten Unternehmern die Besteuerung nach den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 durchzuführen, so sind hiebei die Vorsteuerbeträge nicht zu berücksichtigen, die nach § 1 Abs. 1 erstattet worden sind.

3.1.2. rechtliche Erwägungen:

In dem bereits von der Bf. angeführten Erkenntnis des führt dieser u.a. aus, es handle sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin um gesonderte Verfahren. Schon aus dem Titel der zitierten Verordnung sei ersichtlich, dass mit dieser Verordnung auf Grund der Ermächtigung des § 21 Abs. 9 UStG 1994 ein eigenes, somit ein anderes Verfahren als die in § 21 Abs. 4 UStG vorgesehene Veranlagung der Jahresumsatzsteuer vorgesehen ist. Im Übrigen sei die Verordnung auch in Umsetzung der Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom (13. Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer) ergangen, welche ein eigenes Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige vorsehe. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits zu den Vorgängerbestimmungen ausgesprochen, dass mit der zu § 21 Abs. 11 UStG 1972 erlassenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen BGBl. Nr. 818/1994 für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer ein eigenes Verfahren geschaffen worden ist (VwGH Erkenntnis vom , 96/15/0195).

In der weiteren Folge kam es zu einem weiteren Erkenntnis , aus Anlass einer Amtsrevision. Das Bundesfinanzgericht ging damals von einer "Sperrwirkung" eines rechtskräftigen Erstattungsverfahrens aus, weil ein Erstattungsverfahren das Nichtvorliegen entsprechender Umsätze bereits voraussetze und daher der Grundsatz "ne bis in idem" einem Veranlagungsbescheid entgegenstehe, weil es sich um denselben Tatsachenkomplex handle. Dem trat der VwGH entgegen, da die auf § 21 Abs. 9 UStG 1994 gestützten Bescheide keine Umsatzsteuer-Veranlagungsbescheide iSd § 21 Abs. 4 UStG 1994 darstellen. Ein Bescheid betreffend Vorsteuerrückerstattung gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 habe zwar u.a. das Fehlen von Umsätzen iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 zur verfahrensrechtlichen Voraussetzung, spreche aber selbst nicht über Art und Höhe der vom Unternehmer erzielten Umsätze ab. Veranlagungsbescheide hingegen müssen zusätzlich zur Höhe der Umsatzsteuer auch die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage (insbesondere die Summe der Umsätze des Veranlagungszeitraumes und die in den Veranlagungszeitraum fallenden Vorsteuern) enthalten. Ebenso trat er der von der Bf. reklamierten und von der Kommentar-Literatur interpretierten eher wörtlichen Auslegung des § 4 Abs. 1 der VO (Verordnung über abziehbare Vorsteuer ausländischer Unternehmer, BGBl. Nr. 279/1995) entgegen, in dem er bemerkt, auch im Hinblick auf rechtswidrige und rechtskräftige Bescheide nach § 21 Abs. 9 UStG 1994 und nachfolgende Jahresbescheide, ergebe sich ein Zusammenwirken zwischen ihnen und die auf § 21 Abs. 9 UStG 1994 gestützten Bescheide stünden somit der Erlassung von Umsatzsteuer-Veranlagungsbescheide iSd. § 21 Abs. 4 UStG 1994 nicht entgegen, was zur Konsequenz hat, dass der VwGH eine Wiederaufnahme oder sonstige Beseitigung allfälliger entgegenstehenden Erstattungsbescheide für nicht weiter für erforderlich hält. Somit können die verfahrensrechtlichen Ausführungen der Bf. dahingestellt bleiben, weil sie von der vorhin erwähnten Judikatur nicht geteilt werden.

Im Zusammenhang mit dieser verfahrensrechtlichen Positionierung muss allerdings festgehalten werden, dass die Frage des Vorsteuerabzuges im oa. Rechtsfall nicht ausdrücklich thematisiert wurde. Aus seiner Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 der VO, dass bereits erstattete Vorsteuerbeträge bei der Veranlagung nicht (nochmals) zu berücksichtigen seien und diese Bestimmung zwar grundsätzlich auf einen Fall abstelle, in dem ein kürzerer Rückerstattungszeitraum als das Kalenderjahr gewählt wurde und dafür Vorsteuererstattungsbeträge erstattet worden seien, sodann aber wegen geänderter Voraussetzungen in späteren Kalendermonaten desselben Kalenderjahres (inländische Umsätze) eine Veranlagung nach § 21 Abs. 4 UStG 1994 zum Tragen komme, wobei hinsichtlich eines Teiles des Veranlagungszeitraumes bereits über eine Vorsteuerrückerstattung abgesprochen worden sei, ist eine doppelte Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges nicht gewünscht. Insofern erteile also die auf § 21 Abs. 9 UStG 1994 gestützte VO die Ermächtigung, dass - unter den Voraussetzungen der VO - abweichend von § 198 Abs. 2 BAO über einen Teil der im Veranlagungsbescheid zu erfassenden Bemessungsgrundlage (und damit Abgabenhöhe) in einem gesonderten Bescheid abgesprochen werden könne. Aus allem dem ist abzuleiten, dass eine doppelte Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges sowohl im Erstattungs- als auch im Veranlagungsverfahren ausgeschlossen ist. Im Falle der Veranlagung sind die erstatteten Vorsteuern nicht (noch einmal) zu berücksichtigen (Ruppe/Achatz, UStG5, § 21, Rz. 60).

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Übrigen wird auf die oa. VwGH-Judikatur verwiesen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 21 Abs. 9 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 12 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 21 Abs. 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
RL 86/560/EWG, ABl. Nr. L 326 vom S. 40
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100106.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at