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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.01.2024, RV/7101083/2023

Keine Berufsausbildung beim Besuch einer Handelsakademie für Berufstätige mangels Prüfungsantritten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum August 2017 bis März 2021, SVNr. ***1***, zu recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Zuge einer Vorhaltsbeantwortung vom legte der Bf. der belangten Behörde Semester-und Jahreszeugnisse der Schuljahre 2015/2016 und 2016/2017 der Handelsakademie (Tagesform) sowie der Schuljahre 2017/2018, 2018/2019 und 2019/2020 der Handelsakademie für Berufstätige vor.

Mit Bescheid vom wurden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Sohn ***2***, geb. am ***3***, für den Zeitraum August 2017 bis März 2021 zurückgefordert.

Als Begründung wurde ausgeführt, dass der Sohn im genannten Zeitraum eine Abendschule besucht habe und diese nur dann Berufsausbildung sei, wenn pro Semester mindestens 20 Wochenstunden beurteilt würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , in der der Beschwerdeführer (Bf.) darauf verweist, dass der Sohn von April 2019 bis Juli 2019 eine schwere Operation hatte und auch auf Grund des darauffolgenden Krankenhausaufenthaltes nicht zu Prüfungen angetreten sei.

Vorgelegt wurden eine Aufenthaltsbestätigung der Krankenanstalt vom bis , aus der auch hervorgeht, dass sich der Sohn des Bf. am eine Knieverletzung zuzog, die eine Operation notwendig machte. Aus einer vorgelegten Therapieverordnung bzw Therapiekarte ist ersichtlich, dass zwischen Juni 2019 und August 2019 Therapien in Anspruch genommen wurden, und zwar im Juni am 4., 11., 13. und 19.6. (jeweils ab 8:15 bzw. 8:45).

Weiters legte der Bf. Zeugnisse der Handelsakademie-modulare Form-für die Zeiträume Wintersemester-Sommersemester 2015/2016 und Wintersemester-Sommersemester 2016/2017 vor. Von dieser Unterrichtsform wechselte der Sohn des Bf. ab dem Wintersemester 2017/2018 zur Handelsakademie für Berufstätige am gleichen Standort.

Für den Zeitraum Wintersemester 2017/2018 bis Sommersemester 2020 wurde sämtliche Semesterzeugnisse vorgelegt.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen und wie folgt begründet:

Sie haben trotz zweimaliger Aufforderung zur Frage, ob um Maturatermine angesucht wurde

nicht reagiert.

Es ist daher aufgrund der vorgelegten Zeugnisse HAK f. Berufstätige:

v. : 3 Wochenstunden beurteilt

v. : 10 Wochenstunden beurteilt

v. : 10 Wochenstunden beurteilt

v. : keine Beurteilung

v. : 10 Wochenstunden beurteilt

v. : 8 Wochenstunden beurteilt

die ernsthafte und zielstrebige Ausbildung nicht zu erkennen.

Auch die ärztlichen Therapien im Juli und August 2019 nach der OP (stationärer Aufenthalt

vom 23.-) haben in den Ferien stattgefunden und begründen den verfehlten

ernsthaften und zielstrebigen Erfolg der Ausbildung nicht.

Am stellte der Bf. einen Vorlageantrag, den er wie folgt begründete:

Es seien alle abverlangten Unterlagen beigebracht worden. Die Ausbildung sei zielstrebig fortgesetzt worden. Die einzige Unterbrechung sei durch eine Verletzung und die dadurch notwendige Heilbehandlung erfolgt. Hinsichtlich der Frage nach einem Maturatermin teile er mit, dass es infolge der seit mehr als zwei Jahren andauernden Coronakrise zu Verschiebungen bei Lehrveranstaltungen und Prüfungen bzw. zu einem Rückstau bei den Anmeldungen gekommen sei. Hinsichtlich eine baldigen Termines sei bereits mehrfach bei der Schulleitung nachgefragt worden. Hinsichtlich der Anberaumung und Verschiebung von Terminen unter Bedachtnahme auf die Coronaregeln sei der Sohn machtlos und verweise diesbezüglich auf die Leitungsorgane der Schule. Er beantrage die Abstandnahme von der Rückforderung bzw. sollte dies nicht möglich sein, die Bewilligung Ratenzahlungen.

Dem Vorlagebericht ist u.a. auch folgendes zu entnehmen:

Weiters ist aus dem Sozialversicherungsdatenauszug ersichtlich, dass ***2*** von - als Arbeiter beschäftigt war. Danach von - war er geringfügig und ab mehrfach geringfügig Beschäftigter Arbeiter und von - Arbeiter.

Darüber hinaus hat er laut GISA-Auszug (Gewerbeinformationssystem Austria) von bis ein Handelsgewerbe ausgeübt hat. Die Einkommensteuerbescheide, die der Vorlage beigelegt sind, dienen als Nachweis einer verrichteten Tätigkeit und stellen ein Indiz dafür dar, dass die ernsthafte und zielstrebige Ausbildung in dieser Zeit nicht mehr im Mittelpunkt stand. Die Einkommensgrenze bis von EUR 10.000,- und ab von EUR 15.000,- wurden aber nicht überschritten.

Mit E-Mails vom und vom 18.12.203 teilte die Schulleitung über Befragung des Bundesfinanzgerichtes folgendes mit:

1. Allgemein zur Semestereinteilung:

Schuljahr Wintersemester Sommersemester

2017/2018 - -

2018/2019 - -

2019/2020 - -

2020/2021 - -

2. Herr ***2***, geb. ***3***, war GESAMT vom 03-09-2012 bis 28-04-2023 in unserer Schule.

Anbei sende ich Ihnen einen Auszug.

Herr ***4*** war zuerst TAGESschüler (1CK bis 4CKs) und hat anschließend in die ABENDschule gewechselt.

In der ABENDschule war er somit vom bis .

Ein NICHT BEURTEILT erhält ein Studierender, wenn das Modul zwar gebucht (angemeldet) wurde jedoch keine Prüfung durch den Studierenden absolviert wurde. Weder während des regulären Semesters noch in der Prüfungswoche.

Wir möchten festhalten, dass ALLE Prüfungen der ABENDschule auch während Corona regulär stattgefunden haben (bzw. alternative Vorgaben für die Beurteilung) und alle rechtlichen Vorgaben erfüllt worden sind. Der Studierende hätte daher jederzeit die Möglichkeit gehabt, die Module beurteilt abschließen zu können.

In der ABENDschule gibt es prinzipiell keine Anwesenheitspflicht, anders als in der Tageschule. Am ABEND zählen die positiven Prüfungen für eine Beurteilung."

In einem ergänzenden Vorhalt vom wurde der Bf. erneut ersucht, die ausständigen Zeugnisse ab dem Wintersemester 2020/2021 vorzulegen.

In einer persönlichen Vorsprache des Bf. gemeinsam mit seinem Sohn beim Bundesfinanzgericht am gaben beide an, dass es ab dem Wintersemester 2020 keine Zeugnisse gebe, da der Sohn zwar an der Schule angemeldet gewesen sei, diese aber nicht besucht habe. Erst ab dem Wintersemester 2022/2023 sei er wieder in die Schule gegangen, habe im Wintersemester 2022/2023 die noch ausständigen bisher nicht beurteilten Prüfungen absolviert und sei dann im Sommersemester 2023 zur Matura angetreten, die er auch bestanden habe (Anm.: diese beiden Zeugnisse wurden dem BFG vorgelegt). Ein "nicht beurteilt" habe man erhalten, wenn man nicht zu einer Prüfung angetreten ist. Man habe diese Prüfung auch in einem späteren Semester nachholen können. Im Sommersemester 2019 habe der Sohn eine Operation gehabt. Im Sommersemester 2020 während "Corona" sei es den Schülern freigestanden, ob sie in die Schule kommen oder zu Hause lernen. Sie hätten auch "aussetzen können, wenn sie nicht zu Prüfungen antreten wollten".

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn des Bf. wurde am ***3*** geboren.

Im Rückforderungszeitraum war er 19 bzw. 23 Jahre alt.

Ab war er an der Handelsakademie für Berufstätige gemeldet, die in Form einer Abendschule geführt wird. Im Sommersemester 2020 und im Wintersemester 2020/2021, im Sommersemester 2021, im Wintersemester 2021/2022 und im Sommersemester 2022 war er zwar in der Schule angemeldet, hat diese aber tatsächlich nicht besucht. Daher gibt es für diesen Zeitraum auch keine Zeugnisse. Erst im Wintersemester 2022/2023 wurden wieder Prüfungen abgelegt. Er beendete die Schule mit der Matura im Juni 2023.

Davor (bis Juli 2017) besuchte er die Handelsakademie in der Tagesform. Daher wurden in der Abendschule mehrere Gegenstände pro Semester angerechnet, was im Ergebnis dazu führte, dass weniger als die insgesamt pro Semester vorgegebene Stundenanzahl zu erbringen war. Aus den einzelnen für den Zeitraum Wintersemester 2017/2018 bis Sommersemester 2020 vorgelegten Semesterzeugnissen ergibt sich, dass in jedem Semester Stunden bzw. Gegenstände angerechnet wurden und Gegenstände nicht beurteilt wurden.

In der Handelsakademie für Berufstätige wird ein Gegenstand "nicht beurteilt", wenn der Schüler/die Schülerin nicht zu Prüfungen antritt.

Im April 2019 zog sich der Sohn des Bf. eine Knieverletzung zu, die noch im gleich Monat operiert wurde.

In den Monaten Juni bis August erfolgten diverse Therapie, wobei fünf Therapietermine auf den Monat Juni entfielen.

Auch im Sommersemester 2020, während der "Coronapandemie", konnte jeder Schüler zu Prüfungen antreten.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt und eigenen Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes wie in den Entscheidungsgründen dargestellt.

Bei Erforschung des tatsächlich verwirklichten Sachverhaltes sind die Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 167 Abs. 2 BAO zu beachten. Die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen haben schlüssig zu sein, also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut bzw. den Erfahrungen des täglichen Lebens zu entsprechen. (Vgl. , , ).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, im Rahmen der der Behörde nach § 167 Abs 2 BAO zukommenden "freien Überzeugung" von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. (Vgl ).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. […]

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt: Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 idgF steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Was unter "Berufsausbildung" zu verstehen ist, ist im Familienlastenausgleichsgesetz nicht geregelt.

Ob von einem Kind eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 absolviert wird, ist letztlich eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung gemäß § 167 Abs 2 BAO im Einklang mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beantworten hat (vgl , ).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in seinem Erkenntnis , ausgesprochen: "Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa ; ; ; und ). Diese der Rechtsprechung des VwGH entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des StudFG liegen (z.B. einer Universität, vgl. ; ; und )."

Die Möglichkeit eine Schule bzw. einen Lehrgang berufsbegleitend zu absolvieren, schließt die Qualifikation als Berufsausbildung nicht aus (vgl. , ).

Ist das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, ist nach der (überwiegenden) Judikatur des UFS und des BFG als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden (s zB -F/07; ; ; ), wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt.

Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an, insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden, um von einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 zu sprechen (s zB ).

Unzweifelhaft handelt es sich bei der Handelsakademie für Berufstätige um eine Ausbildungsform, die grundsätzlich Berufsausbildung im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sein kann. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Besuch nach außen erkennbar ernsthaft und zielstrebig erfolgt und die volle Zeit in Anspruch nimmt, was unter Inanspruchnahme der Mitwirkungspflicht des Bf. und in freier Beweiswürdigung zu ermitteln und zu beurteilen ist.

Die belangte Behörde verneint die Berufsausbildung im bekämpften Bescheid mit der Begründung, dass nicht "20 Wochenstunden beurteilt" worden seien. Diese Definition von "Berufsausblidung" ist jedoch weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung zu entnehmen.

Die ausschließliche Versagung des Familienbeihilfenbezuges auf Grund von nicht beurteilten Wochenstunden ist im gegenständlichen Fall überdies nicht zielführend, weil, wie die belangte Behörde im Vorlagebericht richtig anmerkt, etliche Gegenstände aus dem Besuch der Handelsakademie in der Tagesform angerechnet wurden und somit die quantitativ zu erbringende Leistung dementsprechend vermindern (vgl. dazu auch ).

Ein derartiges absolutes, auf die konkreten Umstände des Einzelfalles nicht Bedacht nehmendes Mindestmaß ist der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus guten Gründen nicht zu entnehmen, da dies dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung widerspräche. Dieser bedeutet, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln und gerade keine formalen Regeln gibt. Eben deswegen kann das vom Finanzamt geforderte Mindestmaß kein Umstand sein, der bei seinem Fehlen in jedem Fall - und somit ohne Bedachtnahme auf den konkreten Einzelfall - alle übrigen für das Vorliegen einer Berufsausbildung sprechenden Umstände bedeutungslos erscheinen ließe. Im Ergebnis der freien Würdigung aller Einzelfallumstände kann diesem Aspekt des quantitativen Umfanges der Ausbildung somit in Abwägung mit den übrigen Merkmalen einmal größere und einmal geringere Bedeutung zugemessen werden, etwa je nachdem in welchem Ausmaß sich dieser quantitative Umfang der Ausbildung vom Umfang von Lehrveranstaltungen und Kursen unterscheidet, die aus privatem Interesse besucht werden. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise das Vorliegen einer Berufsausbildung verneint, wenn nur Lehrveranstaltungen an einer Universität im Umfang von zwei Wochenstunden besucht werden, um die Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung zu erreichen (). In einem anderen Fall () hat dagegen die Tochter der Beschwerdeführerin als außerordentliche Schülerin keinerlei Unterrichtsstunden besucht, sondern ist nur zu den Prüfungen angetreten und hat diese erfolgreich abgelegt. Selbst in diesem Fall ist aber nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG nicht ausgeschlossen, wenn Art und Umfang der Lehrveranstaltungen (Unterrichtsgegenstände), in denen Prüfungen mit Erfolg abgelegt wurden und Art und Weise der Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen dergestalt sind, dass sie "die volle oder überwiegende Zeit" in Anspruch nahmen. Nicht einmal die Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden schließt es aus, dass neben dieser ein Studium betrieben wird und in diesem "die quantitativen Erfordernisse für eine Berufsausbildung" erreicht werden (, . In diesem Erkenntnis verweist das Bundesfinanzgericht darauf, dass auch trotz einer infolge Anrechnung geringerer Stundenanzahl im Einzelfall Berufsausbildung vorliegen kann).

In Anwendung der höchstgerichtlichen Judikatur ergibt sich für den hier vorliegenden Fall folgendes:

Obwohl der Sohn des Bf., wie dem Vorlagebericht zu entnehmen ist, im fraglichen Zeitraum Arbeiter, mehrfach beschäftigter Arbeiter und/oder Gewerbetreibender war, schließt dies daher eine Berufsausbildung nicht aus, wenn ein nach außen erkennbares ernstliches und zielstrebiges Bemühen um den Ausbildungserfolg vorliegt.

Dieses ernstliche und zielstrebige Bemühen manifestiert sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch im Ablegen von Prüfungen (vgl. mwN). Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein aber noch nicht, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Hinzu muss vielmehr das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg treten, das sich im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen bzw. Vorprüfungen zu manifestieren hat. Zwar ist nicht der Prüfungserfolg ausschlaggebend. Das anspruchsvermittelnde Kind muss aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen (z.B. mit Hinweis auf ).

Sowohl die Schule als auch der Sohn des Bf. gaben übereinstimmend an, dass ein Gegenstand dann "Nicht beurteilt" wurde, wenn keine Prüfung abgelegt wurde. Hingegen kam es diesbezüglich nicht auf die Anwesenheit in der Schule an, weil keine Anwesenheitspflicht bestand.

Da, wie bereits erwähnt, in jedem Semester Gegenstände angerechnet wurden in denen nicht zu Prüfungen angetreten werden musste und in der Schule keine Anwesenheitspflicht bestand, ist im gegenständlichen Fall vor allem das Bemühen um den Ausbildungserfolg von wesentlicher Bedeutung. Dabei kommt es, da Familienbeihilfe gem. § 10 FAG 1967 monatlich gewährt wird und die Anspruchsvoraussetzungen daher von Monat zu Monat unterschiedlich vorliegen können, nicht darauf an, dass der Sohn des Bf. letztlich die Reifeprüfung im Sommersemester 2023 ablegte.

Bereits im ersten Semester der Handelsakademie für Berufstätige (WS 2017/2018) wurde von sieben (auf Grund der Anrechnung) zu benotenden Gegenständen nur einer beurteilt, d.h. in sechs Gegenständen (darunter Mathematik) wurde nicht zu einer Prüfung angetreten. Von einem ernsthaften und zielstrebigen Bemühen kann daher keine Rede sein. Da somit keine Berufsausbildung vorliegt, besteht auch in dem vor Semesterbeginn liegenden Ferienmonat August kein Anspruch mehr auf Familienbeihilfe.

Im Sommersemester 2018 waren lt. Zeugnis 24 Wochenstunden (10 Gegenstände außer Religion) vorgesehen. Von den infolge Anrechnung fünf zu benotenden Gegenständen im Gesamtumfang von 14 Wochenstunden wurde einer nicht beurteilt und zwar, wie auch im Semester davor, Mathematik (4 Wochenstunden). Diesbezüglich geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass der Sohn des Bf. in diesem Semester keine Anstrengungen unternahm, diesen Gegenstand durch eine Prüfung abzuschließen. Dies wiegt umso schwerer, als anstatt 10 infolge Anrechnung nur 5 Gegenstände zu beurteilen waren und sich der Zeitaufwand, ohne diesen an einer konkreten Stundenanzahl festzumachen, nach den Erfahrungen des täglichen Lebens für die verbleibenden Gegenstände ebenfalls entsprechend reduzierte.

Im Wintersemester 2018/2019 verblieben von den insges. 13 Gegenständen 6 zur Beurteilung, von denen wiederum ein Gegenstand nicht beurteilt wurde und zwei Gegenstände negativ beurteilt wurden. Bei der Verringerung der Gegenstände, in denen eine Prüfung abzulegen ist infolge Anrechnung um nahezu die Hälfte, muss bei der Beurteilung des nach der Rechtsprechung geforderten Bemühens um einen Ausbildungserfolg ein strenger Maßstab angelegt werden. Wenn von insgesamt sechs zu benotenden Gegenständen in einem gar nicht zu einer Prüfung angetreten wird und zwei weitere negativ beurteilt werden, so kann nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht davon ausgegangen werden, dass das Erreichen des Ausbildungszieles in diesem Semester ernsthaft und zielstrebig verfolgt wurde.

Im Zeugnis des Sommersemesters 2019 sind zwei Gegenstände angeführt, die beide nicht beurteilt wurden. Der Sohn des Bf. ist daher in diesem Semester zu keiner Prüfung angetreten. Er führt dazu begründend aus, dass der Sohn eine schwere Operation hatte und darüberhinaus auch im Anschluss daran Therapien absolvieren musste.

Grundsätzlich sind beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien für den Beihilfenbezug für den Beihilfenbezug nicht schädlich. Im vorliegenden Fall kann jedoch nicht von einer krankheitsbedingten Unterbrechung ausgegangen werden, da ein Anspruch auf Familienbeihilfe bereits vor Beginn der Erkrankung nicht entstanden ist (siehe die Ausführungen zum Wintersemester 2018/2019). Im Übrigen ist den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen, dass der Unfall und die anschließende Operation im April stattfanden und die angesprochenen Therapien im Zeitraum Juni (an 5 Tagen ) bis August, also überwiegend in den Ferien. Aus diesen Umständen lässt sich nicht ableiten, dass es dem Sohn nicht möglich gewesen wäre zu zwei Prüfungen anzutreten.

Das Semesterzeugnis vom enthält überdies den Vermerk, dass "in den letzten beiden Semestern weniger als 10 Wochenstunden erfolgreich abgeschlossen worden seien und die Ausbildung daher gem. § 32 (1) Z.4 des SchUG-BKV nicht weitergeführt werden könne." Ein Ausbildungserfolg lag also auch nach Auffassung der Schule zum Ende dieses Semester jedenfalls nicht vor.

Im Schuljahr 2019/2020 wurden im Wintersemester lt. Zeugnis vom von 10 zu beurteilenden Gegenständen vier beurteilt und sechs nicht beurteilt. Schon allein die Tatsache, dass in mehr als der Hälfte der zu benotenden Gegenstände nicht zu einer Prüfung angetreten wurde lässt ein ernsthaftes und zielstrebiges Bemühen nicht erkennen.

Im Sommersemester 2020 wurden von neun zu benotenden Gegenständen fünf nicht beurteilt und einer negativ beurteilt.

Wie allgemein bekannt ist, war dieses Semester bei allen Schülern verschiedener Schultypen von der Coronapandemie und den damit verbundenen Einschränkungen bzw. Umstellungen auf "Homeschooling" geprägt.

Die Schule teilte mit, dass dennoch jederzeit zu Prüfungen angetreten hätte werden können.

Da der Bf. demgegenüber vorgebracht hatte, dass es während der "Coronakrise" zu einem Rückstau bei der Anmeldung zu Prüfungen gekommen sei, wurde ihm die oben erwähnte Stellungnahme der Schule dazu im Vorhalt vom folgendermaßen zur Kenntnis gebracht:

"Zu Ihrem Vorbringen, dass es während Corona zu Verschiebungen von Lehrveranstaltungen und Prüfungen gekommen sei wird Ihnen hiermit zur Kenntnis gebracht, dass die Schule auch mitteilte, dass während "Corona alle Prüfungen regulär stattgefunden haben und jeder Schüler jederzeit die Möglichkeit gehabt hat, in den Modulen abschließend beurteilt zu werden."

Der Bf. gab dazu zunächst keine weitere Stellungnahme ab. Auch bei der persönlichen Vorsprache beim Bundesfinanzgericht gab der Sohn lediglich an, es sei den Schülern freigestellt worden, zu Prüfungen anzutreten, nicht aber, dass es aus Gründen, die er nicht zu verantworten hatte, grundsätzlich nicht möglich gewesen sei.

Ab dem Wintersemester 2020/2021 konnten keine Zeugnisse mehr vorgelegt werden und teilte der Sohn anlässlich der persönlichen Vorsprache beim Bundesfinanzgericht mit, dass er zwar weiterhin in der Schule angemeldet gewesen sei, aber diese tatsächlich bis zum Wintersemester 2022/2023 nichtmehr besucht habe.

Da die bloße Anmeldung nicht ausreicht, um von Berufsausbildung sprechen zu können, liegt diese aus diesem Grund ab Juli 2020 und damit auch bis März 2021 (Ende des Rückforderungszeitraumes) nicht vor (vgl. dazu , wonach alleine die Anmeldung zu einem Studium oder die Fortsetzungsmeldung einer tatsächlichen Berufsausbildung nicht gleichstehen).

Da der Bf. weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht hat, dass im hier maßgeblichen Zeitraum das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg des Sohnes gegeben war erweist sich der Rückforderungsbescheid des Finanzamtes als nicht rechtswidrig.

Der Sohn des Beschwerdeführers hat im beschwerdegegenständlichen Zeitraum keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 absolviert. Da aber die Familienbeihilfe in diesem Zeitraum vom Beschwerdeführer bezogen wurde, musste diese so wie auch der Kinderabsetzbetrag, rückgefordert werden.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. , , ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs oder Verbrauchs der Familienbeihilfe sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (vgl die bei Lenneis/Wanke, FLAG2,2020, § 26, Rz 13 zitierte Rechtsprechung).

Ein allfälliger Antrag auf Ratenzahlung oder Nachsicht ist an das Finanzamt Österreich zu richten.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag im gegenständlichen Fall nicht vor. Bei der Frage, ob sich der Sohn des Bf. im Rückforderungszeitraum in Berufsausbildung befand, handelte es sich um eine Tatfrage, die der (außerordentlichen) Revision nicht zugänglich ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101083.2023

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