Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.02.2024, RV/7101797/2023

Keine Familienbeihilfe für ein Kind ohne rechtmäßigen Aufenthalt des Kindes in Österreich

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Patric Flament in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 02.2018-07.2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.), ein serbischer Staatsbürger, brachte beim Finanzamt am einen Antrag auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für das Kind ***Namen-Kind*** (in der Folge auch kurz als "Kind" bezeichnet), geb. am ***Geburtsdatum-Kind***, ab Geburt ein.

Mit Schreiben vom wurde der Bf. vom Finanzamt um Vorlage folgender Unterlagen für ***Vornamen-Kind*** bis spätestens ersucht:

Verzichtserklärung der haushaltsführenden Person, dass auf den Anspruch auf Familienbeihilfe verzichtet

Bescheid, dass der Aufenthalt von ***Vornamen-Kind*** seit 2/2018 in Österreich rechtmäßig war

Kindergartenbesuchsbestätigung

sowie Mutter-Kind-Pass, Impfpass ab Geburt (Kopie)

Der Bf. legte daraufhin eine Bestätigung über den Besuch des Kindes in der Bildungs- und Betreuungseinrichtung der Stadt ***Namen-Stadt***, ***Bezirk-Stadt***, ***Adresse-1***, vom bis vor. Nicht vorgelegt wurde insbesondere ein Bescheid über den rechtmäßigen Aufenthalt des Kindes in Österreich gemäß § 3 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz in Verbindung mit §§ 8 und 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) oder nach § 54 AsylG 2005.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag mit der Begründung ab, dass der Bf. die für einen Familienbeihilfenanspruch erforderlichen Unterlagen nur unzureichend beigebracht habe, weshalb dem Antrag nicht habe entsprochen werden können.

Der Bf. erhob gegen diesen Abweisungsbescheid am das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte vor, dass er für das Kind die alleinige gerichtliche Obsorge habe. Das Dokument liege ebenso bei, wie auch die Vaterschaftsanerkennung vom , der Meldezettel vom , die Einreichbestätigung bei der MA***XX*** vom , mit der die Einbringung eines Antrages auf Erteilung seines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" für das Kind bestätigt worden ist sowie der Mutter-Kind-Pass mit allen seit der Geburt durchgeführten Untersuchungen. Die Kindesmutter, seine damalige Freundin, habe früher wie eine Touristin in ***Namen-Stadt*** gelebt. Sie habe kein Visum gehabt. Sie habe nur ein paar Monate das Recht gehabt, in ***Namen-Stadt*** zu bleiben. Seine Freundin und er hätten damals vereinbart, dass sie nach ***Namen-Stadt*** komme und die Geburt in ***Namen-Stadt*** stattfinde und dass das Kind dann bei ihm bleibe, weil sie nicht so viel Geld gehabt habe, das Kind großzuziehen. Deswegen habe er die alleinige Obsorge.

Mit Schreiben (Vorhalt) vom wurde der Bf. um Vorlage einer Bestätigung des Magistrat ***XX*** über den rechtmäßigen Aufenthalt des Kindes in Österreich für den Zeitraum von Februar 2018 bis Juli 2021 sowie um Nachweise der erfolgten Mutter-Kind-Pass Untersuchungen in der Zeit von Juni 2019 bis August 2021 ersucht.

Mit Schreiben vom legte der Bf. eine "Ärztliche Bestätigung" vor, wonach das Kind "bis September 2021 regelmäßig in unserer Ordination vorstellig" geworden sei.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen von ***Vornamen-Kind*** nicht in Österreich liege, weshalb kein Anspruch auf Familienbeihilfe (§2 Abs. 8 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) bestehe.

Unter Mittelpunkt der Lebensinteressen sei zu verstehen, dass sich eine Person ständig in Österreich aufhalte und auch engere persönliche und wirtschaftliche Beziehungen in Österreich bestehen. Eine Wohnsitzmeldung oder die österreichische Staatsbürgerschaft alleine würden nicht ausreichen, um den Lebensmittelpunkt in Österreich anzunehmen.

Aufgrund einer fehlenden Bestätigung über den rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich von ***Vornamen-Kind*** könne für den betreffenden Zeitraum nicht von einem rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich ausgegangen werden. Es bestand daher kein Anspruch auf Familienbeihilfe (§ 3 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes).

Die eingebrachte ärztliche Bestätigung vom beinhalte keine genauen Angaben über den Zeitpunkt der durchgeführten Untersuchungen. Es werde darauf hingewiesen, dass die vom Bf. vorgelegten Unterlagen (Meldezettel, Aufenthaltsbestätigung, Obsorgebeschluss) nur ein Indiz und keine glaubhaften Nachweise darstellen.

Trotz Aufforderung seien keine Nachweise erbracht worden, welche sowohl einen durchgehenden als auch einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich begründen. Somit sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Am brachte der Bf. einen Vorlageantrag ein.

Am übermittelte der Bf. der belangten Behörde ein Schreiben des Rechtsanwaltes ***Namen-Rechtsanwalt*** vom mit folgendem Inhalt:

"Sehr geehrter Herr XY (Namen des Bf)!

2019 wurde der abweisende Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung. MA***XX*** zur Geschäftszahl ***ZZZZZZZ*** zugestellt.

Die gegen den Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde am zurückgezogen und danach ein Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gestellt, der Ihnen erteilt wurde.

Mit freundlichen Grüßen (…)"

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte darin die Abweisung des Rechtsmittels.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der minderjährige Sohn des Bf., ***Namen-Kind*** (sowohl der Bf. als auch das Kind sind serbische Staatsbürger), wurde am ***Geburtsdatum-Kind*** in ***Namen-Stadt*** geboren.

Das Kind hielt sich im beschwerdegegenständlichen Zeitraum jedenfalls wiederholt zu den Terminen der Mutter-Kind-Pass Untersuchungen in Österreich auf.

Mit Vergleich des Bezirksgerichts ***Bezeichnung BG*** zur ***Geschäftszahl*** vom wurde dem Vater die alleinige Obsorge zugesprochen.

Der Bf. brachte am einen Antrag auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für sein Kind ***Vornamen-Kind***, ab Geburt ein.

Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel vom bei der MA ***XX*** betreffend das Kind wurde am rechtskräftig abgewiesen. Ab wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Familienbeihilfenakt und ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Die Voraussetzungen für den Familienbeihilfebezug durch und für andere als österreichische Staatsbürger sind in § 3 FLAG 1967 geregelt.

Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Nach § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Fremde haben seit grundsätzlich nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 oder § 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten. Nach der geltenden Rechtslage kommt es nach Abs. 1 und Abs. 2 darauf an, ob für den Anspruchsberechtigten (Abs. 1, und das anspruchsvermittelnde Kind, Abs. 2) ein aufrechter Aufenthaltstitel nach § 8 (oder nach § 9) NAG besteht. Es besteht somit nach geltender Rechtslage kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn kein gültiger Aufenthaltstitel vorliegt, soweit nicht Abs. 3, 4, oder 5 zum Tragen kommen (vgl. , , Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Rz 145 ff).

Für den Sohn ***Vornamen-Kind*** wurde erstmalig ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, mit der Gültigkeit ab erteilt und auf Grund dessen die Familienbeihilfe ab August 2022 auch gewährt.

Für den Zeitraum Februar 2018 bis Juli 2022 hat das Finanzamt die Familienbeihilfe zu Recht nicht gewährt, da kein gültiger Aufenthaltstitel vorgelegen ist (vgl. zB , ).

Die bloße Antragstellung oder Antragsbestätigung ist noch kein Aufenthaltstitel iSd § 8 NAG, ein Aufenthaltstitel iSd § 8 NAG liegt erst ab Beginn dessen Gültigkeit vor. Erst ab diesem Zeitpunkt ist ein nach § 8 NAG rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich gegeben (; ; ; ; ).

Gemäß § 20 Abs. 2 NAG beginnt die Wirksamkeit des Aufenthaltstitels bei Erstausstellung mit dem Ausstellungsdatum. Eine rückwirkende Erteilung eines Aufenthaltstitels ist nicht vorgesehen.

Es mag sein, dass sich ***Vornamen-Kind*** im Beschwerdezeitraum auf Grundlage des § 31 FPG rechtmäßig im Inland aufgehalten hat. Darauf kommt es aber nicht an (vgl. ). Das Kind hat im Beschwerdezeitraum aber nicht, und das ist allein nach § 3 FLAG 1967 alleine ausschlaggebend, über einen Aufenthaltstitel nach § 8 NAG (§ 9 NAG betrifft EU-/EWR-/Schweizer Bürger; internationaler Schutz i.S. § 54 AsylG 2005 oder § 3 Abs. 3 und 4 FLAG 1967 wurde nicht gewährt) verfügt. Das Vorliegen eines aufrechten Aufenthaltstitels nach § 8 NAG ist konstitutiv für den Bezug der Familienbeihilfe (vgl. ).

Ein rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich aus anderen Gründen, ohne dass ein rechtmäßiger Aufenthalt nach §§ 8, 9 NAG oder nach § 54 Asylgesetz 2005 vorliegt, reicht nicht aus, um Anspruch auf Familienbeihilfe i.S. § 3 Abs. 1 und 2 FLAG 1967 zu begründen ().

Das Bundesfinanzgericht (BFG) ist - wie sämtlich staatliche Institutionen - an das Legalitätsprinzip, somit an die geltenden Gesetze, gebunden. Aus diesem Grund besteht für das BFG kein Raum von den eindeutigen Gesetzeswortlauten der §§ 3 FLAG und 8 NAG abzugehen. Demnach hatte der Bf. für seinen Sohn von Februar 2018 bis Juli 2022 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe, weswegen die Beschwerde abzuweisen war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt gegenständlich nicht vor, weil das Bundesfinanzgericht von der einschlägigen, in diesem Erkenntnis dargelegten höchstgerichtlichen Judikatur nicht abgewichen ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101797.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at