Erhöhte Familienbeihilfe ab dem erstmaligen diagnostischen Befund der Entwicklungsstörung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für ***Sohn*** für den Zeitraum Dezember 2016 bis Juli 2022,
Steuernummer ***BF1StNr1*** (SVNR ***BF1SVNR***), zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am stellte die Beschwerdeführerin (Bf.) über FinanzOnline mit Bezug auf ihren im Dezember 2016 geborenen Sohn folgenden Antrag:
Beantragung erhöhte Familienbeihilfe aufgrund Diagnose Autismus Spektrum Condition
Antrag ab ...12.2016 [Anm.: ab Geburt]
Nach Einholung einer Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) vom (siehe im Folgenden unter Erwägungen) wies das Finanzamt den Antrag mit Abweisungsbescheid vom ab wie folgt:
Ihr Antrag auf Familienbeihilfe vom wird abgewiesen für:
Name des Kindes VNR/Geb.dat. Zeitraum
(Nach- und Vornamen des Kindes) ...1216 Dez. 2016 - Juli 2022
Begründung:
Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung besteht, wenn:
• Der festgestellte Grad der Behinderung mindestens 50 Prozent beträgt
• Die Behinderung nicht nur vorübergehend ist, sondern mehr als 3 Jahre andauert
Diese Punkte treffen nicht zu (§ 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Laut ärztlicher Bescheinigung wurde aufgrund des Leidens Ihres Kindes ein Grad der Behinderung in Höhe von 50 v.H. ab festgestellt. Ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe ist daher für den obigen Zeitraum nicht gegeben.
Die Beschwerde vom erhob die Bf. über FinanzOnline wie folgt:
… hiermit lege Ich Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid ein. Die dafür erforderliche Begründung finden Sie am Anhang. …
Der Beschwerde angeschlossen war eine Klinisch-psychologische Bestätigung von Mag. A...Z..., Klinischer Psychologe (Klinische Neuropsychologie, Kinder-, Jugend- & Familienpsychologie), Gesundheitspsychologe, Wahlpsychologe vom
(siehe dazu die Wiedergabe im Sachverhaltsteil der nachfolgenden Erwägungen)
Das Finanzamt holte eine neuerliche Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) vom (siehe hiezu ebenso im Folgenden im Erwägungsteil) ein.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und verwies auf die Bescheinigung des Sozialministeriumservice, laut welcher beim Sohn der Bf. eine Behinderung im Ausmaß von 50 v.H. ab festgestellt werden konnte; aufgrund dieses Gutachtens bleibe der Abweisungsbescheid aufrecht.
Daraufhin brachte die Bf. am den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht ein.
Die Beschwerdevorlage seitens des Finanzamtes erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Familienbeihilfe vom , mit welchem die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe rückwirkend ab Dezember 2016 für das Kind … geb. …12.2016 beantragt wurde, abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass laut ärztlicher Bescheinigung ein Grad der Behinderung in Höhe von 50 v.H. ab festgestellt wurde. Daher ist ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe für den Zeitraum Dezember 2016 bis Juli 2022 nicht gegeben. Dagegen wurde am Beschwerde sowie eine klinisch-psychologische Bestätigung von Mag. A...Z... eingebracht.
Daraus geht hervor, dass bei (dem Sohn der Bf.) aufgrund der anamnestisch bekannten Autismus-Spektrum-Condition kontinuierliche Hilfestellung und Förderbedarf notwendig seien. Auch gestalte sich das Erlangen einer entsprechenden Diagnose oft als langwieriger Prozess, da sehr oft nur Teilaspekte erkannt würden. Die gemeinsame zugrundeliegende Ursache Autismus werde jedoch erst bei Vorstellung bei facheinschlägigen Experten diagnostiziert. Dementsprechend werde die rückwirkende Genehmigung der erhöhten Familienbeihilfe empfohlen. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, weil laut Bescheinigung des Sozialministeriumservice eine Behinderung im Ausmaß von 50 v.H. ab festgestellt wurde. Daraufhin wurde am der Vorlageantrag gemäß § 264 (1) BAO gestellt.
Beweismittel:
vorgelegte Aktenteile
Stellungnahme:
Gemäß § 8 Abs 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.
Nach § 8 Abs 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, idgF, und die VO des BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, idgF, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.
Nach § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Bei der Antwort auf die Frage, ob das Kind erheblich behindert war bzw. ist oder dauernd außerstande war bzw. ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesministeriumservice zugrunde liegenden Gutachten grundsätzlich gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. ; , und die bei Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung grundsätzlich von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen (vgl. ; ).
Im gegenständlichen Fall wurde laut Bescheinigung des Sozialministeriumservice vom bei(m Sohn der Bf.) eine Behinderung im Ausmaß vom 50 % ab festgestellt. Daher ist der Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe erst ab und nicht für den Zeitraum Dezember 2016 bis Juli 2022 gegeben.
Es wird daher beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Folgende von Ärzten im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) erstellte Sachverständigengutachten bzw. von einem klinischen Psychologen erstellte Bestätigung (Privatgutachten) wurden betreffend den im Dezember 2016 geborenen Sohn der Bf. vorgelegt:
Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010)
Aktengutachten erstellt am:
Name der Sachverständigen: Dr.in V...V...
Fachgebiet: Kinder- und Jugendheilkunde
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Es erfolgt die erstmalige aktenmäßige Beantragung der erhöhten Familienbeihilfe; bei dem aktuell 6-jährigen (Sohn der Bf. ) besteht eine Autismusspektrumstörung; folgende Befunde sind vorliegend:
2022-08-22 Hr. Mag. Z..., Klinischer Psychologe:
Klinisch-psychologischer Befund: Vorstellungsgrund: klin.-psychologische Untersuchung
unter besonderer Berücksichtigung der psychosozialen Entwicklung bei fraglicher
Autismus-Spektrum-Condition; Ergebnisse: nonverbales Entwicklungsniveau unterdurchschnittlich, verbales Entwicklungsniveau durchschnittlich; einerseits soziale Besonderheiten u. Schwierigkeiten, andererseits Begabungen u. Talente in speziellen Bereichen; heterogenes Entwicklungsprofil mit intraindividuellen Stärken in der räumlichen Vorstellung sowie dem bildhaften Gedächtnis, intraindividuelle Schwächen im Bereich der Psychomotorik u. Visuokonstruktion; Auffälligkeiten im Bereich der sozialen Responsibilität, z.B. ist tw. lieber alleine, Schwierigkeiten, zu erkennen, was andere denken u. fühlen,
verhält sich eigenartig, in der Interaktion mit Gleichaltrigen unbeholfen, Schwierigkeiten, Freundschaften zu schließen, wird gehänselt, lacht in ungewöhnlichen Situationen, berührt andere in ungewöhnlicher Weise; nimmt Dinge allzu wörtlich, hat Schwierigkeiten, eigene Gefühle zu vermitteln od. dem Fluss einer Unterhaltung zu folgen; zeigt wiederholte Verhaltensweisen, ist unflexibel, Schwierigkeiten, die Meinung zu ändern; vermeidender Blickkontakt, wiederholt Phrasen; Spiel mit Gleichaltrigen herabgesetzt, weniger Gruppenaktivitäten, ist körperlich ungeschickt, sensorische Empfindlichkeit, weiß nicht,
wenn er zu laut ist, starke Detailwahrnehmung;
Diagnose: Autismus-Spektrum-Condition (Asperger Syndrom F 84.5)
2022-08-22 w.o.
Klinisch-psychologische Bestätigung: kontinuierliche klinisch-psychologische Therapie
sowie Hilfestellung in folgenden Bereichen erforderlich:
autismusspezifische Beratung, Erlernen sozialer Kompetenzen, Förderung der
Aufmerksamkeit u. Exekutivfunktionen, Erlernen adaptiver Emotionsregulationsstrategien, Lernunterstützung, Aufmerksamkeitstraining, Ergotherapie;
Diagnose: F84.5 Autismus-Spektrum-Condition
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
lt. psychologischem Befund folgende Therapieempfehlungen: psychologische Therapie u. begleitende Elternberatung, Ergotherapie mit Focus sensorischer Integration (Spielstudio), erneute klinisch-psychologische Diagnostik in 1 Jahr (Intelligenzdiagnostik);
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
[blank (weil nur eine Behinderung)]
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
[blank]
Stellungnahme zu Vorgutachten:
[blank]
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
X ja □ nein
GdB liegt vor seit: 08/2022
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
ab Datum des erstvorliegenden diagnostischen Befundes mit 08/2022 möglich
□ Dauerzustand
X Nachuntersuchung: in 5 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Verlaufskontrolle mit aktuellen Befunden (z.B. psychologischer Befund, kinderpsychiatrischer Befund, Schulzeugnisse od. Schulbesuchsbestätigung)
Klinisch-psychologische Bestätigung von Mag. A...Z..., Klinischer Psychologe,
vom (Anm.: der Beschwerde angeschlossen):
Aufgrund der anamnestisch bekannten Autismus-Spektrum-Condition ist bei(m Sohn der Bf.) kontinuierliche Hilfestellung und Förderbedarf notwendig.
Anzumerken ist, dass das Autismus-Spektrum (siehe ICD-10/DSM-5) zu den sogenannten Tiefgreifenden Entwicklungsverzögerungen zählt. Charakteristisch hierbei ist, dass es sich nicht um einen im Laufe der Entwicklung erworbenen Zustand handelt, sondern sich deutliche Auffälligkeiten und damit verbundene Schwierigkeiten bereits von Geburt an manifestieren und zu unterschiedlichem Unterstützungsbedarf im Laufe der Lebensspanne kommt.
Auch gestaltet sich das Erlangen einer entsprechenden Diagnose erfahrungsgemäß oft als langwieriger Prozess, da sehr oft nur einzelne Teilaspekte (bspw. Sprachverzögerungen, Ängste, sensorische Sensibilität etc.) erkannt werden. Die gemeinsame zugrundeliegende Ursache Autismus wird jedoch erst bei Vorstellung bei facheinschlägigen Expertinnen diagnostiziert.
Dementsprechend wird die rückwirkende Genehmigung der erhöhten Familienbeihilfe empfohlen.
Diagnosen (ICD-10, DSM-5)
F84.5 Autismus-Spektrum-Condition
Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010)
Aktengutachten erstellt am:
Name des Sachverständigen: Dr. H...H...
Fachgebiet: Kinder- und Jugendheilkunde
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2023-02-08 SV-Gutachten, Dr. V...: Autismusspektrumstörung (Autismus-Spektrum-Condition), Asperger Syndrom, GdB 50vH ab Diagnosestellung (s. psycholog. Befund 08/2022)
2023-02-21 Beschwerde gegen Abweisungsbescheid, Fr. (Name der Bf.)
2023-02-20 Klin.-Psycholog. Bestätigung Mag. A...Z...,: ...anamnestisch bekannte Autismus-Spektrum-Condition...Schwierigkeiten bereits von Geburt an...die gemeinsame zugrundeliegende Ursache Autismus wird jedoch erst bei Vorstellung bei fachkundigen Expert:innen diagnostiziert...
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
lt. psycholog. Befund Mag. Z..., vom (zitiert aus Vorgutachten):
"psychologische Therapie u. begleitende Elternberatung, Ergotherapie mit Focus sensorischer Integration (Spielstudio)"
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
[blank (weil nur eine Behinderung)]
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
[blank]
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Keine Änderung hinsichtlich des Grades der Einschätzung der Behinderung; eine rückwirkende Genehmigung ist erst ab Diagnosestellung möglich, somit ebenso unverändert zum Vorgutachten.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:
X ja □ nein
GdB liegt vor seit: 08/2022
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
entsprech. vorlieg. Befund zur Diagnosestellung
□ Dauerzustand
X Nachuntersuchung: in 5 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Verlaufskontrolle
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den beiden vom Sozialministeriumservice übermittelten Sachverständigengutachten und der im Zuge der Beschwerdevorlage in den vorgelegten Aktenteilen enthaltenen Klinisch-psychologische Bestätigung vom
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Nach § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgenbiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder.
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe um näher angeführte Beträge monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist.
Nach § 8 Abs. 5 FLAG 1967 (in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung) gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
Die Anlage zur Einschätzungsverordnung enthält hinsichtlich der in den Sachverständigengutachten angeführten Funktionseinschränkung des Sohnes der Bf. folgende Einteilungen:
03 Psychische Störungen
…
03.02 Entwicklungseinschränkung bis zum vollendeten 18. Lebensjahr
Erfasst werden umschriebene Entwicklungseinschränkungen des Sprechens und der Sprache, des Kommunikationsvermögens, schulische Fertigkeiten, motorische Funktionen sowie kombinierte umschriebene Entwicklungseinschränkungen und typische Begleiterscheinungen wie emotionale Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätsstörung).
Entwicklungsstörung leichten Grades 10 - 40-%
10 - 20 %: Ohne wesentliche soziale Beeinträchtigung,
(Familie, Schule, Beziehung zu Gleichaltrigen und Erwachsenen außerhalb der Familie & Schule)
Kein zusätzlicher Unterstützungsbedarf beim Lernen
30 - 40 %: Leichte bis mäßige soziale Beeinträchtigung in ein bis zwei Bereichen, beispielsweise Schulausbildung und alltägliche Tätigkeiten, Freizeitaktivitäten in Teilbereichen Unterstützungsbedarf beim Lernen
Entwicklungsstörung mittleren Grades 50 - 80 %
Ernsthafte und durchgängige soziale Beeinträchtigung in 1 bis 2 Bereichen
Globaler Unterstützungsbedarf beim Lernen
Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung
50 -60%: alleinige kognitive Beeinträchtigung
70 -80%: Zusätzliche motorische Defizite
Entwicklungsstörung schweren Grades 90 - 100 %
Schwere und durchgängige soziale Beeinträchtigung, schwer eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit,
Tiefgreifende Entwicklungsstörung, desintegrative Störung
Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten.
Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa , , , , ).
Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa , , , , , , ).
Nichts anderes gilt für die Entscheidung über den gemäß § 10 Abs. 1 FLAG gesondert zu beantragenden Erhöhungsbetrag vgl. ).
Zufolge den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (vgl. , , , ).
Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Kompetenz für die Beurteilung des Grades der Behinderung und der Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ausdrücklich an eine dafür qualifizierte Institution übertragen. Daraus folgt, dass der Entscheidungsfindung durch die Behörde weder Bekundungen der Eltern über den Gesundheitszustand ihres Kindes noch anderer Personen, mögen sie auch über fachärztliche Kenntnisse verfügen, zu Grunde zu legen sind ().
Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden (vgl. , VwGH 2007/15/0019, , ) und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und - im Falle mehrerer Gutachten - nicht einander widersprechen (vgl. , , , Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, , vgl. auch die bei Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung).
Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ).
Der Verfassungsgerichtshof äußerte in seinem Erkenntnis vom , B 700/07, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einschränkung der Beweisführung des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Erwerb zu verschaffen. Von Gutachten könne nur nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" abgegangen werden, wenn diese nicht schlüssig seien (vgl. hierzu auch auch ; ; , ).
Zur Schlüssigkeit von Gutachten des Sozialministeriumservice besteht umfangreiche Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes (vgl. etwa , , ; ; ).
Formale Anforderungen an Gutachten des Sozialministeriumservice
Bescheinigungen des Sozialministeriumservice müssen gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhen.
Die Beweisregel des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 geht als Spezialnorm den allgemeinen Bestimmungen des § 166 BAO betreffend Beweismittel und des § 177 BAO betreffend den Sachverständigenbeweis vor.
Gemäß ständiger Rechtsprechung sowohl des Verwaltungs- als auch des Verfassungsgerichtshofes sind Amtssachverständige bei der Erstattung ihrer Gutachten ausschließlich der Wahrheit verpflichtet und hinsichtlich des Inhaltes an keine Weisungen gebunden (vgl. , ; uvam.).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bislang keine Bedenken gegen die Erstattung von Bescheinigungen gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen herangezogener Ärzte (VwGH 18.11.0122).
Weder das Behinderteneinstellungsgesetz (vgl. ) noch das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 enthalten eine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtungen bestünde. Es besteht demnach in Allgemeinen kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an.
Inhaltliche Anforderungen an das Gutachten des Sozialministeriumservice
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa , mwN) muss ein Sachverständigengutachten, das von einer Behörde - oder einem Verwaltungsgericht (vgl. , mwN) - der jeweiligen Entscheidung zu Grunde gelegt wird, einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten sowie ausreichend begründet sein (vgl. ).
Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten benötigt, das Gutachten im engeren Sinn (vgl. , mwN).
Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ).
Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes (§ 115 BAO) - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen (vgl. etwa oder , mwN).
Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen (vgl. etwa ).
Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. , mwN). Die Behörde hat sich dann mit dem Inhalt dieses Gegengutachtens auseinanderzusetzen (vgl. ).
Was ein ärztliches Zeugnis betreffend das Vorliegen einer Behinderung im Sinne des FLAG anlangt, so hat ein solches - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - Feststellungen über Art und Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten ().
Der Verwaltungsgerichtshof erwog in seinem Erkenntnis vom , 2013/16/0170, unter Hinweis auf VwGH Ra 2014/16/0010 vom :
Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG mit einem Grad von mindestens 50 v.H. kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht.
Das Bundesfinanzgericht erwog im Erkenntnis vom , RV/2100996/2017, im Zusammenhang mit einer seit Geburt bestehenden Autismus-Spektrum-Störung betreffend das im Beschwerdezeitraum zwischen 6 und 10 Jahre alte Kind:
Die steuerliche Vertretung der Bf. bemängelt, dass die Sachverständigen des Sozialministeriumservice in ihren Gutachten nicht einen Grad der Behinderung von zumindest 50% für fünf Jahre rückwirkend festgestellt haben, da bereits ein frühkindlicher Autismus bzw. eine Autismus-Spektrums-Störung im frühkindlichen Alter vorgelegen habe; die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe erst ab Mai 2017 sei nicht nachvollziehbar.
Der klinisch-psychologische Befund des Vereins "B" vom wurde in den Sachverständigen-Gutachten des Sozialministeriumsservice vom und berücksichtigt. Die in der Beschwerde zusätzlich angeführten Erkrankungen bzw. Operationen verursachen lt. Sachverständigen-Gutachten vom keine Beschwerden.
Im Sachverständigen-Gutachten vom wurde der Gesamtgrad der Behinderung auf 40% reduziert, da der Sohn der Bf. drei Jahre vom IZB-Team betreut worden ist und dadurch Entwicklungsrückstände in vielen Bereichen aufgeholt worden sind und auf Grund des vom Sachverständigen erhobenen Untersuchungsbefundes.
Zum Vorbringen in der Beschwerde, dass bereits seit Geburt bzw. Frühkindalter ein Grad der Behinderung von zumindest 50% vorgelegen sei, führt der Sachverständige des Sozialministeriumservice im Gutachten vom aus:
"Festzuhalten ist hierzu, dass sich die Einschätzung des Behinderungsgrades nach FLAG auf tatsächliche Funktionseinschränkungen bzw. Auswirkungen von Erkrankungen im Alltag bezieht; selbstverständlich im Vergleich mit dem üblichen altersgemäßen Entwicklungsverlauf. Eine Behinderung ergibt sich daher aus den Einschränkungen einer Erkrankung im Vergleich zum gleichaltrigen Normkollektiv und nicht aus der Anlage für eine Erkrankung per se. Gerade bei Entwicklungsstörungen wird anfangs eine leichte Abweichung beobachtet, die sich im Verlauf der weiteren Entwicklung dann immer weiter verstärkt bis sich ein "erheblicher" Rückstand bzw. eine "erhebliche" Abweichung vom natürlichen Verlauf manifestiert. Aus diesem Grund erfolgte dann auch 04/2017 eine intensivere Abklärung, nachdem zuvor durch ein IHB-Team 2012 eher nur mäßige Einschränkungen beschrieben werden. Daher ist auch bei einer Veranlagung zu einer Autismus-Spektrum-Störung unmittelbar nach der Geburt und auch eine Zeit danach noch gegenüber dem nicht betroffenen Säugling und Kleinkind nicht automatisch eine Schwerbehinderung gegeben, sondern entwickelt sich erst mit der Zeit, manchmal auch in verschiedenen Phasenabläufen."
Im Erkenntnis vom , RV/2100020/2019, erwog das Bundesfinanzgericht:
Der Bf. bemängelt, dass die Sachverständigen des Sozialministeriumservice in ihren Gutachten nicht einen Grad der Behinderung von zumindest 50% für fünf Jahre rückwirkend festgestellt haben, da eine Autismus-Spektrum-Störung eine angeborene Erkrankung sei und immer von Geburt an bestehe; ein Grad der Behinderung von 50% erst ab November 2017 sei nicht nachvollziehbar.
Die mit dem Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe vorgelegten Befunde und sonstige Nachweise wurden entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in allen Sachverständigengutachten des Sozialministeriumsservice berücksichtigt (siehe "Zusammenfassung relevanter Befunde"). Ein Verweis auf ein Vorgutachten beinhaltet selbstverständlich den gesamten Inhalt samt zu Grunde gelegter Befunde.
Der mit dem Vorlageantrag zusätzlich übermittelte Arztbrief des Dr. ***9*** vom und der nachträglich vorgelegte Befund der Dr. ***1*** vom widersprechen den Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice nicht, da - wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat - eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einem Grad von mindestens 50 v.H. durchaus die Folge einer Krankheit sein kann, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht.
Im Erkenntnis vom , RV/5100671/2023, erwog das Bundesfinanzgericht:
Hinzuweisen ist auch darauf, dass der Behinderungsgrad selbst bei gleichbleibendem Krankheitsbild auch vom Alter des Kindes abhängt. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes etwa stellt sich je nach Alter des Kindes unterschiedlich dar, da die Fertigkeiten, die ein Kind im Kindergartenalter beherrschen sollte, sich wesentlich von jenen, die beispielsweise von einem Schulkind erwartet werden, unterscheiden. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes ist daher immer im Vergleich zum Entwicklungsstand gleichaltriger gesunder Kinder zu sehen. So kann schon im Kindergartenalter ein gewisser Entwicklungsrückstand vorliegen, der sich aber bis zum Schulalter weiter vergrößern und einen höheren Behinderungsgrad herbeiführen kann (vgl. ; Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG2 § 8 Rz 11 unter Hinweis auf ).
Im Erkenntnis vom , RV/7101144/2023, erwog das Bundesfinanzgericht:
Die Feststellung, ob auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit vorliegt, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, hat nach den Bestimmungen des zitierten § 8 Abs. 6 FLAG auf dem Wege der Würdigung ärztlicher Sachverständigengutachten zu erfolgen (ohne dass bloßen Bekundungen des anspruchswerbenden Elternteiles oder der untersuchten Person dabei entscheidende Bedeutsamkeit zukäme; vgl. ).
In der Entscheidung vom , RV/2465-W/08, erwog der Unabhängige Finanzsenat:
Soweit die Bw. im Vorlageantrag ausführt, durch die …krankheit sei ein erhöhter Pflegeaufwand verbunden, die höhere Lebenshaltungskosten nach sich ziehen würden, ist darauf hinzuweisen, dass diesem Umstand auch Rechnung getragen wurde. Das BSB hat den Grad der Behinderung mit 30 % festgestellt.
Zum gegenständlichen Fall:
Betreffend den Sohn der Bf. wurden zwei SMS-Sachverständigengutachten erstellt, das erste am , das zweite 20. Juni.
Das Fachgebiet beider sachverständigen Begutachtenden ist das der Kinder- und Jugendheilkunde.
Beiden Begutachtungen liegt als der zentrale relevante Befund jener vom klinischen Psychologen Mag. A...Z... vom zugrunde; dem zweiten Gutachten (neben dem Vorgutachten) zusätzlich die klinisch-psychologische Bestätigung von Mag. Z... vom .
In der klinisch-psychologische Bestätigung vom merkt der Mag. Z... an, dass die beim Sohn der Bf. diagnostizierte Entwicklungsverzögerung des Autismus-Spektrum nicht ein im Laufe der Entwicklung erworbenen Zustand ist, sondern diese Entwicklungsstörung von Geburt an besteht ("deutliche Auffälligkeiten und damit verbundene Schwierigkeiten bereits von Geburt an"). Mag. Z... führt noch an, dass es im Laufe der Lebensspanne zu unterschiedlichem Unterstützungsbedarf kommt.
Gemäß den obigen Rechtsausführungen ist aber nicht entscheidungswesentlich, dass betreffend einen bestimmten Zeitraum (den Beschwerdezeitraum - ab dem Monat der Geburt des Sohnes der Bf.) eine Erkrankung (körperliche, geistige oder sinnesbedingte Funktionseinschränkung), wie im vorliegenden Fall seit Geburt, besteht, sondern ab welchem Zeitpunkt durch ärztliches Sachverständigengutachten ein Grad der Behinderung im Ausmaß von 50 v.H. festgestellt werden kann.
Auf Grund des erstvorliegenden klinisch-psychologischen Befundes von August 2022 mit der Diagnose Asperger Syndrom (ICD-10 F84.5) nahmen beide ärztliche Sachverständige des Sozialministeriumservice im Jahr 2023 übereinstimmend die rückwirkende Festlegung des Grades der Behinderung iHv 50 v.H. mit eben August 2022 vor.
Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen und der obigen Rechtsausführungen erweist sich kein unzutreffendes Vorgehen der beiden im Auftrag des Sozialministeriumservice agierenden Gutachter.
Ein Kind im Säuglings- und Kleinkindalter bedarf naturgemäß besonderer Pflege.
Auch in der auf diese Entwicklungsphase folgenden frühen Kindheit (umfasst das dritte bis sechste Lebensjahr eines Kindes) - in dieser Entwicklungsphase wird das Kind üblicherweise erstmals mit mehreren Gleichaltrigen konfrontiert (Kindergarten/Vorschule) und kann sich so weiter entwickeln - benötigt jedes Kleinkind eine besondere Beaufsichtigung und Pflege.
Im August 2022, in welchem Monat die erste Vorstellung beim klinischen Psychologen vorgenommen wurde, war der Sohn der Bf. 5 Jahre und 8 Monate alt (Vorschulalter). Vorstellungsgrund laut klinisch-psychologischem Befund vom :
klinisch-psychologische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der psychosozialen Entwicklung bei fraglicher Autismus-Spektrum-Condition.
Die Diagnose der damaligen Untersuchung lautete:
Autismus-Spektrum-Condition (Asperger Syndrom F84.5)
Das erste Sachverständigengutachten wurde knapp ein halbes Jahr, das zweite Sachverständigengutachten rd. 10 Monate nach der Diagnoseerstellung durch Mag. Z... erstellt. Die rückwirkende Anerkennung des Grades der Behinderung mit 50 v.H. wurde auf den im August 2022 erstellten klinisch-psychologischen Befund gestützt; dieser ist der erstvorliegende Befund.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Angaben des Mag. Z... vom kein Tatsachensubstrat beinhalten, die eine Ausdehnung des Rückwirkungszeitraumes über den August 2022 hinaus rechtfertigen.
Seiner Empfehlung, die erhöhte Familienbeihilfe rückwirkend zu genehmigen, wurde mit der rückwirkenden Anerkennung August 2022 entsprochen. Mangels Vorhandensein weiterer in die Zeit vor August 2022 fallender Nachweise konnte eine noch weiter zurückliegende Rückwirkung nicht ausgesprochen werden.
Die rückwirkende Feststellung des Grades der Behinderung wird übereinstimmend in beiden Gutachten wie folgt begründet:
ab Datum des erstvorliegenden diagnostischen Befundes mit 08/2022
bzw.
Genehmigung ist erst ab Diagnosestellung möglich, somit ebenso unverändert zum Vorgutachten.
Auch die Anmerkungen hinsichtlich Nachuntersuchungen in 5 Jahren erfolgen übereinstimmend:
Verlaufskontrolle mit aktuellen Befunden (z.B. psychologischer Befund, kinderpsychiatrischer Befund, Schulzeugnisse od. Schulbesuchsbestätigungen)
bzw.
Verlaufskontrolle
Diese Beurteilung geht insofern konform mit dem ursprünglichen klinisch-psychologischen Befund von August 2022, als hierin bspw. auf "einerseits soziale Besonderheiten und Schwierigkeiten, andererseits Begabungen u. Talente in speziellen Bereichen; heterogenes Entwicklungsprofil mit intraindividuellen Stärken in der räumlichen Vorstellung sowie dem bildhaften Gedächtnis" hingewiesen wird.
Im Übrigen wird bemerkt:
Krankheitsbedingte Mehrkosten zählen nicht zu den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Bewilligung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe.
Solche Mehrkosten, die von der Bf. selbst für ihren Sohn im Beschwerdezeitraum abgedeckt wurden, führt die Bf. nicht an.
Ab dem erstmaligen diagnostischen Befund der Entwicklungsstörung des Sohnes der Bf. bei einem Wahlpsychologen, also ab August 2022, wurde der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe gewährt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Erkenntnis werden keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, da dieses in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt. Soweit darin Sachverhaltsfeststelllungen getroffen wurden, liegen keine Rechtsfragen, sondern Sachverhaltsfragen vor, die grundsätzlich keiner Revision zugänglich sind.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102508.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at