Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.02.2024, RV/2100033/2020

Progressionsvorbehalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamt X vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Aufgrund der elektronischen Abgabenerklärung für die Arbeitnehmerveranlagung 2018 vom erstellte das Finanzamt X ein Ersuchen um Ergänzung datiert mit , womit der Beschwerdeführer (Bf) gebeten wurde, die ausländischen Einkünfte von - bekannt zu geben.

Dabei wurden vom Bf folgende Unterlagen datiert mit dem Finanzamt übermittelt: Der Arbeitsvertrag (employment contract), der Steuerauszug aus China (in chinesischer Schrift), die Aufenthaltsgenehmigung in China (residence permit until may 2020) und die Meldung (Registrierung) in Shanghai (registration form of tempory residence).

Daraufhin hat das Finanzamt ein weiteres Ersuchen um Ergänzung datiert mit , dem Bf zugestellt. Dabei wurde um einen Nachweis der Einkünfte in China für das Jahr 2018 mittels Lohnsteuerbescheinigungen und Kontoauszügen erbeten.

Folgende erbetene Unterlagen wurden am dem Finanzamt übermittelt:

  1. Steuerauszug in originaler Landessprache und englischer Übersetzung der chinesischen Finanzbehörde

  2. Monatliche Lohnzettel der chinesischen ***I*** Zeitraum September 2018 - Dezember 2018.

  3. Berechnung der ausländischen Einkünfte aus der chinesischen Landeswährung (CNY) in EUR.

Auf Grund der vorgelegten Unterlagen erließ das Finanzamt am den Einkommensteuerbescheid 2018, welcher in Finanz-Online zugestellt wurde mit folgenden Inhalt:

" Die Arbeitnehmerveranlagung ergibt für das Jahr 2018 eine Nachforderung in Höhe von EUR 484,-."

Die Einkommensteuer wurde unter Berücksichtigung der ausländischen Einkünfte wie folgt ermittelt:
Einkommen Inland (***I***AG abzüglich Pauschbetrag Werbungskosten) und Berücksichtigung von Sonderausgaben in Summe EUR 25.543,93.

Ausländische Einkünfte (***I***, (China)) iHv EUR 25.761,96.

Diese ausländischen Einkünfte wurden unter Anwendung des Progressionsvorbehalts von der Besteuerung in Österreich befreit. Zur Berechnung des Progressionsvorbehalts wurden die Auslands- und Inlandseinkünfte zusammengerechnet (EUR 25.543,93 plus EUR 25.761,96 ergibt Summe: EUR 51.305,89). In weiterer Folge wurde daraus der Durchschnittsteuersatz berechnet, indem die errechnete Einkommensteuer (EUR 14.828,47) durch das Gesamteinkommen (EUR 51.305,89) dividiert wurde, welcher somit 28,90% ergab.

Diesem Durchschnittsteuersatz wurde nur das inländische Einkommen iHv EUR 25.543,93 zu Grunde gelegt, die ausländischen Einkünfte blieben von der Steuer befreit.

Die Berücksichtigung von Verkehrsabsetzbetrag und der bereits entrichteten Lohnsteuer hat eine Abgabennachforderung iHV EUR 484,- ergeben.

Am erhob der Bf fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 und den Vorauszahlungsbescheid 2020.

Weiters wurde die Aussetzung der Einhebung gem §212a BAO begehrt.

Es wurde begehrt, dass das Einkommen in China vom bis für die Berechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2018 nicht heranzuziehen sei (Anmerkung: Es wird davon ausgegangen, dass statt "" der "" gemeint war, weil eindeutig das Kalenderjahr 2018 angeführt wurde und dieser Satz sonst keinen Sinn ergäbe. Auch die übermittelten Lohnauszüge aus China sprechen für einen Zeitraum bis ).

Als Begründung wird angeführt, er habe mit Ablauf des bei der österreichischen ***I***AG gekündigt und ist nun ab bei ***I*** in China beschäftigt. Für die ausländische Beschäftigung bezahle er Lohnsteuer in China. Er habe seit seinen Lebensmittelpunkt in Shanghai und keine Einkünfte mehr in Österreich. Den Hauptwohnsitz in der ***Bf1-Adr*** nütze er nur, wenn er geschäftlich nach Österreich reise. Der Arbeitsvertrag in China laufe bis .

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde seitens des Finanzamtes als unbegründet abgewiesen mit folgender Begründung:

"Gemäß Artikel 4 Abs 2 lita DBA Österreich - China gilt eine Person als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

Da Ihre (Ehe-)Partnerin sowie auch Ihr Kind in Österreich den Hauptwohnsitz haben und somit Ihre engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen in Österreich sind, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Am wurde der Vorlageantrag zum Einkommensteuerbescheid 2018 beim Finanzamt X eingebracht.

Sinngemäß wurde der Inhalt der Beschwerde vom wiederholt, ergänzend wurde angeführt, dass der Lebensmittelpunkt sich nach China verlagert habe, da er den Lebensunterhalt für sich und seine Familie erwirtschafte und zukünftig erwirtschaften werde. Beschwerde gegen den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2020 wurde keine mehr erhoben, die Aussetzung der Einhebung wurde nochmals begehrt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. war bei der inländischen ***I*** AG bis beschäftigt und wechselte beruflich bedingt im ***I*** Konzern zum chinesischen Unternehmen ***I*** (Beweismittel sein Arbeitsvertrag mit ***I*** vom , für Zeitraum - (page 2), Verlängerung möglich). Er war dort als General Manager (page 3, Art 2, 1. Absatz des Arbeitsvertrages) angestellt.

Laut Zentralmelderegisterauskunft vom sind seit der Bf, seine Gattin und sein Kind in ***Bf1-Adr*** Hauptwohnsitz gemeldet.

Außerdem verfügt der Bf über den halben Anteil an der hauptwohnsitzgemeldeten Liegenschaft in ***2***dorf (laut Grundbuch seit ).

Der Bf hat mit einen Wohnsitz in Shanghai gegründet (Beweismittel: Beschwerde vom ).

Die chinesischen Einkünfte werden in China der Lohnsteuer unterworfen (Beweismittel: übermittelter Steuerauszug vom an das Finanzamt X).

2. Beweiswürdigung

Der ermittelte Sachverhalt wird aufgrund der vom Bf dem Finanzamt X vorgelegten Unterlagen als gegeben angenommen und ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Rechtsgrundlagen:

Nach § 1 Abs 1 und 2 EStG sind in Österreich natürliche Personen unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

§ 26 Abs 1 BAO: Einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschrift hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Art 4 des Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom , BGBl 1992/679, AÖF 1992/343 (DBA Ö-China) gibt Auskunft über die Ansässigkeit einer Person. Der Art 4 Abs 2 lit a des cit. DBAs regelt, dass wenn eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig ist (zB Hauptsitz in beiden Staaten), sie dann als in dem Vertragsstaat als ansässig gilt, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

Nach Art. 15 Abs 1 des cit. DBAs dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen (abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen), die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbstständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Vertragsstaat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Vertragsstaat besteuert werden.

Art 24 Abs 2 DBA Ö-China (Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung) In Österreich wird die Doppelbesteuerung wie folgt vermieden:

a) Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in China besteuert werden, so nimmt Österreich vorbehaltlich lit b (hier nicht relevant) diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus. Österreich darf jedoch bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen dieser Person Einkünfte oder Vermögen, die von der Besteuerung ausgenommen sind, einbeziehen.

Rechtliche Erwägungen:

Gem § 1 Abs. 1 und 2 EStG 1988 steht Österreich ein Besteuerungsrecht auf das gesamte Welteinkommen des Beschwerdeführers zu, da dieser zumindest seit über eine Wohnung und damit einen Wohnsitz in Österreich (in ***Bf1-Adr***) verfügt hat (Hauptwohnsitz und Hälfte-Eigentum an der Wohnung). Er hat somit die Möglichkeit die Wohnung beizubehalten und zu benutzen, wenn er das will (§26 BAO).

Zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung kommt das zwischen beiden Vertragsstaaten abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen (DBA Ö-China) zur Anwendung.

Gem des Art 15 Abs 1 des cit. DBA wurde das Gehalt aus dem chinesischen Arbeitsverhältnis in China versteuert, da China für Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit das Besteuerungsrecht zusteht (Tätigkeitsort). Somit kommt in Österreich die Befreiungsmethode zur Anwendung, bei welcher die ausländischen Einkünfte aus China aus der Bemessungsgrundlage der Ermittlung der Einkünfte ausgeschieden werden.

Strittig ist, ob Österreich das Recht hat, einen Progressionsvorbehalt vorzunehmen, d.h. die verbleibenden inländischen Einkünfte werden in Höhe jenes Durchschnittssteuersatzes versteuert, der sich aus dem gesamten Welteinkommen ergibt.

Artikel 24 Abs 2 lit a cit. DBA bestimmt für Personen, die in Österreich ansässig sind, dass deren Einkünfte oder Vermögen, die nach dem DBA von der Besteuerung in Österreich auszunehmen sind, in Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden dürfen (Progressionsvorbehalt).

Mit Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall festgehalten, dass der Methodenartikel die Anwendung des Progressionsvorbehaltes durch den Quellenstaat nicht ausschließt. Für den Fall, dass für den Quellenstaat ein Progressionsvorbehalt weder eingeräumt noch verboten wurde, entfaltet das DBA Ö-China hinsichtlich des Progressionsvorbehaltes keine Schrankenwirkung.

Da das innerstaatliche österreichische Recht bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person für die Ermittlung der Höhe des Steuersatzes auch die ausländischen Einkünfte heranzieht und das DBA Ö-China die Heranziehung der chinesischen Einkünfte bei Ermittlung des Steuersatzes nicht verbietet, ist es in diesen Fall irrelevant wo sich der Mittelpunkt des Lebensinteresses befindet, weil die Ansässigkeit gem Art 4 DBA somit kein notwendiges Anwendungskriterium für den innerstaatlichen Progressionsvorbehalt ist. Somit bemisst sich der Steuersatz für die inländischen Einkünfte in Höhe des Durchschnittssteuersatzes, der sich aus dem gesamten Welteinkommen (chinesische Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als General Manager) ergibt. Das sind die vom Finanzamt X ermittelten 28,90%.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich vielmehr aus den eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen sowie der zitierten Judikatur.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 1 und 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100033.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at