Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.01.2024, RV/3100119/2023

Häusliches Arbeitszimmer

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100119/2023-RS1
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss neben dem Vorliegen des Mittelpunktes der gesamten beruflichen Tätigkeit überdies die berufliche Nutzung eines Arbeitszimmers nach der Art des Abgabepflichtigen erforderlich, dh notwendig sein und der Raum muss ferner tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt und eingerichtet sein (; ).
RV/3100119/2023-RS2
Kommt der Abgabepflichtige seiner nach § 138 Abs 1 BAO bestehenden Verpflichtung zur Klärung des Sachverhaltes nicht nach, ist es im Allgemeinen nicht Aufgabe des Gerichts, noch zusätzliche Erhebungen zu pflegen. Das Gericht wird vielmehr auf Grund des vorliegenden Beweismaterials in freier Beweiswürdigung seine Entscheidung zu fällen haben ().

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Gegenständliches Erkenntnis beschäftigt sich mit der Rechtsfrage, ob die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Aufwendungen für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer vorliegen.

I. Verfahrensgang

Das rechtskräftig abgeschlossen Einkommensteuerverfahren des Jahres 2021 der Beschwerdeführerin (in Folge kurz: Bf) wurde mit Bescheid vom von der Abgabenbehörde wiederaufgenommen und ein neuer Sachbescheid betreffend Einkommensteuer 2021 erlassen.

Im Rahmen der Beschwerde vom gegen den neu erlassenen Einkommensteuerbescheid 2021 beantragte die Bf nunmehr Aufwendungen für ein Arbeitszimmer iHv € 2.070,- zu berücksichtigen.

In weiterer Folge ersuchte die Abgabenbehörde mit Vorhalt vom die Bf um Vorlage entsprechender Unterlagen und detailliert zu erläutern, aus welchen konkreten Beträgen sich die Aufwendungen für ein Arbeitszimmer zusammensetzen.

Mit Eingabe vom legte die Bf der Abgabebehörde einen Dienstvertrag sowie eine Bestätigung des Arbeitgebers vom vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden Aufwendungen für ein Arbeitszimmer weiterhin nicht berücksichtigt. Zur Begründung wurde angeführt, dass das Arbeitszimmer nicht als Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit der Bf angesehen werden könne und trotz vorheriger Aufforderung keine entsprechenden Nachweise vorgelegt worden seien.

Schließlich brachte die Bf am einen Vorlageantrag ein, der inhaltlich mit der Beschwerde vom identisch war. Dabei betonte sie, dass es im Jahr 2021 keinen einzigen Arbeitstag im Büro gegeben habe. Weiters warf sie die Frage auf, wie es möglich sei, dass Arbeitskollegen mit derselben beruflichen Tätigkeit wie sie Aufwendungen für ein Arbeitszimmer geltend machen könnten.

Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht ersuchte die Bf mit Vorhalt vom darzulegen, wie sich die Höhe der Kosten für das Arbeitszimmer konkret zusammensetzt und Nachweise für diese Ausgaben, ferner Fotos vom Arbeitszimmer sowie einen Grundriss und den Mietvertrag der betreffenden Wohnung vorzulegen.

In einer Stellungnahme vom brachte die Bf vor, dass es sich bei ihrer Wohnung um ein Mietkaufobjekt handle, welches im Jahr 2021 noch gemietet worden sei. Die Aufwendungen für das Arbeitszimmer habe sie wie folgt berechnet: "Die Marktwerte wurden verglichen und ein Durchschnitt als Stichprobe angesetzt. Dieser wurde vom Grundanteil abgezogen und vom verbleibenden Teil als Absetzung f. Abnutzung errechnet." Ferner seien "Fotos möglich", allerdings sei die Bf nunmehr wieder vermehrt im Büro des Arbeitgebers tätig und deshalb sei das Arbeitszimmer wieder rückgebaut worden. Fotos könne die Bf daher nur von der rückgebauten Version anfertigen.

Der Stellungnahme fehlten sowohl konkrete Nachweise über die beantragten Aufwendungen als auch jegliche Anlagen wie Fotos, Mietvertrag oder Grundriss der Wohnung.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf ist seit an der Adresse ***Ort, Straße*** polizeilich mit Hauptwohnsitz gemeldet. Die Bf ist seit verheiratet. Der Ehemann der Bf ist seit an der genannten Adresse mit Nebenwohnsitz gemeldet (ZMR Auszug). Beim Wohnobjekt handelt es sich um eine Mietwohnung mit Kaufoption, welche nach dem streitgegenständlichen Verfahrenszeitraum von der Bf erworben wurde.

Die Wohnanlage wurde von ***einer gemeinnützigen Baugesellschaft*** in Zusammenarbeit mit der Gemeinde ***A*** errichtet. Die im Jahr 2014 an die Mieter übergebene Anlage besteht aus 24 Wohnungen (***1***).

Das steuerpflichtige Einkommen der Bf betrug im Jahr 2014 € 24.436,-.

Die Bf ist seit 2013 bei der ***2*** in ***Ort2*** beschäftigt (Lohnzettel); im Veranlagungsjahr 2021 war sie im Bereich HR tätig. Ihre berufliche Tätigkeit wurde im Jahr 2021 optional und pandemiebedingt vom Wohnsitz der Bf ausgeübt. Am Firmensitz in ***Ort2*** stand der Bf im Jahr 2021 ein Büro zur Verfügung.

Der gewöhnliche Dienstort der Bf ist der Firmensitz der ***2*** in ***Ort2*** (Dienstvertrag).

Die Größe der Wohnung entspricht den Dimensionen eines durchschnittlichen Ein-Personen-Haushalts. Jener im Wohnungsverband gelegene Raum, welchen die Bf im Jahr 2021 u. a. auch als Arbeitszimmer verwendete, wurde von der Bf nicht ausschließlich beruflich genutzt. Ein eigens eingerichtetes Büro war in der Wohnung nicht vorhanden.

2. Beweiswürdigung

Zunächst ist auf die bei den einzelnen Feststellungen in Klammern angeführten Beweismittel zu verweisen, die - sofern im Folgenden keine näheren beweiswürdigenden Erwägungen dargelegt werden - im jeweiligen Zusammenhang schlüssig und widerspruchsfrei waren und daher den Feststellungen zu Grunde gelegt werden konnten.

Die Feststellung, wonach die berufliche Tätigkeit im Jahr 2021 optional und pandemiebedingt vom Wohnort der Bf ausgeübt wurde, war aufgrund der vorgelegte Arbeitsbestätigung des Arbeitgebers der Bf zu treffen. An der Richtigkeit dieser Ausführungen hat das erkennende Gericht keinen Zweifel.
Ferner ergibt sich aus dieser Feststellung, dass der Bf am Firmensitz in ***Ort2*** ein Büro zur Verfügung stand. Da es in der Entscheidung der Bf lag, ob sie von zu Hause aus arbeitet oder nicht, kann davon ausgegangen werden, dass ihr dementsprechend auch ein Büro am Firmensitz zur Verfügung gestanden haben muss. Auch aufgrund des Umstandes, dass der gewöhnliche Dienstort der Bf am Firmensitz in ***Ort2*** ist, muss ihr zwangsläufig auch ein Büro ebendort zur Verfügung stehen.

Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen war aus nachfolgenden Überlegungen zu treffen:

Zunächst ist festzuhalten, dass die Bf die gegenständliche Wohnung zu einem Zeitpunkt mietete, als sie noch alleinstehend war. Der Errichter der Wohnanlage ist eine gemeinnützige Wohngesellschaft. Zwangsläufig erfolgt daher die Vergabe von Wohnungen nach den Tiroler Wohnungsvergabe Richtlinien. Folglich sollte die Haushaltsgröße (die Anzahl der Personen, die im zukünftigen Haushalt leben werden) in einem angemessenen Verhältnis zur Wohnnutzfläche und zur Anzahl der Räume in der neuen (geförderten) Wohnung stehen. Es war daher mit der für das Treffen einer Positivfeststellung erforderlichen Gewissheit davon auszugehen, dass die Wohnungsgröße den Vorgaben der Tiroler Wohnungsvergabe Richtlinie für einen Ein-Personen-Haushalt entspricht. Auch die Tatsache, dass die Bf im Jahr der Wohnungsübergabe "nur" über ein Einkommen iHv ca. € 24.000.- verfügte, stützt diese Feststellung. Es lässt sich nicht annehmen, dass die Bf bei einem geringeren Einkommen eine teurere und größere Wohnung angemietet hat.

Die Feststellung, dass jener im Wohnungsverband gelegene Raum, welchen die Bf im Jahr 2021 u. a. auch als Arbeitszimmer verwendete, von der Bf nicht ausschließlich beruflich genutzt wurde, ergibt sich zwangsläufig aus der Feststellung, wonach die Wohnung der Fläche nach einem Ein-Personen-Haushalt entspricht. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass in beengten Wohnverhältnisse, wie im gegenständlichen Fall, ein Zimmer nicht ausschließlich beruflich verwendet wird. Es ist eher anzunehmen, dass der eingerichtete Arbeitsplatz in diesem Raum eher untergeordnet ist. Darüber hinaus bezieht sich die Bf bei der Ermittlung der Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht auf einen bestimmten Raum, sondern vielmehr auf einen - nicht nachvollziehbaren - Vergleich mit Marktwerten. Auch aufgrund dieses Umstandes, war die Feststellung zu treffen, dass am Wohnort der Bf kein eigens eingerichtetes Büro vorhanden war.

Dass jener Raum im Wohnungsverband liegt, war aufgrund des eigenen Vorbringens der Bf, es werde im Home Office gearbeitet und der Arbeitsbestätigung, wonach die Bf von zuhause aus arbeitet, zu treffen. Insofern war auch diese Feststellung bedenkenlos zu treffen.

In diesem Zusammenhang ist auszuführen, dass gemäß § 115 Abs 1 BAO die Abgabenbehörden und somit auch das Bundesfinanzgericht die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln haben, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Die Abgabenbehörde trägt zwar die Feststellungslast für alle Tatsachen, die vorliegen müssen, um einen Abgabenanspruch geltend machen zu können, doch befreit dies die Partei nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht ().
Ferner haben auf Verlangen gemäß § 138 Abs 1 BAO die Abgabepflichtigen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119 BAO) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung. § 138 Abs 1 BAO hat die Feststellung solcher Verhältnisse im Auge, die für die Abgabenbehörde nur unter Mithilfe des Abgabepflichtigen aufklärbar sind, denen der Abgabepflichtige hinsichtlich der Beweisführung somit näher steht als die Behörde (). Wer typische Aufwendungen der privaten Lebensführung als Werbungskosten geltend macht, hat im Hinblick auf die Nähe zum Beweisthema von sich aus nachzuweisen, dass sie - entgegen allgemeinen Lebenserfahrung - (nahezu) ausschließlich die berufliche Sphäre betreffen ().
Kommt der Abgabepflichtige seiner nach § 138 Abs 1 BAO bestehenden Verpflichtung zur Klärung des Sachverhaltes nicht nach, ist es im Allgemeinen nicht Aufgabe des Gerichts, noch zusätzliche Erhebungen zu pflegen. Das Gericht wird vielmehr auf Grund des vorliegenden Beweismaterials in freier Beweiswürdigung seine Entscheidung zu fällen haben ().
Im konkreten Fall ist die Bf ihrer Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht nicht nachgekommen, insbesondere indem sie die angeforderten Unterlagen und Stellungnahmen nicht vorgelegt hat. Entsprechend obiger Ausführungen waren daher die Feststellungen anhand des vorliegenden Beweismaterials in freier Beweiswürdigung zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:

[…]

  1. Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig (§ 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG 1988).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss neben dem Vorliegen des Mittelpunktes der gesamten beruflichen Tätigkeit überdies die berufliche Nutzung eines Arbeitszimmers nach der Art des Abgabepflichtigen erforderlich, dh notwendig sein und der Raum muss ferner tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt und eingerichtet sein (; ).

Die Notwendigkeit eines im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmers setzt die Erforderlichkeit eines eigenen Raumes für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit voraus. Die Notwendigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers entfällt, wenn dem Abgabepflichtigen ein Arbeitsplatz an seiner Arbeitsstelle zur Verfügung steht (; ; ). Gegen die Notwendigkeit spricht auch, wenn der Dienstnehmer auf die Nutzung eines Büros beim Arbeitgeber freiwillig verzichtet ().

Eine nahezu ausschließliche berufliche Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers liegt zB nicht vor, wenn die Hälfte der im Raum vorhandenen Schränke zur Aufbewahrung privater Gegenstände genutzt wird (). Befindet sich in einer Wohnung neben Schlafzimmer, Küche und üblichen sanitären Nebenräumen nur ein Wohnraum, spricht dies gegen die Annahme einer (nahezu) ausschließlichen beruflichen Nutzung dieses Raums (; umso mehr, wenn darin auch private Gegenstände verwahrt werden). Handelt es sich beim "Arbeitsraum" um einen Teil des Wohnzimmers, das vom Abgabepflichtigen mit Partner bewohnt wird, bleibt für die Abzugsfähigkeit auch nur eines Teils der Aufwendungen kein Platz ().

Im gegenständlichen Fall ist nach der angeführten Judikatur und den getroffenen Feststellungen ein häusliches Arbeitszimmer weder notwendig noch wurde dieses (aufgrund der Größe der Wohnung) nahezu ausschließlich beruflich genutzt, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Hinsichtlich des Arguments der Bf, andere Kollegen der Bf hätten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer anerkannt bekommen, ist abschließend anzumerken, dass das Bundesfinanzgericht diesen konkreten Einzelfall zu entscheiden hat. Im gegenständlichen Fall lagen wie ausgeführt die erforderlichen Voraussetzungen nicht vor.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, welche iSd Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzlicher Bedeutung zukämen. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei der zu lösende Rechtsfrage an der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Überdies hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantwortenden Sachfragen ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at