Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.02.2024, RV/6100172/2023

Beihilfenschädlicher Studienwechsel?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Susanne Zankl in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Andreas Köttl, Nonntaler Hauptstraße 59, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 10.2022 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Mit Antrag vom stellte die Beschwerdeführerin (Bf) das Ersuchen um (Neu)-Zuerkennung der Familienbeihilfe (FB) für ihre Tochter ab Oktober 2022.

Die Tochter der Bf, Name, geboren am Datum, hat im Wintersemester (WS) 2020/21 das Lehramtsstudium Englisch/Biologie begonnen.
Der Studienerfolgsnachweis wurde nach dem ersten Studienjahr erbracht und die FB auch für das 3. und 4. inskribierte Semester gewährt.
Das Studium wurde mit Ende des Sommersemesters am , nach 4 Semestern abgebrochen. Die Tochter hat in den 4 Semestern, WS 2020/21 - SS 2022, 51 ECTS Punkte erreicht bzw. wurden ihr 51 ECTS-Punkte von der Universität anerkannt bzw. angerechnet (siehe dazu Studienerfolgsnachweis, mit Anerkennungen, vom ).

WS 20/21 UD198 Fach 1: 9 ECTS Fach 2: 15 ECTS 24/30 ECTS
SS 21 UD198 Fach 1: 7 ECTS Fach 2: 7 ECTS 14/30 ECTS
WS 21/22 UD198 Fach 1: 4 ECTS Fach 2: 7 ECTS 11/30 ECTS
SS 22 UD198 Fach 1: 2 ECTS Fach 2: 0 ECTS 2/30 ECTS

Das neue Bachelorstudium Anglistik und Amerikanistik wurde am im WS 2022/23 begonnen.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Bf auf Zuerkennung der FB für ihre Tochter ab Oktober 2022 als unbegründet abgewiesen.

Die Bf legte am Beschwerde ein und führte begründend aus, dass die von der Tochter im Lehramtsstudium Englisch und Biologie absolvierten Semester/Stunden zur Gänze beim neuen Studium Anglistik und Amerikanistik angerechnet worden wären.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab, weil die aus dem Vorstudium Englisch/Biologie beim neuen Bachelorstudium Anglistik und Amerikanistik angerechneten 51 ECTS-Punkte zu einer Wartezeit von 2 Semestern geführt hätten und ein neuerlicher FB-Anspruch somit erst mit Oktober 2023 gegeben wäre.

Am stellte die Bf den Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Er läge gar kein Studienwechsel im Sinne des § 17 Abs. 2 Z 1 Studienförderungsgesetz (StudFG) vor. Damit wäre der FB Anspruch weiterhin mit Oktober 2022 aufrecht.

II. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben der Bf, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes bzw. der Bf sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen.

III. Rechtsgrundlagen

§ 2 Abs. 1 FLAG 1967 lautet auszugsweise:

(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder,
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten … Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe.

§ 17 Studienförderungsgesetz 1992 igF lautet:

Studienwechsel

(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende

1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder

2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder

3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:

1. Studienwechsel, bei welchen die gesamte Studienzeit des vor dem Studienwechsel betriebenen Studiums für die Anspruchsdauer des nach dem Studienwechsel betriebenen Studiums berücksichtigt wird, weil auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen Gleichwertigkeit nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gegeben ist,

2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,

3. Studienwechsel, die unmittelbar nach Absolvierung der Reifeprüfung einer höheren Schule erfolgen, wenn für das während des Besuchs der höheren Schule betriebene Studium keine Studienbeihilfe bezogen wurde,

4. die Aufnahme eines Masterstudiums gemäß § 15 Abs. 3,

5. die Aufnahme eines Doktoratsstudiums gemäß § 15 Abs. 4.

(3) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden danach so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben. Anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechselten Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten, dabei ist auf das ganze Semester aufzurunden.

IV. rechtliche Erwägungen

Strittig ist, ob die Tochter der Bf einen schädlichen Studienwechsel iSd § 17 Studienförderungsgesetzes 1992 vollzogen hat bzw. ob und/oder in welchem Ausmaß eine Wartezeit zu berücksichtigen ist.

Dazu ist unter Bezugnahme auf die oben zitierten Rechtsgrundlagen folgendes auszuführen:
Der Begriff Studienwechsel bedeutet nach herrschender Lehre und Rechtsprechung den Betrieb einer anderen Studienrichtung als jener, die in den vorangegangenen Semestern betrieben wurde. Wenn eine Studierende das begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes in den Geltungsbereich des StudFG fallendes Studium beginnt, liegt jedenfalls ein Studienwechsel vor. Kein Studienwechsel liegt dagegen vor bei einem Wechsel der Studieneinrichtung bei gleichbleibender Studienrichtung (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Tz 95 f mit Hinweis auf ). Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt ein Studienwechsel im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG vorliegt, bevor auf einen solchen Studienwechsel die Bestimmungen des § 17 StudFG angewendet werden können ().

Die Tochter der Bf betrieb zunächst ab dem Wintersemester 2020/21 das Lehramtsstudium Englisch/Biologie an der Universität. Dieses Studium wurde nach dem vierten Semester mit abgebrochen. Die FB wurde für 4 Semester ausbezahlt. Ab dem Wintersemester 2022/23 studierte die Tochter der Bf an der Universität Anglistik und Amerikanistik (Bachelorstudium). Es liegt daher ein Wechsel der Studienrichtung und damit ein Studienwechsel im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG vor, auf den die Bestimmungen des § 17 StudFG anzuwenden sind.

Da dieser Studienwechsel erst erfolgte, nachdem das erste Studium bereits vier Semester betrieben worden war, lag ein beihilfenschädlicher Studienwechsel im Sinne des § 17 Abs. 1 Zif 2 StudFG vor.
Gemäß § 17 Abs. 3 StudFG ist dieser Studienwechsel jedoch dann nicht mehr zu beachten, wenn die Studierende in dem nunmehr gewählten neuen Studium so viele Semester wie in dem vor dem Studienwechsel betriebenen Studium zurückgelegt hat. Ein Wechsel des Studiums zählt aber nur dann nicht als Studienwechsel, wenn die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des neuen Studiums berücksichtigt werden, weil sie diesem Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind. Es genügt jedoch nicht, dass alle vor dem Studienwechsel abgelegten Prüfungen des Vorstudiums von der zuständigen Studienkommission angerechnet werden, vielmehr müssen im Ergebnis die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des nunmehr betriebenen Studiums berücksichtigt werden. Die im Vorstudium besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen müssen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen dem nunmehr betriebenen Studium gleichwertig sein.
Wird der Studienerfolg, wie im vorliegenden Fall, in ECTS-Punkten bemessen, ist die Anzahl der anerkannten ECTS-Punkte aus dem Vorstudium maßgeblich. Das Arbeitspensum eines Studienjahres ist nach § 51 Abs. 2 Z 26 Universitätsgesetz 2002 (UG) für alle Bildungseinrichtungen und für alle Studien mit 60 ECTS-Punkten bemessen, daher ist pro Anerkennung von Vorstudienleistungen im Ausmaß von 30 ECTS-Punkten ein Semester zu berücksichtigen (bei Anerkennung von 1-30 ECTS-Punkten ein Semester, bei Anerkennung von 31-60 ECTS-Punkten zwei Semester usw.). Wird mit dieser Anrechnung die Semesteranzahl des Vorstudiums erreicht, wird vom Gesetzgeber damit unterstellt, dass für das nunmehr betriebene Studium der annähernd gleiche (Zeit)Aufwand erforderlich gewesen wäre. Die angerechneten Semester sind in die Anspruchsdauer des neuen Studiums einzurechnen (Verkürzung der Anspruchsdauer) und der Studienwechsel bleib nach § 17 Abs.2 Z 1 StudFG ohne weiteren Folgen (siehe dazu FLAG, Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, Hrsg, FLAG § 2).

Da die Tochter der Bf im ersten Studium vier Semester zurückgelegt und für vier Semester FB bezogen hatte, wäre im neuen Studium erst nach Ablauf von vier Semestern, somit erst ab dem Wintersemester (Oktober) 2024 wieder Familienbeihilfe zugestanden. Es ergibt sich daher eine Wartezeit von vier Semestern, um im Sinne des Gesetzes von einem günstigen Studienerfolg und einem Ende der Beihilfenschädlichkeit des Studienwechsels auszugehen.
Nach § 17 Abs. 3 StudFG verkürzen anerkannte Lehrveranstaltungen und absolvierte Prüfungen diese Wartezeit.
Die Wartezeit von vier Semestern wird im vorliegenden Fall dadurch gekürzt, dass der Tochter der Bf Lehrveranstaltungen und absolvierte Prüfungen im Ausmaß von 51 ECTS-Punkten (siehe dazu Studienerfolgsnachweis der Universität vom ) für das Bachelorstudium Anglistik und Amerikanistik angerechnet werden. Das bedeutet nach den obigen Ausführungen, dass auf Grund der zu berücksichtigen 51 ECTS-Punkten 2 Semester beim nunmehr betriebenen Bachelorstudium Anglistik und Amerikanistik berücksichtigt bzw. angerechnet werden können (51 ECTS-Punkte : 30 = 1,7, das sind aufgerundet 2 Semester). Für eine Gesamtanrechnung aller vier Semester auf das neue Studium wäre eine positive Vorleistung von mindestens 91 ECTS Punkten notwendig gewesen.
Das neue Studium Anglistik und Amerikanistik wurde mit im Wintersemester 2022/23 aufgenommen. Im Vorstudium hat sie bereits für 4 Semester die FB bezogen. Nach einer nunmehrigen, verkürzten Wartezeit von zwei Semestern, ist ein Beihilfenbezug somit wieder ab Oktober 2023 möglich.
Für den Zeitraum ab Oktober 2022 bis inklusive September 2023 besteht auf Grund der Wartezeit von zwei Semestern kein Anspruch auf Familienbeihilfe für die Tochter der Bf.

Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

V. Zulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Die zu lösende Rechtsfrage findet Deckung in den gesetzlichen Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes sowie Studienförderungsgesetzes.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100172.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at