Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.02.2024, RV/1100293/2023

Familienbeihilfe und Grundversorgung bei einem subsidiär Schutzberechtigten

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 2169/2024 anhängig.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***

in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,

betreffend den Bescheid des ***FA*** vom

hinsichtlich Rückforderung von Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe 09.2020-07.2022

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird einschränkend dahingehend abgeändert, dass zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Kinder ***1***, ***2***, ***3*** und ***4*** für die Monate 09/20, 11/20-05/21, 10/21, 01/22-04/22 sowie 07/22 zurückgefordert werden.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der angefochtene Bescheid enthielt unter Hinweis auf § 3 Abs. 4 FLAG 1967 die Begründung, dass dem Beschwerdeführer, der den Status eines subsidiär Schutzberechtigten habe, Familienbeihilfe nur dann zustehe, wenn er arbeite und keine Leistung aus der Grundversorgung beziehe. Laut Auskunft der Grundversorgungsstelle Vorarlberg bezögen seine Kinder seit bis laufend Leistungen aus der Grundversorgung. Dies stehe einem Anspruch auf Familienbeihilfe entgegen.

Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer mit Beschwerde und führte aus: Es sei Aufgabe des Finanzamtes, das Vorliegen der Voraussetzungen für den Familienbeihilfebezug vor der Zuerkennung der Leistungen, hier Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, zu prüfen. Im Streitzeitraum seien die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe mehrfach geprüft und die Leistungen zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer habe die erhaltenen Beträge im guten Glauben verbraucht, eine Rückforderung sei unbillig.

Der ganzen Familie sei mit Bescheid vom der Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer und seine Gattin seien in der Folge mit Unterbrechungen erwerbstätig gewesen bzw. hätten Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten. Laut § 123 ASVG seien Angehörige mitversichert, wenn die Voraussetzungen einer vollversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit der Eltern sowie Angehörigeneigenschaft vorlägen.

Subsidiär Schutzberechtigte seien Zielgruppe der Grundversorgung, wenn die Hilfsbedürftigkeit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Grundversorgungsvereinbarung vorliege. Hilfsbedürftigkeit in Bezug auf die Teilleistung "Krankenversicherung" aus der Grundversorgung liege jedenfalls nicht vor, wenn die Angehörigen mitversichert seien. Die Prüfung der Hilfsbedürftigkeit in Bezug auf die Grundversorgungsleistungen obliege der Grundversorgungsstelle des Amtes der Vorarlberger Landesregierung bzw. bei Bezug von Leistungen der Mindestsicherung (bis ) bzw. der Sozialhilfe (ab ) der zuständigen Bezirkshauptmannschaft.

Seitens der genannten Stellen sei es im Streitfall verabsäumt worden, das Vorliegen der Hilfsbedürftigkeit hinsichtlich der Grundversorgung-Teilleistung "Krankenversicherung" amtswegig regelmäßig zu prüfen. Es sei daher dem Beschwerdeführer und seinen Angehörigen in Zeiten der Mitversicherung trotz mangelnder Hilfsbedürftigkeit diese Teilleistung zuerkannt worden, ohne dass er darüber informiert worden sei. Die Zuerkennung sei daher zu Unrecht, ohne sein Wissen und zu seinem erheblichen Nachteil erfolgt.

Es müsse seiner Ansicht nach eine Rückzahlung von der ÖGK an die Grundversorgungsstelle stattfinden.

Es lägen für die Zeiten vorliegender Mitversicherung seiner Rechtsansicht nach die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 vor.

Von einer Rückforderung wie laut Bescheid sei wegen Verbrauches in gutem Glauben und Unbilligkeit Abstand zu nehmen.

In einer daraufhin ergehenden abweisenden Beschwerdevorentscheidung wurde unter neuerlichem Hinweis auf § 3 Abs. 4 FLAG 1967 ausgeführt, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe dem Gesetzeswortlaut nach nicht bestehe, wenn und solange der Antragsteller Leistungen aus der Grundversorgung erhalte.

Es entspreche der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass eine Deckung der typischen Unterhaltsansprüche eines Kindes durch die öffentliche Hand den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließe. Es erfolgte der Hinweis auf die Erkenntnisse: ; , 2004/15/0103; , 2007/13/0120.

Leistungen aus der Grundversorgung könnten Geldleistungen und/oder eine Krankenversicherung und/oder eine organisierte Unterkunft sein. Es genüge der Erhalt einer Leistung aus der Grundversorgung, beispielsweise die Gewährung der Krankenversicherung, damit kein Anspruch auf Familienbeihilfe vorliege. Es erfolgten Hinweise auf die Judikatur des UFS und des BFG: -G/13; .

Zum Einwand, dass die Grundversorgungs-Teilleistung "Krankenversicherung" ohne Wissen der Familie auch in Zeiten aufrechter vollversicherungspflichtiger Erwerbstätigkeit und damit zu Unrecht vom Amt der Vorarlberger Landesregierung gewährt worden sei, werde darauf hingewiesen, dass dies ein Ereignis iSd § 295a BAO darstellen könne, wenn die zu Unrecht bezogenen Leistungen zurückbezahlt würden (hierzu erfolgten Hinweis auf Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 3, VII, Rz 285 ff).

Die zu Unrecht bezogenen Familienleistungen seien gemäß § 26 FLAG 1967 zurückzuzahlen. Subjektive Momente wie Verschulden und gutgläubiger Verbrauch seien dabei nicht zu berücksichtigen. Ein Überbezug müsse auch dann zurückbezahlt werden, wenn die Auszahlung auf eine Fehlleistung der Abgabenbehörde zurückzuführen sei.

Der Beschwerdeführer brachte einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein und erläuterte: Derzeit werde die in Streit stehende Sache noch durch den Landesvolksanwalt beim Amt der Vorarlberger Landesregierung-Grundversorgungsstelle geprüft. Er gehe davon aus, dass die Grundversorgungsleistungen Krankenversicherung für Zeiten, in denen die Voraussetzungen für die Mitversicherung seiner Angehörigen vorlagen, durch die Grundversorgungsstelle von der ÖGK zurückverlangt werden müssten.

Er verwies im Weiteren auf eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , die einen ähnlich gelagerten Fall betreffe. Darin sei ausgesprochen worden, dass der Bezug der Grundversorgungsteilleistung "Krankenversicherung" der Kinder allein keinen Grund darstelle, der einem Familienbeihilfenbezug entgegenstünde, weil es sich um keine Abdeckung des "typischen Unterhalts" in den wesentlichen Lebensbereichen (Wohnung, Kleidung, Essen, Schule, Sport etc.) durch die Grundversorgung handle.

Darüber hinaus verstoße § 3 Abs. 4 FLAG 1967 gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und diskriminiere subsidiär Schutzberechtigte beispielsweise im Vergleich zu Asylberechtigten oder Kriegsvertriebenen aus der Ukraine hinsichtlich der Voraussetzungen für den Familienbeihilfenbezug. Diese Differenzierung sei unsachlich und verfassungswidrig.

II. Ermittlungen durch die Richterin:

Die Richterin wandte sich mit E-Mail wie nachstehend an das Amt der Vorarlberger Landesregierung, Fachbereich Existenzsicherung, Abteilung Soziales und Integration, Grundversorgung hilfs-und schutzbedürftiger Fremder:

"Mit E-Mail vom haben Sie … betreffend die Familie ***Bf1***, geb. ***5*** und ***6***, geb. ***5***, mit 4 Kindern ***1***, geb. ***7***, ***3***, geb. ***8***, ***2***, geb. ***9*** und ***4***, geb. ***10***, mitgeteilt, dass die Familie seit Leistungen der BH Feldkirch bezogen habe.

Sie teilen weiters mit, dass keine Leistungen mehr aus der Grundversorgung bezogen würden

durch den Vater ***Bf1*** seit ,

durch die Mutter ***6*** seit und

durch das Kind ***1*** ***11*** seit .

Für die Kinder ***3***, ***2*** und ***4*** würden nach wie vor "Leistungen aus der GVS mit Krankenversicherung" beigestellt.

Frau ***6*** war laut Sozialversicherungsdatenauszug von April bis Juli 2018, von April 2019 bis Juli 2019, von August 2019 bis März 2020, von Juli 2021 bis September 2021 und ab September 2021 bis laufend entweder geringfügig beschäftigt oder unselbständig erwerbstätig.

Herr ***Bf1*** war von September 2020 bis September 2021, von November 2021 bis Dezember 2021, von Mai 2022 bis Juni 2022 sowie ab Februar 2023 bis laufend unselbständig erwerbstätig.

1. Welche Leistungen aus der Grundversorgung erhielten Herr und Frau ***11*** in diesen Zeiträumen für sich und für ihre 4 Kinder? Welcher Art waren die Leistungen (freie Unterkunft, Lebensunterhalt monatlich, Taschengeld monatlich, Bekleidungsgeld monatlich, Krankenversicherung)?

2. In welchen Zeiträumen wurde ausschließlich die Krankenversicherung aus der Grundversorgung beigestellt?

3. Wurde die Krankenversicherung aus der Grundversorgung für die Kinder auch in Zeiträumen beigestellt, in denen die Eltern - wie oben ausgeführt - berufstätig waren?

4. Warum erfolgte die Krankenversicherung der Kinder (und der Eltern?) nicht über die Arbeitgeber der Eltern?

5. Warum wird die Krankenversicherung für drei Kinder immer noch aus der Grundversorgung geleistet, obwohl die Eltern - wie oben ausgeführt - laufend berufstätig sind?"

Es langte ein Antwortschreiben im E-Mail-Wege ein, in welchem seitens der Grundversorgungsstelle die Fragen der Richterin wie nachstehend beantwortet wurden:

1. "Anzumerken bleibt, dass für die Familie die Leistungen aus der Grundversorgung (anteiliger Mietzuschuss sowie Verpflegung für die Familie) aufgrund des subsidiären Schutzes über die zuständige Bezirkshauptmannschaft Feldkirch gewährt wurden. Wir haben Ihnen für alle Familienmitglieder die Leistungsauszahlung ab pro Person einzeln gefiltert.

2. Ab für die Kinder ***3***, ***2*** und ***4***.

3. Ja.

4. Es wurde kein Antrag der Eltern auf Mitversicherung gestellt, somit ist die GVS-Stelle zur Sicherstellung der Krankenversicherung verpflichtet.

5. Die Krankenversicherung wurde per eingestellt".

Beigelegt waren die Listen über die individuellen GVS-Auszahlungen/Leistungen pro Person.

III. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

  1. Dem Beschwerdeführer und seinen vier Kindern wurde der Status von subsidiär Schutzberechtigten ab zuerkannt.

  2. Bezogen auf den Streitzeitraum erhielt der Beschwerdeführer, der von 09/20-09/21, von 11/21-12/21 und von 05/22-06/22 nichtselbstständig erwerbstätig war, persönlich nachstehende Leistungen aus der Grundversorgung: 09/20 Krankenversicherung, Miete Familie und Verpflegung Erwachsene, 10/20 keine Leistung aus der Grundversorgung, 11/20-05/21 Miete Familie, 01/21-02/21 auch Verpflegung Erwachsene, 06/21-09/21 keine Leistungen aus der Grundversorgung, 10/21 Miete Familie, 11/21-07/22 keine Leistungen aus der Grundversorgung.

  3. In 10/21, 01/22-04/22 und 07/22 war der Beschwerdeführer nicht berufstätig.

  4. Die Kinder ***1***, ***2***, ***3*** und ***4*** erhielten im streitgegenständlichen Zeitraum durchgehend die Krankenversicherung aus der Grundversorgung sowie in 09/20 auch Verpflegung Minderjährige.

  5. Von Seiten des Beschwerdeführers wurde kein Antrag auf Mitversicherung seiner Kinder gestellt.

Die Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf unstrittigem Akteninhalt sowie auf den Ermittlungen der Richterin und den ihr seitens des Fachbereiches Existenzsicherung, Abteilung Soziales und Integration (IVa), Grundversorgung hilfs- und schutzbedürftiger Fremder beim Amt der Vorarlberger Landesregierung, übermittelten Listen.

2. Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status der subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz zuerkannt wurde.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, indem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden.

Strittig ist: Erfolgte die Rückforderung an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die vier Kinder des Beschwerdeführers für die im Bescheid ausgewiesenen Zeiträume zu Recht?

Unstrittig ist, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch seine vier Kinder seit den Status von subsidiär Schutzberechtigten innehaben.

Für den Anspruch auf Familienbeihilfe ist daher im Weiteren zu überprüfen, ob der Beschwerdeführer unselbständig oder selbständig erwerbstätig war und keine Leistungen aus der Grundversorgung erhielt.

Es muss eine tatsächliche Erwerbstätigkeit vorliegen. Eine geringfügige Beschäftigung ist eine Erwerbstätigkeit (Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 3 Rz 275). Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach dem Gesetzeswortlaut nicht, wenn (solange) der Antragsteller Leistungen aus der Grundversorgung erhält (Wanke aaO § 3 Rz 281 mit Hinweisen auf die Judikatur).

Nach der Judikatur des VwGH ist § 3 Abs. 4 FLAG 1967 so zu verstehen, dass weder der Antragsteller Leistungen aus der Grundversorgung beziehen darf noch, dass der typische Unterhalt des Kindes in den wesentlichen Lebensbereichen der Unterbringung, Verpflegung, Bekleidung und Krankenversicherung durch die öffentliche Hand gedeckt sein darf, wenn das Kind selbst umfassende Leistungen aus der Grundversorgung bezieht (Wanke aaO § 3 Rz 281; ).

Für die in Streit stehenden Rückforderungszeiträume ergibt sich konkret:

In 10/20, 06/21-09/21, 11/21-12/21 und 05/22-06/22 war der Beschwerdeführer nichtselbständig erwerbstätig und erhielt keine Leistungen aus der Grundversorgung. Dies entspricht den Anforderungen gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967. Nur wenn die Person des Anspruchsberechtigten die Voraussetzungen für einen Bezug der Familienbeihilfe erfüllt, ist zu überprüfen, ob auch für das anspruchsvermittelnde Kind die im FLAG vorgesehenen Voraussetzungen gegeben sind - nur insofern liegt streitgegenständlich auch eine Vergleichbarkeit mit dem neueren, im Vorlageantrag zitierten BFG-Erkenntnis vom , RV/11177/2023 vor, in welchem das BFG einer berufstätigen Beschwerdeführerin ohne persönliche Grundversorgungsleistungen die Familienbeihilfe für ihre Kinder (lediglich) für Zeiträume zuerkannte, in denen deren typischer Unterhalt in den wesentlichen Lebensbereichen nicht von der Grundversorgung abgedeckt worden war - die Grundversorgung hatte ausschließlich die Krankenversicherung der Kinder getragen.

Streitfallbezogen ist daher in einem weiteren Schritt der Frage nachzugehen, ob der typische Unterhalt der vier Kinder des Beschwerdeführers für die oben genannten Zeiträume im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in den wesentlichen Lebensbereichen durch die öffentliche Hand abgedeckt wurde (vgl. ). Die seitens der Grundversorgungsstelle übermittelten Listen zeigen, dass für die Kinder in diesen Zeiträumen lediglich die Krankenversicherung aus der Grundversorgung beigestellt wurde.

Die Übernahme der Krankenversicherung allein entspricht aber - wie e contrario aus oben zitiertem höchstgerichtlichem Judikat zu erschließen ist - nicht der Deckung des typischen Unterhaltes in den Lebensbereichen der Unterkunft, Verpflegung, Bekleidung sowie des Schulbedarfs: Der VwGH hat im zitierten Erkenntnis den Anspruch auf Familienbeihilfe für den subsidiär schutzberechtigten, volljährigen, behinderten Sohn einer Beschwerdeführerin verneint, weil dieser selbst Leistungen aus der Grundversorgung in Form eines Mietzinszuschusses, der Krankenversicherung sowie von Geldleistungen für Verpflegung und Bekleidung erhalten hat, was einer Bestreitung des typischen Unterhaltes durch die öffentliche Hand gleichkommt. Eine Deckungsgleichheit mit dem Streitfall ist insofern zu verneinen.

Nicht vergleichbar ist der Streitfall darüber hinaus mit den in der Beschwerdevorentscheidung beispielhaft angeführten höchstgerichtlichen Erkenntnissen , sowie betreffend die Ablehnung von Familienbeihilfenansprüche für Zivildienst- oder Präsenzdienstleistende bzw. einen in Strafhaft befindlichen Jugendlichen.

Während der Dauer des Präsenz- oder Zivildienstes werden einerseits die Versorgungsleistungen unstrittig durch die öffentliche Hand erbracht und liegt andererseits eine Unterbrechung der Ausbildung des volljährigen Kindes vor, weshalb kein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 iVm lit.ae e und g leg. cit. besteht.

Auch im Falle des jugendlichen Straftäters wird der typischerweise anfallende Unterhalt in Form von Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung gemäß § 31 Abs. 1 StVG von der öffentlichen Hand übernommen, was einen Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließt. Die für einen Gefangenen in einer Strafhaft verbleibenden Restbedürfnisse, auch wenn sie von einer Person in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht gedeckt werden mögen, ändern daran nichts.

Im Lichte dieser Ausführungen werden in den eingangs genannten Streitzeiträumen sowohl der Beschwerdeführer als auch die vier Kinder den Anforderungen gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 gerecht. Die den Kindern aus der Grundversorgung in diesem Zeitraum beigestellte Krankenversicherung ist nicht einer typischen, umfassenden Unterhaltsleistung gleichzuhalten, die einem Familienbeihilfenbezug entgegenstünde (vgl. nochmals ). Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag stehen daher zu und erfolgte die Rückforderung für diese Zeiträume zu Unrecht.

In 09/20 und 11/20-05/21 war der Beschwerdeführer nichtselbständig erwerbstätig, bezog aber auch Leistungen aus der Grundversorgung (09/20 Krankenversicherung, Miete und Verpflegung Erwachsene, 11/20-05/21 Miete sowie für 01/21 und 02/21 auch Verpflegung Erwachsene). Da er somit zwar das Erfordernis der Erwerbstätigkeit gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 erfüllte, nicht aber das zusätzliche Erfordernis, keine Leistungen aus der Grundversorgung zu erhalten, stehen ihm Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für diese Zeiträume nicht zu und erfolgte die Rückforderung zu Recht. Auf den Leistungsbezug der Kinder braucht diesfalls nicht eingegangen zu werden.

In 10/21,01/22-04/22 und 07/22 war der Beschwerdeführer nicht erwerbstätig. Schon allein aus diesem Grund verwirklicht er den anspruchsbegründenden Tatbestand gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 nicht. Die Rückforderung der für diesen Zeitraum gewährten Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag erfolgte daher zu Recht.

Die Rückforderungen beruhen ausschließlich darauf, dass der Beschwerdeführer selbst als potentiell Anspruchsberechtigter die gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 geforderten Voraussetzungen nicht erfüllte - er bezog in einer Konstellation trotz Berufstätigkeit Grundversorgungsleistungen und übte in der anderen Konstellation keine Berufstätigkeit aus.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezuges von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nicht von Bedeutung, ebensowenig, ob der Bezieher diese in gutem Glauben entgegengenommen hat. Der gutgläubige Verbrauch der Beträge ist rechtlich ohne Belang, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt. Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, dass der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist. Gegebenenfalls kann ein Grund für eine Nachsicht nach § 236 BAO vorliegen. Die Gewährung einer Nachsicht liegt im Ermessen der Finanzämter (Wanke aaO § 26 Rz 12-16 und 78).

Soweit der Beschwerdeführer die Normierung gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 als verfassungswidrig in Zweifel zieht, ist er auf die Ausführungen des Finanzamtes in der Stellungnahme zum Vorlagebericht hinzuweisen, wonach der Verfassungsgerichtshof in der Differenzierung zwischen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten keine unsachliche Ungleichbehandlung erblickt, zumal zwischen diesen Gruppen in ausreichendem Maße Unterschiede bestünden, die eine Differenzierung zu rechtfertigen vermögen (; Wanke aaO § 3 Rz 285f).

Soweit der Beschwerdeführer mit nachgereichtem Schreiben vom die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, ist darauf zu verweisen, dass ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 274 BAO) einen entsprechenden Antrag in der Beschwerde oder im Vorlageantrag voraussetzt. Anträge, die erst in einem ergänzenden Schriftsatz gestellt werden, genügen nicht (vgl. Ritz/Koran, BAO, § 272 Tz 4 mwN, bzw. § 274 Tz 3, mwN, sowie und , Ra 2021/13/0014).

Nachdem im Beschwerdefall ein entsprechender Antrag weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag, sondern erst im ergänzenden Schriftsatz vom gestellt wurde, bestand somit kein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und war dem Antrag des Beschwerdeführers nicht näher zu treten.

Nach allem Ausgeführten erfolgte daher - wie aus dem Spruch ableitbar - die Rückforderung für die Zeiträume 10/20, 06/21-09/21, 11/21-12/21 und 05/22-06/22 zu Unrecht, darüber hinaus zu Recht.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit das vorliegende Erkenntnis die Rückforderung für bestimmte Zeiträume als rechtens erkannt hat, gründet es sich auf den klaren Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 4FLAG 1967 und des § 26 Abs. 1 FLAG 1967.

Soweit das vorliegende Erkenntnis die Rückforderung als zu Unrecht erfolgt erkannt hat, gründet es sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung, etwa .

Feldkirch, am

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