Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.02.2024, RV/1100292/2023

Familienbeihilfe und Grundversorgung bei einer subsidiär Schutzberechtigten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***

in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,

betreffend den Bescheid des ***FA*** vom

hinsichtlich Rückforderung von Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe 04.2019-08.2020 sowie 07.2018

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird einschränkend dahingehend abgeändert, dass zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Kinder ***1***, ***2***, ***3*** und ***4*** für die Monate 07/2018, 04/19 bis 10/19 sowie 02/20 bis 08/20 zurückgefordert werden.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der angefochtene Bescheid enthielt unter Hinweis auf § 3 Abs. 4 FLAG 1967 die Begründung, dass der Beschwerdeführerin, die den Status einer subsidiär Schutzberechtigten habe, Familienbeihilfe nur dann zustehe, wenn sie arbeite und keine Leistung aus der Grundversorgung beziehe. Laut Auskunft der Grundversorgungsstelle ***5*** bezögen sie und ihre Kinder seit bis laufend Leistungen aus der Grundversorgung. Dies stehe einem Anspruch auf Familienbeihilfe entgegen.

Dagegen wandte sich die Beschwerdeführerin mit Beschwerde und führte aus: Es sei Aufgabe des Finanzamtes, das Vorliegen der Voraussetzungen für den Familienbeihilfenbezug vor der Zuerkennung der Leistungen, hier Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, zu prüfen. Im Streitzeitraum seien die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe mehrfach geprüft und die Leistungen zuerkannt worden. Die Beschwerdeführerin habe die erhaltenen Beträge im guten Glauben verbraucht, eine Rückforderung sei unbillig.

Der ganzen Familie sei mit Bescheid vom der Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG zuerkannt worden. Die Beschwerdeführerin und ihr Gatte seien in der Folge mit Unterbrechungen erwerbstätig gewesen bzw. hätten Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten. Laut § 123 ASVG seien Angehörige mitversichert, wenn die Voraussetzungen einer vollversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit der Eltern sowie die Angehörigeneigenschaft vorlägen.

Subsidiär Schutzberechtigte seien Zielgruppe der Grundversorgung, wenn die Hilfsbedürftigkeit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Grundversorgungsvereinbarung vorliege. Hilfsbedürftigkeit in Bezug auf die Teilleistung "Krankenversicherung" aus der Grundversorgung liege jedenfalls nicht vor, wenn die Angehörigen mitversichert seien. Die Prüfung der Hilfsbedürftigkeit in Bezug auf die Grundversorgungsleistungen obliege der Grundversorgungsstelle des Amtes der ***5*** Landesregierung bzw. bei Bezug von Leistungen der Mindestsicherung (bis ) bzw. der Sozialhilfe (ab ) der zuständigen Bezirkshauptmannschaft.

Seitens der genannten Stellen sei es im Streitfall verabsäumt worden, das Vorliegen der Hilfsbedürftigkeit hinsichtlich der Grundversorgungs-Teilleistung "Krankenversicherung" amtswegig regelmäßig zu prüfen. Es sei daher der Beschwerdeführerin und ihren Angehörigen in Zeiten der Mitversicherung trotz mangelnder Hilfsbedürftigkeit diese Teilleistung zuerkannt worden, ohne dass sie darüber informiert worden sei. Die Zuerkennung sei daher zu Unrecht, ohne ihr Wissen und zu ihrem erheblichen Nachteil erfolgt.

Es müsse ihrer Ansicht nach eine Rückzahlung von der ÖGK an die Grundversorgungsstelle erfolgen.

Es lägen für die Zeiten vorliegender Mitversicherung ihrer Rechtsansicht nach die Voraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 vor.

Von einer Rückforderung wie laut Bescheid sei wegen Verbrauches in gutem Glauben und Unbilligkeit Abstand zu nehmen.

In einer daraufhin ergehenden abweisenden Beschwerdevorentscheidung wurde unter neuerlichem Hinweis auf § 3 Abs. 4 FLAG 1967 ausgeführt, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe dem Gesetzeswortlaut nach nicht bestehe, wenn und solange der Antragsteller Leistungen aus der Grundversorgung erhalte.

Es entspreche der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass eine Deckung der typischen Unterhaltsansprüche eines Kindes durch die öffentliche Hand den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließe. Es erfolgte der Hinweis auf die Erkenntnisse: ; , 2004/15/0103; , 2007/13/0120.

Leistungen aus der Grundversorgung könnten Geldleistungen und/oder eine Krankenversicherung und/oder eine organisierte Unterkunft sein. Es genüge der Erhalt einer Leistung aus der Grundversorgung, beispielsweise die Gewährung der Krankenversicherung, damit kein Anspruch auf Familienbeihilfe vorliege. Es erfolgten Hinweise auf die Judikatur des UFS und des BFG: -G/13; .

Zum Einwand, dass die Grundversorgungs- Teilleistung "Krankenversicherung" ohne Wissen der Familie auch in Zeiten aufrechter vollversicherungspflichtiger Erwerbstätigkeit und damit zu Unrecht vom Amt der ***5*** Landesregierung gewährt worden sei, werde darauf hingewiesen, dass dies ein Ereignis im Sinne des § 295a BAO darstellen könne, wenn die zu Unrecht bezogenen Leistungen zurückbezahlt würden (hiezu erfolgte ein Hinweis auf Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 3, VII, Rz 285 ff.).

Die zu Unrecht bezogenen Familienleistungen seien gemäß § 26 FLAG 1967 zurückzuzahlen. Subjektive Momente wie Verschulden und gutgläubiger Verbrauch seien dabei nicht zu berücksichtigen. Ein Überbezug müsse auch dann zurückbezahlt werden, wenn die Auszahlung auf eine Fehlleistung der Abgabenbehörde zurückzuführen sei.

Die Beschwerdeführerin brachte einen Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein und erläuterte: Derzeit werde die in Streit stehende Sache noch durch den Landesvolksanwalt beim Amt der ***5*** Landesregierung-Grundversorgungsstelle geprüft. Sie gehe davon aus, dass die Grundversorgungsleistungen Krankenversicherung für Zeiten, in denen die Voraussetzungen für die Mitversicherung ihrer Angehörigen vorlagen, durch die Grundversorgungsstelle von der ÖGK zurückverlangt werden müssten.

Sie verwies im Weiteren auf eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , die einen ähnlich gelagerten Fall betreffe. Darin sei ausgesprochen worden, dass der Bezug der Grundversorgungsteilleistung "Krankenversicherung" der Kinder allein keinen Grund darstelle, der einem Familienbeihilfenbezug entgegenstünde, weil es sich um keine Abdeckung des "typischen Unterhalts" in den wesentlichen Lebensbereichen (Wohnung, Kleidung, Essen, Schule, Sport etc.) durch die Grundversorgung handle.

Zudem verstoße § 3 Abs. 4 FLAG 1967 gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und diskriminiere subsidiär Schutzberechtigte beispielsweise im Vergleich zu Asylberechtigten oder Kriegsvertriebenen aus der Ukraine hinsichtlich der Voraussetzungen für den Familienbeihilfenbezug. Diese Differenzierung sei unsachlich und verfassungswidrig.

II. Ermittlungen durch die Richterin

Die Richterin wandte sich mit E-Mail wie nachstehend an das Amt der ***5*** Landesregierung, Fachbereich Existenzsicherung, Abteilung Soziales und Integration, Grundversorgung hilfs-und schutzbedürftiger Fremder:

"Mit E-Mail vom haben Sie … betreffend die Familie ***6***, geb. und ***Bf1***, geb. , mit 4 Kindern ***1***, geb. , ***3***, geb. , ***2***, geb. und ***4***, geb. , mitgeteilt, dass die Familie seit Leistungen der BH ***7*** bezogen habe.

Sie teilen weiters mit, dass keine Leistungen mehr aus der Grundversorgung bezogen würden

  1. durch den Vater Mahbou ***8*** seit ,

  2. durch die Mutter ***Bf1*** seit und

  3. durch das Kind ***1*** ***8*** seit .

Für die Kinder ***3***, ***2*** und ***4*** würden nach wie vor "Leistungen aus der GVS mit Krankenversicherung" beigestellt.

Frau ***Bf1*** war laut Sozialversicherungsdatenauszug von April bis Juli 2018, von April 2019 bis Juli 2019, von August 2019 bis März 2020, von Juli 2021 bis September 2021 und ab September 2021 bis laufend entweder geringfügig beschäftigt oder unselbständig erwerbstätig.

Herr ***6*** war von September 2020 bis September 2021, von November 2021 bis Dezember 2021, von Mai 2022 bis Juni 2022 sowie ab Februar 2023 bis laufend unselbständig erwerbstätig.

1. Welche Leistungen aus der Grundversorgung erhielten Herr und Frau ***8*** in diesen Zeiträumen für sich und für ihre 4 Kinder? Welcher Art waren die Leistungen (freie Unterkunft, Lebensunterhalt monatlich, Taschengeld monatlich, Bekleidungsgeld monatlich, Krankenversicherung)?

2. In welchen Zeiträumen wurde ausschließlich die Krankenversicherung aus der Grundversorgung beigestellt?

3. Wurde die Krankenversicherung aus der Grundversorgung für die Kinder auch in Zeiträumen beigestellt, in denen die Eltern - wie oben ausgeführt - berufstätig waren?

4. Warum erfolgte die Krankenversicherung der Kinder (und der Eltern?) nicht über die Arbeitgeber der Eltern?

5. Warum wird die Krankenversicherung für drei Kinder immer noch aus der Grundversorgung geleistet, obwohl die Eltern - wie oben ausgeführt - laufend berufstätig sind?"

Es langte ein Antwortschreiben im E-Mail-Wege ein in welchem seitens der Grundversorgungsstelle die Fragen der Richterin wie nachstehend beantwortet wurden:

1. "Anzumerken bleibt, dass für die Familie die Leistungen aus der Grundversorgung (anteiliger Mietzuschuss sowie Verpflegung für die Familie) aufgrund des subsidiären Schutzes über die zuständige Bezirkshauptmannschaft ***7*** gewährt wurden. Wir haben Ihnen für alle Familienmitglieder die Leistungsauszahlung ab pro Person einzeln gefiltert.

2. Ab für die Kinder ***3***, ***2*** und ***4***.

3. Ja.

4. Es wurde kein Antrag der Eltern auf Mitversicherung gestellt, somit ist die GVS-Stelle zur Sicherstellung der Krankenversicherung verpflichtet.

5. Die Krankenversicherung wurde per eingestellt".

Beigelegt waren die Listen über die individuellen GVS-Auszahlungen/Leistungen pro Person.

III. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

  1. Der Beschwerdeführerin und ihren vier Kindern wurde der Status von subsidiär Schutzberechtigten ab zuerkannt.

  2. Bezogen auf den Streitzeitraum erhielt die Beschwerdeführerin, die in den Zeiträumen 07/18 sowie 04/19 bis 03/20 nichtselbständig oder geringfügig erwerbstätig war, persönlich nachstehende Leistungen aus der Grundversorgung: 07/18 Verpflegung Erwachsene, 04/19 Verpflegung Erwachsene plus Krankenversicherung, 05/19 bis 10/19 Verpflegung Erwachsene, 11/19 bis 01/20 keine Leistungen aus der Grundversorgung, 02/20 bis 03/20 Verpflegung Erwachsene.

  3. Im Zeitraum 04/20 bis 08/20 war die Beschwerdeführerin nicht berufstätig.

  4. Die Kinder ***1***, ***2***, ***3*** und ***4*** erhielten als Leistungen aus der Grundversorgung jeweils: für 07/18 Krankenversicherung und Verpflegung Minderjährige, von 04/19 bis 08/20 Krankenversicherung, von 04/19 bis 10/19 Verpflegung Minderjährige sowie von 02/20 bis 08/20 Verpflegung Minderjährige.

  5. Von Seiten der Beschwerdeführerin wurde kein Antrag auf Mitversicherung der Kinder in Zeiten der Berufstätigkeit gestellt.

Die Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf unstrittigem Akteninhalt sowie auf den Ermittlungen der Richterin und den ihr seitens des Fachbereiches Existenzsicherung, Abteilung Soziales und Integration (IVa), Grundversorgung hilfs- und schutzbedürftiger Fremder beim Amt der ***5*** Landesregierung, übermittelten Listen.

2. Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz zuerkannt wurde.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden.

Strittig ist: Erfolgte die Rückforderung an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die vier Kinder der Beschwerdeführerin für die im Bescheid ausgewiesenen Zeiträume zu Recht?

Unstrittig ist, dass sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihre vier Kinder seit den Status von subsidiär Schutzberechtigten innehaben.

Für den Anspruch auf Familienbeihilfe ist daher im Weiteren zu überprüfen, ob die Beschwerdeführerin unselbständig oder selbständig erwerbstätig war und keine Leistungen aus der Grundversorgung erhielt.

Es muss eine tatsächliche Erwerbstätigkeit vorliegen. Eine geringfügige Beschäftigung ist eine Erwerbstätigkeit (Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 3 Rz 275). Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach dem Gesetzeswortlaut nicht, wenn (solange) der Antragsteller Leistungen aus der Grundversorgung erhält (Wanke aaO § 3 Rz 281 mit Hinweisen auf die Judikatur).

Nach der Judikatur des VwGH ist § 3 Abs. 4 FLAG 1967 so zu verstehen, dass weder der Antragsteller Leistungen aus der Grundversorgung beziehen darf noch, dass der typische Unterhalt des Kindes in den wesentlichen Lebensbereichen der Unterbringung, Verpflegung, Bekleidung und Krankenversicherung durch die öffentliche Hand gedeckt sein darf, wenn das Kind selbst umfassende Leistungen aus der Grundversorgung bezieht (Wanke aaO § 3 Rz 281; ).

Für die in Streit stehenden Rückforderungszeiträume ergibt sich konkret:

Im Monat 07/18 war die Beschwerdeführerin nichtselbständig erwerbstätig und bezog Leistungen aus der Grundversorgung (Verpflegung Erwachsene). Da sie somit zwar das Erfordernis der Erwerbstätigkeit gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 erfüllt, nicht aber das zusätzliche Erfordernis, keine Leistungen aus der Grundversorgung zu erhalten, stehen ihr Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für 07/18 nicht zu und erfolgte die Rückforderung zu Recht. Auf den Leistungsbezug der Kinder braucht diesfalls nicht eingegangen zu werden.

Ebenso war sie im Zeitraum 04/19-10/19 nichtselbständig erwerbstätig und bezog Leistungen aus der Grundversorgung (Krankenversicherung und Verpflegung Erwachsene bzw. Verpflegung Erwachsene). Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag stehen daher auch für diesen Zeitraum nicht zu und erfolgte die Rückforderung zu Recht.

Im Zeitraum 11/19-01/20 war sie nichtselbständig erwerbstätig und erhielt keine Leistungen aus der Grundversorgung. Dies entspricht den Anforderungen gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967. Nur wenn die Person des/der Anspruchsberechtigten die Voraussetzungen für einen Bezug der Familienbeihilfe erfüllt, ist zu überprüfen, ob auch für das anspruchsvermittelnde Kind die im FLAG vorgesehenen Voraussetzungen gegeben sind - nur insofern liegt streitgegenständlich auch eine Vergleichbarkeit mit dem neueren, im Vorlageantrag zitierten BFG-Erkenntnis vom , RV/11177/2023 vor, in welchem das BFG einer berufstätigen Beschwerdeführerin ohne persönliche Grundversorgungsleistungen die Familienbeihilfe für ihre Kinder (lediglich) für Zeiträume zuerkannte, in denen deren typischer Unterhalt in den wesentlichen Lebensbereichen nicht von der Grundversorgung abgedeckt worden war - die Grundversorgung hatte ausschließlich die Krankenversicherung der Kinder getragen.

Streitfallbezogen ist daher in einem weiteren Schritt der Frage nachzugehen, ob der typische Unterhalt der vier Kinder der Beschwerdeführerin für 11/19-01/20 im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in den wesentlichen Lebensbereichen durch die öffentliche Hand abgedeckt wurde (vgl. ). Die seitens der Grundversorgungsstelle übermittelten Listen zeigen, dass für die Kinder in diesem Zeitraum lediglich die Krankenversicherung aus der Grundversorgung beigestellt wurde.

Die Übernahme der Krankenversicherung allein entspricht aber - wie e contrario aus oben zitiertem höchstgerichtlichem Judikat zu erschließen ist - nicht der Deckung des typischen Unterhalts in den Lebensbereichen der Unterkunft, Verpflegung, Bekleidung sowie des Schulbedarfs: Der VwGH hat im zitierten Erkenntnis den Anspruch auf Familienbeihilfe für den subsidiär schutzberechtigten, volljährigen, behinderten Sohn einer Beschwerdeführerin verneint, weil dieser selbst Leistungen aus der Grundversorgung in Form eines Mietzinszuschusses, der Krankenversicherung sowie von Geldleistungen für Verpflegung und Bekleidung erhalten hat, was einer Bestreitung des typischen Unterhaltes durch die öffentliche Hand gleichkommt. Eine Deckungsgleichheit mit dem Streitfall ist insofern zu verneinen.

Nicht vergleichbar ist der Streitfall darüber hinaus mit den in der Beschwerdevorentscheidung beispielhaft angeführten höchstgerichtlichen Erkenntnissen ; , 2004/15/0103; , 2011/16/0173, betreffend die Ablehnung von Familienbeihilfenansprüche für Zivildienst- oder Präsenzdienstleistende bzw. einen in Strafhaft befindlichen Jugendlichen.

Während der Dauer des Präsenz- oder Zivildienstes werden einerseits die Versorgungsleistungen unstrittig durch die öffentliche Hand erbracht und liegt andererseits eine Unterbrechung der Ausbildung des volljährigen Kindes vor, weshalb kein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 iVm lit.ae e und g leg. cit. besteht.

Auch im Falle des jugendlichen Straftäters wird der typischerweise anfallende Unterhalt in Form von Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung gemäß § 31 Abs. 1 StVG von der öffentlichen Hand übernommen, was einen Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließt. Die für einen Gefangenen in einer Strafhaft verbleibenden Restbedürfnisse, auch wenn sie von einer Person in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht gedeckt werden mögen, ändern daran nichts.

Im Lichte dieser Ausführungen werden im Streitzeitraum 11/19-01/20 sowohl die Beschwerdeführerin als auch die vier Kinder den Anforderungen gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 gerecht. Die den Kindern aus der Grundversorgung in diesem Zeitraum beigestellte Krankenversicherung ist nicht einer typischen, umfassenden Unterhaltsleistung gleichzuhalten, die einem Familienbeihilfenbezug entgegenstünde (vgl. nochmals ). Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag stehen daher zu und erfolgte die Rückforderung für diesen Zeitraum zu Unrecht.

Im Streitzeitraum 02/20-03/20 war die Beschwerdeführerin nichtselbständig erwerbstätig und erhielt Leistungen aus der Grundversorgung (Verpflegung Erwachsene). Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag stehen ihr daher nicht zu und erfolgte die Rückforderung zu Recht.

Im Streitzeitraum 04/20-08/20 war die Beschwerdeführerin nicht erwerbstätig. Schon allein aus diesem Grund verwirklicht sie den anspruchsbegründenden Tatbestand gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 nicht. Die Rückforderung der für diesen Zeitraum gewährten Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag erfolgte daher zu Recht.

Wie schon oben im Sachverhalt dargelegt, erhielten die vier Kinder - ohne dass dies entscheidungsrelevant wäre - in den Rückforderungszeiträumen aus der Grundversorgung neben der Krankenversicherung die Leistung "Verpflegung Minderjährige". Die Rückforderungen beruhen ausschließlich darauf, dass die Beschwerdeführerin selbst als potentiell Anspruchsberechtigte die gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 geforderten Voraussetzungen nicht erfüllte, indem sie entweder trotz Berufstätigkeit Grundversorgungsleistungen bezog, oder keine Berufstätigkeit ausübte (siehe obenstehende, jeweils zeitraumbezogene Erläuterungen).

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 gibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nicht von Bedeutung, ebensowenig, ob der Bezieher diese in gutem Glauben entgegengenommen hat. Der gutgläubige Verbrauch der Beträge ist rechtlich ohne Belang, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt. Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, dass der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist. Gegebenenfalls kann ein Grund für eine Nachsicht nach § 236 BAO vorliegen (Wanke aaO § 26 Rz 12-16). Die Gewährung einer Nachsicht liegt im Ermessen der Finanzämter (Wanke aaO § 26 Rz 78).

Soweit die Beschwerdeführerin die Normierung gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 als verfassungswidrig in Zweifel zieht, ist sie auf die Ausführungen des Finanzamtes in der Stellungnahme zum Vorlagebericht hinzuweisen, wonach der Verfassungsgerichtshof in der Differenzierung zwischen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten keine unsachliche Ungleichbehandlung erblickt, zumal zwischen diesen Gruppen in ausreichendem Maße Unterschiede bestünden, die eine Differenzierung zu rechtfertigen vermögen (; Wanke aaO § 3 Rz 285f).

Soweit die Beschwerdeführerin mit nachgereichtem Schreiben vom die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, ist darauf zu verweisen, dass ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 274 BAO) einen entsprechenden Antrag in der Beschwerde oder im Vorlageantrag voraussetzt. Anträge, die erst in einem ergänzenden Schriftsatz gestellt werden, genügen nicht (vgl. Ritz/Koran, BAO, § 272 Tz 4 mwN, bzw. § 274 Tz 3, mwN, sowie und , Ra 2021/13/0014).

Da im Beschwerdefall ein entsprechender Antrag weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag, sondern erst im ergänzenden Schriftsatz vom gestellt wurde, bestand somit kein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und war dem Antrag des Beschwerdeführers nicht näher zu treten.

Nach allem Ausgeführten erfolgte daher die Rückforderung spruchgemäß lediglich für den Zeitraum 11/19-01/20 zu Unrecht, für die darüber hinausgehenden Streitzeiträume zu Recht.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit das vorliegende Erkenntnis die Rückforderung für bestimmte Zeiträume als rechtens erkannt hat, gründet es sich auf den klaren Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 bzw. des § 26 Abs. 1 FLAG 1967

Soweit das vorliegende Erkenntnis die Rückforderung als zu Unrecht erfolgt erkannt hat, gründet es sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung, etwa .

Feldkirch, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100292.2023

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