TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.12.2023, RV/7500322/2023

Verstärkte Mitwirkungspflicht des Zulassungsbesitzers am Verwaltungsstrafverfahren, wenn sich die bekanntgegebenen Lenker in einem ausländischen Kriegsgebiet befinden

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/7500322/2023-RS1
Nach der Rechtsprechung des VwGH verpflichtet die Bezeichnung einer Person als Lenker, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält und deren verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung, aber auch deren Heranziehung zur Mitwirkung an administrativen Ermittlungsverfahren zumindest erheblich erschwert ist, den befragten Zulassungsbesitzer zu einer verstärkten Mitwirkung an dem Verwaltungsstrafverfahren. Die belangte Behörde kann dann, wenn ihr Versuch, mit der als Lenker bezeichneten Person in Kontakt zu treten, scheitert, den Zulassungsbesitzer dazu verhalten, zumindest die Existenz dieser Person und deren Aufenthalt in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt glaubhaft zu machen. Verweigert es der Zulassungsbesitzer grundlos, die Glaubhaftmachung im oben genannten Sinn zu versuchen, wird die belangte Behörde in der Regel berechtigt sein, die Angabe eines im Ausland befindlichen Lenkers als unrichtig zu qualifizieren. Ist der Zulassungsbesitzer dazu grundsätzlich bereit, reichen aber dessen Behauptungen zur Glaubhaftmachung nach Auffassung der belangten Behörde (noch) nicht aus, so hat ihn die belangte Behörde zu zweckdienlichen Ergänzungen zu verhalten und darüber hinaus selbstständige Ermittlungen anzustellen (vgl. ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Erkenntnis in gekürzter Form gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Johann Fischerlehner in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, idF. ABl. der Stadt Wien Nr. 20/2020 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBI. für Wien Nr. 9/2006, in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 71/2018, über die (drei) Beschwerden der Beschuldigten gegen die Straferkenntnisse des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom
1) , GZ. ***1*** (Beschwerde vom ),
2) , GZ. ***2*** (Beschwerde vom ),
3) , GZ. ***3*** (Beschwerde vom ),
4) , GZ. ***4***, (Beschwerde vom ),
5) , GZ. ***5***, (Beschwerde vom ),
6) , GZ. ***6***, (Beschwerde vom ),
7) , GZ. ***7***, (Beschwerde vom ),
8) , GZ. ***8***, (Beschwerde vom ),
nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am um 11:00 Uhr, im Beisein des Schriftführers AD Rudolf Keinberger, zu Recht:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) werden die (drei) Beschwerden als unbegründet abgewiesen und die angefochtenen (acht) Straferkenntnisse des Magistrates der Stadt Wien bestätigt.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG i. V. m. § 24 Abs. 1 BFGG und § 5 WAOR hat die beschwerdeführende Partei einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens [Verfahren 1) bis 7)] in Höhe von jeweils 12,00 Euro, [Verfahren 8) in Höhe von 28,00 Euro] das sind 20% der jeweils verhängten Geldstrafe, zu leisten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens (7 x 12,00 + 1 x 28,00 Euro) sind gemeinsam mit der Geldstrafe (7 x 60,00 + 1 x 140,00 Euro) und dem Beitrag zu den Kosten der belangten Behörde (7 x 10,00 + 1 x 14,00 Euro), insgesamt 756,00 Euro, binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Erkenntnisses an den Magistrat der Stadt Wien zu entrichten.

III. Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG wird der Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde bestimmt.

IV. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Das Gericht erachtet es als erwiesen, dass die Beschwerdeführerin das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen XY (A) in den gebührenpflichtigen Kurzparkzonen am
1) um 09:09 Uhr in Adr1 gegenüber,
2) um 19:09 Uhr in Adr2,
3) um 15:12 Uhr in Adr3,
4) um 16:01 Uhr in Adr4,
5) um 17:44 Uhr in Adr4,
6) um 14:58 Uhr in Adr5,
7) um 14:31 Uhr in Adr4 gegenüber,
8) um 10:54 Uhr in Adr6,
abgestellt hat, ohne jeweils für seine Kennzeichnung mit einem für den (jeweiligen) Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben.

Für diese Bereiche galt jeweils eine ordnungsgemäß kundgemachte flächendeckende Kurzparkzone für die Zeit von
1) Montag bis Freitag (werktags) von 09:00-19:00 Uhr;
2) bis 8) von Montag bis Freitag (werktags) von 09:00 - 22:00 Uhr,
in der zum jeweiligen Beanstandungszeitpunkt Gebührenpflicht bestand.

Nach der Rechtsprechung des VwGH verpflichtet die Bezeichnung einer Person als Lenker, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält und deren verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung, aber auch deren Heranziehung zur Mitwirkung an administrativen Ermittlungsverfahren zumindest erheblich erschwert ist, den befragten Zulassungsbesitzer zu einer verstärkten Mitwirkung an dem Verwaltungsstrafverfahren. Die belangte Behörde kann dann, wenn ihr Versuch, mit der als Lenker bezeichneten Person in Kontakt zu treten, scheitert, den Zulassungsbesitzer dazu verhalten, zumindest die Existenz dieser Person und deren Aufenthalt in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt glaubhaft zu machen. Verweigert es der Zulassungsbesitzer grundlos, die Glaubhaftmachung im oben genannten Sinn zu versuchen, wird die belangte Behörde in der Regel berechtigt sein, die Angabe eines im Ausland befindlichen Lenkers als unrichtig zu qualifizieren. Ist der Zulassungsbesitzer dazu grundsätzlich bereit, reichen aber dessen Behauptungen zur Glaubhaftmachung nach Auffassung der belangten Behörde (noch) nicht aus, so hat ihn die belangte Behörde zu zweckdienlichen Ergänzungen zu verhalten und darüber hinaus selbstständige Ermittlungen anzustellen (vgl. ).

Bei der Feststellung, wer ein Fahrzeug gelenkt hat, handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung iSd § 45 Abs. 2 AVG (vgl. , , ). Gemäß dieser Gesetzesstelle hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Die Beschwerdeführerin legte in der mündlichen Verhandlung acht als Fahrtenbuch bezeichnete Aufzeichnungen vor. Sie räumte ein, dass ein Fahrtenbuch nicht lückenlos geführt wurde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einem Fahrtenbuch, das nicht laufend und lückenlos geführt wird, keine Beweiskraft zu.

Der von der Beschwerdeführerin namhaft gemachte Zeuge bestätigte seine Aussagen vor der Magistratsabteilung 67. Über ausdrückliches Befragen des Richters machte er keine darüber hinaus gehende, konkretere, Angaben über die angeblich stattgefundenen Fahrzeugübergaben. Dies erscheint dem Gericht insofern unplausibel, zumal offenbar von den nur vorübergehend in Österreich aufhältigen Personen keine Sicherheiten bei den angeblichen Fahrzeugübergaben verlangt wurden. Das Gericht geht daher davon aus, dass es sich um eine Gefälligkeitsbestätigung handelt, zumal über den derzeitigen Aufenthalt der angeblichen Lenker im gesamten Verfahren keine weiteren Angaben gemacht wurden.

Eine Glaubhaftmachung der jeweiligen Fahrzeugüberlassung ist der Beschwerdeführerin auch in der mündlichen Verhandlung nicht gelungen.

Daher geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Beschwerdeführerin das Fahrzeug jeweils selbst ohne gültigen Parkschein in der jeweils gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt hatte.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ist somit der Tatbestand der der Beschwerdeführerin jeweils zur Last gelegten Verwaltungsübertretung sowohl in objektiver als auch subjektiver Weise verwirklicht.

Gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 sind Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 365 Euro zu bestrafen.

Bei der Strafbemessung war gemäß § 19 VStG zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführerin der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zu Gute kommt. Dieser Umstand wurde von der belangten Behörde in den Straferkenntnissen 1) bis 8) bereits berücksichtigt. Milderungsgründe sind nicht ersichtlich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Das Bundesfinanzgericht hat am eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und im Anschluss daran das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet. Die Niederschrift über die Verhandlung samt Belehrung nach § 29 Abs. 2a VwGVG wurde den zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen ausgefolgt bzw. nachweislich zugestellt. Ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses nach § 29 Abs. 4 VwGVG wurde innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt.

Das Erkenntnis wird daher gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG in gekürzter Form ausgefertigt.

Kostenentscheidung

Da die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 VStG in Höhe von 10% der Strafen festzusetzen sind (mindestens jedoch mit zehn Euro), wurden sie somit in Höhe von Verfahren 1) bis 7) mit je 10,00 Euro und Verfahren 8) mit 14,00 Euro, korrekt festgesetzt.

Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG ist dieser Betrag für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen.

Die beschwerdeführende Partei hat daher gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG für Verfahren 1) bis 7) je 12,00 Euro und für Verfahren 8) 28,00 Euro, als Kostenbeitrag zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu leisten.

Gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG sind die §§ 14 und 54b Abs. 1 und 1a VStG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 54b Abs. 1 VStG idF BGBl l 2013/33 sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.

Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG hat das Bundesfinanzgericht, soweit dies nicht in der BAO, im ZollR-DG oder im FinStrG geregelt ist, in seiner Entscheidung zu bestimmen, welche Abgabenbehörde oder Finanzstrafbehörde die Entscheidung zu vollstrecken hat.

Hier erweist sich das Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde zweckmäßig, da dem Magistrat der Stadt Wien bereits gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 VVG die Vollstreckung der von den (anderen) Verwaltungsgerichten erlassenen Erkenntnisse und Beschlüsse obliegt (vgl. für viele ausführlich sowie Wanke/Unger, BFGG § 25 BFGG Anm. 6).

Zahlungsaufforderung

[...]

Hinweis zur Unzulässigkeit einer Revision oder Beschwerde

Da dieses Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt wird, ist die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a Abs. 4a VwGG oder die Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gemäß § 82 Abs. 3b VfGG nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 4 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500322.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at