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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.01.2024, RV/7100255/2024

kein Familienbeihilfeanspruch eines Serben für sein Kind, ebenfalls serbische Staatsangehörige - das Kind verfügte über keinen Aufenthaltstitel

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Siegfried Fenz in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 01.2018-11.2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) brachte mittels FON einen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ein und machte u.a. folgende Angaben:
Antragstellerdaten
Staatsbürgerschaft Serbien
Aufenthaltstitel NAG-Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot - Karte plus)
PLZ Wohnort Straße Hausnr. Türnr. ***1...*** Wien …straße …
Gemeldet seit
Kinder
Kind '***Vorname***'
Beantragt wird Familienbeihilfe beantragen
Antrag ab
Antrag bis
Familien- oder Nachname(n) [wie Bf.]
Vorname(n) ***Vorname***
Geburtsdatum … .2008
Staatsbürgerschaft Serbien
Beziehung zum Antragsteller Kind
Leibliches Kind Antragsteller ja
Gleicher Haushalt ja
Wohnt am Familienwohnsitz nein
Art der Tätigkeit Schülerin
Beginn
Art der Einrichtung Gymnasium
Name der Einrichtung/Ausbildungsstätte … Gymnasium
Art des Ausbildungsabschlusses Schulabschlusszeugnis

Das Finanzamt erließ folgenden beschwerdegegenständlichen Bescheid:
Abweisungsbescheid
Ihr Antrag auf Familienbeihilfe, eingebracht am , wird abgewiesen für:
Name des Kindes VNR/Geb.dat. Zeitraum
[Nachname wie Bf.] ***Vorname*** …08 Jän. 2018 - Nov. 2022
Begründung
Ihr Kind hält sich nicht rechtmäßig in Österreich auf. Es besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe (§ 3 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes).
Ihrer Tochter ***Vorname*** wurde eine RWR-Karte Plus von bis ausgestellt.
Für die davorliegenden Zeiträume erfolgte am und am ein Abweisung der Anträge gem. Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz.

Der Bf. erhob Beschwerde mit folgender Begründung:
Mein Kind, [Nachname wie Bf.] ***Vorname*** hat sich entgegen der Begründung im Bescheid seit der ersten Antragstellung auf Aufenthaltsbewilligung rechtmäßig in Österreich aufgehalten.
Das hat der Verwaltungsgericht Wien in seiner Erkenntnis "VGW- 151/074/…95/2022-3" vom anerkannt und ausführlich begründet.
Die Erkenntnis vom Verwaltungsgericht Wien lege ich als Beweismittel bei.
[Anmerkung: Das beigelegte Erkenntnis wird im unten folgenden Erwägungsteil auszugsweise wiedergegeben.]
Deswegen sollte mein Antrag auf Familienbeihilfe rückwirkend mit anerkannt werden. Ich ersuche Sie demzufolge den Abweisungsbescheid vom aufzuheben und den Antrag auf Familienbeihilfe bescheidmäßig ab dem zu bewilligen.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung; dies mit folgender Begründung:
§ 2 FLAG legt die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen fest, unter denen jemand Anspruch auf Familienbeihilfe hat.
§ 3 FLAG stellt ergänzend für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind oder die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaates haben, weitere besondere Voraussetzungen
auf.
§ 3 enthält Regelungen für den Familienbeihilfenbezug durch Fremde und für Fremde, also jeweils durch oder für Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG). § 3 Abs. 2 bezieht sich auf den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelnde Kinder (§ 2), die nicht österreichische Staatsbürger sind.
Das FLAG knüpft hierbei an die Bestimmungen des NAG betreffend die jeweiligen Aufenthaltstitel an, sofern sich aus dem Unionsrecht nichts anderes ergibt.
Fremde haben seit grundsätzlich nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 oder § 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten. Nach der geltenden Rechtslage kommt es nach Abs. 1 und Abs. 2 darauf an, ob für den Anspruchsberechtigten (Abs. 1, und das anspruchsvermittelnde Kind, Abs. 2) ein aufrechter Aufenthaltstitel nach § 8 (oder nach § 9) NAG besteht. Es besteht somit nach geltender Rechtslage kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn kein gültiger Aufenthaltstitel vorliegt, soweit nicht Abs. 3, 4, oder 5 zum Tragen
kommen.
Liegt ein Aufenthaltstitel nach § 8 (oder § 9 NAG) vor, ist es nicht Sache der Beihilfenbehörden, zu prüfen, ob dieser Aufenthaltstitel von der Fremdenbehörde zu Recht oder zu Unrecht erteilt wurde (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Kommentar, § 3 Rz 145-148,
RV/3933 W/08).
Demgemäß ist in gegenständlichem Fall auch nicht vom zuständigen Finanzamt sowie vom Bundesfinanzgericht zu prüfen, ob Familienbeihilfe trotz fehlenden Aufenthaltstitels für einen bestimmten Zeitraum, was beschwerdegegenständlich Streitpunkt ist, gewährt werden könnte, da ein formaler Anknüpfungspunkt ex lege an einen für den jeweiligen Zeitraum fehlenden Aufenthaltstitel iSd NAG § 8 (und § 9) vorliegt, und bei fehlendem Aufenthaltstitel für einen bestimmten Zeitraum eine unabdingbare Voraussetzung für den allfälligen Anspruch auf Familienbeihilfenbezug nicht erfüllt ist, was für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum zutrifft. Das Vorliegen eines aufrechten Aufenthaltstitels nach § 8 NAG ist konstitutiv für den Bezug der Familienbeihilfe (vgl. ,
RV/1133- W/07, Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Rz 145 ff).

Der Vorlageantrag wurde ohne Erstattung eines weiteren Vorbringen eingebracht.

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Der Bf. sowie seine am … .2008 geborene Tochter besitzen beide die serbische Staatsbürgerschaft. Der Vater ist seit tt.mm.2022 rechtskräftig geschieden und ihm wurde die Obsorge für seine Tochter übertragen. Er verfügt für den Beschwerdezeitraum Jänner 2018 bis November 2022 über einen gültigen Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot Karte plus).
Für die Tochter des Bf. wurde am ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (Rot-Weiß-Rot Karte plus) gestellt, der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, MA 35, vom abgewiesen wurde.
Aufgrund der dagegen einbrachten Beschwerde hob das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom den angefochtenen Bescheid auf und erteilte der Tochter des Bf. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot Karte plus (§ 46/1/2)" mit einer Gültigkeitsdauer von 12 Monaten.
Für die Tochter wurden bereits am sowie am Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt, die beide abgewiesen wurden. Sie besucht in Österreich die Schule.
Beweismittel:
Fremdenregisterauszug vom betreffend den Bf. sowie die Tochter des Bf.
Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , GZ: VGW-51/074/…95/2022-3
Stellungnahme:
Gemäß § 3 FLAG besteht für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sich sowohl die anspruchsberechtigte Person, als auch das anspruchsvermittelnde Kind nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Der Anspruch auf Familienbeihilfe setzt somit das Vorliegen eines gültigen Aufenthaltstitels voraus.
Im Beschwerdezeitraum Jänner 2018 bis November 2022 lag zwar für den Bf. ein gültiger Aufenthaltstitel vor, für die Tochter des Bf. wurde der Aufenthaltstitel jedoch erst mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ab Dezember 2022 erteilt.
Gemäß § 20 Abs. 2 NAG beginnt die Wirksamkeit des Aufenthaltstitels bei Erstausstellung mit dem Ausstellungsdatum. Eine rückwirkende Erteilung des Aufenthaltstitels ist nicht vorgesehen. Die bloße Antragstellung oder Antragsbestätigung ist noch kein Aufenthaltstitel iSd § 8 NAG, sondern dieser liegt erst ab Beginn dessen Gültigkeit vor. Erst ab diesem Zeitpunkt ist ein nach § 8 NAG rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich gegeben, der einen Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelt. Das Vorliegen eines aufrechten Aufenthaltstitels nach § 8 NAG ist demnach konstitutiv für den Bezug der Familienbeihilfe (vgl. mwN).
Mangels eines gültigen Aufenthaltstitels der Tochter des Bf. im Beschwerdezeitraum lag daher kein rechtmäßiger Aufenthalt iSd § 3 Abs. 2 FLAG vor und besteht von Jänner 2018 bis November 2022 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Es wird daher seitens des Finanzamtes Österreich beantragt, die Beschwerde vollumfänglich als unbegründet abzuweisen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. und seine Tochter sind serbische Staatsangehörige (FON einen Antrag, Beschwerdevorlage und Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister).

Der Bf. meldete am an einer Anschrift in ***1...*** Wien einen Wohnsitz, einen Hauptwohnsitz, an und ist diese Anmeldung nach wie vor aufrecht, davor hatte er einen in ***1x.*** Wien gemeldet.
Betreffend die Tochter des Bf. ist seit an derselben Anschrift in ***1...*** Wien ein Wohnsitz, ein Hauptwohnsitz angemeldet (Abfragen aus dem Zentralen Melderegister).

Zum Bf.:

Der Bf. war
- vom bis bei einer GmbH mit Wiener Anschrift als Arbeiter,
- vom bis und vom bis bei einer
Gesellschaft mit Wiener Anschrift als geringfügig beschäftigter Arbeiter,
- vom bis "Vollvers. und geringf. Besch. - Arb.",
- vom bis bei einer GmbH mit Wiener Anschrift als
geringfügig beschäftigter Arbeiter und
- vom bis "Vollvers. und geringf. Besch. - Arb."
- vom bis von einer GmbH mit Wiener Anschrift als geringfügig
beschäftigter Arbeiter
und ist
- seit - laufend als gewerbl.selbständig Erwerbstätiger
- seit - laufend bei einer GmbH mit Anschrift in Niederösterreich als Arbeiter
- seit - laufend bei einer GmbH mit Wiener Anschrift als geringf. Beschäft. (Ang.)
bei der Sozialversicherung gemeldet (Sozialversicherungsdatenabfrage).

Das Einkommen des Bf. betrug (vgl. die Einkommensteuerbescheide; Abgabeninformationssystemabfragen)
- im Jahr 2017 € 1.046,26 - der Bescheid wurde am erlassen,
- im Jahr 2018 € 9.272,57 - der Bescheid wurde am erlassen,
- im Jahr 2019 € 20.430,69 - der Bescheid wurde am erlassen,
- im Jahr 2020 € 21.506,12 - der Bescheid wurde am erlassen und
- im Jahr 2021 € 20.070,50 - der Bescheid wurde am erlassen.
Im Jahr 2022 wurden dem Finanzamt steuerpflichtige Bezüge des Bf. wie folgt gemeldet:
84 (1) 0101-3112 G… H… GmbH. 19.428,27 €
84 (1) 1003-3112 S… GmbH 4.708,66 €

Das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister weist (betreffend den Bf.) folgende Aufenthaltstitel aus (Anfrage):
1.
Ausschreibungsart Aufenthaltstitel
Datum der Antragstellung
Erstellungsdatum
tritt außer Kraft am
Kartennummer A…
gilt von
gilt bis
2.
Ausschreibungsart Aufenthaltstitel
Datum der Antragstellung
Erstellungsdatum
tritt außer Kraft am
Kartennummer A…
gilt von
gilt bis
3.
Ausschreibungsart Aufenthaltstitel
Datum der Antragstellung
Erstellungsdatum
tritt außer Kraft am
Kartennummer A…
gilt von
gilt bis
4.
Ausschreibungsart Aufenthaltstitel
Datum der Antragstellung
Erstellungsdatum
tritt außer Kraft am
Aufenthaltszweck Rot-Weiß-Rot - Karte plus
5.
Ausschreibungsart Aufenthaltstitel
Datum der Antragstellung
Erstellungsdatum
tritt außer Kraft am
Aufenthaltszweck Rot-Weiß-Rot - Karte plus
Kartennummer A…
gilt von
gilt bis
6.
Ausschreibungsart Aufenthaltstitel
Datum der Antragstellung
Erstellungsdatum
tritt außer Kraft am
Aufenthaltszweck Rot-Weiß-Rot - Karte plus
Kartennummer A…
gilt von
gilt bis

Zur Tochter des Bf.:

Die Tochter des Bf. absolvierte
- im Schuljahr 2016/17 die 3. Schulstufe einer Wiener Volksschule
(Semesterzeugnis vom , Jahreszeugnis vom ),
- im Schuljahr 2017/18 die 4. Schulstufe einer Wiener Volksschule
(Jahreszeugnis vom ),
- im Schuljahr 2018/19 die 1. Klasse, 5. Schulstufe, eines Wiener Gymnasiums
(Jahreszeugnis vom ),
- im Schuljahr 2019/20 die 2. Klasse, 6. Schulstufe, eines Wiener Gymnasiums
(Jahreszeugnis vom ),
- im Schuljahr 2020/21 die 3. Klasse, 7. Schulstufe, eines Wiener Gymnasiums
(Jahreszeugnis vom ),
- im Schuljahr 2021/22 die 4. Klasse, 8. Schulstufe, eines Wiener Gymnasiums
(Jahreszeugnis vom ).

Mit Urteil vom wurde ***Vorname*** ihrem Vater zur unabhängigen Ausübung der elterlichen Rechte anvertraut und wird das Kind künftig im Haushalt des Vaters den Wohnsitz haben (vorgelegte Übersetzung des Scheidungsurteiles).

Am erkannte das Verwaltungsgericht Wien über die Beschwerde der Tochter des Bf. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom , ZI. MA35-9/3…-03, mit welchem gemäß § 21 Abs. 1 zweiter Satz Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) und § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot Karte plus (§ 46/1/2)" abgewiesen wurde:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid wird aufgehoben. Der Beschwerdeführerin wird ein Aufenthaltstitel für den Zweck "Rot-Weiß-Rot Karte plus (§ 46/1/2)" mit einer Gültigkeit von 12 Monaten erteilt.
Entscheidungsgründe
Nachstehender Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt:
Die mj. BF ist am tt.mm.2008 geboren und serbische Staatsangehörige! Der Reisepass der BF hat eine Gültigkeit bis .
Für die mj. BF wurde am ein Antrag auf "Rot-Weiß-Rot Karte plus (§ 46/1/2)" gestellt, welcher Antrag mit nunmehr angefochtenem Bescheid abgewiesen wurde. Zusammenführende Person ist der Vater, der über Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot Karte plus" verfügt.
Die Eltern der BF sind seit tt.mm.2022 rechtskräftig geschieden. Dem Vater wurde die Obsorge der mj. BF übertragen.
Die BF lebt bei ihrem Vater in der Mietwohnung in 1… Wien, an welcher Anschrift sie aufrecht gemeldet ist. Für die Mietwohnung in einer Größe von ca. 76 m2 mit 3 Zimmern wird vom Vater eine monatliche Miete von 674,87 EUR entrichtet.
Der Vater der BF ist unselbständig erwerbstätig und verdient in zwei Dienstverhältnissen (Hausarbeiter bei G… W… GmbH: 1528,61 EUR und Reinigungskraft bei S… GmbH: 483,51 EUR, zusammengerechnet: 2012,12 EUR. Unter Berücksichtigung des 13./14. Bezuges beträgt das monatliche Einkommen 2347,47 EUR.
Der Vater der BF zahlt eine monatliche Rate von 120,33 EUR.
Die mj. BF ist bei ihrem Vater mitversichert.
Die mj. BF besucht in Österreich die Schule.
Der gegenständliche Antrag wurde am in Serbien gestellt, sodann ist die BF am ein-, am aus-, am ein-, am aus- und am eingereist. Die mj. BF hat unbestritten die sichtvermerkfreie Zeit überschritten.
Im behördlichen Verfahren wurde am ein Zusatzantrag gemäß § 21 Abs. 3 NAG gestellt und zusammengefasst vorgebracht, dass die BF seit acht Jahren in Österreich lebe, hier die Schule besuche und als Minderjährige nicht unbegleitet ausreisen könne. Sie habe mehr als die Hälfte ihres Lebens in Österreich verbracht, zu Serbien bestehe kein Bezug mehr; sie sei bei der Scheidung dem Vater zugesprochen worden und dieser sei allein zur Obsorge berechtigt. Ein Kontakt zur Mutter bestehe nicht, deren Aufenthaltsort sei seit eineinhalb Jahren unbekannt.
Die Feststellungen gründen auf dem Akteninhalt, den Abfragen diverser Datenbanken
(Melde- und Fremdenregister, Sozialversicherung), der Einsichtnahme in die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Urkunden. Dem in beglaubigter Übersetzung vorgelegten rechtskräftigen Scheidungsurteil vom tt.mm.2022 zu Folge wurde dem Vater die alleinige Obsorge übertragen; diese Urkunde wurde im behördlichen Verfahren nicht beigebracht. Nach der in beglaubigter Übersetzung vorgelegten Bescheinigung verfügt der Vater der BF in Serbien über keinen Grundbesitz.
Maßgebliche Rechtsvorschriften:
§ 11 NAG lautet auszugsweise:

Rechtliche Würdigung:
Der Vater der mj. BF verfügt über "Rot-Weiß-Rot - Karte plus".
Der Vater der mj. BF ist geschieden und mit der alleinigen Obsorge der BF betraut. Die BF lebt beim Vater in 1… Wien. Die Wohnung ist ortsüblich. Die mj. BF ist beim Vater krankenversichert.
Der Vater hat aus zwei Dienstverhältnissen unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen ein monatliches Einkommen von 2347,47 EUR. Diesem Einkommen stehen Ausgaben von insgesamt 795,20 EUR gegenüber.
Für den Vater und die mj. BF ist ein Richtsatz von insgesamt 1189,49 EUR heranzuziehen.
Mit dem oben bezifferten Einkommen des Vaters wird nach Abzug der genannten Ausgaben unter Berücksichtigung der sog. freien Station von derzeit 309,93 EUR der gesetzliche Richtsatz erreicht.
Der im Bescheid herangezogene Abweisungsgrund des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG liegt demnach nicht mehr [Hervorhebung, auch nachfolgend, durch den Sachbearbeiter] vor.
In Zusammenhang mit der Überschreitung der sichtvermerkfreien Zeit der BF liegt der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG iVm § 21 Abs. 1 letzter Satz NAG vor.
Der im angefochtenen Bescheid erfolgten Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG ist inhaltlich nur in dem Punkt entgegenzutreten, dass im Beschwerdeverfahren erst zweifelsfrei hervorgekommen ist und festgestellt würde, dass die mj. BF seit der rechtskräftigen Scheidung der Eltern am tt.mm.2022 in der alleinigen Obsorge; des Vaters steht. Mögen die Ein- und Ausreisen der mj. BF - entgegen dem Vorbringen im Verfahren - sehr wohl ein Indiz auf bestehende Kontakte und Bezugnahmen zum Heimatstaat sein, so überwiegt in diesem konkreten Fall, dass die BF in Österreich Schülerin ist, die deutsche Sprache spricht, und nach dem Scheidungsurteil bei ihrem Vater zu wohnen hat. Es hat daher in diesem konkreten Fall die Abwägung in Beachtung des Kindeswohles zugunsten der BF auszugehen.
Da nunmehr das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels als erfüllt anzusehen war, das Erteilungshindernis der überschrittenen sichtvermerkfreien Zeit durch die erfolgte Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG nicht mehr schlagend wird, war spruchgemäß zu entscheiden. Die Dauer der Gültigkeit gründet auf § 20 Abs. 1 NAG.

Am bestätigte das Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium ***Wr.Anschr***, im Schuljahr 2022/23 die 5. Klasse der Schule besucht (vorgelegte Bestätigung).

Das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister weist (betreffend den Bf.) folgende Aufenthaltstitel aus (Anfrage):
1.
Ausschreibungsart Aufenthaltstitel Anfrage
Datum der Antragstellung
Erstellungsdatum
tritt außer Kraft am
Quotenplatz Erstbewilligung Rot-Weiß-Rot - Karte (plus) quotenpflichtig (bis Familiennachzug)
Aufenthaltszweck Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)
Anlass Keine Unterkunft bzw. fehlender
Lebensunterhalt
abgewiesen am
2.
Ausschreibungsart Aufenthaltstitel Anfrage
Datum der Antragstellung
Erstellungsdatum
tritt außer Kraft am
Quotenplatz Erstbewilligung Rot-Weiß-Rot - Karte (plus) quotenpflichtig (bis Familiennachzug)
Aufenthaltszweck Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)
Anlass Keine Unterkunft bzw. fehlender Lebensunterhalt
abgewiesen am
3.
Ausschreibungsart Aufenthaltstitel
Datum der Antragstellung
Erstellungsdatum
tritt außer Kraft am
Quotenplatz Erstbewilligung Rot-Weiß-Rot - Karte (plus) quotenpflichtig (bis Familiennachzug)
Aufenthaltszweck Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)
4.
Ausschreibungsart Aufenthaltstitel
Datum der Antragstellung
Erstellungsdatum
tritt außer Kraft am
Aufenthaltszweck Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)
Kartennummer A…
gilt von
gilt bis

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den jeweils angeführten Grundlagen, den Angaben des Bf. sowie unbedenklichen Abfragen im Abgabeninformationssystem usw. Weiterer Ausführungen zur Beweiswürdigung bedarf es daher nicht.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

§ 3 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 in der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung bestimmt:
Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.

§ 8 NAG in der anzuwendenden Fassung bestimmt:
Abs. 1: Aufenthaltstitel werden erteilt als:
1. Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung oder ein Gutachten gemäß §§ 20d Abs. 1 Z 1 bis 4 oder 24 AuslBG erstellt wurde, berechtigt;
2. Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG berechtigt;
3. Aufenthaltstitel "Blaue Karte EU", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung gemäß § 20d Abs. 1 Z 5 AuslBG erstellt wurde, berechtigt;
4. "Niederlassungsbewilligung", die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt;
5. "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit", die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt;
6. "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger", die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt; die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist nur auf Grund einer nachträglichen quotenpflichtigen Zweckänderung erlaubt;
7. Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments;
8. Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" für die befristete Niederlassung mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" (Z 7) zu erhalten;
9. Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung - Künstler", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung gemäß § 20d Abs. 1 Z 6 AuslBG erstellt wurde, oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt;
10. Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. b, c, d, f, g oder i AuslBG oder § 1 Z 1, 2, 4, 7, 8, 9 oder 12 Ausländerbeschäftigungsverordnung (AuslBVO), BGBl. Nr. 609/1990, vom Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, berechtigt;
11. Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung - Forscher", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit für eine Forschungseinrichtung berechtigt;
12. "Aufenthaltsbewilligung" für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck (§§ 58 bis 69).
Abs. 2:
Der Bundesminister für Inneres legt das Aussehen und den Inhalt der Aufenthaltstitel nach Abs. 1 durch Verordnung fest. Die Aufenthaltstitel haben insbesondere Name, Vorname, Geburtsdatum, Lichtbild, ausstellende Behörde und Gültigkeitsdauer zu enthalten; sie gelten als Identitätsdokumente.
Abs. 3:
Die Aufenthaltsbewilligung (Abs. 1 Z 12) von Ehegatten, eingetragenen Partnern und minderjährigen ledigen Kindern hängt vom Bestehen der Aufenthaltsbewilligung des Zusammenführenden ab (§ 69).
Abs. 4:
Unbeschadet der §§ 32 und 33 ergibt sich der Berechtigungsumfang eines Aufenthaltstitels aus dem 2. Teil.

§ 9 NAG in der anzuwendenden Fassung bestimmt:
Abs. 1:
Zur Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate werden auf Antrag ausgestellt:
1. eine "Anmeldebescheinigung" (§ 53) für EWR-Bürger, die sich länger als drei Monate in Österreich aufhalten, und
2. eine "Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers" (§ 54) für Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind.
Abs. 2:
Zur Dokumentation des unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts werden auf Antrag ausgestellt:
1. eine "Bescheinigung des Daueraufenthalts" (§ 53a) für EWR-Bürger, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, und
2. eine "Daueraufenthaltskarte" (§ 54a) für Drittstaatsangehörige, die Angehörige eines EWR-Bürgers sind und das Recht auf Daueraufenthalt erworben haben.
Abs. 3:
Inhabern von Anmeldebescheinigungen (Abs. 1 Z 1) oder Bescheinigungen des Daueraufenthalts (Abs. 2 Z 1) kann auf Antrag ein "Lichtbildausweis für EWR-Bürger" mit fünfjähriger Gültigkeitsdauer ausgestellt werden. Der Lichtbildausweis für EWR-Bürger, die Aufenthaltskarte und die Daueraufenthaltskarte gelten als Identitätsdokumente. Form und Inhalt der Anmeldebescheinigung, der Bescheinigung des Daueraufenthalts, des Lichtbildausweises für EWR-Bürger, der Aufenthaltskarte und der Daueraufenthaltskarte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

§ 54 AsylG bestimmt:
Abs. 1:
Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werden Drittstaatsangehörigen erteilt als:
1. "Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt,
2. "Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt,
3. "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.
Abs. 2:
Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 sind für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen. Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 1 und 2 sind nicht verlängerbar.
Abs. 3:
Den Verlust und die Unbrauchbarkeit eines Aufenthaltstitels sowie Änderungen der dem Inhalt eines Aufenthaltstitels zugrunde gelegten Identitätsdaten … .
Abs. 4:
Der Bundesminister für Inneres legt das Aussehen und den Inhalt der Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 1 bis 3 durch Verordnung fest. Die Aufenthaltstitel haben insbesondere … zu enthalten; sie gelten als Identitätsdokumente.
Abs. 5:
Die Bestimmungen des 7. Hauptstückes gelten nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Wanke führt im FLAG- Kommentar Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 3, V. Anspruchsvermittelnde nicht österreichische Kinder [Rz 221 - 236] aus:
Der Gesetzgeber verfolgt mit dem FLAG den Zweck, die Last, welche die Betreuung der Kinder verursacht, abzugelten. Das Kind fungiert - abgesehen von den Fällen, bei welchen das Kind selbst anspruchsberechtigt ist - als Vermittler für den Anspruch auf FB. Die FB gebührt bei dieser Konstellation im Anwendungsbereich des § 3 ebenso wie nach den allgemeinen Bestimmungen nicht dem Kind, sondern der Person, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt (vgl ; ). …
B. Rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich
Wird FB für ein Kind beantragt, das ein Fremder ist, muss für dieses Kind ebenfalls der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 8 oder § 9 NAG gegeben sein. Es genügt nicht, dass der Antragsteller über einen Aufenthaltstitel iSd Abs 1 verfügt bzw einen solchen
(EU-/EWR-/SchweizerBürger) nicht benötigt, auch für das Kind muss ein Aufenthaltstitel iSd Abs 2 vorliegen oder dieses muss einen solchen nicht benötigen (*). Art und Gültigkeitsdauer des Titels der Kinder richten sich - wenn diese auch Fremde sind - grundsätzlich nach dem Aufenthaltstitel der Mutter oder eines anderen Familienangehörigen iSd § 2 Abs 3."
* Anmerkung des Sachbearbeiters: einen solchen wegen österreichischer Staatsangehörigkeit eines Elternteils nicht benötigt

Im Erkenntnis vom , RV/7101514/2022, erwog das Bundesfinanzgericht:
In den §§ 8 und 9 NAG sind alle Aufenthaltstitel aufgezählt, die bei Erfüllung aller anderen Voraussetzungen zu einem Bezug von Familienbeihilfe berechtigen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der zitierten gesetzlichen Regelung des § 3 FLAG 1967 ist es seit erforderlich, dass sowohl der anspruchsberechtigte Elternteil als auch das anspruchsvermittelnde Kind bzw. jene Person mit Eigenanspruch über einen dieser Aufenthaltstitel verfügt. …
§ 9 NAG betrifft die Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts.
§ 2 FLAG 1967 legt die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen fest, unter denen jemand Anspruch auf Familienbeihilfe hat.
§ 3 FLAG 1967 stellt ergänzend für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind oder die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaates haben, weitere besondere Voraussetzungen auf. § 3 leg.cit. enthält Regelungen für den Familienbeihilfenbezug durch Fremde und für Fremde, also jeweils durch oder für Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG). § 3 Abs. 2 leg.cit. bezieht sich auf den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelnde Kinder (§ 2), die nicht österreichische Staatsbürger sind.
Das FLAG knüpft hierbei an die Bestimmungen des NAG betreffend die jeweiligen Aufenthaltstitel an, sofern sich aus dem Unionsrecht nichts anderes ergibt.
Fremde haben seit grundsätzlich nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 oder § 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten. Nach der geltenden Rechtslage kommt es nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 FLAG 1967 darauf an, ob für den Anspruchsberechtigten (Abs. 1), und das anspruchsvermittelnde Kind (Abs. 2) ein aufrechter Aufenthaltstitel nach § 8 oder nach § 9 NAG besteht. Es besteht somit nach geltender Rechtslage kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn kein gültiger Aufenthaltstitel vorliegt, soweit nicht Abs. 3, 4, oder 5 zum Tragen kommen.
Im vorliegenden Fall lag unstrittig im Rückforderungszeitraum kein Aufenthaltstitel der Enkeltochter des Bf. vor.
Da die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 FLAG 1967 - neben dem Vorliegen der allgemeinen anspruchsbegründenden Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe - in jedem Fall das Vorliegen von Aufenthaltstiteln gemäß § 8 und 9 NAG sowohl für den Antragsteller als auch das anspruchsvermittelnde Kind verlangen (s. auch die Homepage …www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/familie/familienbeihilfe/familienbeihilfe-fuer-drittstaatsangehoerige.html ), hat dies zur Folge, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe zu verneinen ist, wenn entweder nur der Anspruchsberechtigte oder nur das Kind über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügt (vgl. ; ; ; ; vgl. auch Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Rz 145 ff).
Zufolge der vorstehenden rechtlichen Ausführungen irrt der Bf., wenn er vermeint, dass ihm die Familienbeihilfe im Rückforderungszeitraum zustand, da sich das Aufenthaltsrecht und damit der Anspruch auf Familienbeihilfe vom gültigen Aufenthaltstitel des Kindes ableitet (). Die Erteilung dieses Aufenthaltstitels wirkt ex nunc, d.h. erst ab dem Zeitpunkt der Erteilung und nicht rückwirkend (vgl. mit Hinweis auf ).
Es mag sein, dass sich das Enkelkind des Bf. im Beschwerdezeitraum auf Grund der Bestimmungen des FPG rechtmäßig im Inland aufgehalten hat. Darauf kommt es aber nicht an (vgl. ).
Demgemäß ist in gegenständlichem Fall auch nicht zu prüfen, ob Familienbeihilfe, trotz fehlenden Aufenthaltstitels für einen bestimmten Zeitraum, was beschwerdegegenständlich Streitpunkt ist, gewährt werden könnte, da ex lege ein formaler Anknüpfungspunkt an einen für den jeweiligen Zeitraum fehlenden Aufenthaltstitel iSd NAG § 8 (und § 9) vorliegt, und bei fehlendem Aufenthaltstitel für einen bestimmten Zeitraum eine unabdingbare Voraussetzung für den allfälligen Anspruch auf Familienbeihilfenbezug nicht erfüllt ist, was für den Streitzeitraum Zeitraum zutrifft. Das Vorliegen eines aufrechten Aufenthaltstitels nach § 8 NAG ist konstitutiv für den Bezug der Familienbeihilfe (vgl. ; ; Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Rz 145 ff).
Das Finanzamt forderte daher vom Bf. zu Recht die für den Streitzeitraum bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge zurück.

Im Erkenntnis vom , RV/7101851/2023, erwog das Bundesfinanzgericht:
Verfügen Beihilfewerber und Kind, wenn diese unter § 3 fallen, jeweils über eine derartige gültige Urkunde, sind die Voraussetzungen nach Abs. 1 und 2 gegeben.
Die Beihilfenbehörden haben nicht als Vorfrage (§ 116 BAO) zu prüfen, ob die Voraussetzungen für deren Ausstellung tatsächlich vorgelegen sind, also ob etwa ausreichende Existenzmittel vorliegen (so auch ).
Die Beihilfenbehörde hat daher nicht zu beurteilen, ob ein Aufenthaltstitel nach § 8 oder § 9 NAG von der nach dem NAG jeweils zuständigen Behörde zu Recht oder zu Unrecht erteilt wurde (vgl. auch ; , 2009/09/0233 jeweils zu § 14a AuslBG; anders bspw. die Rechtslage in Bezug auf § 292 Abs 1 ASVG, der auf den "rechtmäßigen, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland" ohne Verweis auf § 8, 9 NAG abstellt, vgl ).
Liegen aufrechte Aufenthaltstitel vor, ist die Voraussetzung des rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich nach Abs. 1 und Abs. 2 für Anspruchswerber und Kind erfüllt und der Anspruch auf FB ist nur mehr nach den allgemeinen Voraussetzungen, die auch für österreichische Staatsbürger gelten, zu beurteilen (, vgl. auch BFH , III R 32/15).

Im Erkenntnis vom , RV/7101658/2017, erwog das Bundesfinanzgericht:
Die bloße Antragstellung oder Antragsbestätigung ist noch kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 8 NAG, ein Aufenthaltstitel im Sinne des § 8 NAG liegt erst ab Beginn dessen Gültigkeit vor. Erst ab diesem Zeitpunkt ist ein nach § 8 NAG rechtmäßiger Aufenthalt der Kinder in Österreich gegeben. (Vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 3 Rz 145 und 155, , , , ).

Im Erkenntnis vom , RV/7103689/2019, erwog das Bundesfinanzgericht:
Wie sich aus den vorangeführten gesetzlichen Bestimmungen ergibt, ist Voraussetzung eines Beihilfenanspruches für eine Person, die nicht österreichischer Staatsbürger ist, dass sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) oder nach § 54 des AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhält oder ihr Asyl nach dem AsylG 2005 gewährt wurde.
Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, müssen dieselben Voraussetzungen erfüllen, um einen Anspruch auf Familienbeihilfe vermitteln zu können.

Die Tochter des Bf. verfügte gemäß den obigen Feststellungen, wie unwidersprochen bereits in der Beschwerdevorentscheidung und der Beschwerdevorlage angeführt, im Streitzeitraum nicht über einen Aufenthaltstitel. Damit ist das Schicksal der Beschwerde gemäß den obigen Rechtsausführungen - wie im Spruch oben auf Seite 1 des Erkenntnisses angeführt - entschieden.

Der Vollständigkeit halber wird ausgeführt:
Im Zeitpunkt der o.a. Aufenthaltstitel- Abweisung am "" (Pkt. 1) waren betreffend den Bf.
- der Einkommensteuerbescheid 2017 vom mit einem Einkommen iHv € 1.046,26 und
- der Einkommensteuerbescheid 2018 vom mit einem Einkommen iHv € 9.272,57
erlassen gewesen (der Einkommensteuerbescheid 2019 mit einem Einkommen iHv € 20.430,69 wurde (erst) am erlassen).

Der im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister angegebene "Anlass … fehlender Lebensunterhalt" steht im Einklang mit dem Einkommen der Einkommensteuerbescheide für 2017 und 2018.

Hiermit stimmt ferner der in der oben wiedergegebenen rechtlichen Würdigung angeführte Umstand überein: "Der im Bescheid herangezogene Abweisungsgrund des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG liegt demnach nicht mehr vor."

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision nicht zulässig. Das Bundesfinanzgericht folgt der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, den angeführten h.a. Erkenntnissen und Literatur.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100255.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at