Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 15.02.2024, RV/7100376/2024

Zurückweisung eines Vorlageantrages gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 264 Abs. 4 lit. e BAO als nicht zulässig wegen nicht rechtswirksam ergangener Beschwerdevorentscheidung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch APP Steuerberatung GmbH, Schenkenstraße 4/6. Stock, 1010 Wien, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2019 und 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 264 Abs. 4 lit. e BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Verwaltungsgeschehen:

Im Anschluss an eine Außenprüfung gemäß den §§ 147 ff BAO erließ die belangte Behörde den Prüfungsfeststellungen folgend Bescheide betreffend Haftung für Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für 2019 und 2020.

Die rechtsfreundliche Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung brachte dagegen unter Berufung auf die ihr gemäß § 77 Abs. 11 WTBG erteilte Vollmacht eine Bescheidbeschwerde ein (Datum des Schriftsatzes , bei der belangten Behörde eingelangt am ), in der sie sich gegen die Haftungsinanspruchnahme hinsichtlich der Lohnsteuer für nachverrechnete Diäten und deren Einbeziehung in die Bemessungsgrundlagen für den Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag wandte. Gleichzeitig beantragte sie auch eine mündliche Verhandlung und eine Entscheidung durch den gesamten Senat § 272 BAO.

Mit Beschluss des [Gerichtes] vom zur Zahl [GZ] wurde über das Vermögen der Beschwerdeführerin ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet, welches mit Beschluss des Gerichtes vom nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans aufgehoben wurde.

Mit der als Beschwerdevorentscheidung intendierten Erledigung vom , die an die Beschwerdeführerin zuhanden der Insolvenzverwalterin adressiert war und dieser laut ihrem Vorbringen erst am per Post zugestellt wurde, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

In dem dagegen gerichteten mit datierten Vorlageantrag (bei der belangten Behörde eingelangt am ) beantragte die Insolvenzverwalterin die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und erklärte sämtliches bisherige Vorbringen in der Beschwerde vom auch zum Inhalt dieser Eingabe.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und wies im Vorlagebericht vom auch darauf hin, dass entsprechend den Ausführungen der Beschwerdeführerin die angefochtenen Bescheide jeweils am zugestellt worden seien, der Poststempel der Beschwerde jedoch den als Aufgabedatum ausweise. Ebenso werde im Vorlageantrag erwähnt, dass die Beschwerdevorentscheidung am zugestellt worden sei, der Poststempel jedoch als Aufgabedatum des Schriftstückes den ausweise. Da der ein Montag war, wären sowohl die Beschwerde als auch der Vorlageantrag verspätet eingebracht worden.

2. Beweiswürdigung:

Das dargestellte Verwaltungsgeschehen ergibt sich aus den oben angeführten Schriftstücken, die sich in dem von der belangten Behörde elektronisch vorgelegten Verwaltungsakt befinden.

3. Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 264 Abs 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Gemäß § 264 Abs. 4 lit e BAO ist § 260 Abs. 1 BAO für Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Gemäß § 264 Abs. 5 BAO obliegt die Zurückweisung nicht zulässiger Vorlageanträge dem Verwaltungsgericht.

Gemäß § 97 Abs 1 erster Satz BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. ; , 2009/16/0260; , Ra 2020/15/0073) wird durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs 2 IO). Der Insolvenzverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Insolvenzmasse - soweit die Befugnisse des Schuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Schuldners im Sinne des § 80 BAO (vgl. ; , 2002/14/0053; sowie Ritz/Koran, BAO7, § 93 Rz 7a).

Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Insolvenzmasse handelt. Die Abgaben sind daher nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter, der insofern den Gemeinschuldner repräsentiert, festzusetzen (vgl. ; , 2006/15/0087; , 2003/17/0339; , 2009/15/0044).

Dies gilt in gleicher Weise für Haftungsbescheide, mit welchem ein Gemeinschuldner zur Haftung für Abgaben herangezogen werden soll (vgl. ).

Während des Insolvenzverfahrens dürfen somit weder Abgabenbescheide noch Haftungsbescheide, mit welchen der Gemeinschuldner zur Haftung herangezogen werden soll, an den Gemeinschuldner gerichtet werden. Eine nach Insolvenzeröffnung an den Gemeinschuldner gerichtete Erledigung geht ins Leere; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Gemeinschuldner noch für den Masseverwalter.

Eine an die Gemeinschuldnerin z.H. der Masseverwalterin adressierte Erledigung ist nicht an die Masseverwalterin, sondern an die Gemeinschuldnerin gerichtet. Durch die bloße Zustellung der an die Gemeinschuldnerin gerichteten Erledigung an die Masseverwalterin ist sie der Masseverwalterin gegenüber jedoch nicht wirksam geworden (vgl. ; , 2006/15/0087).

Ein Vorlageantrag setzt unabdingbar eine Beschwerdevorentscheidung voraus (vgl. z.B. ; , 2006/15/0373;). Vorher gestellte Vorlageanträge sind vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 264 Rz 6).

Da sich der gegenständliche Vorlageantrag gegen eine mangels rechtswirksamer Zustellung rechtlich nicht existent gewordene Beschwerdevorentscheidung richtet und daher nicht zulässig ist, war er gemäß § 260 Abs. 1 lit. a iVm. § 264 Abs. 4 lit. e BAO mit Beschluss (§ 278 BAO) als nicht zulässig zurückzuweisen.

Obliegt die Entscheidung über Beschwerden dem Senat, so können die dem Verwaltungsgericht gemäß § 269 BAO eingeräumten Rechte gemäß § 272 Abs. 4 BAO zunächst vom Berichterstatter ausgeübt werden. Diesem obliegt auch zunächst die Erlassung von Zurückweisungen gemäß § 260 BAO.

Nach § 274 Abs. 3 Z 1 BAO kann der Senat ungeachtet eines Antrages u.a. auch dann von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist. Gleiches gilt nach Abs. 5 leg. cit. auch in den Fällen, in denen die Entscheidung über die Beschwerde dem Einzelrichter obliegt.

Wenn eine Formalentscheidung - wie beispielsweise eine Zurückweisung - zu erfolgen hat, kann daher trotz Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung davon Abstand genommen werden. Ob in diesem Fall eine solche durchgeführt wird, liegt im Ermessen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 274 Rz 12).

Entscheidungen, die nach Ermessen zu treffen sind (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 BAO). Die Ermessensübung hat sich daher vor allem am Zweck der Norm zu orientieren. Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 20 Rz 7).

Die mündliche Verhandlung dient vor allem dazu, den maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären (vgl. ).

Da - wie oben dargestellt- der Vorlageantrag gemäß § 260 Abs. 1 BAO iVm § 264 Abs. 4 lit. e BAO als unzulässig zurückzuweisen ist und die Aktenlage keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine andere Entscheidung getroffen werden könnte, erscheint es zweckmäßig, von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand zu nehmen. Dies ist auch nicht unbillig der Beschwerdeführerin gegenüber, weil ihr nach Erlassung einer rechtswirksamen Beschwerdevorentscheidung (die nach Aufhebung des Sanierungsverfahrens nunmehr wiederum ihr zuzustellen sein wird) über ihre Beschwerde durch die Abgabenbehörde weiterhin die Möglichkeit der Erörterung der Sache im Rahmen einer mündlichen Senatsverhandlung und auch die Erörterung einer gegebenenfalls von der belangten Behörde aufzugreifenden verspäteten Einbringung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzgericht offensteht.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge der Zurückweisung eines unzulässigen Vorlageantrages unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und die Beurteilung der Zulässigkeit eines Vorlageantrages der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt (vgl. ), war die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise







Ritz/Koran, BAO7, § 93 Rz 7a
Ritz/Koran, BAO7, § 264 Rz 6
Ritz/Koran, BAO7, § 274 Rz 7 ff





ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100376.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at