Zuerkennung von Familienbeihilfe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom20. Dezember 2021 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer (Bf) die Zuerkennung von Familienbeihilfe für seine Tochter ***1***, geb. am ***2*** 2002.
Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt Österreich um Vorlage einer Studienbestätigung von ***1***. Am übermittelte der Bf eine Bestätigung der ***3*** (GB), wonach ***1*** von bis Computer Science studiert.
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag auf Familienbeihilfe abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ***1*** ihren ständigen Aufenthalt in Großbritannien innehabe und ihre Tante mit der Obsorge betraut sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Bf mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass ihre Tante schon länger nicht mehr mit der Obsorge betraut sei und, dass der ständige Aufenthalt von ***1*** nicht im Ausland liege.
Mit Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt Österreich den Bf um Bekanntgabe der Anschrift von ***1*** in Großbritannien, um eine Aufstellung der monatlichen Lebenshaltungskosten und wie diese finanziert werden, um den Nachweis der Höhe der monatlichen Unterhaltsleistungen und eines Nachweises des Studienerfolges.
Am übermittelte der Bf Unterlagen, wonach seine Tochter in einem Studentenheim in ***4*** wohne. Die monatlichen Lebenshaltungskosten würden sich auf € 1.200,00 belaufen und mittels Bausparen finanziert. ***1*** sei ausschließlich Studentin, ECTS-Punkte würden an englischen Universitäten erst am Ende des Studiums vergeben.
Mit Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt Österreich den Bf neuerlich um Vorlage von Nachweisen für seine monatlichen Unterhaltszahlungen. Aus den in der Folge übermittelten Unterlagen geht hervor, dass seine Ehegattin ***5*** monatlich etwa € 300,00 an ***1*** überweist.
Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Bf nicht den überwiegenden Teil der Lebenshaltungskosten von ***1*** trage. Es sei auch kein gemeinsamer Haushalt anzunehmen, da ***1*** bereits seit in Großbritannien bei ihrer Tante gelebt habe und dort zur Schule gegangen sei.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ***1*** ein Auslandsstudium von Oktober bis April absolviere und die restliche Zeit im Haushalt des Bf lebe. Die Miete für das Studentenheim und der sonstige Lebensunterhalt würden von ihm und seiner Ehegattin bezahlt. Der Bf übermittelte nochmalig die bereits vorgelegten Überweisungen von ***5***, den Kontostand von dem auf ***1*** lautenden Bausparkonto von € 2.234,66 (Stand 12. Jänner) und € 2.003,73 (Stand ) und eine Aufstellung der Kosten des Studentenheimes, welches ***1*** von bis sowie von bis bewohnte. Bürge für die Zahlung der Mietbeiträge ist der Bf.
Mit Vorlagebericht vom wurde der Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung übermittelt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Tochter des Bf, ***1***, geb. am ***2*** 2002, studiert seit an der ***3*** in ***4*** (Großbritannien) das Bachelorstudium Computer Science.
***1*** bewohnte von bis sowie von bis , somit für 9 bis 10 Monate im Jahr, ein Studentenheim in ***4***. In den Sommerferien hält sich ***1*** an der Wohnadresse des Bf in ***6*** auf. Im Studienjahr 2021/2022 betrug die Miete für das Studentenheim GBP 5.745,66, im Studienjahr 2022/2023 betrug die Miete GBP 3.667,13. Für die Zahlung der Miete bürgt der Bf.
Die Lebenshaltungskosten von ***1*** belaufen sich auf € 1.200,00. Davon werden ca. € 300,00 monatlich von ***5*** an ihre Tochter überwiesen. Ein weiterer Teil wird mittels eines auf ***1*** lautenden Bausparvertrages finanziert.
2. Beweiswürdigung
Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132).
Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten. Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den Angaben des Bf und den von ihm übermittelten Unterlagen.
Das Vorbringen des Bf, ***1*** absolviere das Auslandsstudium nur von Oktober bis April, erachtet das Bundesfinanzgericht als wenig glaubwürdig, zumal das Studentenheim von bis sowie von bis gemietet wurde und auch das Studium bis dauert. Es ist daher als erwiesen anzunehmen, dass ***1*** zumindest 9 Monate pro Jahr in Großbritannien und nur 2 bis 3 Monate in Österreich verbringt.
Zur Kostentragung des Lebensunterhaltes von ***1*** ist zu bemerken, dass der Bf mit Vorhalten vom und aufgefordert wurde, die monatlichen Unterhaltszahlungen nachzuweisen. Folgende Zahlungen (Überweisungen) von ***5*** wurden für den Zeitraum September 2021 bis März 2022 nachgewiesen: Am über GBP 300,00, am 3. November über GBP 200,00, am über GBP 200,00, am über GBP 100,00, am über € 55,00, am über € 150,00, am über € 30,00, am über € 150,00, am über € 450,00, am 8. Februar über € 300,00 und am über € 300,00. Von diesen Zahlungen kann der überwiegende Teil der Lebenshaltungskosten von ***1*** nicht beglichen werden.
Zum Bausparvertrag ist zu bemerken, dass dieser auf ***1*** lautet und damit die volljährige Tochter darüber verfügungsberechtigt ist. Von dem Kontostand von etwas über € 2.000,00 ist der Lebensunterhalt von ***1*** zudem nicht einmal zwei Monate zu finanzieren.
Die Miete für das Studentenheim beläuft sich auf GBP 5.745,66 im Studienjahr 2021/2022 und GBP 3.667,13 im Studienjahr 2022/2023. Eine Zahlung des Bf für diese Beträge konnte nicht nachgewiesen werden, der Bf bürgt lediglich für deren Entrichtung.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 2 Abs.1 lit.b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 2 Abs.2 FLAG hat Anspruch für ein im Absatz 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 2 Abs. 4 FLAG umfassen die Kosten des Unterhalts bei minderjährigen Kindern auch die Kosten der Erziehung und bei volljährigen Kindern, die für einen Beruf ausgebildet oder in ihrem Beruf fortgebildet werden, auch die Kosten der Berufsausbildung oder der Berufsfortbildung.
Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG gehört zum Haushalt einer Person ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c)… .
Einleitend ist unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG festzuhalten, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe primär an die Haushaltszugehörigkeit des Kindes anknüpft (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, VwGH, , 2008/15/0325). Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs. 5 FLAG näher umschrieben; demgemäß kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn-und Wirtschaftsgemeinschaft) an. Dabei geht das Gesetz erkennbar auch davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann.
Der Begriff der Haushaltszugehörigkeit eines Kindes wird von Merkmalen verschiedenster Art geprägt. Die Haushaltszugehörigkeit leitet sich aus dem Zusammenwirken örtlicher Gegebenheiten sowie materieller und immaterieller Faktoren ab. Ein Kind gilt als haushaltszugehörig, wenn es in einem bestimmten Haushalt wohnt, betreut und versorgt wird. Es ist dabei nicht erforderlich, dass das Kind ständig in diesem Haushalt (Familienwohnung) anwesend ist. Sie verlangt jedoch sowohl einen Familienwohnsitz (Haushalt), der vom Elternteil und dem Kind gemeinsam regelmäßig genutzt wird, als auch, dass der Elternteil die Verantwortung für das materielle Wohl (Wirtschaftsführung und Kostentragung) des haushaltszugehörigen Kindes trägt (vgl. ).
Nach § 2 Abs.5 lit.a FLAG gilt die Haushaltszugehörigkeit bei einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb der gemeinsamen Wohnung nicht als aufgehoben. Ungeachtet der faktischen Unmöglichkeit des gemeinsamen Wohnens in diesem Zeitraum stellt das Gesetz bei einer vorübergehenden Abwesenheit die Fiktion auf, dass die Haushaltszugehörigkeit nicht als aufgehoben gilt (vgl. ).
Um ein Kind, das sich außerhalb der gemeinsamen Wohnung der Familie aufhält, noch als haushaltszugehörig ansehen zu können, darf der anderweitige Aufenthalt des Kindes nur ein "vorübergehender" sein (§ 2 Abs. 5 FLAG). Die Ausdrucksweise des Gesetzes lässt erkennen, dass die Abwesenheit von der entstandenen Wohnungsgemeinschaft nur eine zeitlich beschränkte sein darf, und diese zeitliche Beschränkung, damit sie nicht zur Auflösung der Wohnungsgemeinschaft führt, nicht lange Zeit, also nur einen vorübergehenden Zeitraum dauern darf, wie dies bei einer Ausbildung oder Schulbesuch der Kinder (vgl. ) oder einer beruflich bedingten Abwesenheit unter der Woche (vgl. ) der Fall ist, gegeben sein darf. Eine derartige bloß vorübergehende Abwesenheit steht der Annahme eines durchgehend gemeinsamen Haushaltes, für den neben dem gemeinsamen Wohnen vor allem der Gesichtspunkt gemeinsamen Wirtschaftens maßgeblich ist, nicht entgegen. Ein bestehender gemeinsamer Haushalt wird etwa durch gewisse durch Lebensumstände bedingte, auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens (wie etwa Krankenhaus- und Erholungsaufenthalte) nicht beseitigt (vgl. ).
Voraussetzung für die Haushaltszugehörigkeit eines Kindes ist eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft. Unmaßgebend ist hierbei, wer die Mittel für die Führung des Haushaltes zur Verfügung stellt und wer den Haushalt führt. Die Mittel zur Führung des Haushaltes können demnach auch von Personen, die dem Haushalt nicht angehören, oder von dem Kinde selbst stammen. Wohl aber kommt es darauf an, dass über diese Mittel im Rahmen einer einheitlichen Wirtschaftsführung verfügt wird. Die Bedürfnisse des Kindes müssen daher in dieser einheitlichen Wirtschaftsführung entsprechend Berücksichtigung finden. Eine Wohngemeinschaft allein - bei getrennter Wirtschaftsführung - würde daher noch keine Haushaltszugehörigkeit des Kindes zur Folge haben.
Es ist dabei nicht erforderlich, dass das Kind ständig in diesem Haushalt (Familienwohnung) anwesend ist. Sie verlangt jedoch sowohl einen Familienwohnsitz (Haushalt), der vom Elternteil und dem Kind gemeinsam regelmäßig genutzt wird, als auch, dass der Elternteil die Verantwortung für das materielle Wohl (Wirtschaftsführung und Kostentragung) des haushaltszugehörigen Kindes trägt (vgl. ).
Durch einen dreijährigen Aufenthalt der Tochter in Großbritannien verbunden mit der Unterbringung in einem Studentenheim ist die Haushaltszugehörigkeit der Tochter zum Kindesvater aufgelöst. Eine fiktive Haushaltszugehörigkeit nach den Bestimmungen des FLAG ist auch nicht gegeben, da bei einem auf drei Jahre angelegtem Studium weder die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs.5 lit.a FLAG (vorübergehender Aufenthalt außerhalb des Haushaltes), noch jene der lit.b leg. cit., welche sich auf eine auswärtige Berufsausübung, nicht jedoch auf eine Berufsausbildung bezieht, greift (Lenneis/Wanke FLAG, § 2 Rz.147; RV/0073-I/12; ).
Zur Anspruchsberechtigung wegen überwiegender Kostentragung gemäß § 2 Abs.2 Satz 2 FLAG ist zu bemerken, dass der Bf. mit Vorhalten des Finanzamtes Österreich vom und aufgefordert wurde, die monatlichen Unterhaltszahlungen an seine Tochter nachzuweisen.
Nachgewiesen wurden die Überweisungen von etwa € 300,00 monatlich. Wie oben ausgeführt, war in freier Beweiswürdigung vom Nichtvorliegen der überwiegenden Kostentragung auszugehen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich damit nicht als rechtswidrig, die dagegen erhobene Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine derartige Rechtsfrage liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da sich die mangelnde Anspruchsberechtigung der Bf. sowohl aus den Vorschriften des FLAG, als auch der im Erkenntnis zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100233.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at