Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.02.2024, RV/7103808/2023

Kein Beihilfenanspruch, wenn der Verlängerungsantrag für den Aufenthaltstitel zu spät gestellt wird

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum November 2019 bis März 2021 ,SVNr. ***1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge, die die Beschwerdeführerin (Bf.) für ihren Sohn ***4***, geb. ***3***, bezogen hatte mit der Begründung zurückgefordert, dieser halte sich gem. § 3 Abs. 1 FLAG 1967 i.V.m. §§ 8 und 9 Niederlassungs-und Aufenthaltsgesetz nicht rechtmäßig in Österreich auf.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die Beschwerde vom , in der die Bf. vorbrachte, der Verlängerungsantrag von ihr und ihrem Sohn liege dzt. bei der MA 35 zur Bearbeitung und solange liege ein rechtmäßiger Aufenthalt vor.

In der Beschwerdevorentscheidung vom verwies die belangte Behörde darauf, dass nur von bis ein gültiger Aufenthaltstitel vorgelegen sei. Der Antrag auf Verlängerung sei am und somit verspätet gestellt worden, sodass im Rückforderungszeitraum kein gültiger Aufenthaltstitel vorgelegen sei.

Mit Schriftsatz vom stellte die Bf. einen Vorlageantrag, in dem sie folgendes vorbrachte: Im April 2019 sei der Antrag auf einen Aufenthaltstitel gestellt worden, der jedoch nur bis Oktober 2019 erteilt worden sei, da das Gültigkeitsdatum des Reisepasses des Sohnes abgelaufen sei. Dies sei übersehen worden. Daher hätten alle zusammen im April 2020 einen Verlängerungsantrag gestellt, der in Bearbeitung sei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. und ihr Sohn sind iranische Staatsbürger und somit Drittstaatsangehörige.

Die Bf. hatte von bis einen gültigen Aufenthaltstitel.

Der Sohn der Bf. hatte von bis einen gültigen Aufenthaltstitel.

Der Antrag auf Verlängerung beider Aufenthaltstitel wurde am gestellt.

Dass der rechtsgültige Aufenthalt des Sohnes in Österreich bereits am abgelaufen war, wurde von der Bf. erst nachträglich bemerkt.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Nach § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gem. § 24 Abs. 1 3. Satz NAG ist der Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

In den Materialien zur Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket (BGBl. 100/2005) wird zum § 24 NAG ausgeführt, dass mit dieser Bestimmung in einer Zusammenschau von Abs. 1 und 2 Vorsorge für jene Fälle getroffen werden soll, wo das Ende des Aufenthaltsrechtes nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels und die Erledigung des Verlängerungsantrages auch bei rechtzeitiger Antragstellung zeitmäßig auseinanderfallen können, sodass eine Lücke im Aufenthaltsrecht bestehen würde. Die Regierungsvorlage schlägt daher vor, zu normieren, dass der Fremde weiterhin niedergelassen bleibt, bis über den Antrag entschieden wird oder fremdenpolizeiliche Maßnahmen gesetzt werden. Darüber hinaus ist der Regierungsvorlage nichts zu entnehmen, wonach sich in der Zeitspanne zwischen Ablauf des Aufenthaltstitels und der rechtskräftigen Entscheidung am Aufenthaltsstatus etwas ändern sollte (vgl. ; und ).

Die Bf. bestreitet nicht, dass ihr Sohn nur bis Oktober (16.10.) 2019 einen gültigen Aufenthaltstitel hatte und dass der Antrag auf Verlängerung erst im April (am 7.4.) 2020 gestellt wurde. Der Antrag auf Verlängerung wurde somit verspätet gestellt, sodass die Regelung des § 24 Abs.1 3. Satz NAG nicht greift, wonach bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen Verlängerungsantrag weiterhin ein Aufenthaltsrecht in Österreich besteht.

Für den Anspruch auf Familienbeihilfe genügt es nicht, dass nur die Antragstellerin einen gültigen Aufenthaltstitel hat, über diesen muss auch das Kind, für das die Familienbeihilfe beantragt wird, verfügen (vgl. ).

§ 26 FLAG 1967 in der für den Beschwerdezeitraum geltenden Fassung lautet:

§ 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

(2) Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.

(3) Für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe haftet auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat.

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen, Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge.

33 Abs. 3 EStG 1988 lautet:

...

(3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Wenn die Bf. daher vorbringt, sie habe übersehen, dass der Aufenthaltstitel ihres Sohnes nur bis erteilt worden sei, so ändert dies nichts daran, dass mangels gültigen Aufenthaltstitels des Sohnes kein Anspruch auf den Bezug der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge ab November 2019 bestand und diese zurückzufordern waren.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag im gegenständlichen Fall nicht vor. Dass der Bf. Familienbeihilfe im Rückforderungszeitraum nicht zusteht, ergibt sich unmittelbar aus den gesetzlichen Bestimmungen der § 3 Abs. FLAG 1967 und § 24 Abs. 1 3. Satz NAG.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103808.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at