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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.01.2024, RV/7102020/2019

Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides wegen fehlendem Wiederaufnahmegrund

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Dieter Fröhlich über die Bescheidbeschwerde der ehemaligen ***Bf1*** (FN X1), ***Bf1-Adr*** StNr: X2, vom gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung von Einkünften für das Jahr 2012 und das Jahr 2013 sowie gegen die Bescheide über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 2012 und 2013, vom , des Finanzamtes Wien 4/5/10 (nunmehr FA Österreich)

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2012 und das Jahr 2013 vom wird stattgegeben und die Wiederaufnahmebescheide werden ersatzlos aufgehoben.

II. Die Beschwerde gegen die Bescheide über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO vom wird gemäß § 261 Abs. 2 iVm. § 278 Abs. 1 lit. b BAO als gegenstandslos erklärt.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die beschwerdeführende ***Bf1*** (in der Folge Bf. genannt) wurde am gegründet und war im Kleintransportgewerbe tätig. Unbeschränkt haftende Gesellschafterin war K1. Sie hatte die Stellung als Komplementär der beschwerdeführenden Kommanditgesellschaft auf Ersuchen ihres Lebensgefährten K2 angenommen. Außerdem wurde K1 für steuerliche Belange als Vertreter gemäß § 81 BAO namhaft gemacht (Verf 16 v. ). K2 war der einzige Kommanditist der Gesellschaft (Hafteinlage € 1.000) und lt. Gesellschaftsvertrag mit 10% am Gewinn beteiligt.

Tatsächlich wurden die Transportgeschäfte der Bf. von K2 und seinem Verwandten, K3 wahrgenommen. Sie waren die wahrhaften Geschäftsherren dieses Unternehmens. K1 wurde zugesagt, dass K3 statt ihr in die Gesellschaft eintreten werde und sie aus dieser ausscheiden könne. In dieser Absicht gingen die drei Genannten am zum Handelsgericht Wien. Ihre abgegebenen Erklärungen wurden jedoch, unter Umständen auf Grund von Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten in der Weise beim Firmenbuch aufgenommen, dass mit Wirksamkeit vom K3 nicht statt K1 als Komplementär eingetragen wurde, sondern als weiterer unbeschränkt haftender Gesellschafter und K1 ihre Gesellschafterstellung behielt.

Nachweislich hatte K1 ab dem keine Tätigkeiten für die Gesellschaft verrichtet und war der Ansicht, aus dieser Gesellschaft ausgeschieden zu sein.

Anlässlich einer Betriebsprüfung beim Transportunternehmer LE, für den die ***Bf1*** als Subunternehmer tätig geworden ist, wurden dem Wohnsitzfinanzamt mittels Kontrollmitteilung vom Ausgangsrechnungen der Bf. übermittelt. Es handelte sich um fünf Rechnungen im Zeitraum 10-12/2012 (Entgelt gesamt € 128.683 zuzüglich 20% USt € 25.736,75) sowie zwei Ausgangsrechnungen vom Jänner 2013 (Entgelt von gesamt € 33.838,95 zuzüglich ausgewiesener USt € 6.767,78).

Mit Beschluss vom , AZ 6S166/13y, hat das Handelsgericht Wien das Konkursverfahren über das Vermögen der ***Bf1*** eröffnete und RA Mag. D- zum Masseverwalter bestellt.

Bei Aufnahme der Tätigkeit des Masseverwalters waren keine Geschäftsunterlagen vorhanden und gab es keinerlei Gesellschaftsvermögen mehr. Bei der Geschäftsanschrift handelte es sich um die Wohnung von K1. Als wahrer Geschäftsherr ist vom Masseverwalter der (zweite) Komplementär, K3 wahrgenommen worden (Erster Bericht des MV vom ).

Mit Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO vom schätzte das FA wegen Nichtabgabe der Steuererklärung - in Kenntnis der Informationen aus der Kontrollmitteilung vom - die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Bf. für das Jahr 2012 mit € 20.000. Die Einkünfte wurden im Feststellungsbescheid K1 mit € 18.000 (Gewinnanteil 90%) und dem Kommanditisten K2 mit € 2.000 (Gewinnanteil 10%) zugerechnet.

Der frist- und formgerechten Bescheidbeschwerde des Masseverwalters vom gegen den Einkünftefeststellungsbescheid 2012 vom wurde mit BVE vom stattgegeben und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2012 mit Euro 0,00 rechtskräftig festgestellt.

Am übermittelte der Prüfer ergänzend zu der Kontrollmitteilung vom eine Datenkopie aus seiner Prüfsoftware (ACL) über im Jahr 2013 bei LE auf dem Aufwandskonto 5800 verbuchte Fremdarbeiten über gesamt € 380.308,80. Diese auf dem Konto 5800 verbuchten Rechnungen 2013 seien ebenfalls von der Bf. ausgestellt worden.

Das FA nahm in der Folge mit Bescheid vom des Verfahrens betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2012 wegen neu hervorgekommener Tatsachen und Beweismittel wieder auf. Im gleichzeitig erlassenen Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO 2012 wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit € 45.500 geschätzt und im Verhältnis 90:10 auf K1 und die Verlassenschaft nach K2 aufgeteilt. Als Bescheidbegründung - sowohl für die Wiederaufnahme als auch die neue Feststellung der Einkünfte - wurde angeführt, dass die vorliegenden Ausgangsrechnungen der Bf. an LE als Basis für die geänderte Schätzung herangezogen worden seien.

Für das Jahr 2013 lag ebenfalls ein rechtskräftiger Bescheid über die Feststellung der Einkünfte der Bf. gemäß § 188 BAO vom vor, in welchem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit Euro 0,00 festgestellt worden waren. Auch für dieses Jahr erließ das FA einen Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Feststellung der Einkünfte 2013 gemäß § 188 BAO und stellte Einkünfte aus Gewerbebetrieb von € 130.000 fest. Diese Einkünfte wurden ebenso im Verhältnis 90:10 K1 und der Verlassenschaft nach K2 im Feststellungsbescheide zugerechnet.

Zur Begründung wurde in den Bescheiden betreffend das Jahr 2013 angeführt, dass die Wiederaufnahme aufgrund der vorliegenden Ausgangsrechnungen der Bf. an LE erfolgt sei und als Basis für die geänderte Schätzung der Einkünfte diese vorliegenden Ausgangsrechnungen herangezogen worden seien.

Aktenkundig ist, dass dem FA betreffend das Jahr 2012 weder Hinweise auf weitere von der Bf. ausgestellte Rechnungen noch solche Rechnungen selbst vorgelegen sind. Auch für das Jahr 2013 sind dem FA keine weiteren Rechnungen vorgelegen, als jene beiden Fakturen vom Jänner 2013, die bereits mit der Kontrollmitteilung vom übermittelten wurden (vgl. E-Mail vom des Pr., BVE vom , Seite 5).

Gegen die beiden Wiederaufnahmebescheide betreffend die Einkünftefeststellungen 2012 und 2013 sowie gegen die geänderten Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO 2012 und 2013 vom wurde vom Masseverwalter innerhalb der verlängerten Rechtsmittelfrist rechtzeitig und formgerecht Bescheidbeschwerde erhoben.

Am ist der Kommanditist der Gesellschaft K2 verstorben. Die Verlassenschaft war stark überschuldet (Gesamtvermögen, € 164 / Gesamtschulden rd. € 90.000) und es gab keine Erben. Von dem für das Nachlassverfahren nach K2 bestellten Gerichtskommissär wurde mit Beschluss vom der vorhandene Geldbetrag verteilt. Mit diesem Beschluss vom Mai 2015 (Z2) wurde die Verlassenschaft nach K2 ohne einen Rechtsnachfolger beendet.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Wiederaufnahmebescheide betreffend Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für 2012 und 2013 sowie der Einkünftefeststellungsbescheid 2012 als unbegründet abgewiesen.

Der Einkünftefeststellungsbescheid 2013 wurde mit BVE vom abgeändert. Die festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 130.000 wurden anders auf die Anteilinhaber aufgeteilt. Erstmals wurde in der BVE auch der Gesellschafter K3 in den Spruch des Feststellungsbescheides aufgenommen und ihm Einkünfte im Betrag von € 114.033 zugerechnet. Für die Verlassenschaft nach K2 wurde ein Einkünfteanteile von € 12.670 und für K1 ein Einkünfteanteil von € 3.296 festgestellt.

Vom Masseverwalter wurde namens der Bf. fristgerecht der Vorlageantrag vom gegen die BVE betreffend die Wiederaufnahmebescheide und die geänderten Sachbescheide betreffend die Feststellung der Einkünfte 2012 und 2013 eingebracht.

Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde am wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht.

Am wurde in dieser Rechtssache eine Besprechung mit der Amtspartei abgehalten und ein einvernehmliches Ergebnis erzielt. Im Hinblick auf eingetretene Einvernehmen und die damit verbundene Streitbeilegung zwischen den Parteien wurden von der gemäß § 81 BAO vertretungsbefugten Person die Anträge auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit niederschriftlicher Erklärung vom zurückgezogen.

Die Abgabenbehörde anerkannte, dass der in den Wiederaufnahmebescheiden angegebene Wiederaufnahmegrund "neu hervorgekommene Rechnungen der Bf. an LE" betreffend das Jahr 2012 und das Jahr 2013 eindeutig nicht vorgelegen ist. Im Jahr 2012 sind dem FA außer den fünf bereits mit KM vom übermittelten Rechnungen keine weiteren Rechnungen vorgelegen. Zudem gibt es auch im Lichte der ergänzenden E-Mail vom keinen Hinweis, dass im Jahr 2012 weiter Rechnungen von der Bf. ausgestellt worden seien. Im Gegenteil, die E-Mail bestätigt gerade, dass 2012 keine weiteren Rechnungen von der Bf. an LE ausgestellt worden sind. Auf Grundlage der durch die KM vom März 2013 bereits vollständig bekannten Tatsachenlage war die Behörde jedoch nicht berechtigt im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens, ihre im rechtskräftig gewordenen Feststellungsbescheid vom (BVE) vorgenommene Schätzung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Euro 0,00) abzuändern.

Betreffend das Jahr 2013 sind dem FA - entgegen der Behauptung im Wiederaufnahmebescheide ebenfalls keine weiteren Rechnungen - außer den bereits bekannten beiden Rechnungsbelegen vom Jänner 2013 - vorgelegen. Die mit E-Mail vom vom Prüfer übermittelte Aufstellung aus dem Konto 5800 des LE betreffend das Jahr 2013 schafft zwar eine neue Indizienlage, dass von der Bf. möglicherweise weitere Rechnungen an LE ausgestellt worden sind.

Die Bf. wurde zu diesem dem FA nachträglich bekannt gewordenen Beweis "Datenkopie aus dem BH-Konto 5800 des LE betreffend das Jahr 2013" nicht gehört und dieses Beweismittel wurde auch nicht als Wiederaufnahmegrund in den Wiederaufnahmebescheiden angeführt.

Im Rechtsmittelverfahren ist lediglich zu beurteilen, ob der im Wiederaufnahmebescheid angeführte Wiederaufnahmegrund vorliegt und eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigt. Fehlende Wiederaufnahmegründe, hier beispielsweise die Information aus dem Konto 5800 des LE betreffend das Jahr 2013 - können im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden. Die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide sind daher wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Wird der Wiederaufnahmsbescheid aufgehoben (insbesondere im Beschwerdeverfahren, so tritt nach § 307 Abs 3 BAO das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Durch die Aufhebung des Wiederaufnahmsbescheides scheidet somit ex lege der neue Sachbescheid aus dem Rechtsbestand aus ( ; , 2006/15/0353; , 2010/17/0122), der alte Sachbescheid lebt wieder auf (zB , 0017; , 2009/15/0170).

Damit ist der Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2012 vom (BVE) und der Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2013 vom wieder in den Rechtsbestand getreten. Im Einkünftefeststellungsbescheid 2012 vom und im Einkünftefeststellungsbescheid 2013 vom sind jeweils Einkünfte von Gewerbebetrieb von € 0,00 festgestellt worden. Die mit Erkenntnis erfolgten Änderungen der Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO für 2012 und 2013 sind unter den Voraussetzungen des § 295 Abs. 1 iVm § 209a BAO durch entsprechende Änderung der abgeleiteten Einkommensteuerbescheide bei den ehemaligen Gesellschaftern der Bf. von Amts wegen zu berücksichtigen.

Gemäß § 191 Abs. 3 BAO wirken Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO gegen alle, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet werden.

Ist eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid erheben soll, bereits beendet, so hat der Bescheid an diejenigen zu ergehen, denen in den Fällen des § 191 Abs. 1 lit. c BAO gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind (§ 191 Abs. 2 BAO). Die Anordnungen des § 191 Abs. 1 und Abs. 2 gelten auch für Wiederaufnahmebescheide betreffend die dort genannten Feststellungsbescheide und im Rechtsmittelverfahren Erkenntnisse des BFG (VwGH, , 91/14/0140).

Mit der Zustellung dieses Erkenntnisses an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung an alle Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs. 3 und 4 BAO).

Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war, weshalb die Revision für nicht zulässig zu erklären war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102020.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at