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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.01.2024, RV/7100785/2021

Haftungsbescheid: Gleichbehandlungsnachweis nicht iSd Judikatur

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Gerhard Groschedl, die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. FH Oliver Bruckner und Mag. Ulrike Richter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Eurovest Steuerberatung GmbH, Augasse 9/12, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Inanspruchnahme zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 1/23 vom der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Firma A-GmbH in Adresse1 FN **1**, gemäß §§ 9, 80 ff BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der GmbH im Ausmaß von € 23.944,63 in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Die Haftung werde hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:

Abgabenart Zeitraum Rückstand in Euro

Umsatzsteuer 04/16 1.142,51
Umsatzsteuer 05/16 2,071,11
Umsatzsteuer 06/16 1.994,00
Umsatzsteuer 07/16 2.468,23
Umsatzsteuer 10/16 26,34
Umsatzsteuer 11/16 4.327,92
Umsatzsteuer 12/16 1.268,28
Lohnsteuer 05/16 1.046,88
Lohnsteuer 06/16 1.624,65
Lohnsteuer 07/16 1.228,94
Lohnsteuer 08/16 1.228,94
Lohnsteuer 12/16 1.228,94
Lohnsteuer 01/17 1.228,94
Dienstgeberbeitrag 05/16 397,56
Dienstgeberbeitrag 06/16 856,64
Dienstgeberbeitrag 07/16 397,56
Dienstgeberbeitrag 08/16 397,56
Dienstgeberbeitrag 12/16 394,56
Dienstgeberbeitrag 01/17 362,22
Dienstgeberzuschlag 05/16 35,34
Dienstgeberzuschlag 06/16 76,15
Dienstgeberzuschlag 07/16 35,34
Dienstgeberzuschlag 08/16 35,34
Dienstgeberzuschlag 12/16 35,34
Dienstgeberzuschlag 01/17 35,34
Summe 23.944,63

Als Begründung wurde nach Darstellung der §§ 9 und 80 BAO Folgendes ausgeführt:

"Die im Rückstand ausgewiesenen Abgabenschuldigkeiten sind nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselt. Bei den angeführten Abgabenschuldigkeiten handelt es sich um selbst gemeldete Selbstbemessungsabgaben. Durch die Selbstbemessung wurde die Rechtswirkung der Abgabenfestsetzung geschaffen ().

Der Rückstand besteht infolge Nichtentrichtung der im Zeitraum bis fällig gewordenen Abgaben. Sie waren im Zeitraum vom - zum Geschäftsführer, und damit zum Vertreter der abgabenschuldnerischen Firma A-GmbH bestellt und daher gemäß § 18 GmbHG zur Vertretung der Gesellschaft berufen.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , AZ **2**, wurde das am über das Vermögen der Gesellschaft eröffnete Insolvenzverfahren nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben. Mit Beschluss vom tt.09.2019 erfolgte wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG die Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch. Der Rückstand ist daher beim Primärschuldner als uneinbringlich anzusehen.

Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuß unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 UStG selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Daraus folgt: Die zu den Selbstbemessungsabgaben zählende Umsatzsteuer ist vom Abfuhrpflichtigen selbst zu berechnen und zu entrichten, ohne dass eine vorherige abgabenbehördliche Tätigkeit wie etwa die bescheidmäßige Festsetzung abgewartet werden darf.

Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftenden Lohnabgaben ist Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Gemäß § 79 Abs. 1 EStG hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag abzuführen. Gleiches gilt auch für den Dienstgeberbeitrag und Dienstgeberzuschlag.

Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Wird in einem solchen Fall die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen (vgl. ZI. 2001/15/0187).

Mit Schreiben vom Steuernummer: **3** wurden Sie aufgefordert, darzulegen, dass Sie ohne Ihr Verschulden gehindert waren, für die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu sorgen. Sie Sind dieser Aufforderung- sohin Ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu Ihrer Entlastung darzutun - trotz mehrmaliger Fristverlängerungen - nicht ausreichend nachgekommen. Die höchstgerichtliche Judikatur geht davon aus, dass der Vertreter, der auf Grund gesetzlicher Bestimmungen abgabenrechtliche Pflichten zu erfüllen hat, diesen ihm obliegenden Pflichten aber nicht nachkommt, einer besonderen Darlegungspflicht unterliegt.

Es trifft ihn die Beweislast, nämlich die besondere Verpflichtung, "darzutun", aus welchen Gründen ihm die Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, er wäre seinen Pflichten schuldhafterweise nicht nachgekommen (vgl. und , 2002/16/0168). Nachweise einer erfolgten Gläubigergleichbehandlung (für das Fehlen einer diesbezüglichen Pflichtverletzung) haben sie im Zuge des Haftungsvorverfahrens nicht erbracht.

Es steht somit fest, dass Sie der Verpflichtung, als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft, für die Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Abgaben zu sorgen, zumindest leicht fahrlässig und damit schuldhaft im Sinne des § 9 BAO nicht nachgekommen sind.

Es wird darauf hingewiesen, dass sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes und Barzahlung von Wirtschaftsgütern erforderlich sind, bezieht, (vgl. ).

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd. § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls.

Die Geltendmachung der Haftung stellt im vorliegenden Fall die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, zumal der haftungsgegenständliche Rückstand bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden kann. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (vgl. E ). Letzteres steht hier fest. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Dagegen wurde nach Fristverlängerungsansuchen am (via Finanzonline) bzw. mit Schreiben vom zu den Haftungsbescheiden gegen den Bf. sowie **A** **B** für beide Beschwerde eingebracht und - soweit es den Bf. betrifft - wie folgt ausgeführt:

"Im Haftungsbescheid vom wird darauf hingewiesen, dass auf die Aufforderung vom des Finanzamtes nicht ausreichend nachgekommen wurde. Am wurde von Hr. ***Bf1*** und Hr. **B** eine Stellungnahme mit mehreren Anlagen an das Finanzamt übermittelt. Dieses Schreiben beinhaltete folgende Punkte:

-) Darstellung der Notwendigkeit des Konkurses

-) Liquiditätsaufstellung betreffend der Fälligkeitszeitraumes 10/2016 bis 1/2017

-) Saldenlisten der Firma A-GmbH 06/2016 bis 12/2016

-) Aufstellungen Zahlungen 2016

Als Nachweis einer erfolgten Gläubigergleichbehandlung verweisen wir nochmals auf die von uns vorgelegte Liquiditätsaufstellung. Zusätzlich zu den schon vorgelegten Unterlagen übermitteln wir Ihnen folgende Unterlagen die den ausreichenden Nachweis der Gläubigergleichbehandlung belegen soll:

[...]

Diese Belege sollen unsere angefertigten Aufstellungen Belegmäßig dokumentieren, so dass ein glaubhafter und ausreichender Nachweis vorliegt.

Leider war es uns nicht möglich einen Auszug von der GKK zu erhalten. Innerhalb von zwei Wochen ist es nicht gelungen die Beitragsnummer der GKK Ober das WEBIKU zugänglich zu machen, bzw uns einen Auszug zu übermitteln, welches auf Grund der DSGVO nicht mehr möglich ist. Die GKK erkundigt sich zur Zeit rechtlich, wie uns diese Unterlage zur Verfügung gestellt werden kann. Als Nachweis übermitteln wir Ihnen ein Schreiben von der WGKK vom , wo die nicht beglichenen Beiträge ersichtlich sind (Beilage). Zusätzlich übermitteln wir Ihnen die UVA Aufstellung und den Buchungsbeleg der Lohnverrechnung, in denen die Abgaben der WGKK und des Finanzamtes für das Jahr 2016 ersichtlich sind (Beilagen).

Sicherheitshalber fügen wir diesen Schreiben noch einmal das Schreiben vom bei, in dem unseres Erachtens eine ausführliche Darstellung beinhaltet.

Unseres Erachtens ist aus all diesen Unterlagen ersichtlich, dass das Finanzamt als Gläubiger nicht benachteiligt wurde.

Festhalten möchten wir noch, dass Hr. **B** und Hr. ***Bf1*** im Oktober 2016 die Firma A-GmbH übernommen haben. Zum damaligen Zeitpunkt war die Firma kurz vor einer Insolvenz. Die beiden Herren haben sich entschieden, die Firma mit neuem Kapital auszustatten und durch neue Geschäftsfelder zu sanieren. Leider ist dies nicht gelungen, sodass dann im Jahr 2017 der Konkurs angemeldet werden musste. Das eingesetzte Kapital, welches in Form von Darlehen in die Firma geflossen ist, wurde als Totalverlust abgeschrieben. Darüberhinaus haben sich Hr. ***Bf1*** und Hr. **B** nie in Ihrer Funktion als Geschäftsführer ein Geschäftsführerbezug verrechnet bzw. ausbezahlt."

Mit E-Mail vom wurde der angeforderte Kontoauszug der Firma A-GmbH 2016 und 2017 nachgereicht.

Mit Beschwerdevorentscheidung des nunmehr zuständigen Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt führte u.a. Folgendes aus:

"Das mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , AZ **2**, über das Vermögen der abgabenschuldnerischen Gesellschaft eröffnete Konkursverfahren wurde nach Verteilung an die Massegläubiger am aufgehoben. Die amtswegige Löschung der GmbH im Firmenbuch (gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit) erfolgte am tt.09.2019. Damit steht die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin fest.

(…)

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da die Primärgesellschaft am tt.09.2019 wegen Vermögenslosigkeit bereits von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht wurde.

Unbestritten ist auch, dass dem Bf. in der Zeit vom bis als Geschäftsführer der Firma A-GmbH die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Dem Beschwerdevorbringen bzw. der Vorhaltebeantwortung ist zu entnehmen, dass der Bf. sämtliche Lohnverrechnungs- und Buchhaltungsarbeiten samt Meldungen bis zur Konkurseröffnung pflichtbewusst durchgeführt habe. Der Bf. habe in seiner Funktion als Geschäftsführer alle Verbindlichkeiten gegenüber den Abgabenbehörden, soweit es dem Unternehmen möglich gewesen sei, bedient. Im Dezember 2016 sei es dann zu Zahlungsschwierigkeiten gekommen, weshalb keine Zahlungen an das Amt mehr durchgeführt werden konnten. Aufgrund der schlechten Auftragslage konnten die Gläubiger nicht mehr bedient werden. In diesem Zeitraum sei es zu keiner Gläubigerbevorzugung gekommen. Aus diesem Grund liege auch keine schuldhafte Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten vor.

Hinsichtlich der Lohnsteuer ist auf die geltende Rechtslage zu verweisen. Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Der Arbeitgeber hat nach § 78 Abs. 3 EStG dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und zu entrichten. Wird in einem solchen Fall die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen, (vgl. ).

Das Vorbringen, der Bf. habe nicht schuldhaft gehandelt, geht daher insoweit ins Leere. Die Haftung für nicht abgeführte Lohnsteuer war in voller Höhe auszusprechen.

Betreffend die Umsatzsteuer und anderen haftungsgegenständlichen Abgaben (ausgenommen Lohnsteuer) haftet der Vertreter nach § 9 BAO in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter (vgl. ).

Sofern die Firma A-GmbH zu den jeweiligen Fälligkeiten der haftungsgegenständlichen Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, ist für die Befreiung von der Haftung der Nachweis zu erbringen, dass innerhalb des Beurteilungszeitraums (zur Zeitraumbetrachtung siehe z.B. ; , RV/1907-W/07; , RV/1409-L/07; ) die Abgabenbehörde nicht schlechter behandelt wurde als andere Gläubiger. Der Nachweis gilt als erbracht, wenn im periodenübergreifenden Beurteilungszeitraum das Verhältnis aller Zahlungen auf die insgesamt fälligen Verbindlichkeiten ("allgemeine Zahlungsquote") dem Verhältnis der Zahlungen auf die insgesamt fälligen Zahlungsverbindlichkeiten des Finanzamtes ("Finanzamt-Zahlungsquote") entsprochen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Vertreters (Geschäftsführer, Vorstand), darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen hat, insbesondere nicht Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf.

Hat der Vertreter (Geschäftsführer, Vorstand) schuldhaft seine Pflicht, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, verletzt, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. ). Der Vertreter haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (vgl. ).

Darüber hinaus lastet auf dem Vertreter auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (vgl. ).

Die Behörde ist nicht verpflichtet, die Beachtung des Gleichbehandlungsgebots von Amts wegen zu prüfen, also zum Beispiel anhand eines vorgelegten Konvoluts an Buchhaltungsunterlagen von sich aus ermitteln zu müssen, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Verfügung über die Gesellschaftsmittel eingehalten wurde (vgl. ). Die Abgabenbehörde ist auch nicht gehalten, im Wege einer Schätzung auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung zu schließen, wenn dazu kein konkretes Vorbringen erstattet wird (vgl. ).

Sofern die Firma A-GmbH bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der haftungsgegenständlichen Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, ist der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen, und zwar durch Darstellung der tatsächlich vorhandenen Mittel sowie der aliquoten Mittelverwendung. In dieser Aufstellung müssen alle damaligen Gläubiger der Firma A-GmbH (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein.

Außerdem sind alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüber zu stellen. Weiters ist rechnerisch darzustellen, in welchem prozentuellen Ausmaß durch Zahlungen die jeweils fälligen Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen (übrigen) Gläubigern reduziert wurden. Diese Tilgungsquoten sind dann der an das Finanzamt geleisteten Quote gegenüberzustellen.

In die rechnerische Darstellung des Nachweises (Verhältnisrechnung) ist einzubeziehen:

• die gesamte Einnahmensituation (),

• die gesamte Liquiditätssituation ()

• die freiwillig geleisteten Zahlungen (),

• die im Wege der Exekution entrichteten Beträge (),

• die Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind (etwa sog. Zug-um-Zug-Geschäfte: )

• die von der Gesellschaft getätigten "systemerhaltenden" Ausgaben (zB Barzahlung neuer Materialien: ).

Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen genügt zur Haftungsbefreiung keinesfalls. Die in der Beschwerde angeführten Aufstellungen und Unterlagen reichen jedenfalls nicht aus, um den erforderlichen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen. Dazu wäre eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten (siehe obige Aufgliederung) gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen zu übermitteln gewesen, in der alle damaligen Gläubiger der Firma A-GmbH (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen enthalten sind. Außerdem wäre rechnerisch darzustellen gewesen, in welchem prozentuellen Ausmaß durch Zahlungen die jeweils fälligen Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen (übrigen) Gläubigern reduziert wurden.

Der Bf. hat seine Obliegenheit, darzutun, dass er den Abgabengläubiger nicht schlechter als andere Gläubiger behandelt hat und ihn daher kein Verschulden treffe, nicht erfüllt. Er hat somit den Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, nicht angetreten."

Im Vorlageantrag vom wurden (zu beiden Haftungspflichtigen) weitere Unterlagen vorgelegt und die Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung beantragt. Wörtlich wurde zusätzlich wie folgt ausgeführt:

"Im vorliegenden Fall wurde der Nachweis mit der Übermittlung sämtlicher Unterlagen (Buchhaltung, Bankauszüge, Kontoauszüge Finanzamt, Kontoauszüge GKK, Aufstellung sämtlicher Zahlungen, Aufstellung sämtlicher Verbindlichkeiten).

Zusätzlich legen wir diesem Schreiben, eine ausführlichere monatliche Aufstellung aller Verbindlichkeiten, ab dem , bei wo auch ersichtlich ist, dass sich die Quoten der Verbindlichkeiten kaum verändern.

Der Sachverhalt der Gläubigerbenachteiligung wurde auch von Seiten der ÖGK (vormals Gebietskrankenkasse) geprüft und von einem Haftungsbescheid Abstand genommen.

Ein Kontoauszug der ÖGK wurde am per Mail an Hr. **C** nachgereicht.

Hinsichtlich der Lohnsteuer möchten wir darauf hinweisen, dass die einbehaltene Lohnsteuer in voller Höhe an die Abgabenbehörde entrichtet wurde. Aufgrund der automatischen Zuordnung des Finanzamtes wurde der überwiesene Betrag gegen älter Verbindlichkeiten ausgebucht. Im angesprochenen Zeitraum wurden EUR 19.000 an das Finanzamt überwiesen. In diesem Betrag sind sämtliche einbehaltene Lohnsteuern inbegriffen."

Das Bundesfinanzgericht ersuchte den Beschwerdeführer iHa die zwischenzeitlich ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur zeitraumbezogenen Berechnung der Gläubigergleichbehandlung um Vorlage einer dieser Judikatur folgenden Liquiditätsaufstellung und Gleichbehandlungsberechnung.

Mit Schreiben vom ersuchte der neu bestellte steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers um Fristverlängerung zur Erstattung der abverlangten Stellungnahme bis .

Mit der am eingelangten Stellungnahme vom brachte der Beschwerdeführer eine Aufstellung bei, aus der ersichtlich sei, dass die Quote des Abgabenrückstandes am 29,67% an den Gesamtverbindlichkeiten und per 27,20% betragen habe; somit sei im maßgeblichen Zeitraum keine Schlechterstellung des Finanzamts erfolgt. Wörtlich heißt es weiter:

"2. Erweitert man den Betrachtungszeitraum bis , zeigt sich, dass zu diesem Stichtag die Quote der Abgabenbehörde an den Gesamtverbindlichkeiten 20,16% betrug. Soweit diese Verschlechterung nicht durch notwendige Zug-um-Zug-Geschäfte begründet war, ergäbe sich daher eine Schlechterstellung der Abgabenbehörde um 7,04%. Da eine Inanspruchnahme zur Haftung nur in Höhe der Schlechterstellung der Abgabenbehörde erfolgen darf, wäre somit die Inanspruchnahme zur Haftung mit 7,04% von € 80.078,08, also € 5.637,49 zu begrenzen.

3. Wie im Vorlageantrag ausgeführt, wurden die Lohnabgaben mit Verrechnungsweisung zur Gänze beglichen, aber scheinbar am Abgabenkonto abweichend verbucht. Dieser Umstand ändert natürlich nichts an der Höhe des Rückstandes, aber an der Zusammensetzung der Abgabenschuldigkeiten."

Da für den Beschwerdeführer unklar war, ob auch sämtliche im Zuge der Beschwerde bzw. des Vorlageantrags vorgebrachten Argumente und Beilagen im Akt aufliegen, wurde nochmals eine Kopie der Eingaben mit gesamten Beilagen an das Bundesfinanzgericht übermittelt

Am fand die beantragte mündliche Senatsverhandlung im Bundesfinanzgericht statt, bei der insbesondere die vorgelegte Berechnung erörtert wurde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war von bis selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Firma A-GmbH (im Folgenden: Primärschuldnerin), über deren Vermögen am das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Gesellschaft wurde am wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.

Neben dem Beschwerdeführer war im besagten Zeitraum auch **A** **B** selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der genannten Gesellschaft. Eine Aufteilung zwischen den beiden Geschäftsführer bestand nicht. Auch **A** **B** wurde von der belangten Behörde zur Haftung herangezogen; das Beschwerdeverfahren dazu ist beim BFG zZ RV/7100593/2021 anhängig.

Mit angefochtenem Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer die Haftung für folgende Abgaben, die im Zeitraum bis fällig waren und von der Primärschuldnerin nicht entrichtet wurden, geltend gemacht:

Abgabenart Zeitraum Rückstand in Euro

Umsatzsteuer 04/16 1.142,51
Umsatzsteuer 05/16 2,071,11
Umsatzsteuer 06/16 1.994,00
Umsatzsteuer 07/16 2.468,23
Umsatzsteuer 10/16 26,34
Umsatzsteuer 11/16 4.327,92
Umsatzsteuer 12/16 1.268,28
Lohnsteuer 05/16 1.046,88
Lohnsteuer 06/16 1.624,65
Lohnsteuer 07/16 1.228,94
Lohnsteuer 08/16 1.228,94
Lohnsteuer 12/16 1.228,94
Lohnsteuer 01/17 1.228,94
Dienstgeberbeitrag 05/16 397,56
Dienstgeberbeitrag 06/16 856,64
Dienstgeberbeitrag 07/16 397,56
Dienstgeberbeitrag 08/16 397,56
Dienstgeberbeitrag 12/16 394,56
Dienstgeberbeitrag 01/17 362,22
Dienstgeberzuschlag 05/16 35,34
Dienstgeberzuschlag 06/16 76,15
Dienstgeberzuschlag 07/16 35,34
Dienstgeberzuschlag 8/16 35,34
Dienstgeberzuschlag 12/16 35,34
Dienstgeberzuschlag 01/17 35,34
Summe 23.944,63

Die Abgaben sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

Der Beschwerdeführer hat weder einen tauglichen Gläubigergleichbehandlungsnachweis noch eine Liquiditätsrechnung erbracht.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den im Akt aufliegenden Unterlagen, insbesondere dem Firmenbuchsauszug zur Primärschuldnerin zu FN **1**, wobei die einzelnen Feststellungen insbesondere auf den jeweils genannten bzw. angeführten Beweismitteln wie zB dem Haftungsbescheid gründen.

Dass der Beschwerdeführer zusammen mit einem zweiten Geschäftsführer tätig war, ergibt sich zum einen aus dem Firmenbuch, aber auch aus der Ausführung des steuerlichen Vertreters in der mündlichen Verhandlung, wonach es eine Aufteilung zwischen den beiden Geschäftsführern nicht gegeben habe. In die im Parallelverfahren zu RV/7100593/2021 vorgelegten Unterlagen wurde überdies Einsicht genommen.

Dass die Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind, ergibt sich schon aus deren Löschung im Firmenbuch.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keinen tauglichen Gleichbehandlungsnachweis bzw. keine Liquiditätsrechnung vorgelegt hat, gründet auf dem Umstand, dass er trotz mehrmaliger Aufforderung nicht in der Lage war, eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen zu übermitteln, in der alle damaligen Gläubiger der Firma A-GmbH (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen enthalten gewesen wären. Die vorgelegte rechnerische Darstellung wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert und auf die Widersprüche in Zusammenhang mit den vorgelegten Saldenlisten und dem Fehlen der Darstellung der liquiden Mittel hingewiesen. Von Seiten der steuerlichen Vertretung erfolgte keine Aufklärung in dieser Hinsicht.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Rechtslage und Judikatur

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 20 BAO lautet:

"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 224 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."

§ 248 BAO lautet:

"Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß."

3.1.2. Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO

Nach der im Folgenden näher dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass

1. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),

2. eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht (Uneinbringlichkeit),

3. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und

4. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).

3.1.2.1. Zur Vertreterstellung

Der Beschwerdeführerin war im haftungsrelevanten Zeitraum wie festgestellt handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO.

Zu seinen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und insbesondere für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ; , 2006/13/0121; , 2008/15/0085).

3.1.2.2. Zur Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die verfahrensgegenständlichen Abgaben sind bei der Primärschuldnerin wie festgestellt uneinbringlich, da sie mittlerweile wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch amtswegig gelöscht wurde. Die Abgaben haften noch unberichtigt am Abgabenkonto offen aus.

3.1.2.3. Zum Verschulden

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Dabei kommt es für den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht nur auf die liquiden Mittel zum Fälligkeitstag an, die den an diesem einen Tag jeweilig fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen sind, weil eine derartige Betrachtung für nur einen einzigen Tag im Monat ohne Berücksichtigung der vorhandenen liquiden Mittel für die Zeiträume nach der Fälligkeit der Abgaben keinen Nachweis über eine Gläubigergleichbehandlung geben kann (). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben ().

Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter nur deswegen haftet, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat ().

Der Vertreter erfährt somit nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (). Hat der Geschäftsführer aber nicht dargetan, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen (). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (). Dem Vertreter obliegt es, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen.

Da der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, dem Beschwerdeführer oblag (vgl. zB sowie zuletzt ), wurde er von der Abgabenbehörde, aber auch nochmals vom Bundesfinanzgericht detailliert aufgefordert, u.a. zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben eine Aufstellung sämtlicher Gläubiger, der auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen sowie aller verfügbar gewesenen liquiden Mittel beizubringen.

Mit Schriftsatz vom hat der Beschwerdeführer (erneut) den Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung versucht, in dem er eine Aufstellung vorlegte, aus der sich nach seiner Berechnung eine Quote des Abgabenrückstandes "am (von) 29,67% an den Gesamtverbindlichkeiten und per 27,20%," ergebe. Somit sei "im maßgeblichen Zeitraum keine Schlechterstellung des Finanzamts" erfolgt. Erweitere man den Betrachtungszeitraum bis , zeige sich, "dass zu diesem Stichtag die Quote der Abgabenbehörde an den Gesamtverbindlichkeiten 20,16% betrug. Soweit diese Verschlechterung nicht durch notwendige Zug-um-Zug-Geschäfte begründet war, ergäbe sich daher eine Schlechterstellung der Abgabenbehörde um 7,04%." Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei somit die Inanspruchnahme zur Haftung mit 7,04% von € 80.078,08, also € 5.637,49 zu begrenzen. Weiters führte der Beschwerdeführer ins Treffen, dass die gegenständlichen Lohnabgaben mit Verrechnungsweisung zur Gänze beglichen worden seien, aber wohl am Abgabenkonto abweichend verbucht worden seien. Dieser Umstand ändere "natürlich nichts" an der Höhe des Rückstandes, aber an der Zusammensetzung der Abgabenschuldigkeiten.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Beschwerdeführer die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes danach bestimmt, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären.

Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (). Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wurde ().

Der Unternehmer hat gem. § 21 Abs. 1 UStG 1994 spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 UStG 1994 und des § 16 UStG 1994 selbst zu berechnen und zu entrichten hat.

Die Nichtentrichtung der Umsatzsteuern bei deren Fälligkeit jeweils am 15. des zweitfolgenden Monats ("Fälligkeitstag", § 21 Abs. 1 UStG 1994) stellt demnach eine schuldhafte Pflichtverletzung dar. Auch durch eine allfällige Nachforderung auf Grund eines Veranlagungsbescheides wird keine davon abweichende Fälligkeit begründet (§ 21 Abs. 5 UStG 1994; ).

Der Dienstgeberbeitrag ist gem. § 43 Abs. 1 FLAG für jeden Monat bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Monats an das Finanzamt zu entrichten.

Der zu entrichtende Umlagebetrag ist gem. § 122 Abs. 6 Z 2 WKG kalendervierteljährlich selbst zu berechnen und spätestens am fünfzehnten Tag des nach Ende des Kalendervierteljahres zweitfolgenden Kalendermonats zu entrichten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz hingegen nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (siehe zB , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die Auszahlung von Löhnen ohne korrekte Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer wie im vorliegenden Fall stellt daher in jedem Fall eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten dar (). Die auf ausbezahlte Löhne entfallenden Lohnsteuerbeträge sind somit unabhängig von einer Gleichbehandlung der anderen Gläubiger stets zu entrichten; die Nichtabfuhr der Lohnsteuer, die auf den ausbezahlten Arbeitslohn entfällt, kann nicht damit entschuldigt werden, dass die Geldmittel nicht ausgereicht haben.

Eine Geschäftsführerhaftung für Lohnsteuer besteht nur dann nicht, wenn wegen fehlender Mittel überhaupt keine Löhne mehr zur Auszahlung gelangt sind. Dafür gibt es im vorliegenden Fall aber keine Anhaltspunkte.

Wäre die Lohnsteuer unter Berücksichtigung der (ohnedies) zur Verfügung stehenden Mittel ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt worden, hätte ein uneinbringlicher Rückstand an Lohnsteuer erst gar nicht entstehen können. Eine Verschuldensentkräftigung ist daher ausgeschlossen (vgl. Stoll, BAO, 129).

Zahlungsschwierigkeiten, die die Gesellschaft nicht gehindert haben, Lohn zu zahlen, dürfen sie auch nicht hindern, die darauf entfallende Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Stehen daher nur mehr beschränkte Mittel zur Verfügung, ist vor Durchführung der Lohnzahlung sicherzustellen, dass die auf die Löhne entfallende Lohnsteuer auch entrichtet werden kann. Ist dies nicht der Fall, muss die Lohnzahlung so weit reduziert werden, dass mit den vorhandenen Mitteln auch noch die auf diese eingeschränkte Lohnzahlung entfallende Lohnsteuer einbehalten und abgeführt werden kann.

Nachdem dem Beschwerdeführer schon in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung mitgeteilt wurde, dass die vorgelegte Liquiditätsrechnung nicht ausreichend war, wurde der Beschwerdeführer wie bereits ausgeführt, vom Bundesfinanzgericht um Vorlage eines korrekten Gleichbehandlungsnachweises im Sinne der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aufgefordert. Vom Beschwerdeführer wurde als Antwort darauf eine anders formatierte Aufstellung der bereits in der Beschwerde vorgelegten Berechnung übermittelt. Aus dieser Berechnung ergaben sich aber keine Antworten auf die Frage, welche liquide Mittel zu den jeweiligen Fälligkeitstagen bzw. Fälligkeitszeiträumen zur Verfügung standen. Die vorgelegte Berechnung hat auch nicht die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten im Verhältnis zu den Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt oder die Quote für die Zahlungen an das Finanzamt im Verhältnis zu anderen Zahlungen ausgewiesen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass sich aus den vorgelegten u.a. Unterlagen ergibt, dass Mieten immer zur Gänze bezahlt. Angesichts der aktenkundigen Produktionserlöse von ca. € 213.000 für 2016 konnte seitens des Beschwerdeführers bzw. seines steuerlichen Vertreters nicht aufgeklärt werden, wie viele liquide Mittel überhaupt zur Verfügung gestanden sind.

Mit einer solchen "Berechnung" verkennt der Beschwerdeführer somit die eingangs erwähnte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Soweit der Beschwerdeführer mit der Übermittlung "sämtlicher Unterlagen" wie Buchhaltung, Bankauszüge, Kontoauszüge Finanzamt, Kontoauszüge GKK, Aufstellung sämtlicher Zahlungen, Aufstellung sämtlicher Verbindlichkeiten den Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung anzutreten versucht, ist ihm überdies entgegenzuhalten, dass es nicht Sache des Bundesfinanzgerichtes ist, eine solche Berechnung selbst vorzunehmen.

Das Beschwerdevorbringen war daher insgesamt nicht geeignet, die Pflichtverletzung zu entschuldigen.

3.1.2.4. Kausalität

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit ().

3.1.2.5. Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Auch stehen Vermögens- und Arbeitslosigkeit des Haftenden in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung, zumal es eine allfällige (zur Zeit der Erlassung des Haftungsbescheides bestehende) Uneinbringlichkeit beim Haftenden auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben führen können ().

Angesichts der Tatsache, dass für die zwei Geschäftsführer keine Aufteilung der Geschäfte erfolgte, somit beide für die Einhaltung der abgabenrechtlichen Pflichten verantwortlich waren, besteht auch hier im Rahmen des Ermessens keine Veranlassung einer Reduzierung der Haftungsbeträge.

Sonstige Gründe, die eine Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers bewirken könnten, sind nicht hervorgekommen, zumal die Haftung sehr zeitnah geltend gemacht wurde.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die Vollstreckung auf Geldforderungen der Haftungspflichtigen nur für ein monatliches Einkommen über dem Existenzminimum möglich ist. Der unpfändbare Freibetrag hat der Verpflichteten zur Gänze zu verbleiben. Die Frage der Einbringlichkeit der Haftungssumme ist aber nicht in diesem Verfahren zu klären.

3.1.3. Ergebnis

Die Beschwerde war daher im Ergebnis als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu die unter 3.1. dargestellte Rechtsprechung, der die Entscheidung folgt); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise










ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100785.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at