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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.01.2024, RV/7100235/2024

erhöhte Familienbeihilfe: Autismus Spektrum Störung - rückwirkende Anerkennung des Grades der Behinderung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Siegfried Fenz in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für den Zeitraum August 2019 bis November 2022, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) stellte den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für ihre im August 2019 geborene Tochter:
Bei dem Kind besteht folgende erhebliche Behinderung bzw. Erkrankung:
Autismus Spektrum Stoerung
Ich beantrage den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung
ab Monat/Jahr 08.2019

Das Finanzamt erließ (am ) folgenden beschwerdegegenständlichen Bescheid:
Abweisungsbescheid
Ihr Antrag auf Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung, eingebracht am
, wird abgewiesen für:
Name des Kindes VNR/Geb.dat. Zeitraum
(Nachname wie Bf.) ***X.*** … 08xx Aug. 2019 - Nov. 2022
Begründung:
Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung besteht, wenn:
• Der festgestellte Grad der Behinderung mindestens 50 Prozent beträgt
• Die Behinderung nicht nur vorübergehend ist, sondern mehr als 3 Jahre andauert
Diese Punkte treffen nicht zu (§ 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Der Grad der Behinderung mit 50% wurde ab 12/2022 festgestellt. Daher musste der o.a. Zeitraum abgewiesen werden.

Die Bf. erhob (am ) Beschwerde wie folgt:
Hiermit möchte Beschwerde einreichen für den abgelehnten Zeitraum von 08/2019-11/2022 da meine Tochter bereits von Baby an Symptome zeigte hat das Sie an den Autismus Spektrum Störung leidet.
Kein aktives teilhaben, keine normalen Wörter, fehlende Interaktion usw.
Bei jeden Kinderarzttermin habe ich immer wieder nachgefragt da wurde gesagt man warte auf den Kindergarten da es sich noch ändern könnte falls sie einfach nur noch nicht wollte und eine Diagnose so sicherer zu stellen ist.
Autismus Spektrum so wie in ***X.*** Falles ist angeboren.
Bitte beachten Sie das Schreiben von Frau Doktor H… im Anhang.
[das Schreiben wird unten im Sachverhaltsteil wiedergegeben]

Das Finanzamt erließ (am ) eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, dies mit folgender Begründung:
Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung besteht, wenn:
• Der festgestellte Grad der Behinderung mindestens 50 Prozent beträgt
• Die Behinderung nicht nur vorübergehend ist, sondern mehr als 3 Jahre andauert
Diese Punkte treffen nicht zu (§ 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Auf Grund der Übermittlung der BSB-Bescheinigung kann auch im Berufungsverfahren kein früheres Datum der rückwirkenden Zuerkennung attestiert werden, bestätigt ab Datum der ausführlichen Diagnostik im 12/2022. Auch wenn eine angeborene Disposition besteht und Auffälligkeiten schon früher bestanden haben, ist ein behandlungsbedürftiges Ausmaß mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% weiterhin erst ab 12/2022 datierbar.
Daher war Ihre Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Vorlageantrag wurde (am ) eingebracht wie folgt:
Die Behinderung meiner Tochter ist von Geburt an, der erste Kinderarzt hat mich nicht ernst genommen der zweite Kinderarzt hat immer gesagt wir warten wir warten.
Im Anhang sende ich Ihnen ein Schreiben mit vom Kinderarzt das Auffälligkeiten bereits vor der Diagnose bestanden und eine Verdachtsdiagnose bereits ab dem ersten Lebensjahr bestand. Durch die Pandemie und den Ärzte Mangel haben wir zuerst gar keinen Termin bekommen und als endlich wieder Termine vergeben wurden haben wir über 9 Monate auf einen Termin gewartet und diesen nur durch betteln bekommen. Ich habe bereits Therapien usw nach einer langen Warteliste vor der Diagnose bekommen !
Einen Gruppenwechsel vor der Diagnose im Kindergarten weil die Pädagogin nicht mit ihrer Krankheit klarkam usw.
Das erste Gutachten des Sozialministeriums fand per Telefon mit zwei Befunden von der Doktorin wo wir fast zwei Jahre gewartet haben um einen Termin zu bekommen meinerseits statt; die Ärztin hat das Kind nie gesehen aber darüber entschieden wieviel Prozent sie bekommt und der zweite Arzt hat uns nach 5 Minuten abgespeist und das Kind nicht mal beachtet geschweige den etwas gefragt oder einen Satz verstanden ! Wenn dies nicht zumindest bis zum ersten Geburtstag rückwirkend anerkannt wird sehen wir uns vor Gericht den ich würde ja verstehen wenn man morgen einen Termin bekommt aber dem ist und war nicht so. Ich kann mindestens 100 Sachen aufzählen wo wir schon ganz früh Probleme hatten mit unserem Kind und wo wir Unterstützung gebraucht hätten aber keine bekamen weil keiner eine Diagnose stellen wollte oder konnte weil alles überfüllt ist und durch die Pandemie niemand neue Patienten genommen hat.

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin beantragte den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung gem. § 8 Abs. 5 FLAG für ihre Tochter ***X.***, geb. … .08.2019 ab 08/2019 wegen derer Autismus Spektrum Störung.
Das Gutachten des BSB bestätigte einen Grad der Behinderung von 50 % ab 12/2022, woraufhin die Abgabenbehörde die erhöhte Familienbeihilfe ab 12/2022 zuerkannte, den Zeitraum 08/2019 bis 11/2022 jedoch abwies.
Gegen den Abweisungsbescheid vom brachte die Bf. fristgerecht Beschwerde ein () und begehrte wiederum den abgewiesenen Zeitraum, da die Störung bereits seit Geburt bestanden habe und verwies auf eine ärztliche Bestätigung, die sie mit der Beschwerde mit übermittelte.
Im neuerlichen Gutachten des BSB vom wurde der Grad der Behinderung von 50 % ab 12/2022 wie folgt bestätigt:
"Auch im Berufungsverfahren kann kein früheres Datum der rückwirkenden Zuerkennung attestiert werden, bestätigt ab Datum der ausführlichen Diagnostik im 12/2022. Auch wenn eine angeborene Disposition besteht und Auffälligkeiten schon früher bestanden haben, ist ein behandlungsbedürftiges Ausmaß mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% weiterhin erst ab 12/2022 datierbar."
Demnach war die Beschwerde von der Abgabenbehörde abzuweisen.
Nunmehr wurde von der Bf. ein Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht eingebracht.
Beweismittel:
Es wird auf die elektronisch vorgelegten Aktenteile aus dem FABIAN verwiesen.
Stellungnahme:
Es wird die Abweisung der Beschwerde beantragt. An das Gutachten des SMS gebunden, kann die Abgabenbehörde auch keine Hinweise darauf finden, dass das Gutachten nicht schlüssig bzw. vollständig sein könnte. Vielmehr wurde glaubhaft dargelegt, warum die Behinderung erst mit 12/2022 datiert werden konnte.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Dr. H., laut dem Schreiben Ärztin, erstellte folgendes der Ende Mai 2023 erhobenen Beschwerde beigelegte nicht datierte (vermutlich im Zuge der Beschwerdeerhebung angefertigte) Schreiben:
***X.*** ist bereits regelmäßig in Ergotherapie in der Praxis "Ich bin ich" bei Frau J… . Eine klinisch psychologische Beratung durch Mag. P… (Verein Autismus …) ist geplant.
Der Kindesmutter wurde eine Beratung zur pädagogischen Förderung ***X.***s nach Marte Meo hierorts empfohlen, eine Vormerkung auf unserer Warteliste ist erfolgt.
Eine Verlaufskontrolle hier im Ambulatorium ist für September 2023 vereinbart.
Aus entwicklungsneurologischer Sicht sind für ***X.*** die Kriterien zum Erhalt der erhöhten Familienbeihilfe gegeben. Die Entwicklungsstörung besteht von Geburt an.
Für weitere Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Relevante Diagnose nach ICD10:
F84.0 Autismus-Spektrum-Störung

Dr. med.univ. M., Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, erstellte betreffend die Tochter der Bf. am folgenden Befundbericht:
Seit dem ersten Lebensjahr besteht der Verdacht auf eine Autismusspektrumstörung.
Eine weiterführende Diagnostik, war im weiteren Zeitraum erst Ende 2022 möglich da Pandemie und nichtvorhandene Termine in den entwicklungsdiagnostischen Zentren die endgültige Diagnostik soweit verzögerten.
Bei uns ist ab dem ersten Lebensjahr der Verdacht gegeben und damit auch die
Diagnose.

Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage Dr.in S., Fachgebiet: Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, vom :
Aktengutachten erstellt am:
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2023-03-10 Dr. H…, VKKJ …, Entwicklungsneurologische Stellungnahme [Anmerkung des Sachbearbeiters der Beschwerde: vgl. das oben wiedergegebene undatierte Schreiben Dris. H.]:
Autismus-Spektrum-Störung, Erstvorstellung im Dezember 2022 bei deutlicher Sprachentwicklungsstörung, auffälliger interaktiver Kommunikation, pädaudiologisch
bereits untersucht, Stützkraft im Kindergarten, erster Therapieblock Ergotherapie bereits bekommen, Fortführung geplant, Marte Meo empfohlen.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
Ergotherapie bei "Ich bin ich"
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
GdB
Autismus-Spektrum-Störung unterer Rahmensatz, da keine motorischen Defizite
50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
[blank (weil nur eine Behinderung)]
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
[blank]
Stellungnahme zu Vorgutachten
[blank]
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
x ja □ nein
GdB liegt vor seit: 12/2022
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Befund Dr. H…, VKKJ vom zur Vorlage im Kindergarten wegen Antrag auf
Stützkraft (Betreuung aber bereits seit 12/2022 in unserem Ambulatorium)
□ Dauerzustand
x Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
NU in 3 Jahren zur Überprüfung des Entwicklungsstandes

Sachverständigengutachten Dr. A., Fachgebiet des Sachverständigen: Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, vom :
Begutachtung durchgeführt am
Anamnese:
Bekannte Diagnose Frühkindlicher Autismus.
Berufungsverfahren.
Kindeseltern habe ein früheres Datum der rückwirkenden Zuerkennung d. GdB. von 50% beantragt.
Bei Vorgutachten im Mai 2023 wurde GdB von 50% ab 12/2022 festgestellt.
Ein neuerlicher Befund von wurde vorgelegt.
Derzeitige Beschwerden:
Störung der sozialen Interaktion
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Ergotherapie
Psychologische Beratung ist geplant
Sozialanamnese:
Lebt bei den Eltern
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
VKKJ Ambulatorium … Dr. … H… Ärztin [gemeint: das oben wiedergegebene undatierte Schreiben Dr. … H… Ärztin]:
Seit Dezember 2022 in unserem Ambulatorium in Betreuung.
Bereits in Ergotherapie, psychologische Beratung ist geplant.
Aus entwicklungsneurologischer Sicht sind für ***X.*** die Kriterien zum Erhalt der erhöhten Familienbeihilfe gegeben. Die Entwicklungsstörung besteht von Geburt an.
2023-03-10 Dr. H…, VKKJ … [wie oben], Entwicklungsneurologische Stellungnahme:
Autismus-Spektrum-Störung, Erstvorstellung im Dezember 2022 bei deutlicher Sprachentwicklungsstörung, auffälliger interaktiver Kommunikation, pädaudiologisch [Anmerkung des Sachbearbeiters der Beschwerde: Wissenschaft von Hörstörungen und der auditiven Wahrnehmung im Kindesalter, ein Teilgebiet der Audiologie als auch ein Fach der klinischen Medizin, das sich mit der Diagnostik und Therapie kindlicher Hörstörungen befasst] bereits untersucht, Stützkraft im Kindergarten, erster Therapieblock Ergotherapie bereits bekommen, Fortführung geplant, Marte Meo empfohlen.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Gut
Ernährungszustand:
Gut
Größe: cm [blank] Gewicht: kg [blank] Blutdruck: [blank]
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
In gutem AZ und EZ.
Neurologie o.B.
Motorik o.B.
Derma o.B.
Gesamtmobilität- Gangbild:
Keine Gangstörung
Psycho(patho)logischer Status:
Sie schreit, verweigert die Untersuchung.
Während der Untersuchung spricht sie nicht.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
GdB
Autismus Spektrum Störung Unterer Rahmensatz, da keine zusätzliche neurologische Störung
50

Grad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Auch im Berufungsverfahren kann kein früheres Datum der rückwirkenden Zuerkennung attestiert werden, bestätigt ab Datum der ausführlichen Diagnostik im 12/2022.
Auch wenn eine angeborene Disposition besteht und Auffälligkeiten schon früher bestanden haben, ist ein behandlungsbedürftiges Ausmaß mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% weiterhin erst ab 12/2022 datierbar.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
[blank]
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten ist keine wesentliche Besserung/Veränderung feststellbar. GdB bleibt unverändert.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:
x ja □ nein
GdB liegt vor seit: 12/2022
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Auch im Berufungsverfahren kann kein früheres Datum der rückwirkenden Zuerkennung attestiert werden, bestätigt ab Datum der ausführlichen Diagnostik im 12/2022.
Auch wenn eine angeborene Disposition besteht und Auffälligkeiten schon früher bestanden haben, ist ein behandlungsbedürftiges Ausmaß mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% weiterhin erst ab 12/2022 datierbar [Hervorhebung durch den Sachbearbeiter].
□ Dauerzustand
x Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Eine NU ist in 3 Jahren indiziert, um die Therapieerfolge zu überprüfen.

2. Beweiswürdigung

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den jeweils angeführten Grundlagen, den beiden Sachverständigengutachten, den von der Bf. vorgelegten Schreiben der Ärztin Dr. H. und dem Befundbericht Dr. med. univ. M.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Nach § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährigen Kinder.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe um näher angeführte Beträge monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Die Anlage zur Einschätzungsverordnung lautet:
03 Psychische Störungen

03.02 Entwicklungseinschränkung bis zum vollendeten 18. Lebensjahr
Erfasst werden umschriebene Entwicklungseinschränkungen des Sprechens und der Sprache, des Kommunikationsvermögens, schulische Fertigkeiten, motorische Funktionen sowie kombinierte umschriebene Entwicklungseinschränkungen und typische Begleiterscheinungen wie emotionale Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätsstörung). Entwicklungsstörung leichten Grades 10 - 40-%
10 - 20 %: Ohne wesentliche soziale Beeinträchtigung,
(Familie, Schule, Beziehung zu Gleichaltrigen und Erwachsenen außerhalb der Familie & Schule)
Kein zusätzlicher Unterstützungsbedarf beim Lernen
30 - 40 %: Leichte bis mäßige soziale Beeinträchtigung in ein bis zwei Bereichen, beispielsweise Schulausbildung und alltägliche Tätigkeiten, Freizeitaktivitäten in Teilbereichen Unterstützungsbedarf beim Lernen Entwicklungsstörung mittleren Grades 50 - 80 %
Ernsthafte und durchgängige soziale Beeinträchtigung in 1 bis 2 Bereichen
Globaler Unterstützungsbedarf beim Lernen
Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung
50 - 60%: alleinige kognitive Beeinträchtigung
70 - 80%: Zusätzliche motorische Defizite
Entwicklungsstörung schweren Grades 90 - 100 %
Schwere und durchgängige soziale Beeinträchtigung, schwer eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit,
Tiefgreifende Entwicklungsstörung, desintegrative Störung

Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa ). Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa VwGH30.1.2014, 2012/16/0052). Nichts anderes gilt für die Entscheidung über den gemäß § 10 Abs. 1 FLAG gesondert zu beantragenden Erhöhungsbetrag (vgl. ).

Zufolge den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (vgl. , , , ).

Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Kompetenz für die Beurteilung des Grades der Behinderung und der Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ausdrücklich an eine dafür qualifizierte Institution übertragen. Daraus folgt, dass der Entscheidungsfindung durch die Behörde weder Bekundungen der Eltern über den Gesundheitszustand ihres Kindes noch anderer Personen, mögen sie auch über fachärztliche Kenntnisse verfügen, zu Grunde zu legen sind ().

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden (vgl. 2007/15/0019, , ) und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und - im Falle mehrerer Gutachten - nicht einander widersprechen (vgl. , , , Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, , vgl. auch Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung).

Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ).

Der Verfassungsgerichtshof äußerte in seinem Erkenntnis vom , B 700/07, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einschränkung der Beweisführung des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Erwerb zu verschaffen. Von Gutachten könne nur nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" abgegangen werden, wenn diese nicht schlüssig seien (vgl. hierzu auch auch ; ; , ).

Zur Schlüssigkeit von Gutachten des Sozialministeriumservice besteht umfangreiche Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts (vgl. etwa ; ; ; ; ).

Formale Anforderungen an Gutachten des Sozialministeriumservice

Bescheinigungen des Sozialministeriumservice müssen gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhen.

Die Beweisregel des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 geht als Spezialnorm den allgemeinen Bestimmungen des § 166 BAO betreffend Beweismittel und des § 177 BAO betreffend den Sachverständigenbeweis vor.

Gemäß ständiger Rechtsprechung sowohl des Verwaltungs- als auch des Verfassungsgerichtshofes sind Amtssachverständige bei der Erstattung ihrer Gutachten ausschließlich der Wahrheit verpflichtet und hinsichtlich des Inhaltes ihrer Gutachten an keine Weisungen gebunden (vgl. VfgH , E , V53/1; uvam.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bislang keine Bedenken gegen die Erstattung von Bescheinigungen gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen herangezogene Ärzte ().

Weder das Behinderteneinstellungsgesetz (vgl. ) noch das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 enthalten eine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es besteht demnach im allgemeinen kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an.

Inhaltliche Anforderungen an das Gutachten des Sozialministeriumservice

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa , mwN) muss ein Sachverständigengutachten, das von einer Behörde - oder einem Verwaltungsgericht (vgl. , mwN) - der jeweiligen Entscheidung zu Grunde gelegt wird, einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten sowie ausreichend begründet sein (vgl. VwGH28.6.2017, Ra 2017/09/0015).

Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten benötigt, das Gutachten im engeren Sinn (vgl. , mwN).

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ).

Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes (§ 115 BAO) - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen (vgl. etwa oder , mwN).

Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen (vgl. etwa ).

Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. , mwN). Die Behörde hat sich dann mit dem Inhalt dieses Gegengutachtens auseinanderzusetzen (vgl. ).

Was ein ärztliches Zeugnis betreffend das Vorliegen einer Behinderung im Sinne des FLAG anlangt, hat ein solches - nach der Rechtsprechung des VwGH - Feststellungen über Art und Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten ().

Der Verwaltungsgerichtshof erwog im Erkenntnis vom , 2013/16/0170, unter Hinweis auf VwGH Ra 2014/16/0010 vom :
Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einem Grad von mindestens 50 v.H. kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht."

Das Bundesfinanzgericht erwog im Erkenntnis vom , RV/2100996/2017, im Zusammenhang mit einer seit Geburt bestehenden Autismus-Spektrum-Störung betreffend das im Beschwerdezeitraum zwischen 6 und 10 Jahre alte Kind:
Die steuerliche Vertretung der Bf. bemängelt, dass die Sachverständigen des Sozialministeriumservice in ihren Gutachten nicht einen Grad der Behinderung von zumindest 50% für fünf Jahre rückwirkend festgestellt haben, da bereits ein frühkindlicher Autismus bzw. eine Autismus-Spektrums-Störung im frühkindlichen Alter vorgelegen habe; die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe erst ab Mai 2017 sei nicht nachvollziehbar.
Der klinisch-psychologische Befund des Vereins "B" vom wurde in den Sachverständigen-Gutachten des Sozialministeriumsservice vom und berücksichtigt. Die in der Beschwerde zusätzlich angeführten Erkrankungen bzw. Operationen verursachen lt. Sachverständigen-Gutachten vom keine Beschwerden.
Im Sachverständigen-Gutachten vom wurde der Gesamtgrad der Behinderung auf 40% reduziert, da der Sohn der Bf. drei Jahre vom IZB-Team betreut worden ist und dadurch Entwicklungsrückstände in vielen Bereichen aufgeholt worden sind und auf Grund des vom Sachverständigen erhobenen Untersuchungsbefundes.
Zum Vorbringen in der Beschwerde, dass bereits seit Geburt bzw. Frühkindalter ein Grad der Behinderung von zumindest 50% vorgelegen sei, führt der Sachverständige des Sozialministeriumservice im Gutachten vom aus:
"Festzuhalten ist hierzu, dass sich die Einschätzung des Behinderungsgrades nach FLAG auf tatsächliche Funktionseinschränkungen bzw. Auswirkungen von Erkrankungen im Alltag bezieht; selbstverständlich im Vergleich mit dem üblichen altersgemäßen Entwicklungsverlauf. Eine Behinderung ergibt sich daher aus den Einschränkungen einer Erkrankung im Vergleich zum gleichaltrigen Normkollektiv und nicht aus der Anlage für eine Erkrankung per se. Gerade bei Entwicklungsstörungen wird anfangs eine leichte Abweichung beobachtet, die sich im Verlauf der weiteren Entwicklung dann immer weiter verstärkt bis sich ein "erheblicher" Rückstand bzw. eine "erhebliche" Abweichung vom natürlichen Verlauf manifestiert. Aus diesem Grund erfolgte dann auch 04/2017 eine intensivere Abklärung, nachdem zuvor durch ein IHB-Team 2012 eher nur mäßige Einschränkungen beschrieben werden. Daher ist auch bei einer Veranlagung zu einer Autismus-Spektrum-Störung unmittelbar nach der Geburt und auch eine Zeit danach noch gegenüber dem nicht betroffenen Säugling und Kleinkind nicht automatisch eine Schwerbehinderung gegeben, sondern entwickelt sich erst mit der Zeit, manchmal auch in verschiedenen Phasenabläufen."

Im Erkenntnis vom , RV/2100020/2019, erwog das Bundesfinanzgericht:
Der Bf. bemängelt, dass die Sachverständigen des Sozialministeriumservice in ihren Gutachten nicht einen Grad der Behinderung von zumindest 50% für fünf Jahre rückwirkend festgestellt haben, da eine Autismus-Spektrum-Störung eine angeborene Erkrankung sei und immer von Geburt an bestehe; ein Grad der Behinderung von 50% erst ab November 2017 sei nicht nachvollziehbar.
Die mit dem Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe vorgelegten Befunde und sonstige Nachweise wurden entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in allen Sachverständigengutachten des Sozialministeriumsservice berücksichtigt (siehe "Zusammenfassung relevanter Befunde"). Ein Verweis auf ein Vorgutachten beinhaltet selbstverständlich den gesamten Inhalt samt zu Grunde gelegter Befunde.
Der mit dem Vorlageantrag zusätzlich übermittelte Arztbrief des Dr. ***9*** vom und der nachträglich vorgelegte Befund der Dr. ***1*** vom widersprechen den Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice nicht, da - wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat - eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einem Grad von mindestens 50 v.H. durchaus die Folge einer Krankheit sein kann, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht.

Im Erkenntnis vom , RV/5100671/2023, erwog das Bundesfinanzgericht:
Hinzuweisen ist auch darauf, dass der Behinderungsgrad selbst bei gleichbleibendem Krankheitsbild auch vom Alter des Kindes abhängt. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes etwa stellt sich je nach Alter des Kindes unterschiedlich dar, da die Fertigkeiten, die ein Kind im Kindergartenalter beherrschen sollte, sich wesentlich von jenen, die beispielsweise von einem Schulkind erwartet werden, unterscheiden. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes ist daher immer im Vergleich zum Entwicklungsstand gleichaltriger gesunder Kinder zu sehen. So kann schon im Kindergartenalter ein gewisser Entwicklungsrückstand vorliegen, der sich aber bis zum Schulalter weiter vergrößern und einen höheren Behinderungsgrad herbeiführen kann (vgl. ; Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG2 § 8 Rz 11 unter Hinweis auf ).

Im Erkenntnis vom , RV/7101144/2023, erwog das Bundesfinanzgericht:
Die Feststellung, ob auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit vorliegt, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, hat nach den Bestimmungen des zitierten § 8 Abs. 6 FLAG auf dem Wege der Würdigung ärztlicher Sachverständigengutachten zu erfolgen (ohne dass bloßen Bekundungen des anspruchswerbenden Elternteiles oder der untersuchten Person dabei entscheidende Bedeutsamkeit zukäme; vgl. ).

In der Entscheidung vom , RV/2465-W/08, erwog der Unabhängige Finanzsenat:
Soweit die Bw. im Vorlageantrag ausführt, durch die …krankheit sei ein erhöhter Pflegeaufwand verbunden, die höhere Lebenshaltungskosten nach sich ziehen würden, ist darauf hinzuweisen, dass diesem Umstand auch Rechnung getragen wurde. Das BSB hat den Grad der Behinderung mit 30 % festgestellt.

Betreffend die Tochter der Bf. wurden zwei Sachverständigengutachten erstellt, das erste am , das zweite am .
Das Fachgebiet beider Sachverständigengutachter ist das fachärztliche für Kinder- und Jugendheilkunde.
Beiden Begutachtungen liegt als der zentrale relevante Befund der von Dr. H. erstattete zugrunde.

Unstrittig ist, dass die Entwicklungsstörung der Tochter der Bf. von Geburt an besteht (vgl. das zweite Gutachten: Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: … angeborene Disposition …).
Auf Grund dieser Feststellung ist jedoch das Schicksal der Beschwerde (noch) nicht entschieden:
Gemäß den obigen Rechtsausführungen ist nicht entscheidungswesentlich, dass betreffend einen bestimmten Zeitraum (den Beschwerdezeitraum - ab dem Monat der Geburt der Tochter der Bf.) eine Erkrankung, wie im vorliegenden Fall seit Geburt, besteht, sondern ab welchem Zeitpunkt mittels eines ärztlichen Sachverständigengutachtens ein Grad der Behinderung im Ausmaß von 50 v. H. festgestellt werden kann.
Auf Grund der seit Dezember 2022 erfolgten Ambulatorium- Betreuung der Tochter der Bf. ("Betreuung aber bereits seit 12/2022 in unserem Ambulatorium") nahmen beide ärztliche Sachverständige die rückwirkende Festlegung des Grades der Behinderung 50 v.H. mit ebendiesem Monat vor.

Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen und der obigen Rechtsausführungen ist nicht zu erkennen, die beiden Gutachter wären unzutreffend vorgegangen.

Dass auf Grund der Vorbringen in der Beschwerde und im Vorlageantrag
- "Kein aktives teilhaben, keine normalen Wörter, fehlende Interaktion usw."
- "Die Behinderung meiner Tochter ist von Geburt an, der erste Kinderarzt hat mich nicht ernst
genommen der zweite Kinderarzt hat immer gesagt wir warten wir warten."
ein Grad der Behinderung im Ausmaß von 50 v. H. nicht festgestellt werden kann, bedarf insbesondere bis zum Erreichen des zweiten bis dritten Lebensjahres keiner Erörterungen, sprechen Kleinkinder nach der Lebenserfahrung bis Vollendung des zweiten Lebensjahres kaum "normale Wörter", ein Teil auch im dritten Lebensjahr nur eine beschränkte Anzahl. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorbringen aktives Teilhaben und Interaktion. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf das oben betreffend Bekundungen Gesagte zu verweisen.

Aus dem Vorbringen: "Ich kann mindestens 100 Sachen aufzählen wo wir schon ganz früh Probleme hatten mit unserem Kind und wo wir Unterstützung gebraucht hätten aber keine bekamen weil keiner eine Diagnose stellen wollte oder konnte weil alles überfüllt ist und durch die Pandemie niemand neue Patienten genommen hat." kann ebenfalls nicht auf das Erreichen eines bestimmten Grades der Behinderung, geschweige denn auf einen solchen von (mindestens) 50 v.H., geschlossen werden (vgl. abermals oben betreffend Bekundungen des anspruchswerbenden Elternteiles). Geht man von der Richtigkeit dieser Angaben aus, hatte die Bf. die Angelegenheit nicht mit ausreichendem Nachdruck verfolgt und ist ihr zuzurechnen, wenn bzw. dass sie zutreffendenfalls über entsprechende Befunde verfügt hätte.

Der Vollständigkeit halber sei bemerkt:
Wenngleich krankheitsbedingte Mehrkosten nicht zu den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Bewilligung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe zählen, wird doch festgehalten:
Die Bf. führt an,
- der erste Kinderarzt habe sie nicht ernst genommen, der zweite habe immer gesagt,
wir warten wir warten,
- das Bestehen von Auffälligkeiten bereits vor der Diagnose (im Jahr Dezember 2022),
- durch die Pandemie und den Ärztemangel zuerst gar keinen Termin bekommen zu haben und
als endlich wieder Termine vergeben wurden, über 9 Monate auf einen Termin gewartet zu
haben und
- Unterstützung gebraucht, aber nicht bekommen zu haben, "weil keiner eine Diagnose stellen
wollte oder konnte weil alles überfüllt ist und durch die Pandemie niemand neue Patienten
genommen hat".
Krankheitsbedingte Mehrkosten, die von ihr selbst für ihre Tochter abgedeckt wurden, führt die Bf. nicht an.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Erkenntnis werden keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, da dieses in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt. Soweit darin Sachverhaltsfeststellungen getroffen wurden, liegen keine Rechtsfragen, sondern Sachverhaltsfragen vor, die grundsätzlich keiner Revision zugänglich sind.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100235.2024

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