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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.01.2024, RV/3100027/2024

1. Rückforderung der Familienbeihilfe 2. Kein Antrag auf Aufhebung des § 2 Abs. 1 FLAG 1967 an den VfGH wegen Gleichheitswidrigkeit, wenn das den Anspruch begründende Kind im Herbst geboren wurde und der Anspruch mit Vollendung des 24. Lebensjahres erlischt

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/16/0029. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss v. .


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/3100027/2024-RS1
Bei einem Auslandsstudium handelt es sich um keine Ausbildung an einer in § 3 StudFG genannten Einrichtung und sind damit die Bestimmungen über eine Verlängerung der Studienzeit nur relevant, wenn ein Teil des Studiums zwar im Ausland, jedoch im Rahmen eines Studiums im Inland, absolviert wird. Bei Auslandsstudien gelten die allgemeinen Regeln betreffend die Berufsausbildung.
RV/3100027/2024-RS2
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , G 6/11, zur Herabsetzung der Altersgrenzen im Zuge des BudgetbegleitG 2011 die Auffassung vertreten, dass diese Herabsetzung der Altersgrenze nicht verfassungswidrig ist, weil es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, die Altersgrenze nach Maßgabe familienpolitischer Zielsetzungen und budgetärer Bedeckungsmöglichkeiten hinauf oder wieder herab zu setzen. Der Gesetzgeber ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht verhalten, eine Ausnahme nach Art des § 2 Abs 1 lit j und des § 6 Abs 2 lit i FLAG 1967 überhaupt vorzusehen. Wenn er sie dennoch verfügt, hat er sie in sich sachlich auszugestalten. Dem Gesetzgeber ist es gestattet, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen und von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Dass dabei Härtefälle entstehen können, macht für sich allein eine Regelung nicht unsachlich. Der Gesetzgeber ist daher nicht verpflichtet, auf alle Fallkonstellationen Bedacht zu nehmen, die einen späteren Studienbeginn zur Folge haben können.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den Zeitraum April 2021 bis September 2021 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt beim Beschwerdeführer die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum April 2021 bis September 2021 für dessen Tochter ***1*** i.H.v. insgesamt € 1.866,66 zurück. Begründend führte es aus, die Tochter habe im September 2020 das 24. Lebensjahr vollendet. Darüber hinaus bestand bis März 2021 Anspruch auf Familienbeihilfe, da im Zeitraum von März 2020 bis Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden habe, eine Familienbeihilfe für Zeiträume danach stehe nicht zu.

2. Gegen den Rückforderungsbescheid brachte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom Beschwerde ein. Darin brachte er vor, seine Tochter habe im September 2015 ein Studium in der Schweiz begonnen und nach zwei verpflichtenden Praktikas und einem Auslandssemester im September 2019 das Bachelor- und im Juni 2021 das daran anschließende Masterstudium in der vorgesehenen Studienzeit abgeschlossen; sie sei ordentliche Studierende gewesen. Im April 2021 habe er das vom Finanzamt übermittelte Datenblatt sorgfältig ausgefüllt und wieder retourniert. In der Folge habe er eine Mitteilung über den Anspruch auf Familienbeihilfe für den Zeitraum April 2021 bis September 2021 erhalten. Seine Tochter sei im September 1996 geboren und aufgrund des gesetzlichen Schuleintrittsstichtages erst 2003 im Alter von 7 Jahren in die Volksschule eingetreten. Somit habe seine Tochter nicht "zu lange studiert" und sei der Bescheid ersatzlos aufzuheben. Zudem habe im Oktober 2022 der Verwaltungsgerichtshof entscheiden, dass Zahlungsrückforderungen von Behörden an Parteien rechtswidrig seien, da von Behörden verlangt werden müsse, dass diese gründlich und fachkundig zu erheben und zu entscheiden haben.

3. In der Folge erließ das Finanzamt am einen Abweisungs(erst)bescheid betreffend die streitgegenständliche Beschwerde. Dagegen brachte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom eine (weitere) Beschwerde ein, in der er vorbrachte, seine Tochter sei aufgrund ihres Geburtsdatums nicht im 6. Lebensjahr, sondern erst im Folgejahr in die Volksschule eingetreten. Rechtlich würde einem Kind eine Ausbildungszeit von 18 Lebensjahren (vom 6. Lebensjahr bis zum 24. Lebensjahr) zugestanden. Somit liege bei seiner Tochter eine Diskriminierung vor, da diese erst im 7. Lebensjahr in die Volksschule aufgenommen worden sei; dies sei verwaltungs- und verfassungsrechtswidrig. Davon seien alle Kinder, die zwischen dem Volksschuleintrittsstichtag und dem 1. Jänner des Folgejahres geboren seien, betroffen. Zudem habe der Beschwerdeführer nichts Unrechtes getan, nach Vorlage aller schulischen und persönlichen Dokumente beim Finanzamt habe dieses die Unterlagen geprüft; er habe die Zahlungen des Finanzamtes rechtmäßig erworben.

In einem weiteren Schreiben, datiert mit und als Beschwerde bezeichnet, wiederholte der Beschwerdeführer nochmals seine Vorbringen.

4. Mit Bescheid vom hob das Finanzamt den Abweisungsbescheid vom gemäß § 299 BAO auf, da dieser nicht den Anforderungen des § 262 BAO entspreche.

Die gegen den Abweisungsbescheid gerichtete Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom gleichen Tag als unzulässig geworden zurück.

5. Sodann wies das Finanzamt die streitgegenständliche Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Begründend führte das Finanzamt aus, der Beschwerdeführer habe aufgrund der erbrachten Studienleistungen der Tochter und seiner Unterhaltsleistungen grundsätzlich Anspruch auf Familienbeihilfe bis zum 24. Geburtstag von ***1***, also bis September 2020, und aufgrund der Sonderregelung wegen der Covid 19-Krise einen weiteren Anspruch bis März 2023. Ein Verlängerungstatbestand darüber hinaus bestehe nicht. Dass die Tochter des Beschwerdeführers mit dem 7. Lebensjahr in die Volksschule aufgenommen worden sei, ändere nichts an der rechtlich festgelegten Altersgrenze des FLAG; eine Diskriminierung liege bei der Altersgrenze nicht vor. Auch die Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe, in dem diese vorerst bis September 2021 gewährt worden sei, habe keine rechtliche Bindungswirkung für die Behörde und begründe keinerlei Rechte und Pflichten.

6. Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Die Tochter des Beschwerdeführers, ***1***, ist Ende September 1996 geboren. Sie vollendete das 24. Lebensjahr somit im September 2020.

2. Der Beschwerdeführer hat für seine Tochter ***1*** im Zeitraum von April bis September 2021 Familienbeihilfe i.H.v. € 1.378,92 und Kinderabsetzbetrag i.H.v. € 487,74 bezogen (siehe Daten aus der Datenbank der Finanzverwaltung FABIAN vom ).

3. ***1*** begann das Bachelorstudium ***5*** im Oktober 2015 und beendete es im September 2019. Mit Oktober 2019 begann sie das Masterstudium ***5*** an der ***2*** und beendete es im Juni 2021 (siehe Daten aus der Datenbank der Finanzverwaltung FABIAN vom , Immatrikulationsbestätigung Herbstsemester 2020 von der ***2*** und Beschwerde vom ).

4. Das Bachelorstudium ***5*** an der ***2*** dauert 6 Semester und umfasst 180 ECTS (siehe Broschüre Bachelor ***5*** der ***2***; https://***3***.pdf, abgefragt am ). Für das Masterstudium ***5*** an der ***2*** sind 3 Semester im Ausmaß von 90 ECTS vorgesehen (siehe Homepage der ***2***; https://***4***.html, abgefragt am ).

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den angeführten Unterlagen und ist nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 iVm § 26 FLAG 1967 auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe, Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung derselben sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nicht von Bedeutung; ebenso, ob der Bezieher diese im guten Glauben entgegengenommen hat. Der gutgläubige Verbrauch der Beträge ist rechtlich ohne Bedeutung, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt. Einer Rückforderung steht nach derzeitiger Rechtslage auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (Lenneis/Wanke, FLAG, § 26 Rz 12 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).

2. Gemäß § 2 Abs. 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

Dazu hat der Gesetzgeber mehrere Ausnahmen normiert, wonach bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ein Anspruch auf Familienbeihilfe nicht bis zum 24., sondern bis zum 25. Lebensjahr besteht. Unter anderem - neben hier nicht anwendbaren Ausnahmen - normiert lit j des § 2 Abs. 1 FLAG 1967, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie
aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und
bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und
cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird.

Diese Ausnahme führt das Finanzamt im Rückforderungsbescheid an. Sie kommt im vorliegenden Fall aber nicht nur deshalb nicht zu Anwendung, da das Studium der Tochter des Beschwerdeführers weniger als zehn Semester bis zum erstmöglichen Studienabschluss gedauert hat (die Studiensauer des Bachelorstudiums ***5*** beträgt 6 Semester), sondern schon deshalb, weil sie in der Schweiz studiert hat. Bei einem Auslandsstudium handelt es sich nämlich um keine Ausbildung an einer in § 3 StudFG genannten Einrichtung und sind damit die Bestimmungen über eine Verlängerung der Studienzeit nur relevant, wenn ein Teil des Studiums zwar im Ausland, jedoch um Rahmen eines Studiums im Inland absolviert wird (siehe Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 2 Rz 90). Bei Auslandsstudien gelten die allgemeinen Regeln betreffend die Berufsausbildung (siehe Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 2 Rz 55).

Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es (überdies) nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen ().

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Tochter des Beschwerdeführers ihr Studium in der Schweiz im Rückforderungszeitraum ernsthaft und zielstrebig betrieben und dieses ihre volle Zeit in Anspruch genommen hat, da ihr in dieser Zeit aufgrund des Überschreitens der Altersgrenze die Familienbeihilfe grundsätzlich nicht mehr zusteht; im Falle einer Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 finden sich keine Ausnahmen im FLAG 1967, die einen Familienbeihilfenanspruch bis zum 25. Lebensjahr vorsehen.

3. Der Gesetzgeber hat allerdings aufgrund der erschwerten Studienbedingungen während der COVID-19-Krise in § 2 Abs. 9 FLAG 1967 und § 15 Abs. 1 FLAG 1967 Regelungen getroffen, die einen Familienbeihilfenanspruch unter bestimmten Voraussetzungen über die Altersgrenze des § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 hinaus normieren.

Gemäß § 2 Abs. 9 lit c FLAG 1967 verlängert sich die Anspruchsdauer nach Abs. 1 lit. b im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, für volljährige Kinder, die eine Berufsausbildung beginnen oder fortsetzen möchten (Abs. 1 lit. d bis g), über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate, wenn zum Zeitpunkt der Erreichung der Altersgrenze der Beginn oder die Fortsetzung der Berufsausbildung infolge der COVID-19-Krise nicht möglich ist.

Damit sollen - durch die COVID-19-Krise verursachte - Nachteile bei der Gewährung der Familienbeihilfe kompensiert werden, wenn eine Berufsausbildung (z.B. ein Studium) beeinträchtigt wird, und die Berufsausbildung (das Studium) nicht innerhalb der für den Familienbeihilfenbezug maßgeblichen Berufsausbildungsdauer (Studiendauer) oder innerhalb der derzeitigen Altersgrenzen absolviert werden kann (siehe Erläuterungen IA zum 6. COVID-19-Gesetz, 489/A 27. GP).

4. Nach § 15 Abs. 1 FLAG 1967 finden für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.

Sowohl die Regelung des§ 2 Abs. 9 lit c FLAG 1967 als auch jene des § 15 Abs. 1 FLAG 1967 vermitteln der Tochter des Beschwerdeführers (über die Altersgrenze des § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 hinaus) einen Anspruch auf Familienbeihilfe, allerdings nicht über den März 2021 hinaus.

Im Übrigen hat die Tochter des Beschwerdeführers ihr Studium - und damit ihre Berufsausbildung - im Juni 2021 abgeschlossen und würde auch aus diesem Grund von Juli bis September 2021 kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr bestehen.

Die Rückforderung der Familienbeihilfe für den Zeitraum April 2021 bis September 2021 erfolgte damit gemäß § 26 FLAG 1967 zu Recht und liegt eine Verwaltungsrechtswidrigkeit, wie der Beschwerdeführer einwendet, nicht vor.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er (und seine Gattin sowie seine Tochter) hätte(n) "nichts Unrechtes getan" und hätte er die Zahlungen des Finanzamtes rechtmäßig erworben, ist entgegenzuhalten, dass der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt. Eine Rückforderung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einmal dann unzulässig, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist.

In einem Nachtrag zur Beschwerde führt der Beschwerdeführer aus, im Oktober 2022 habe der Verwaltungsgerichtshof entscheiden, dass Zahlungsrückforderungen von Behörden an Parteien rechtswidrig seien, da von der Behörde verlangt werden müsse, dass diese gründlich und fachkundig zu erheben und zu entscheiden hätten.

Ein derartiges Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Bundesfinanzgericht nicht bekannt und konnte ein solches auch nicht ausfindig gemacht werden. Allerdings hat der Verfassungsgerichtshof in Zusammenhang mit der Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld eine Unsachlichkeit darin erblickt, dass das Risiko einer irrtümlich gezahlten Leistung trotz fehlender Erkennbarkeit eines Behördenfehlers von Leistungsempfänger zu tragen sei, und die entsprechende Regelung aufgehoben. Zu diesem zu § 31 Abs. 2 KBGG ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 181/2022 ua ist allerdings zu bemerken, dass der Verfassungsgerichtshof eine Rückforderungsvorschrift, die wie § 26 Abs. 1 FLAG 1967 lediglich auf den objektiven Umstand des Nichtvorliegens der Anspruchsvoraussetzungen abstellt, als in der österreichischen Rechtsordnung nicht ungewöhnlich angesehen hat und dass anders als beim Kinderbetreuungsgeld mit dem Bezug von Familienbeihilfe durch einen Elternteil keine irreversible Disposition über dessen Berufstätigkeit verbunden ist. Dass über die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag disponiert wurde, heißt im Rückforderungsfall lediglich, dass die erhaltene Leistung zurückzuzahlen ist, nicht aber, dass Erwerbschancen in Erwartung der Leistung endgültig verloren gegangen sind, wie dies aber beim Kinderbetreuungsgeld der Fall ist.

Der Beschwerdeführer gibt in der Beschwerde an, er habe vom Finanzamt eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe erhalten, wonach für seine Tochter ein Anspruch auf Familienbeihilfe von April bis September 2021 bestehe. Diese Mitteilungen über den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag stehen aber einer Rückforderung (§ 26 FLAG 1967) nicht entgegen (vgl. ).

5. Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag in näher angeführter Höhe zu.

Der Kinderabsetzbetrag teilt somit das Schicksal der Familienbeihilfe. Da für die Tochter des Beschwerdeführers im Zeitraum April bis September 2021 kein Familienbeihilfenanspruch besteht, steht ihm auch der Kinderabsetzbetrag in diesem Zeitraum nicht zu. Somit erfolgte auch die Rückforderung des Kinderabsetzbetrages zu Recht.

6. Der Beschwerdeführer erachtet sich zudem in seinem Recht auf Gleichbehandlung verletzt. Nach Ansicht des Beschwerdeführers werde er aufgrund des Geburtsdatums seiner Tochter im September und des gesetzlich normierten Schuleintrittsstichtages diskriminiert, da ihr kein Ausbildungszeitraum von 18 Lebensjahren zugestanden werde.

Gemäß Art. 135 Abs. 4 B-VG iVm Art. 89 B-VG steht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze den Verwaltungsgerichten nicht zu. Hat ein solches Gericht gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Dieser erkennt gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG sodann über deren Verfassungswidrigkeit. Voraussetzung dafür ist, dass das erkennende Gericht die in Prüfung zu ziehende(n) Norm(en) anwenden muss (Präjudizialität).

7. Die Altersgrenze bei Berufsaus(fort)bildung wurde durch das BudgetbegleitG 2011 auf 24 Jahre herabgesetzt. Nach den Gesetzesmaterialien (EP XXIV. GP RV 981) soll die Familienbeihilfe nach dem Erreichen der Volljährigkeit grundsätzlich nur bis zum Abschluss einer Berufsausbildung gewährt werden. Durch Änderungen des Studienrechts in den letzten Jahren, zu denen nicht zuletzt die Einführung des Bachelor-Studiums an Fachhochschulen und in den meisten der an österreichischen Universitäten angebotenen Studienrichtungen zählt, werde die Selbsterhaltungsfähigkeit nunmehr in der Regel bereits nach sechs Semestern (Mindeststudiendauer) erreicht. Im Gleichklang mit diesen studienrechtlichen Änderungen führe die Herabsetzung der Altersobergrenze für den Bezug der Familienbeihilfe grundsätzlich vom abgeschlossenen 26. auf das abgeschlossene 24. Lebensjahr nicht zu einer Verschlechterung der Möglichkeit des Studierenden, ein Studium in jenem Zeitraum, für den Familienbeihilfe gewährt wird, erfolgreich abzuschließen.

8. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , G 6/11, zur Herabsetzung der Altersgrenzen im Zuge des BudgetbegleitG 2011 die Auffassung vertreten, dass diese Herabsetzung der Altersgrenze nicht verfassungswidrig ist, weil es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, die Altersgrenze nach Maßgabe familienpolitischer Zielsetzungen und budgetärer Bedeckungsmöglichkeiten hinauf oder wieder herab zu setzen.

Im Antrag auf Gesetzesprüfung der Vorarlberger Landesregierung hat diese unter anderem ausgeführt (siehe Pkt. 2.1.4.): "Darüber hinaus führen nach Auffassung der antragstellenden Landesregierung die (mit Eventualanträgen) angefochtenen Wortfolgen in den §§ 2 und 6 FLAG 1967 zu einer unsachlichen Differenzierung innerhalb der Gruppe der Studierenden, da Unterschieden im Tatsächlichen, die sich auf den frühestmöglichen Studienbeginn und -abschluss (wie er in § 2 Abs 1 lit j bzw. § 6 Abs 2 lit i FLAG 1967 gefordert wird, damit sich die Bezugsdauer für die Familienbeihilfe um ein Jahr auf das vollendete 25. Lebensjahr verlängert) auswirken, nicht berücksichtigt würden. Die Verlängerungstatbestände für Studierende nähmen nicht ausreichend auf vom Gesetzgeber selbst normierte, vom Einzelnen nicht beeinflussbare Rahmenbedingungen, wie den Zeitpunkt des Schuleintritts von im Herbst Geborenen … Bedacht. Dies könne dazu führen, dass eine Verlängerung nach § 2 Abs 1 lit j oder § 6 Abs 2 lit i FLAG 1967 von vornherein nicht in Frage komme, und bevorzuge daher Personen mit … einem Geburtsdatum zwischen dem 1. Jänner und dem 31. August eines Kalenderjahres … ." Gleiches bringt auch der Beschwerdeführer in seinen Eingaben vor.

Zu diesen Ausführungen hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis wie folgt geäußert: Die "Normen des § 2 Abs 1 lit j und des § 6 Abs 2 lit i FLAG 1967 … zielen … darauf ab, die mit dem BBG 2011 verfügte Herabsetzung der Altersgrenze um zwei Jahre in Fällen einer gesetzlich vorgesehenen längeren Studiendauer auf ein Jahr einzuschränken, somit abzumildern. Der antragstellenden Landesregierung ist zuzustimmen, dass eine Vielzahl von Faktoren dafür ausschlaggebend sein kann, wie alt ein Studierender ist, wenn er sein Studium beginnt bzw. beendet (zB Zeitpunkt des Schuleintritts …). Der Verfassungsgerichtshof kann dem Vorbringen aber nicht folgen, soweit die Auffassung vertreten wird, der Gesetzgeber müsse bei der Ausgestaltung der in Rede stehenden Ausnahmevorschrift auf alle diese Faktoren eingehen, dh. offenbar sie durch weitere Differenzierungen berücksichtigen. … der Gesetzgeber [wäre] aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht verhalten gewesen, eine Ausnahme nach Art des § 2 Abs 1 lit j und des § 6 Abs 2 lit i FLAG 1967 überhaupt vorzusehen. Wenn er sie dennoch verfügt, hat er sie in sich sachlich auszugestalten. Die mit dem Eventualantrag angefochtene Einschränkung der sublit. aa erweckt unter diesem Aspekt aber keine Bedenken. Das Erfordernis, dass das Studium bis zu dem Kalenderjahr begonnen werden muss, in dem das volljährige Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, deckt den typischen Fall ab. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Ausnahme von vornherein nur Studien betrifft, bei denen die gesetzliche Studiendauer mindestens zehn Semester beträgt. Dem Gesetzgeber ist es gestattet, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen (vgl. VfSlg. 10.455/1985, 11.616/1988) und von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen (so zB VfSlg. 14.841/1997, 16.124/2001 und 16.771/2002). Dass dabei Härtefälle entstehen können, macht für sich allein eine Regelung nicht unsachlich (VfSlg. 11.615/1988, 14.841/1997). Der Gesetzgeber ist daher nicht verpflichtet, auf alle Fallkonstellationen Bedacht zu nehmen, die einen späteren Studienbeginn zur Folge haben können, zumal bei späterem Studienbeginn der Anspruch auf Familienbeihilfe ja nicht zur Gänze wegfällt, sondern sich die Anspruchsdauer lediglich um ein Jahr verkürzt."

Trotz eines - der Argumentation des Beschwerdeführers entsprechenden - Vorbringens der Vorarlberger Landesregierung hat der Verfassungsgerichtshof die maßgeblichen Bestimmungen des § 2 FLAG 1967 als verfassungskonform angesehen. Dass der Gesetzgeber im Falle einer Berufsausbildung den Anspruch auf Familienbeihilfe mit der Vollendung des 24. Lebensjahres begrenzt, erachtet er als verfassungskonform.

Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer mit seinen Beschwerdeausführungen keine Verfassungswidrigkeit der angewendeten Normen aufzuzeigen vermochte. Die Überlegungen des Beschwerdeführers sind daher nicht geeignet, einen Antrag des Bundesfinanzgerichtes gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG an den Verfassungsgerichtshof betreffend § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 und zu rechtfertigen. Da § 2 Abs. 1 lit j FLAG 1967 im vorliegenden Fall aufgrund der Berufsausbildung der Tochter in der Schweiz nicht anzuwenden ist, kann das Bundesfinanzgericht mangels Präjudizialität keinen Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof stellen.

Im Übrigen kann auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, seine Tochter sei nicht im 6., sondern im 7. Lebensjahr eingeschult worden, der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Die Tochter des Beschwerdeführers ist Ende September 1996 geboren. Zum Zeitpunkt der Einschulung in die Volksschule Mitte September 2003 war seine Tochter unstrittig (noch) 6 Jahre alt, also im 7. Lebensjahr. Dies trifft auch auf alle Kinder zu, die ab dem Schulbeginn des jeweiligen Jahres bis Ende August des Folgejahres geboren sind. Lediglich jene Kinder, die zwischen Anfang September und dem tatsächlichen Schulbeginn das 7. Lebensjahr vollenden, haben ihre Einschulung erst mit 7 Jahren, also im 8. Lebensjahr.

Das Bundesfinanzgericht kann das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht nachvollziehen, dass allen (anderen) Kindern ein Ausbildungszeitraum von 18 Lebensjahren zugestanden wird. Diese Behauptung trifft schon deshalb nicht zu, da das Gesetz im Falle einer Berufsausbildung den Familienbeihilfenanspruch mit der Vollendung des 24. Lebensjahres (mit Ausnahmen) begrenzt; auf einen Ausbildungszeitraum von 18 Lebensjahren stellt das Gesetz nicht ab. Zudem haben auch nicht alle Kinder bis zum 24. (und in Ausnahmefällen bis zum 25.) Lebensjahr Anspruch auf Familienbeihilfe, weil etwa schon vorher ihre Berufsausbildung abgeschlossen oder gar keine begonnen wurde. Zudem bekommt - wenn die gesetzlich normierten Voraussetzungen vorliegen - jedes Kind bis zu dem Monat, in dem es 24 Jahre alt wird, die Familienbeihilfe, unabhängig davon, ob es im Frühjahr oder im Herbst geboren wird.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung berühren keine vom Verwaltungsgerichtshof iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösende Rechtsfrage ( ua.). Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Eine Revision ist nicht zulässig, da die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise

G 6/11
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100027.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at