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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 23.01.2024, RV/7103280/2018

Einstellung des Verfahrens mangels Parteifähigkeit der GmbH aufgrund im Firmenbuch erfolgter Löschung wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Sonja Stradner in der Beschwerdesache ***Bf***, unbekannte Adresse, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart (nunmehr Finanzamt Österreich) betreffend

- Körperschaftsteuer 2012, Umsatzsteuer 2012 und Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO betreffend Körperschaftsteuer 2012 und Umsatzsteuer 2012 (alle vom ),

- Körperschaftsteuer 2014 und Umsatzsteuer 2014 (alle vom ),

- Körperschaftsteuer 2015 und Umsatzsteuer 2015 (alle vom ),

- Haftung betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2012, 2014 - 2015 (alle vom ) sowie

- Haftung betreffend Abzugsteuer 2014 - 2015 (alle vom ),

zu Steuernummer ***Bf-StNr*** beschlossen:

I. Das Beschwerdeverfahren wird als gegenstandslos erklärt und eingestellt.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang:

Bei der Beschwerdeführerin (Bf.) fand eine abgabenbehördliche Prüf ung gemäß § 147 Abs. 1 BAO iVm § 99 Abs. 2 FinStrG für den Zeitraum 2012 bis 2015 betreffend ua. Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer statt. Aufgrund der Ergebnisse der Außenprüfung erließ das Finanzamt folgende Bescheide

  1. Wiederaufnahmebescheide betreffend Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer 2012 (datiert mit )

  2. Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuerbescheid 2012 (datiert mit )

  3. Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuerbescheid 2014 (datiert mit )

  4. Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuerbescheid 2015 (datiert mit )

  5. Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2014 und 2015 (datiert mit )

  6. Haftungsbescheide hinsichtlich der Kapitalertragsteuer 2012, 2014 - 2015 (datiert mit )

  7. Haftungsbescheide hinsichtlich Abzugsteuer 2014 - 2015 (datiert mit )

und schrieb Abgabennachforderungen iHv insgesamt 888.846,45 € (ohne Säumniszuschläge) vor.

Dagegen richtete sich die am eingebrachte Beschwerde, in der auch die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO hinsichtlich eines Betrages von 893.972,88 € beantragt wurde.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies das Finanzamt die Beschwerde betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2012, 2014 - 2015 und Abzugsteuer 2014 - 2015 als unbegründet ab. Mit einer weiteren BVE vom wies das Finanzamt die Beschwerde betreffend Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer 2012, 2014- 2015 ebenfalls als unbegründet ab. Mit BVE vom wies das Finanzamt letztlich auch die Beschwerde betreffend Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO hinsichtlich Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer 2012 als unbegründet ab. Die Bf. beantragte daraufhin jeweils fristgerecht die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht (BFG) sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Die Vorlage an das BFG erfolgte mit Vorlagebericht vom , wobei der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung der Fall am zugewiesen wurde. Am erstatte die Bf. eine Gegenäußerung zum Vorlagebericht.

Nach Durchsicht des Verwaltungsaktes und Einsicht in das Firmenbuch wurde das Finanzamt mit Beschluss vom aufgefordert, mitzuteilen, ob und in welcher Höhe die Aussetzung der Einhebung bewilligt wurde, wie das Abgabenkonto aushaftet und ob und in welcher Höhe Abgabenforderungen bei Konkurseröffnung des Bf. angemeldet und quotenmäßig getilgt wurden. Weiters sollte bekanntgegeben werden, ob die Bf. über ein Aktivvermögen verfüge bzw. ob sich nach Ansicht des Finanzamtes im Falle einer Stattgabe der Beschwerde ein Aktivvermögen der Gesellschaft ergeben könnte, sodass kein Verlust der Parteifähigkeit eingetreten sei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

Die Bf. ist seit ***Datum2007*** unter der Firmenbuchnummer ***FN*** im Firmenbuch eingetragen und ist in der Baubranche tätig.

Das Finanzamt führte im Jahr 2016 eine Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2012 - 2015 durch und traf Feststellungen, die zur Vorsteuerkürzung und Nichtanerkennung von Betriebsausgaben iZm Fremdleistungen, Material- und Mietaufwand aufgrund von Schein- und Deckungsrechnungen von Subunternehmen führten.

Das Ergebnis der Betriebsprüfung wurde bescheidmäßig umgesetzt und Abgabennachforderungen iHv insgesamt 888.846,45 € betreffend Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Anspruchszinsen, Kapitalertrag- und Abzugsteuer festgesetzt. Die Abgaben wurden bis dato nicht entrichtet, die Beträge sind ausgesetzt.

Mit Beschluss des Handelsgericht Wien vom ***Datum2019*** zu Aktenzeichen ***AZ*** wurde über das Vermögen des Bf. das Konkursverfahren eröffnet. Das Finanzamt hat aufgrund eines Rückstandsausweises vom Abgabenforderungen iHv 931.121,60 € im Insolvenzverfahren angemeldet. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum2020*** wurde der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben. Es erfolgte keine quotenmäßige Befriedigung, keine anteilige Löschung oder ähnliches der Abgabenforderungen.

Der im Firmenbuch eingetragene Gesellschafter und Geschäftsführer ist unbekannt verzogen. Am ***Datum2023*** wurde die amtswegige Löschung wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG im Firmenbuch eingetragen.

Nach Auskunft des Finanzamtes vom scheint auf dem Abgabenkonto der Bf. ein Rückstand iHv 26.702,12 € auf und ist ein Betrag iHv 906.608,48 € ausgesetzt. Laut Erhebungen des Finanzamtes verfügt die Bf. über kein Aktivvermögen und könnte ein solches selbst im Falle einer vollinhaltlichen Stattgabe nicht mehr entstehen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen und dem Einblick in die Datenbanken der Finanzverwaltung sowie in das Firmenbuch. Der Stand des Abgabenkontos und die Höhe der ausgesetzten Beträge wurde seitens des Finanzamtes mit Schreiben vom übermittelt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Einstellung des Verfahrens)

Rechtliche Grundlagen:

§ 40 Abs. 1 FBG lautet:

"Eine Kapitalgesellschaft, die kein Vermögen besitzt, kann auf Antrag der nach dem Sitz der Gesellschaft zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung oder eines Finanzamtes oder von Amts wegen gelöscht werden; mit der Löschung gilt die Gesellschaft als aufgelöst. Eine Abwicklung findet nicht statt. Sofern das Vorhandensein von Vermögen nicht offenkundig ist, gilt eine Kapitalgesellschaft bis zum Beweis des Gegenteils auch dann als vermögenslos, wenn sie die Jahresabschlüsse und gegebenenfalls die Lageberichte (§§ 277 ff UGB) von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht vollzählig zum Firmenbuch eingereicht hat und seit dem Zeitpunkt, zu dem der Jahresabschluss für das zweite Geschäftsjahr einzureichen gewesen wäre, mindestens sechs Monate vergangen sind."

§ 79 BAO lautet:

"Für die Rechts- und Handlungsfähigkeit gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. § 2 Zivilprozeßordnung ist sinngemäß anzuwenden."

§ 80 BAO lautet:

"(1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war."

Für das streitgegenständliche Verfahren bedeutet dies:

Die Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person gemäß § 40 Abs. 1 FBG hat lediglich deklaratorischen Charakter (vgl. ; ) und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist (vgl. 8 Ob A 46/06g) und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt sind, also zB Abgaben noch festzusetzen sind (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 79, Rz 11). Bis zum Beweis des Gegenteils ist anzunehmen, dass eine im Firmenbuch gelöschte Kapitalgesellschaft vermögenslos und damit nicht (mehr) parteifähig ist (). Nach der Judikatur des VwGH (vgl. Erkenntnis vom , Ro 2014/13/0035) ist der Fortbestand der Rechtssubjektivität einer wegen Vermögenslosigkeit von Amtswegen gelöschten GmbH zu bejahen, solange noch ein Abwicklungsbedarf besteht.

Im gegenständlichen Fall ist die Gesellschaft am ***Datum2023*** - somit rund zweieinhalb Jahre nach Aufhebung des Konkurses - im Firmenbuch gemäß § 40 FBG gelöscht worden. Sie ist daher als vermögenslos anzusehen.

Die Abgabennachforderung hinsichtlich Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Anspruchszinsen, Abzugsteuer und Kapitalertragsteuer betreffend die Jahre 2012, 2014 - 2015 beträgt 888.846,45 € zzgl. Säumniszuschläge, somit insgesamt 906.608,48 €. Auf dem Abgabenkonto haftet mit Datum vom ein fälliger und vollstreckbarer Rückstand iHv 26.702,12 € aus. Die in den angefochtenen Abgabenbescheiden festgesetzten Mehrbeträge an Steuern hat die Bf. nicht bezahlt, sondern wurde eine Summe iHv 906.608,48 € bis zur Erledigung des gegenständlichen Verfahrens gemäß § 212a BAO ausgesetzt und ist es immer noch. Daher kann sich - selbst bei einer Stattgabe der Beschwerde - auch nachträglich kein verwertbares Vermögen ergeben. Andererseits ist im Fall einer Abweisung der Beschwerde die dann rechtskräftige Abgabenforderung gegenüber der gelöschten Gesellschaft mangels Vermögen nicht einbringlich.

Im gegenständlichen Fall kann daher ein Abwicklungsbedarf im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht erkannt werden und ist ein Fortbestand der Rechtssubjektivität nach der Löschung im Firmenbuch nicht gegeben.

Somit liegt eine Vollbeendigung einer gelöschten GmbH vor und ist das Beschwerdeverfahren mangels Parteifähigkeit einzustellen bzw. als gegenstandslos geworden zu erklären (): Gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO ist die Bescheidbeschwerde in den Fällen des § 256 Abs. 3 BAO (Zurücknahme der Beschwerde) und des § 261 BAO (Fälle, in denen dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen wurde) mit Beschluss des Verwaltungsgerichts als gegenstandslos zu erklären. Dies entspricht den Fällen des § 33 Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz und damit der Vorschrift, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sinngemäß anzuwenden ist, wenn es zu einem Wegfall der Rechtspersönlichkeit der beschwerdeführenden Partei kommt.

Mit der nur deklarativ wirkenden Löschung gemäß § 40 FBG der Gesellschaft im Firmenbuch, ist nach der Rechtsprechung des OGH, aber konstitutiv auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden (vgl. ; ). In so einem Fall können an eine im Firmenbuch gelöschte juristische Person mangels Handlungsfähigkeit keine Bescheide mehr wirksam erlassen werden. Eine Zustellung etwa an den früheren Geschäftsführer wäre unwirksam (vgl. ; ; ; u. a. m.). Ebenso erloschen sind sämtliche Vollmachten (s. dazu Rubin in Kletečka/ Schauer, ABGB, § 1023 Rz 1; ).

Auch die Vertreterregel des § 80 Abs. 3 BAO ist in diesem Fall nicht anwendbar, weil diese nur jene Fälle erfasst, in denen eine Liquidation (§ 89 GmbHG) stattgefunden hat. Nicht erfasst sind Fälle, in denen eine Gesellschaft gemäß § 39 Abs. 1 FBG bei Konkursabweisung mangels eines zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichenden Vermögens (§ 71b IO) als aufgelöst gilt und daher mangels Vermögens von Amts wegen zu löschen ist oder eine Kapitalgesellschaft gemäß § 40 Abs. 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wird (Ritz/Koran, BAO7 § 80 Rz 15).

Dies trifft auf die Bf. zu.

Da weder dem früheren Masseverwalter noch dem ehemaligen steuerlichen Vertreter, dessen Vollmacht mit der Konkurseröffnung erloschen ist, eine Erledigung durch das BFG zugestellt werden kann und für eine Bestellung eines Kurators nach § 82 Abs. 1 BAO keine Veranlassung besteht ( mit Verweis auf Stoll, BAO-Kommentar, 809), ergeht der Beschluss nur an die Amtspartei.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war aufgrund der mangelnden Parteifähigkeit der Bf. ausgeschlossen und war die Formalentscheidung ohne Durchführung einer solchen zu treffen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit einer Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Verfahren wurde vom BFG weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch des Obersten Gerichtshofes abgewichen, noch fehlte es für die zu lösende Rechtsfrage an einer Rechtsprechung der Gerichtshöfe und des Bundesfinanzgerichtes. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 278 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 256 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 40 Abs. 1 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103280.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at