Einstellung des Beschwerdeverfahrens wegen Vollbeendigung einer im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit amtswegig gelöschten GmbH
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Sonja Stradner in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, betreffend die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr FA Österreich) vom betreffend Körperschaftsteuer 2010 - 2012 und Festsetzung von Anspruchszinsen 2010 - 2012 sowie gegen die Haftungsbescheide vom betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2010 - 2011, Steuernummer ***Bf-StNr*** beschlossen:
I. Das Beschwerdeverfahren wird als gegenstandslos erklärt und eingestellt.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
I. Verfahrensgang:
Bei der Beschwerdeführerin (Bf.) fand eine Betriebsprüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO für den Zeitraum 2010 bis 2012 betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer statt. Aufgrund der Ergebnisse der Außenprüfung erließ das Finanzamt folgende Bescheide
Körperschaftsteuerbescheide 2010 - 2012 (datiert mit )
Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2010 - 2012 (datiert mit )
Haftungs- und Abgabenbescheide hinsichtlich der Kapitalertragsteuer 2010 - 2011 (datiert mit )
und schrieb Abgabennachforderungen iHv insgesamt 1.416.714,11 € vor.
Dagegen richtete sich die am eingebrachte Beschwerde, in der auch die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO hinsichtlich des Betrages von 1.407.120,34 € beantragt wurde. Ein Mängelbehebungsauftrag wurde seitens der Bf. am fristgerecht beantwortet und das Beschwerdebegehren auf drei Feststellungen im Bericht über die Betriebsprüfung eingeschränkt. Auch wurde das Begehren auf Aussetzung der Einhebung auf 1.300.154,49 € reduziert.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, woraufhin die Bf. fristgerecht die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht (BFG) sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragte.
Die Vorlage an das BFG erfolgte mit Vorlagebericht vom , wobei der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung der Fall am zugewiesen wurde.
Nach Durchsicht des Verwaltungsaktes und Einsicht in das Firmenbuch wurde das Finanzamt am aufgefordert, bekannt zu geben, ob und in welcher Höhe die Aussetzung der Einhebung bewilligt wurde, wie das Abgabenkonto aushaftet und ob die Bf. über ein Aktivvermögen verfügt bzw. ob sich nach Ansicht des Finanzamtes im Falle einer Stattgabe der Beschwerde ein Aktivvermögen der Gesellschaft ergeben könnte.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
Die Bf. wurde von ***Gesellschafter*** im Juli 2008 mit Sitz in ***W*** gegründet, am ***Datum 2008*** unter der Firmenbuchnummer ***FN*** im Firmenbuch eingetragen und diente dem Gesellschafter als reine Beschaffungsagentur seiner weißrussischen Firmen.
Zweck der Bf. war über die Aufnahme von Fremdfinanzierungen, An- und Vorauszahlungen für in Weißrussland benötigte Ausrüstungsgegenstände und Handelswaren im Bereich Druckerzeugnisse und Verpackungsmaterial bewerkstelligen zu können. Die Aufgabe der Bf. lag in der papiermäßigen und zahlungstechnischen Abwicklung der vom weißrussischen Personal angebahnten, verhandelten und zu erfüllenden Verträge.
Das Finanzamt führte in den Jahren 2016/2017 eine Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2010 - 2012 durch und traf Feststellungen hinsichtlich einer verdeckten Ausschüttung iSd § 8 Abs. 2 KStG, nichtabzugsfähiger Aufwendungen iSd § 20 Abs. 1 EStG, Nichtanerkennung von Betriebsausgaben iSd § 4 Abs. 4 EStG und mangelnde Empfängernennung iSd § 162 BAO.
Das Ergebnis der Betriebsprüfung wurde bescheidmäßig umgesetzt und Abgabennachforderungen iHv insgesamt 1.416.714,11 € betreffend Körperschaftsteuer, Anspruchszinsen und Kapitalertragsteuer festgesetzt. Die Abgaben wurden bis dato nicht entrichtet, die Beträge sind ausgesetzt.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes ***W*** vom ***Datum 2019*** wurde zu Aktenzeichen ***AZ*** über das Vermögen der Bf. das Konkursverfahren eröffnet und mit Beschluss vom ***Datum 2020*** der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben. Am ***Datum 2022*** wurde die Löschung wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG im Firmenbuch eingetragen.
Nach Auskunft des Finanzamtes vom scheint auf dem Abgabenkonto der Bf. ein Rückstand iHv 47.600,08 € auf und ist ein Betrag iHv 1.416.714,11 € ausgesetzt. Laut Erhebungen des Finanzamtes verfügt die Bf. über kein Aktivvermögen und könnte ein solches selbst im Falle einer vollinhaltlichen Stattgabe nicht mehr entstehen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen und dem Einblick in die Datenbanken der Finanzverwaltung sowie in das Firmenbuch. Der Stand des Abgabenkontos und die Höhe der ausgesetzten Beträge wurde seitens des Finanzamtes mit Schreiben vom übermittelt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1.Zu Spruchpunkt I.
Rechtliche Grundlagen:
§ 40 Abs. 1 FBG lautet:
"Eine Kapitalgesellschaft, die kein Vermögen besitzt, kann auf Antrag der nach dem Sitz derGesellschaft zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung oder eines Finanzamtes oder vonAmts wegen gelöscht werden; mit der Löschung gilt die Gesellschaft als aufgelöst. EineAbwicklung findet nicht statt. Sofern das Vorhandensein von Vermögen nicht offenkundig ist,gilt eine Kapitalgesellschaft bis zum Beweis des Gegenteils auch dann als vermögenslos, wennsie die Jahresabschlüsse und gegebenenfalls die Lageberichte (§§ 277 ff UGB) von zweiaufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht vollzählig zum Firmenbuch eingereicht hat undseit dem Zeitpunkt, zu dem der Jahresabschluss für das zweite Geschäftsjahr einzureichengewesen wäre, mindestens sechs Monate vergangen sind."
§ 79 BAO lautet:
"Für die Rechts- und Handlungsfähigkeit gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. § 2 Zivilprozeßordnung ist sinngemäß anzuwenden."
§ 80 BAO lautet:
"(1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.
(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war."
Für das streitgegenständliche Verfahren bedeutet dies:
Die Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person gemäß § 40 Abs. 1 FBG hat lediglich deklaratorischen Charakter (vgl. ; ) und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist (vgl. 8 Ob A 46/06g) und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt sind, also zB Abgaben noch festzusetzen sind (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 79, Rz 11). Bis zum Beweis des Gegenteils ist anzunehmen, dass eine im Firmenbuch gelöschte Kapitalgesellschaft vermögenslos und damit nicht (mehr) parteifähig ist (). Nach der Judikatur des VwGH (vgl. Erkenntnis vom , Ro 2014/13/0035) ist der Fortbestand der Rechtssubjektivität einer wegen Vermögenslosigkeit von Amtswegen gelöschten GmbH zu bejahen, solange noch ein Abwicklungsbedarf besteht.
Im gegenständlichen Fall ist die Gesellschaft am ***Datum 2022*** - somit rund zwei Jahre nach Aufhebung des Konkurses - im Firmenbuch gemäß § 40 FBG gelöscht worden. Sie ist daher als vermögenslos anzusehen.
Die Abgabennachforderung hinsichtlich Körperschaftsteuer, Anspruchszinsen und Kapitalertragsteuer betreffend die Jahre 2010 - 2012 beträgt 1.416.714,11 €. Auf dem Abgabenkonto haftet mit Datum vom ein fälliger und vollstreckbarer Rückstand iHv 47.600,80 € aus. Die in den angefochtenen Abgabenbescheiden festgesetzten Mehrbeträge an Steuern iHv 1.416.714,11 € hat die Bf. nicht bezahlt, sondern wurden diese Summen bis zur Erledigung des gegenständlichen Verfahrens gemäß § 212a BAO ausgesetzt und sind es immer noch. Daher kann sich - selbst bei einer Stattgabe der Beschwerde - auch nachträglich kein verwertbares Vermögen ergeben. Andererseits ist im Fall einer Abweisung der Beschwerde die dann rechtskräftige Abgabenforderung gegenüber der gelöschten Gesellschaft mangels Vermögen nicht einbringlich.
Im gegenständlichen Fall kann daher ein Abwicklungsbedarf im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht erkannt werden und ist ein Fortbestand der Rechtssubjektivität nach der Löschung im Firmenbuch nicht gegeben.
Somit liegt eine Vollbeendigung einer gelöschten GmbH vor und ist das Beschwerdeverfahren mangels Parteifähigkeit einzustellen bzw. als gegenstandslos geworden zu erklären (): Gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO ist die Bescheidbeschwerde in den Fällen des § 256 Abs. 3 BAO (Zurücknahme der Beschwerde) und des § 261 BAO (Fälle, in denen dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen wurde) mit Beschluss des Verwaltungsgerichts als gegenstandslos zu erklären. Dies entspricht den Fällen des § 33 Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz und damit der Vorschrift, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sinngemäß anzuwenden ist, wenn es zu einem Wegfall der Rechtspersönlichkeit der beschwerdeführenden Partei kommt.
Mit der nur deklarativ wirkenden Löschung gemäß § 40 FBG der Gesellschaft im Firmenbuch, ist nach der Rechtsprechung des OGH, aber konstitutiv auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden (vgl. ; ). In so einem Fall können an eine im Firmenbuch gelöschte juristische Person mangels Handlungsfähigkeit keine Bescheide mehr wirksam erlassen werden. Eine Zustellung etwa an den früheren Geschäftsführer wäre unwirksam (vgl. ; ; ; u. a. m.). Ebenso erloschen sind sämtliche Vollmachten (s. dazu Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB, § 1023 Rz 1; ).
Auch die Vertreterregel des § 80 Abs. 3 BAO ist in diesem Fall nicht anwendbar, weil diese nur jene Fälle erfasst, in denen eine Liquidation (§ 89 GmbHG) stattgefunden hat. Nicht erfasst sind Fälle, in denen eine Gesellschaft gemäß § 39 Abs. 1 FBG bei Konkursabweisung mangels eines zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichenden Vermögens (§71b IO) als aufgelöst gilt und daher mangels Vermögens von Amts wegen zu löschen ist oder eine Kapitalgesellschaft gemäß § 40 Abs. 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wird (Ritz/Koran, BAO7 § 80 Rz 15).
Dies trifft auf die Bf. zu.
Da weder dem früheren Masseverwalter noch dem ehemaligen steuerlichen Vertreter, dessen Vollmacht mit der Konkurseröffnung erloschen ist, eine Erledigung durch das BFG zugestellt werden kann und für eine Bestellung eines Kurators nach § 82 Abs. 1 BAO keine Veranlassung besteht ( mit Verweis auf Stoll, BAO-Kommentar, 809), ergeht der Beschluss nur an die Amtspartei.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war aufgrund der mangelnden Parteifähigkeit der Bf. ausgeschlossen und war die Formalentscheidung ohne Durchführung einer solchen zu treffen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Verfahren wurde vom BFG weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch des Obersten Gerichtshofes abgewichen, noch fehlte es für die zu lösende Rechtsfrage an einer Rechtsprechung der Gerichtshöfe und des Bundesfinanzgerichtes. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 278 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 40 Abs. 1 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104758.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at