Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 17.01.2024, RV/7103413/2023

Einstellung des Beschwerdeverfahrens betreffend eine vollbeendete GmbH

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH, Fleischmarkt 1 Tür 3.Stock, 1010 Wien, betreffend die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt (jetzt Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2010 und 2011, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Die belangte Behörde führte in den Jahr 2013 bis 2015 eine Außenprüfung bei der Beschwerdeführerin (in weiterer Folge kurz: Bf.) betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 durch.

Als Resultat dieser Außenprüfung erließ das Finanzamt am die im Spruch bezeichneten Bescheide die zu einer Abgabennachforderung führten.

Gegen diese Bescheide erhob die Bf. am Beschwerde, welche mit Beschwerdevorentscheidung am als unbegründet abgewiesen wurde.

Der steuerliche Vertreter brachte sodann am einen Vorlageantrag ein.

Die Abgabennachforderungen betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 in Höhe von € 614.831,80 wurde ausgesetzt.

Die beschwerdeführende GmbH wurde am wegen Vermögenslosigkeit gem. § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht.

Das Finanzamt Österreich legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Einstellung des Verfahrens und führte dazu aus:

"Am Abgabenkonto der Bf. sind Abgaben iHv EUR 150.545,97 fällig und Abgaben iHv EUR 639.425,07 von einer Aussetzung der Einhebung erfasst. Da die streitgegenständlichen Abgabennachforderungen bislang nicht entrichtet, sondern gemäß § 212a BAO ausgesetzt wurden, führt selbst eine vollinhaltliche Stattgabe der Beschwerde zu keinem Aktivvermögen der gelöschten GmbH. Weder diese noch in weiterer Folge deren Gläubiger könnten ein Abgabenguthaben lukrieren. Da bei der Beschwerdeführerin keine Abgaben mehr festzusetzen sind sowie kein Aktivvermögen vorhanden und auch keines mehr zu erwarten ist, hat die Rechtspersönlichkeit der Beschwerdeführerin spätestens am mit der Festsetzung der MIKÖ für die Jahre 2019 - 2021 geendet. Somit liegt im gegenständlichen Fall mangels Abwicklungsbedarf eine Vollbeendigung der gelöschten GmbH vor (vgl. Ro 2014/13/0035)."

Hieraus folgt rechtlich:

Gemäß § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. § 2 Zivilprozeßordnung ist sinngemäß anzuwenden.

Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat bloß deklaratorischen Charakter () und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist () und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt sind (Ritz, BAOs, § 79, Tz 10, 11, , ).

Die Rechts- und Parteifähigkeit einer GmbH bleibt daher auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch solange erhalten, als noch Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind. An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide ergehen daher im Fall eines bestehenden Abwicklungsbedarfs grundsätzlich rechtswirksam (VWGH , 98/17/0185, , , ).

Ob noch Abwicklungsbedarf besteht, ergibt sich aus dem Umstand, ob bei sonstiger Vermögenslosigkeit die Abgabenfestsetzung in irgendeiner denkbaren Konstellation - etwa durch Anrechnung von Steuervorauszahlungen, Abzugssteuer oder Vorsteuern - zu einem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen kann (vgl. ).

Aus diesem Grund ist zu prüfen, ob sich auf Grund des vorliegenden Rechtsstreits nachträglich ein abwickelbares Vermögen der Bf. ergeben könnte, sodass die Rechtspersönlichkeit der beschwerdeführenden Gesellschaft insoweit als fortdauernd anzusehen wäre (vgl. sowie ).

Da im gegenständlichen Fall keine Zahlungen auf die strittige Abgabenschuld (USt 2010 € 259.236,56 und USt 2011 € 355.595,24) erfolgten, entsteht somit bei einer vollen Stattgabe über die gegenständliche Beschwerde kein Abgabenguthaben und somit keine Aussicht auf einen Rückzahlungsanspruch. Anderseits kann im Fall der Abweisung der Beschwerd das Finanzamt die dann rechtskräftigen Forderungen gegenüber der gelöschten GmbH mangels Vermögens nicht durchsetzen.

Das Vorliegen eines anderweitigen Vermögens und eines sich daraus ergebenden Abwicklungsbedarfes kann im Hinblick auf die obigen Ausführungen des Finanzamtes (laut Konto der Bf. sind € 150.545,97 fällig und Abgaben in Höhe von € 639.425,07 ausgesetzt) ausgeschlossen werden. Damit ist aber davon auszugehen, dass die Rechtspersönlichkeit der aufgelösten und amtswegig gelöschten GmbH bereits weggefallen ist.

Da das Verfahren nach dem "Wegfall der Rechtspersönlichkeit" der beschwerdeführenden Partei nicht fortgeführt werden kann, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde einzustellen (vgl. , und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Dieser Beschluss ergeht nur an die belangte Behörde.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Beschluss entspricht der Rechtsprechung des VwGH (siehe oben), weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 40 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103413.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at