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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.01.2024, RV/7104108/2023

Aufhebung begründungslos erlassener Wiederaufnahmebescheide

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Vertretung über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 23 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren zur Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2013, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Wiederaufnahmescheide zur Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2013 vom

Im Zuge einer Außenprüfung im Unternehmen der Bf. wurde mit Bescheiden vom basierend auf der Norm des § 303 Abs. 1 BAO die Wiederaufnehme der Verfahren zur Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2013 verfügt und hierbei begründend auf die Niederschrift und auf den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gemäß § 150 BAO verwiesen.

Die im Bericht als Grundlage der Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren zur Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2013 herangezogene Tz 3 lautet wortwörtlich wie folgt: "Infolge der Nichtaufbewahrung von Losungsgrundaufzeichnungen und Dokumentationsmängel werden die erklärten Erlöse um einen Sicherheitszuschlag in Form einer griffweisen Zuschätzung um € 8.000 p.a. erhöht."

Beschwerde vom

Mit Eingabe vom wurde seitens der steuerlichen Vertretung der Bf. unter anderem gegen die die Wiederaufnahme der Verfahren zur Umsatzsteuer der Jahre 2011 bis 2013 verfügenden Bescheide Beschwerde erhoben, wobei im Wesentlichen die mangelhafte Begründung in Form des Fehlens einer konkreteren Bezeichnung des Wiederaufnahmegrundes bzw. der Heranziehung des Terminus "Sicherheitszuschlag" als Grund der Wiederaufnahme moniert, bzw. korrespondierend damit die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide durch den Senat unter Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom

In der Begründung der die gegen die Wiederaufnahmebescheide zur Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2013 gerichteten Beschwerde abweisenden BVE vom führte die belangte Behörde für die Rechtmäßigkeit der Verfügung der Wiederaufnahme die Tatsache der ausführlichen Besprechung der Sicherheitszuschläge mit der vormaligen Vertretung der Bf. ins Treffen.

Vorlageantrag vom

Mit Eingabe vom wurde seitens der steuerlichen Vertretung unter anderem die Vorlage der gegen die Wiederaufnahme der Verfahren zur Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2013 gerichteten Beschwerde an das BFG beantragt, respektive die bereits in der Beschwerde gestellten Anträge auf Behandlung der Rechtssache durch den Senat unter Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wiederholt.

Rücknahme der Anträge auf Behandlung der Beschwerde durch den Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom

Mit Eingabe der steuerlichen Vertretung der Bf. vom wurden die in den Schriftsätzen vom sowie vom gestellten Anträge auf Erledigung der Beschwerde durch den Senat sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtmäßigkeit der Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren zur Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2013

Vor dem Hintergrund des an oberer Stelle dargelegten Verwaltungsgeschehens steht die Rechtsmäßigkeit der Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren zur Umsatzsteuer für die Jahr 2011 bis 2013 auf dem Prüfstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

In Ansehung der Tatsache, dass die in Beschwerde gezogenen Wiederaufnahmebescheide vom - ungeachtet dessen, dass diese schon im Spruch, ob des bloßen Hinweises auf die Bestimmung des § 303 Abs. 1 BAO - den seitens der Behörde exakt herangezogenen Wiederaufnahmetatbestand vermissen lassen -, exklusiv mit der in der Tz 3 des Berichts dargelegten Begründung "Infolge der Nichtaufbewahrung vom Losungsgrundaufzeichnungen und Dokumenationsmängel werden die erklärten Erlöse um einen Sicherheitszuschlag in Form einer griffweisen Zuschätzung um € 8.000 p.a. erhöht" ausgestattet sind, war der Beschwerde aus nachstehenden Überlegungen Folge zu geben:

Einleitend ist anzumerken, dass nach einhelliger Ansicht im verfahrensrechtlichen Schrifttum und der der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Wiederaufnahmegründe in der Begründung des die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheides anzuführen sind.

Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil nach der Judikatur des VwGH (zB ; , 90/14/0044; , 91/14/0165; , 93/14/0187, 0188) sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung des gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann, sondern diese exklusiv zu beurteilen hat, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen.

Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmsgründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist auch in der Beschwerdevorentscheidung nicht "nachholbar" (vgl BMF, AÖF 2006/192, Abschn. 4; RV/0316-F/07; , RV/0086-F/07; Fischerlehner, Abgabenverfahren 2, § 303 Anm 4; ; , RV/7101420/2019; , RV/2100646/2020).

Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§ 263 Abs. 1) ident ist mit jener für Erkenntnisse (§ 279 Abs. 3). Weiters ist im Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) zu entscheiden (vgl. Ritz/Koran, BAO7 § 307, Tz 3)

In Ansehung vorstehender Ausführungen und der Tatsache, dass der bloße Hinweis auf eine griffweise Zuschätzung der Erlöse im Ausmaß von € 8.000 - an oberer Stelle dargelegten, an eine taugliche Begründung gestellten höchstgerichtlichen Postulaten - in keinster Weise Rechnung trägt, respektive die in der BVE nachgeholte Begründung der Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren zur Umsatzsteuer 2011 bis 2013 für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der evidenter Maßen begründungslos ergangenen Wiederaufnahmebescheide vom ohne Belang ist, war wie im Spruch zu befinden.

Hinweis auf die Rechtsfolge des § 307 Abs. 3 BAO

Werden die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide im Bescheidbeschwerdeverfahren aufgehoben, so tritt nach § 307 Abs. 3 BAO das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Durch die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides scheidet somit ex lege die neue Sachbescheide aus dem Rechtsbestand aus (; , 2006/15/0353; , 2010/17/0122), der alte Sachbescheid lebt wieder auf (z.B. , 0017; , 2009/15/0170).

Mit anderen Worten ausgedrückt bewirkt die verwaltungsgerichtliche Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide somit einerseits das Außerkraftteten der mit datierten, - ebenfalls in Beschwerde gezogenen - Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013, andererseits das Wiederaufleben der Umsatzsteuerbescheide 2011 bis 2013 vom (2011), vom (2012) sowie vom (2013).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt nicht vor da das Erkenntnis einerseits direkt auf den gesetzlichen Grundlagen der BAO fußt und andererseits das BFG auch nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104108.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at