Anwendung einer anderen Methode für die Ermittlung des Betriebsstättenergebnisses durch ausländische Finanzverwaltung keine neue Tatsache iS des § 303 Abs. 1 lit. b BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter *** Mag. R. *** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr******Bf2-Adr***, vertreten durch ICON Wirtschaftstreuhand GmbH, Stahlstraße 14, 4020 Linz, und ***Bf2***, ***Bf2-Adr***, vertreten durch ICON Wirtschaftstreuhand GmbH, Stahlstraße 14, 4020 Linz, über die Beschwerden vom betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO vom hinsichtlich Feststellung des Ergebnisses des Gruppenmitgliedes ***Bf2*** für die Jahre 2010 und 2011 gemäß § 24a Abs. 1 Z 1 KStG 1988 mit Bescheid des Finanzamtes ***1*** vom , Steuernummer ***BF1StNr1*** und Steuernummer ***BF2StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
In einem als Antrag auf Durchführung einer Gegenberichtigung des steuerlichen Einkommens der ***Bf2*** auf kurzem Wege bezeichneten Schreiben vom wurde unter anderem die Berichtigung des in Österreich veranlagten steuerlichen Einkommens der ***Bf2*** der Kalenderjahre 2010 und 2011 begehrt.
In diesem Schreiben wurde folgender Sachverhalt dargestellt:
Die in Österreich ansässige ***Bf2*** hätte in ***EU-Mitgliedstaat*** während der Jahre 2008
bis 2011 zwei Betriebsstätten nach Art. 5 Abs. 1 DBA Österreich ***EU-Mitgliedstaat*** an den folgenden Standorten unterhalten:
[...]
Bei den in ***EU-Mitgliedstaat*** ausgeführten Leistungen würde es sich im Wesentlichen um industrielle Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten handeln. Für die Ermittlung des Betriebsstättenergebnisses wäre von ***Bf2*** die Kostenschlüsselmethode herangezogen worden. Im Sinne der Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, die auf Grundlage des AOA auch auf die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte anzuwenden wären, wäre die Kostenschlüsselmethode den Gewinnteilungsmethoden zuzuordnen. Diese würden für geeignet empfunden, wenn mehrere Geschäfte sehr eng miteinander verbunden sind, keine Vergleichsdaten für Transaktionen zwischen fremden Dritten identifiziert werden können oder die Parteien erhebliche und einzigartige Wertschöpfungsbeiträge leisten. Gewinnteilungsmethoden wären vor allem dann geeignet, wenn sich die Standardmethoden nicht oder nicht verlässlich anwenden lassen.
Im Rahmen der ***6*** Betriebsprüfung bei ***Bf2*** betreffend die Geschäftsjahre 2008 bis 2011 wäre der Prüfer nach einer Analyse des Sachverhalts sowie des Funktionsprofils der Betriebsstätte zu dem Schluss gekommen, dass die Kostenaufschlagsmethode zu einem sachgerechteren BS-Ergebnis als die Kostenschlüsselmethode führen würde. Dies deshalb, weil dem österreichischen Stammhaus sämtliche wesentliche Funktionen zuordenbar wären, während die ***7*** Betriebsstätte lediglich mit der Durchführung von Reparaturen sowie Engineeringleistungen im geringen Umfang betraut wäre. Das österreichische Stammhaus wäre vom ***6*** Betriebsprüfer demnach als "Strategieträger" eingestuft worden. Bei der ***6*** Betriebsstätte würde es sich hingegen nach Ansicht des Prüfers um ein Routineunternehmen handeln, da in ***EU-Mitgliedstaat*** nur Instandhaltungsleistungen erbracht würden, wenig bis kein Einfluss auf die Preisgestaltung bestehen und die ***7*** Niederlassung gegenüber Auftraggebern (Fakturierung der Rechnungen) nicht autonom in Erscheinung treten würde. Unter Beachtung des Unternehmenscharakters "Routineunternehmen" wäre nach Ausführungen des ***6*** Prüfers für die Gewinnermittlung der Betriebsstätten nur die Kostenaufschlagsmethode in Betracht zu ziehen.
Aufgrund dieser Feststellung von Seiten des ***6*** Prüfers wäre es für die betreffenden Geschäftsjahre zu einer Betriebsstättenergebnisanpassung in ***EU-Mitgliedstaat*** gekommen.
Die Unterlagen, die den oben beschriebenen Sachverhalt belegen, wären dem beigelegten Prüfbericht der ***6*** Finanzverwaltung zu entnehmen (Anlage I). Gegen die festgesetzte Betriebsstättenergebnisanpassung vom ***6*** Prüfer wäre kein Rechtsmittel eingelegt worden.
2 Ausmaß der erforderlichen Gegenberichtigung
Um im vorliegenden Fall zu verhindern, dass durch die geplante Primärberichtigung des Ergebnisses der ***Bf2*** der Effekt einer (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung eintritt, müsse im DBA-Partnerstaat (Österreich) eine korrespondierende Gegenberichtigung ("primäre Gegenberichtigung") erfolgen. Durch Art. 7 DBA Österreich-***EU-Mitgliedstaat*** würde diese Gegenberichtigungspflicht bestätigt werden, wenn internationales Einvernehmen über die Fremdvergleichskonformität der Primärberichtigung besteht. RZ 324 der ÖVPR 2010 würde dabei vorsehen, dass eine Gegenberichtigung nicht nur über ein formales Verständigungsverfahren bewirkt werden könne, sondern gegebenenfalls auch von Amts wegen durch das zuständige Finanzamt, sofern dieses die ausländische Primärberichtigung als fremdvergleichskonform erachtet ("Gegenberichtigung auf kurzem Wege").
Auf Basis der von der ***6*** Finanzbehörde ergangenen Bescheide, wären unter Anwendung der Cost-Plus Methode folgende Einkünfte für die Geschäftsjahre 2008 bis 2011 bei der ***6*** Zweigniederlassung festgesetzt worden:
…
Veranlagungsjahr 2010: EUR + ***8***
Veranlagungsjahr 2011: EUR + ***9***
Die auf Basis der BP-Feststellung abgeänderten ***6*** Körperschaftssteuerbescheide für die betreffenden Geschäftsjahre wären der Anlage II zu entnehmen.
Um eine durch die geplanten Ergebnisanpassungen bei der ***6*** Betriebsstätte hervorgerufene Doppelbesteuerung zu vermeiden, würde hiermit die Berücksichtigung der ***6*** Betriebsstättenergebniskorrekturen beim in Österreich veranlagten steuerlichen Einkommens der betreffenden Wirtschaftsjahre beantragt. Dies würde nach Ansicht der Antragstellerin folgende Ergebnisanpassungen in Österreich erfordern:
…
Veranlagungsjahr 2010: EUR ***10***
Veranlagungsjahr 2011: EUR ***11***
Die Details zu den Ergebnisanpassungsrechnungen wären der Anlage III zu entnehmen.
Aus verfahrensrechtlicher Sicht wäre anzumerken, dass die Körperschaftsbescheide der Kalenderjahre 2008 bis 2011 allesamt mit Datum vom (auf Grundlage einer Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 BAO nach der Betriebsprüfung der Jahre 2008 bis 2011) rechtskräftig veranlagt worden wären.
Daher würde für Zwecke der Gegenberichtigung gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO eine Wiederaufnahme der durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren beantragt. Falls wider Erwarten die Voraussetzungen für eine Antragsstellung gem. § 303 Abs. 1 lit. b BAO nicht gegeben wären, würde ein Eventualantrag auf Einleitung eines internationalen Verständigungsverfahrens gem. Art. 25 DBA Österreich-***EU-Mitgliedstaat*** gestellt werden.
Mit Bescheid vom wurde dieser Antrag auf Wiederaufnahme vom betreffend die Einkünfte der ***Bf2*** als Gruppenmitglied für die Jahre 2010 und 2011 vom Finanzamt ***1*** abgewiesen, wobei diese Abweisung wie folgt begründet wurde:
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO wäre dem Antrag Abgabepflichtigen auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
In Fällen, in denen eine Entlastung von der Doppelbesteuerung nach der Befreiungsmethode vorgesehen ist, - wie im gegenständlichen Fall gem. Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA ***EU-Mitgliedstaat*** - Österreich würde Österreich zwar kein Besteuerungsrecht für die Betriebsstättengewinne zustehen, im Ausland nicht berücksichtigte Verluste solcher Betriebstätten wären jedoch bei der Ermittlung des Einkommens des österreichischen Steuerpflichtigen anzusetzen. Bis letztmalig bei der Veranlagung 2011 wären dabei die nach österreichischen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Verluste gem. § 2 Abs. 8 Z 3 EStG idF vor 1. StabG 2012 in der vollen Höhe anzusetzen. Ab der Veranlagung 2012 wären die ausländischen Betriebsstättenverluste zwar unverändert nach österreichischen Gewinnermittlungsvorschriften zu ermitteln, könnten aber gem. § 2 Abs. 8 Z 3 EStG idF nach 1. StabG 2012 höchstens in Höhe der nach ausländischem Steuerrecht ermittelten Verluste beim österreichischen Steuerpflichtigen angesetzt werden.
Die Anwendung einer sachgerechten Verrechnungspreismethode zur Gewinnermittlung wäre Teil der Gewinnermittlung nach innerstaatlichen Vorschriften. Es würde somit bis einschließlich der Veranlagung 2011 hinsichtlich der Feststellungen der ***6*** BP keinerlei Bindungswirkung für die österreichische Finanzverwaltung bestehen. Ab der Veranlagung 2012 würde sich nur bezüglich der Höhe des anzusetzenden Verlustes insofern indirekt eine Bindungswirkung ergeben als die von der ***6*** BP für die jeweiligen Veranlagungsjahre festgestellten negativen Betriebsstättenergebnisse jeweils die Obergrenze für die in Österreich in den einzelnen Veranlagungsjahren ansetzbaren Betriebsstättenverluste darstellen. Es würde jedoch auch weiterhin keinerlei Bindungswirkung hinsichtlich der anzuwendenden Verrechnungspreismethode bestehen.
Würden wie im gegenständlichen Fall ausländische Betriebsstättenverluste gem. § 2 Abs. 8 Z 3 EStG bei einem inländischen Steuerpflichtigen angesetzt, würden diese - bis letztmalig mit Veranlagung 2014 gem. § 2 Abs. 8 Z 3 EStG idF vor AbgÄG 2014 und ab Veranlagung 2015 (inhaltlich unverändert) gem. § 2 Abs. 8 Z 4 EStG - in jenem Kalenderjahr ganz oder teilweise den Gesamtbetrag der Einkünfte erhöhen, in dem sie im Ausland ganz oder teilweise berücksichtigt werden oder berücksichtigt werden könnten. (Ab Veranlagung 2015 würden jedoch angesetzte Verluste aus einem Staat, mit dem keine umfassende Amtshilfe besteht, aufgrund der mit AbgÄG 2014 neu ergänzten Bestimmung des § 2 Abs. 8 Z 4 EStG bereits spätestens im dritten Jahr nach deren Ansatz den Gesamtbetrag der Einkünfte erhöhen; für den angefragten Fall wäre dies jedoch nicht relevant.)
Unabdingbare Voraussetzung für eine Nachversteuerung von angesetzten Verlusten aus einem Staat, mit dem - wie mit ***EU-Mitgliedstaat*** - umfassende Amtshilfe vereinbart ist, wäre deshalb die im betreffenden Kalenderjahr erfolgte (oder zumindest mögliche) Verwertung der Verluste im Ausland. Denn eine Nachversteuerung könne immer nur höchstens im Ausmaß einer Doppelverlustberücksichtigung erfolgen. Dabei wären die im Ausland verwerteten Verluste nicht auf österreichisches Recht umzurechnen, sondern es wäre auf den im Ausland verwerteten Verlustbetrag abzustellen. Das Ausmaß der Doppelverlustberücksichtigung würde somit durch die Höhe des umgerechneten bzw. nach österreichischen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Verlustes einerseits (ab Veranlagung 2012 unter Berücksichtigung des "Verlustdeckels") und die Höhe des in den folgenden Jahren im Ausland verwerteten (bzw. verwertbaren), nicht umgerechneten Verlustbetrages andererseits begrenzt (vgl. EStR Rz 203). Dies wäre in Judikatur, Literatur und Verwaltungspraxis unstrittig. Die Höhe der in Österreich in einem Kalenderjahr nachzuversteuernden Verluste könne daher nie die Höhe des in ***EU-Mitgliedstaat*** im betreffenden Kalenderjahr tatsächlich verwerteten (bzw. verwertbaren) Betrags übersteigen.
Im gegenständlichen Fall wäre daher die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Rahmen der BP in richtiger Höhe erfolgt, weshalb der Antrag abzuweisen war.
Dieser Abweisungsbescheid ist sowohl an die ***Bf2*** als auch die ***Bf1*** ergangen.
Am wurde durch die beiden Beschwerdeführer ein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom , der am eingelangt wäre, bis gestellt. Dieser Antrag wurde wie folgt begründet:
Vor dem Hintergrund des kürzlichen Lockdowns und den damit verbundenen Arbeitserschwernissen wäre es leider nicht möglich gewesen, eine abschließende Beurteilung der Entscheidung des Finanzamtes ***1*** gemeinsam mit dem Mandanten zu erarbeiten.
Am wurde ein weiterer Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist bis gestellt und zwar mit derselben Begründung wie jener vom . Bemerkt wird, dass der ein Sonntag war.
Mit Fax vom wurde fristgerecht eine Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom durch beide Beschwerdeführer eingebracht und beantragt, die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO zu verfügen und die Einkünfte 2011 durch Erlassung neuer Feststellungsbescheide um EUR ***12*** zu vermindern. Gleichzeitig wurde gemäß § 262 Abs. 2 BAO beantragt, dass keine Beschwerdevorentscheidung erlassen wird.
In dieser Beschwerde wurde zunächst auf die Bescheidbeschwerde vom betreffend die Feststellungsbescheide Gruppenmitglied 2012 und 2013 verwiesen und wurde der nach Ansicht der Beschwerdeführer maßgebliche Sachverhalt wie folgt dargestellt:
Im Rahmen einer ***6*** Betriebsprüfung für die Jahre 2008 bis 2011 wäre festgestellt worden, dass für die Betriebsstätten ***13*** und ***14*** anstatt der bis dahin angewandten Kostenschlüsselmethode auf Grund des Funktionsprofils der beiden Betriebsstätten die Gewinnaufschlagsmethode anzuwenden wäre. Infolge dessen wurde von der ***Bf2*** ein Antrag auf Gegenberichtigung gemäß § 303 Abs. 1 BAO eingebracht und eine entsprechende Anpassung der Feststellungsbescheide 2010 und 2011 beantragt.
Der Gegenberichtigungsantrag wäre Im Rahmen der Außenprüfung der Jahre 2012 bis 2014 seitens der Großbetriebsprüfung ***1*** bearbeitet worden. Die Großbetriebsprüfung wäre zum Ergebnis gekommen, dass für die Betriebsstätte ***13*** die Gewinnaufschlagsmethode anerkannt werden könne und wäre damit der ***6*** Betriebsprüfung gefolgt. Zu einem anderen Ergebnis wäre die Großbetriebsprüfung hinsichtlich der Betriebsstätte ***14*** gekommen.
In der Niederschrift vom würde die Großbetriebsprüfung ausführen, dass für die Betriebsstätte ***14*** entgegen der Ansicht der ***6*** Betriebsprüfung nicht die Gewinnaufschlagsmethode, sondern die direkte Methode anzuwenden sei. Begründet würde die Auffassung damit, dass die Betriebsstätte in 2009 (Kauf- und Übertragungsvertrag vom ***15***), als sie erworben wurde, bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen wäre. Darauf würde auch ein Kaufpreis von EUR 1,00 hinweisen. Weiters würde die Großbetriebsprüfung auf den Lagebericht 2010 verweisen, in dem u.a. erläutert wird, dass im Herbst 2010 der Hauptkunde weggefallen sei und daher Ende 2010 die Schließung des Standortes beschlossen wurde.
Vor diesem Hintergrund wäre die Großbetriebsprüfung zum Ergebnis gekommen, dass somit die Kostenaufschlagsmethode nicht möglich sei und stattdessen die nach der direkten Methode ermittelten Ergebnisse zu berücksichtigen seien. Für 2010 hätte die Großbetriebsprüfung für die Niederlassung ***14*** sohin einen Verlust in Höhe von
EUR -836.873,00 festgestellt.
Unter Berücksichtigung des positiven Betriebsstättenergebnisses 2010 für die Niederlassung ***13*** in Höhe von EUR ***16*** hätte die Großbetriebsprüfung sohin einen nach
§ 2 Abs. 8 EStG für 2010 In Österreich zu berücksichtigenden Verlust von EUR ***17*** ermittelt.
Aus Vorjahr (Anmerkung: richtig wohl: Vorjahren) würden aus Sicht der Großbetriebsprüfung in Österreich gemäß § 2 Abs. 8 EStG nachzuversteuernde Verluste aus den ***6*** Betriebsstätten zum von insgesamt EUR 85.245,00 resultieren. Zusammen mit dem von der Großbetriebsprüfung ermittelten Verlust 2010 würden sohin für die Jahre ab 2011 grundsätzlich zur Nachversteuerung anstehende Verluste aus ***6*** Betriebsstätten in Höhe von EUR ***18*** verbeiben.
Zu den Feststellungen der Großbetriebsprüfung für das Jahr 2010 im Hinblick auf die Betriebsstatte ***14***:
In der Niederlassung ***14*** wären im Wesentlichen nur Industrielle Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten erbracht worden.
Somit hätte die Betriebsstatte lediglich Routinetätigkeiten erbracht, was auch von der Großbetriebsprüfung nicht in Abrede gestellt worden wäre.
Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Kostenaufschlagsmethode wäre es nach dem OCED-MK und auch dem DBA ***EU-Mitgliedstaat*** (Art 7 Abs. 2) angebracht, die Dienstleistungen dem Stammhaus zu jenem Satz anzulasten, der auch an fremde Dritte verrechnet wird, der somit auch einen Gewinnaufschlag enthalten kann (Aigner/Kofler/Tumpel, DBA Kommentar2 (2019), Rz 85 zu Art 7). Auch die VPR 2010 (Rz 229f) würden festhalten, dass Dienstleistungen grundsätzlich mit einem Fremdvergleichspreis anzusetzen sind. Wäre ein Fremdvergleichspreis nicht festzustellen, würde die Dienstleistung der Betriebsstätte mit einem nach der Kostenaufschlagsmethode ermittelten Verrechnungspreis in Rechnung zu stellen sein. Die von der Großbetriebsprüfung ***1*** vorgebrachte Argumentation, dass die Kostenaufschlagsmethode auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten bereits beim Erwerb bzw. auf Grund von Liquidationskosten nicht anwendbar sei, könne hier nicht ausschlaggebend für die Nichtanwendbarkeit der Kostenaufschlagsmethode sein.
Zum Jahr 2011:
Aber selbst dann, wenn man den Argumenten der Großbetriebsprüfung ***1*** hinsichtlich der anzuwendenden Methode der Betriebsstättengewinnermittlung folgen würde, wären die
Einkünfte aus Gewerbebetrieb und somit auch das Einkommen für das Jahr 2011 nicht korrekt festgesetzt worden und zwar aus folgendem Grund:
Für das Jahr 2011 hätte die Großbetriebsprüfung für die Betriebsstätte ***13*** einen Betriebsstättengewinn in Höhe von EUR ***12*** festgestellt, der auf Grund des DBA Österreich/***EU-Mitgliedstaat*** infolge der anzuwendenden Befreiungsmethode aus der Besteuerungsgrundlage auszuscheiden Ist. In derselben Höhe würde allerdings die Großbetriebsprüfung eine Nachversteuerung gemäß § 2 Abs. 8 EStG unterstellen, sodass sich aus Sicht der Großbetriebsprüfung für das Jahr 2011 keine steuerlichen Auswirkungen ergeben würden. Das Finanzamt ***1*** wäre dieser Auffassung gefolgt und hätte daher die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO abgelehnt.
Gemäß § 2 Abs. 8 Z 3 EStG würden angesetzte Auslandsverluste in jenem Kalenderjahr ganz oder teilweise den Gesamtbetrag der Einkünfte erhöhen, in dem sie im Ausland ganz oder teilweise berücksichtigt werden oder berücksichtigt werden könnten (Nachversteuerung).
Auf diesen Umstand würde das Finanzamt ***1*** im Bescheid vom auch ausdrücklich hinweisen: "Unabdingbare Voraussetzung für eine Nachversteuerung von angesetzten Verlusten aus einem Staat, mit dem - wie mit ***EU-Mitgliedstaat*** - umfassende Amtshilfe vereinbart ist, ist deshalb die im betreffenden Kalenderjahr erfolgte (oder zumindest mögliche) Verwertung der Verluste im Ausland. Denn eine Nachversteuerung kann immer nur höchstens im Ausmaß einer Doppelverlustberücksichtigung erfolgen." Weiter würde das Finanzamt ***1*** in der Bescheidbegründung wie folgt ausführen: "Die Höhe der In Österreich in einem Kalenderjahr nachzuversteuernden Verluste kann daher nie die Höhe des in ***EU-Mitgliedstaat*** im betreffenden Kalender tatsächlich verwerteten (bzw. verwertbaren) Betrags übersteigen".
Diese Ausführungen des Finanzamtes in der Bescheidbegründung würden zur Gänze geteilt. Nur würde das Finanzamt übersehen, dass im Kalenderjahr 2011 in ***EU-Mitgliedstaat*** keine Verluste verwertet worden wären und auch nicht verwertet werden konnten, da in 2011 in ***EU-Mitgliedstaat*** keine Verlustvorträge mehr bestanden hätten, die verwertet werden hätten können. Dies würde auch eindeutig des dem, dem Finanzamt bzw. auch der Großbetriebsprüfung vorliegenden ***6*** Körperschaftsteuerbescheid 2011 hervorgehen. Somit würde auch kein Raum für eine Nachversteuerung gemäß § 2 Abs. 8 EStG bleiben. Die Einkünfte bzw. das Einkommen der ***Bf2*** für das Jahr 2011 wäre daher korrekterweise um EUR ***12*** niedriger anzusetzen.
Mit Vorlagebericht vom legte das nunmehr zuständige Finanzamt für Großbetriebe die Beschwerden vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor ohne vorher eine Beschwerdevorentscheidung erlassen zu haben und beantragte die vollinhaltliche Abweisung der Beschwerden.
Am fand vor dem Bundesfinanzgericht ein Erörterungstermin statt und wird hinsichtlich dessen Verlaufes auf die den Parteien des Beschwerdeverfahrens bereits ausgefolgte Niederschrift verwiesen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die ***Bf2*** (vormals: ***Bf2*** bzw. ab April 2010 bis März 2013 ***Bf2***), die zu FN ***19*** im Firmenbuch eingetragen ist, ist seit der Veranlagung 2005 Mitglied der Unternehmensgruppe der ***Bf1*** (Gruppenfeststellungsbescheid des Finanzamtes ***1*** vom ). Die ***Bf1*** wurde mit Hauptversammlungsbeschluss vom in eine GmbH gemäß §§ 239 ff AktG umgewandelt und heißt seit April 2013 ***Bf1***, wobei die ***Bf1*** seit 2008 74% der Anteile an der ***Bf2*** gehalten hat, also mit dieser im Sinne des § 9 Abs. 4 erster Teilstrich KStG 1988 finanziell verbunden war.
Mit Bescheiden vom wurde das Feststellungsverfahren gem. § 24a Abs. 1 Z 1 KStG 1988 betreffend die ***Bf2*** gemäß § 303 Abs. 1 BAO für das Jahr 2010 wiederaufgenommen und ein neuer Feststellungsbescheide Gruppenmitglied für 2010 am durch das Finanzamt ***1*** erlassen. Ebenfalls am wurde ein Erstbescheid betreffend Feststellung des Ergebnisses des Gruppenmitgliedes ***Bf2*** für das Jahr 2011 erlassen. Die Feststellungsbescheide Gruppenmitglied 2010 und 2011 vom betreffend die ***Bf2*** sind in Rechtskraft erwachsen.
Die ***Bf2*** hat im Zeitraum ***20***2009 bis über eine Betriebsstätte in ***EU-Mitgliedstaat*** in ***4***, ***5***, verfügt. Ferner hatte die ***Bf2*** auch in den Jahren 2008 bis 2011 eine weitere Betriebsstätte in ***EU-Mitgliedstaat*** und zwar am Standort ***2***, ***21***.
Beide Betriebsstätten waren mit der Durchführung von Reparaturen sowie Wartungs- Instandhaltungsarbeiten betraut. In geringem Umfang wurden auch Engineeringleistungen ausgeführt. Für die Ermittlung der Ergebnisse dieser beiden Betriebsstätten in ***EU-Mitgliedstaat*** wurde von der ***Bf2*** die Kostenschlüsselmethode angewandt.
Im Rahmen einer im Zeitraum ***22*** 2013 bis ***23*** 2015 von der ***6*** Finanzverwaltung durchgeführten Betriebsprüfung bei der ***Bf2*** wurde die bisher von der ***Bf2*** für die beiden Betriebsstätten angewandte Kostenschlüsselmethode nicht akzeptiert, sondern festgestellt, dass aufgrund des Charakters dieser Betriebsstätten als "Routineunternehmen" nur die Kostenaufschlagsmethode (Cost-Plus) in Betracht kommen würde, wobei ein Gewinnaufschlag von 5% angesetzt wurde. Dies hat zu folgender Änderung der Betriebsstättenergebnisse für 2010 und 2011 geführt:
[...]
Der Bf. war im Zeitpunkt der Erlassung der Feststellungsbescheide Gruppenmitglied betreffend die ***Bf2*** für die Jahre 2010 und 2011 vom bekannt welche Funktionen die beiden ***6*** Betriebsstätten ausgeübt haben und sind im ***6*** Betriebsprüfungsverfahren für die Bf. selbst keine neuen Tatsachen bzw. Beweismittel betreffend die beiden ***6*** Betriebsstätten für die Jahre 2010 und 2011 hervorgekommen.
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem mit den mit Vorlagebericht des Finanzamtes für Großbetriebe vom vorgelegten Unterlagen bzw. aus dem Firmenbuch sowie dem Feststellungsbescheid betreffend Unternehmensgruppe der ***Bf1*** vom und sind auch zwischen den Parteien nicht strittig.
Die Feststellung, dass der Bf. im Zeitpunkt der Erlassung der Feststellungsbescheide Gruppenmitglied betreffend die ***Bf2*** für die Jahre 2010 und 2011 vom bekannt war welche Funktionen die beiden ***6*** Betriebsstätten ausgeübt haben und dass im ***6*** Betriebsprüfungsverfahren für die Bf. selbst keine neuen Tatsachen bzw. Beweismittel betreffend die beiden ***6*** Betriebsstätten für die Jahre 2010 und 2011 hervorgekommen sind, ergibt sich bereits aus dem von den Beschwerdeführern am gestellten Wiederaufnahmeantrag, weil sich in diesem selbst keine neuen Tatsachen bzw. Beweismittel betreffend die beiden Betriebsstätten in ***EU-Mitgliedstaat*** angeführt sind. Auch wurde im Erörterungstermin von der Vertretung der Beschwerdeführerin selbst festgehalten, dass es sich bei dem Ergebnis der ***6*** Betriebsprüfung aus Sicht der Beschwerdeführerinnen um keine neuen Tatsachen handelt (vgl. Seite 2 der Niederschrift vom ).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Eingangs ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht festzuhalten, dass gemäß § 267 BAO über die beiden Beschwerden in einer Entscheidung abzusprechen ist, weil mit beiden Beschwerden derselbe Bescheid angefochten wurde (vgl. Ritz/Koran, BAO7, Tz 3 zu § 267 BAO letzter Bulletpoint).
Gem. § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Tatsachen im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Elemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften (vgl. zB ).
Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine neuen Tatsachen (vgl. zB ; ).
Daher kann auch eine von einer anderen Steuerverwaltung vertretene Rechtsansicht betreffend die Methode zur Ermittlung des Betriebsstättenergebnisses gegenüber dem Stammhaus, die von der bisher von der Abgabepflichtigen angewandten Methode der Aufteilung des Ergebnisses zwischen Betriebsstätte und Stammhaus abweicht, nicht als neue Tatsache iS des § 303 Abs. 1 lit. b BAO angesehen werden (vgl. ; Daurer/Kerstinger, SWK 23, 24/2023, S 941 unter Punkt 2.).
In diesem Zusammenhang ist abschließend festzuhalten, dass es bei einem Antrag auf Wiederaufnahme nicht auf den Kenntnisstand der Abgabenbehörde ankommt, sondern darauf auf dem Antragsteller der Sachverhalt im abgeschlossenen Verfahren bereits vollständig bekannt war, dh. es muss sich für den Antragsteller um neue Tatsachen bzw. Beweismittel handeln (vgl. ; ; ; ; ) und ergeben sich aus dem Antrag vom aus Sicht der antragstellenden Beschwerdeführer keine neuen Tatsachen bzw. Beweismittel.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist bei der Beurteilung des beschwerdegegenständlichen Sachverhaltes der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt, weswegen eine Revision nicht zulässig ist.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100446.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at