Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 02.02.2024, RV/7100300/2024

Verständigung gemäß § 281a BAO

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7100300/2024-RS1
Wird in einer Beschwerde (ausschließlich) geltend gemacht, dass eine innerstaatliche Bestimmung gegen Unionsrecht verstößt, stellt dies keinen Anwendungsfall des § 262 Abs. 3 BAO dar, in dem die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Verwaltungsgericht vorzulegen wäre.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch PwC PricewaterhouseCoopers Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Donau-City-Straße 7, 1220 Wien, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom betreffend Aufhebung des Körperschaftsteuerbescheides 2018, Steuernummer ***BFStNr***, beschlossen:

Gemäß § 281a BAO werden die Parteien davon in Kenntnis gesetzt, dass nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes in gegenständlicher Beschwerdesache noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist.

Gegen diesen Beschluss ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.

Begründung

Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin unter Vorlage einer korrigierten Körperschaftsteuererklärung die Aufhebung des Körperschaftsteuerbescheides 2018 vom gemäß § 299 BAO. Es seien auch Lizenzzahlungen im Ausmaß von € 167.000,00 für Trademarks an die in Luxemburg ansässige ***X***. als Betriebsausgabe zu berücksichtigen. Diese Lizenzgebühren würden an sich unter das Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Z. 10 KStG 1988 fallen, da die Einkünfte der mit der Beschwerdeführerin verbundenen ***X***. einer tatsächlichen Steuerbelastung von weniger als 10 %, nämlich einer effektiven Steuerbelastung von 5,20 % unterliegen. Allerdings verstoße diese Bestimmung gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit, da in Österreich ansässige juristische Personen - bis auf wenige Ausnahmefälle - einem Steuersatz von 25 % unterliegen und das Abzugsverbot daher nur zum Tragen kommen könne, wenn der Empfänger der Lizenzzahlungen im Ausland ansässig ist. Dies stelle eine faktische (indirekte) Diskriminierung dar.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag ab. Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom , in der auch ein Antrag auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung und Vorlage innerhalb von drei Monaten ab Einlangen der Bescheidbeschwerde an das Bundesfinanzgericht gestellt wurde (§ 262 Abs. 2 BAO). Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vor und stützte diese direkte Vorlage auf § 262 Abs. 3 BAO, da ausschließlich Europarechtswidrigkeit des zugrundeliegenden § 12 Abs. 1 Z. 10 KStG 1988 behauptet werde.

Vorweg ist festzuhalten, dass eine Beschwerdevorentscheidung jedenfalls nicht nach § 262 Abs. 2 BAO unterbleiben konnte. Die Beschwerdeführerin hatte dies zwar beantragt, doch hat die belangte Behörde die Beschwerde nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Monaten, sondern erst nach rd. eineinhalb Jahren vorgelegt. Dadurch ist die Pflicht zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wiederaufgelebt (; Rzesut/Tanzer/Unger, BAO 2.06., Rz. 16 zu § 262; Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I [3. Aufl.], Rz. 12 zu § 262 BAO; Ritz/Koran, BAO [7. Aufl.], Rz. 9 zu § 262).

Die belangte Behörde stützt die direkte Vorlage auf § 262 Abs. 3 BAO. Nach dieser Bestimmung ist die Bescheidbeschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen, wenn lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet wird (sog. "Verfassungsrüge"). Diese Aufzählung ist taxativ (Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I [3. Aufl.], Rz 13 zu § 262 BAO). Schon nach dem Wortlaut umfasst § 262 Abs. 3 BAO daher nicht den Fall, dass in einer Beschwerde behauptet wird, innerstaatliche Bestimmungen würden gegen Unionsrecht verstoßen. Auch eine analoge Anwendung des § 262 Abs. 3 BAO auf derartige Fälle kommt nicht infrage:

Ein Grund dafür, dass Beschwerden, in denen lediglich die Rechtswidrigkeit einer generellen Norm geltend gemacht wird, unmittelbar dem Verwaltungsgericht vorzulegen sind, liegt darin, dass nur Gerichte einen Antrag auf Normenkontrolle an den Verfassungsgerichtshof stellen können (Art. 139 Abs. 1 Z. 1 und Art. 140 Abs. 1 Z. 1 lit. a B-VG, die gem. Art. 140a B-VG auch im Fall der Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen anzuwenden sind). Verwaltungsbehörden haben diese Möglichkeiten nicht, sodass sie die fragliche Norm bei Erlassung der Beschwerdevorentscheidung - selbst wenn sie sie ebenfalls für rechtswidrig halten sollten - erneut anwenden müssten. Eine derartige Beschwerdevorentscheidung wäre daher ein überflüssiger Zwischenschritt, weshalb der Gesetzgeber hier eine Ausnahme vorgesehen hat. Da jedoch Unionsrecht auch von Verwaltungsbehörden unmittelbar anzuwenden ist (Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I [3. Aufl.], Rz 13 zu § 262 BAO), sind der Behörde bei behaupteten Verstößen gegen Unionsrecht nicht "die Hände gebunden", sondern hat sie - wenn sie zur Überzeugung gelangt, dass eine innerstaatliche Bestimmung gegen Unionsrecht verstößt - diese unionsrechtskonform zu interpretieren bzw. (wenn dies nicht möglich sein sollte und das Unionsrecht unmittelbar anwendbar ist) unangewendet zu lassen. In einem solchen Fall stellt eine Beschwerdevorentscheidung keinen überflüssigen Zwischenschritt dar.

Ein weiterer Grund für die Ausnahmebestimmung des § 262 Abs. 3 BAO besteht darin, dass die Möglichkeit, durch eine rechtzeitige Erreichung des Verfassungsgerichtshofes allenfalls in den Genuss der Anlassfallwirkung zu kommen, nicht erschwert werden soll (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO [3. Aufl.], Anm. 8 zu § 262). Nach Art. 139 Abs. 6 und Art. 140 Abs. 7 B-VG, die gem. Art. 140a B-VG auch im Fall der Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen anzuwenden sind, ist eine aufgehobene Bestimmung auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles (d.i. jene konkrete Rechtssache, die tatsächlich Anlass für die Einleitung des Normenprüfungsverfahrens beim VfGH war) weiterhin anzuwenden. Diese den Anlassfall begünstigende Regelung wurde von der Judikatur auf alle Fälle ausgedehnt, die bei Beginn der mündlichen Verhandlung oder bei Beginn der nicht-öffentlichen Beratung beim VfGH anhängig sind (; , B1171/94). Die mit einer Beschwerdevorentscheidung verbundene Zeitverzögerung kann nun dazu führen, dass eine Rechtssache nicht rechtzeitig beim VfGH einlangt, um Anlassfall zu werden, weshalb eine Beschwerdevorentscheidung in Fällen, in denen ausschließlich die Rechtswidrigkeit einer generellen Norm behauptet wird und die Beschwerde daher ausschließlich auf die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gerichtet ist, unterbleiben soll. Auch diese Überlegung ist auf den Fall, dass Verstöße gegen Unionsrecht behauptet werden, nicht übertragbar, da eine der "Anlassfallregelung" entsprechende Bestimmung in einem derartigen Fall nicht existiert und unionsrechtswidrige innerstaatliche Bestimmungen in jedem Fall (nicht bloß in einem "Anlassfall") unionsrechtskonform zu interpretieren sind bzw. (bei Vorliegen der Voraussetzungen) unangewendet zu bleiben haben.

Da sohin ein Fall, in dem eine Beschwerdevorentscheidung ausnahmsweise zu unterbleiben hat, nicht vorliegt, waren die Parteien gemäß § 281a BAO formlos zu verständigen, dass nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist.

Bei der Verständigung nach § 281a BAO handelt es sich um einen verfahrensleitenden Beschluss (). Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig. Sie können erst in der Revision oder Beschwerde gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden (§ 25a Abs. 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, § 88a Abs. 3 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100300.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at