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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.02.2024, RV/7100240/2024

Beschwerdevorentscheidung ohne Beschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Adebiola Bayer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BDO Austria Holding Wirtschaftsprüfung GmbH, Am Belvedere 4, 1100 Wien, betreffend den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom über die Bestellung zum Sachverständigen gemäß § 177 BAO zu Recht:

I. Die Beschwerdevorentscheidung vom wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden "Bf.") ist Mitglied einer Unternehmensgruppe, bei der über die Jahre 2016 bis 2018 eine abgabenbehördliche Außenprüfung durchgeführt wurde. Diese führte u.a. dazu, dass bei der Bf. das Verfahren betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2018 wieder aufgenommen und ein neuer Sachbescheid erlassen wurde. Gegen diese Bescheide vom erhob die Bf. am eine Bescheidbeschwerde.

Auf Behördenseite wurde auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde und unter Berücksichtigung des Verfahrensrechts die Entscheidung getroffen, einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen aus dem Fach der Liegenschaftsbewertung zu bestellen. Hierüber wurde die steuerliche Vertretung am informiert.

Die belangte Behörde erließ am einen - nicht an die Bf. gerichteten - Bescheid über die Bestellung zum Sachverständigen gemäß § 177 BAO. Dieser Bescheid kam der Bf. in Gewährung der von ihr beantragten Akteneinsicht am zu.

Daraufhin erstatte die Bf. am eine Eingabe, die sie als "1. Widerspruch gegen die Bestellung eines Sachverständigen 2. Antrag auf Abänderung des Gutachtensauftrags" bezeichnete.

Die belangte Behörde interpretierte diese Eingabe als Beschwerde gegen den Bescheid vom und erließ am eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher sie die Beschwerde gemäß § 260 BAO zurückwies. In ihrer Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, dass die BAO den Begriff des "Widerspruchs" nicht kenne. Da es bei der Beurteilung von Anbringen nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den Inhalt und das erkennbare Ziel des Parteienvorbringens ankomme, sei die Eingabe der Bf. als Beschwerde gegen die Bestellung des Sachverständigen zu werten.

Dagegen richtet sich die Eingabe der Bf. vom , welche sie als "I. Bescheidbeschwerde II. in eventu: Vorlageantrag" bezeichnete. Darin legte die Bf. insbesondere dar, dass sie mit der Eingabe vom keineswegs beabsichtigt habe, eine Beschwerde gegen den Bescheid zu erheben, mit dem der Sachverständige bestellt worden sei. Der Bf. sei sehr wohl bekannt, dass dieser Bescheid das Verhältnis der Behörde zum Sachverständigen regele und der Bf. diesbezüglich keine Anfechtungsbefugnis zukomme. Vielmehr habe die Bf. ihre Ansicht im durch die Behörde offenbar wiederaufgenommenen Ermittlungsverfahren kundtun und in diesem Verfahren mitwirken wollen. Hierbei handele es sich um die aktive Ausübung des Rechts auf Parteiengehör sowie des Rechts auf Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung. Werde trotz fehlender Bescheidbeschwerde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen und dagegen ein Vorlageantrag eingebracht, so habe das Verwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos aufzuheben (; ; ; ; Ritz, BAO7 § 281a Tz 5).

Die belangte Behörde legte den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht vor. Im Vorlagebericht führte sie insbesondere aus, dass sie sich dazu entschieden habe, die Eingabe als Beschwerde zu deuten, obwohl es zulässig gewesen wäre, die Eingabe nicht einmal als Anbringen iSd § 85 BAO zu interpretieren, da die Worte "Widerspruch" und "Antrag" sowie die Absicht, die Behörde zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, Hinweise für das Vorliegen eines Rechtsmittels gewesen seien, das eine Bescheiderlassung erfordere. Durch die Behandlung als Beschwerde sei der Bf. das Maximum an Rechtsschutz gewährt worden, da hierdurch ein rechtsmittelfähiger Bescheid geschaffen worden sei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. ist Mitglied einer Unternehmensgruppe, bei der über die Jahre 2016 bis 2018 eine abgabenbehördliche Außenprüfung durchgeführt wurde. Diese führte u.a. dazu, dass bei der Bf. das Verfahren betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2018 wieder aufgenommen und ein neuer Sachbescheid erlassen wurde. Gegen diese Bescheide vom erhob die Bf. am eine Bescheidbeschwerde.

Im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit erließ die belangte Behörde am einen - nicht an die Bf. gerichteten - Bescheid über die Bestellung zum Sachverständigen gemäß § 177 BAO. Dieser Bescheid kam der Bf. in Gewährung der von ihr beantragten Akteneinsicht am zu.

Daraufhin erstattete die durch eine Steuerberatungsgesellschaft vertretene Bf. am eine schriftliche Eingabe, die als "1. Widerspruch gegen die Bestellung eines Sachverständigen 2. Antrag auf Abänderung des Gutachtensauftrags" bezeichnet wurde. Als Bezug wurde in dieser Eingabe die "Bescheidbeschwerde vom gegen die Wiederaufnahme und Feststellung Gruppenmitglied 2018" angeführt. Die Eingabe beginnt mit dem folgenden Satz: "[…] im Namen und Auftrag unserer oben angeführten Mandantschaft erstatten wir im laufenden Beschwerdeverfahren die nachfolgende Stellungnahme". Primär "regt" die Bf. in dieser Eingabe "an, die Bestellung des Sachverständigen zurückzunehmen".

Die belangte Behörde interpretierte diese Eingabe als Beschwerde gegen den Bescheid vom und erließ am eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher sie die Beschwerde gemäß § 260 BAO zurückwies. In ihrer Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, dass die BAO den Begriff des "Widerspruchs" nicht kenne. Da es bei der Beurteilung von Anbringen nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den Inhalt und das erkennbare Ziel des Parteienvorbringens ankomme, sei die Eingabe der Bf. als Beschwerde gegen die Bestellung des Sachverständigen zu werten.

Diese Beschwerdevorentscheidung wurde der Bf. am selben Tag zugestellt.

Dagegen richtet sich die Eingabe der Bf. vom , welche sie als "I. Bescheidbeschwerde II. in eventu: Vorlageantrag" bezeichnete. Darin legte die Bf. insbesondere dar, dass sie mit der Eingabe vom keineswegs beabsichtigt habe, eine Beschwerde gegen den Bescheid zu erheben, mit dem der Sachverständige bestellt worden sei. Vielmehr habe die Bf. ihre Ansicht im durch die Behörde offenbar wiederaufgenommenen Ermittlungsverfahren kundtun und in diesem Verfahren mitwirken wollen. Hierbei handele es sich um die aktive Ausübung des Rechts auf Parteiengehör sowie des Rechts auf Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung.

Die belangte Behörde legte den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht vor.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I: Aufhebung

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann nach § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht nach § 279 Abs. 1 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung hat zu erfolgen, wenn der angefochtene Bescheid von einer hiezu nicht zuständigen Behörde erlassen wurde. Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung im Sinne des § 279 Abs. 1 BAO darf dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (, , Ritz, BAO7, § 279 Tz 5).

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, obwohl keine Beschwerde vorlag, bewirkt die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes ().

Ein Vorlageantrag setzt zwingend eine im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung voraus ().

Im Zusammenhang mit der Frage, ob es sich bei der Eingabe der Bf. vom , die als "1. Widerspruch gegen die Bestellung eines Sachverständigen 2. Antrag auf Abänderung des Gutachtensauftrags" bezeichnet wurde, um eine Beschwerde gegen den Bescheid über die Bestellung zum Sachverständigen vom handelte, ist Folgendes zu beachten:

Wie die belangte Behörde ausführte, kennt die Bundesabgabenordnung den Begriff des "Widerspruchs" nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Beurteilung von Parteianträgen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (Ritz, BAO7, § 85 Tz 1, sowie ).

Wie sich aus der Eingabe der Bf. vom erschließt, nahm diese auf die "Bescheidbeschwerde vom gegen die Wiederaufnahme und Feststellung Gruppenmitglied 2018" Bezug und nicht auf den Bescheid vom über die Bestellung zum Sachverständigen gemäß § 177 BAO. Die Eingabe beginnt mit dem folgenden Satz: "[…] im Namen und Auftrag unserer oben angeführten Mandantschaft erstatten wir im laufenden Beschwerdeverfahren die nachfolgende Stellungnahme". Primär "regt" die Bf. in dieser Eingabe lediglich "an, die Bestellung des Sachverständigen zurückzunehmen".

Da die Bf. die Eingabe durch eine Steuerberatungsgesellschaft einbrachte, ist ein auf Unkenntnis zurückzuführende Fehler in der Wortwahl auszuschließen.

Im Zuge des Verfahrens erklärte die Bf. zudem ausdrücklich, dass sie mit ihrer Eingabe keine Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem der Sachverständige bestellt worden sei, habe erheben wollen. Der Bf. sei sehr wohl bekannt, dass dieser Bescheid das Verhältnis der Behörde zum Sachverständigen regele und der Bf. diesbezüglich keine Anfechtungsbefugnis zukomme. Vielmehr habe die Bf. ihre Ansicht im durch die Behörde offenbar wiederaufgenommenen Ermittlungsverfahren kundtun und in diesem Verfahren mitwirken wollen.

Somit kommt eine Behandlung der Eingabe der Bf. vom als Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom über die Bestellung zum Sachverständigen gemäß § 177 BAO nicht in Betracht.

Der Beschwerdevorentscheidung vom liegt demzufolge keine Beschwerde zugrunde.

Diese Beschwerdevorentscheidung ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge von Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet.

Der Vorlageantrag vom war grundsätzlich zulässig, da eine zwar rechtswidrige, aber im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung vorlag.

Daher ist die Beschwerdevorentscheidung vom durch das Bundesfinanzgericht zur Herbeiführung eines rechtsrichtigen Verfahrensstandes gemäß § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II: Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird die Revision nicht zugelassen, da die ersatzlose Aufhebung nach § 279 Abs. 1 BAO bei Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde und in jenen Fällen, in denen keine weitere Entscheidung in Betracht kommt, durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gedeckt ist und die Tatfrage, ob eine Beschwerde erhoben wurde, der Revision nicht zugänglich ist ().

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100240.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at