Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.01.2024, RV/7104005/2023

Keine Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe, da die Erwerbsunfähigkeit wegen Diabetes Mellitus Typ I nicht vor dem 21. Lebensjahr festgestellt wurde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Edith Stefan über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, SozVers.: ***4***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages für den Zeitraum von Mai 2020 bis April 2022, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages vom

Die Beschwerdeführerin (Bf), Frau ***Bf1***, SozVersNr. ***4***, und ihre Tochter T., geb. am 1993 (Vers.Nr. ***5***) sind tschechische Staatsbürger.

Die Bf war in Österreich vom 01. Februar bis und vom bis beschäftigt.

Sie stellte am einen Antrag auf Gewährung der Differenzzahlung (Anm. BFG: gemeint Ausgleichszahlung) zur Familienbeihilfe für den Zeitraum 05/2020 bis 04/2022 und der erhöhten Familienbeihilfe rückwirkend ab Juli 2006 für ihre Tochter T. wegen Diabetes mellitus mit schwierigen Organkomplikationen, Hepatopatie, Hypotyreiase, Ischemie.

Dem Antrag waren Befunde des Krankenhauses ***1*** vom und vom , abgefasst in tschechischer Sprache, beigelegt.

Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom für den Zeitraum Mai 2020 bis April 2022 mit der Begründung ab, dass die Bf mit Schreiben vom aufgefordert worden sei, das Formular E 407 mit beglaubigter deutscher Übersetzung der bereits vorgelegten Befunde nachzureichen. Da die Bf bis zur gesetzten Frist keine Unterlagen nachgereicht habe, sei sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen (§ 119 Bundesabgabenordnung). Eine Familienleistung könne daher nicht ausbezahlt werden.

Beschwerde vom

Die Bf. brachte in ihrer Beschwerde vom vor, dass sie in der Vergangenheit kein Schreiben (Ersuchen um Ergänzung) bekommen habe. Sie gehe davon aus, dass sämtliche Voraussetzungen für die Zuerkennung des materiellen Anspruches gegeben seien und sei auch bereit, alle notwendigen Unterlagen vorzulegen.

Ergänzungsvorhalt des Finanzamtes vom

Das Finanzamt ersuchte die Bf. mit Ergänzungsvorhalt vom um die Vorlage des Formulars E 407 in beglaubigter Übersetzung sowie einer beglaubigten Übersetzung aller relevanten Befunde. Es könne ansonsten keine Bearbeitung seitens des Sozialministeriums zur Beurteilung des Behindertengrades erfolgen.

Vorlage eines beglaubigten Befundes

Die Bf. legte am das Formular E 407 der Verwaltungskommission für die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer in Übersetzung sowie einen mit datierten Befund von ***2*** P., prakt. Arzt in ***1***, in beglaubigter Übersetzung vor:

"Name der Patientin: M. T.

Geburtsnummer: 935628/5180

Krankenkasse: 111

Anschrift: ***1***

(Anm. BFG: Fortsetzung nächste Seite)

Jetzige Erkrankung:
Jedes Jahr mehrere Dekompensation der Grunderkrankung und der zunehmenden diabetischen Komplikationen. 2019 Herz-Lungen-Wiederbelebung hei Hypotonie und Atemstillstand mit Entwicklung einer posthypoxischen Enzephalopathie, Implantation eines Herzschrittmachers, seitdem völlige Abhängigkeit von der Pflege durch eine andere Person. Ähnlich wie in den Vorjahren wiederholt stationär in der internen und der Intensivstation des Krankenhauses ***1***, wiederholt ambulant beim Zentralempfang wegen Dekompensation des Diabetes behandelt, dreimal wöchentlich wegen schwerer Niereninsuffizienz dialysiert. Der Gesundheitszustand der Patientin verschlechtert sich ständig, die Zahl der Krankenhausaufenthalte nimmt jedes Jahr zu, in den letzten drei Jahren etwa 60x. Wegen des Bedarfs an ganztägiger Beaufsichtigung und Betreuung hat die Patientin eine Erhöhung des Pflegegeldes beantragt, das in der Vergangenheit trotz der Verschlechterung ihres Gesundheitszustands von Stufe III laut Stufe II herabgesetzt worden war.

Gehen in der Wohnung nur mit Unterstützung einer anderen Person oder Festhalten an Möbeln und Wänden, untere Gliedmaßen einnickend und schwach, gelegentliche Stürze, nicht in der Lage, das Haus allein zu verlassen, muss von einem Familienmitglied zum Arzt begleitet werden, Ankleiden mit Hilfe, Beeinträchtigung der Feinmotorik der Hände, Schwierigkeiten beim selbstständigen Aufstehen von der Toilette und aus dem Bett, Unfähigkeit, sich selbst zu versorgen, Mutter muss Inkontinenzhilfsmittel einsetzen, da sie keinen Urin und keinen Stuhl zurückhalten kann, Unfähigkeit, auch nur kleine Hygienemaßnahmen (Waschen, Haarpflege, Nägelschneiden) durchzuführen. Die Patientin kann nicht selbständig stehen, und die Mutter muss auch das gesamte Baden übernehmen.

Sie liest, schreibt, hält sich aufgrund von Sehschwierigkeiten nicht lange auf, hört Radio und Fernsehen, kann nicht mit Geld umgehen, häufige Stimmungsschwankungen, kann sich verbal verständigen.

Sie kann ihre Medikamente nicht selbst vorbereiten, sie weiß nicht, welche Medikamente sie einnimmt, das Insulin muss von ihrer Mutter verabreicht werden, sie ist nicht in der Lage, die Diätmaßnahmen selbst einzuhalten, muss unter ständiger Kontrolle sein.

Desorientierung in der Zeit, Orientierung im Raum, Erkennen von Personen.

Sie ist nur in der Lage, das zubereitete Essen mit einem Löffel zu essen. Bei allem anderen ist die Hilfe einer anderen Person notwendig. Ihre Mutter muss sie dreimal pro Woche zur Dialyse bringen. Sie kann nichts alleine machen, sie ist aufgrund ihrer Persönlichkeitsstörung und ihrer Mobilitatsschwierigkeiten nicht in der Lage, irgendwelche Hausarbeiten zu erledigen.

RES - Diabetes mellitus Typ 1 mit multiplen Organkomplikationen - proliferative diabetische Retinopathie bilat., stp. retinaler Photokoagulation, chronische Niereninsuffizienz, Dialyse dreimal pro Woche diabetische Neuropathie, stp. kardiopulm. Wiederbelebung bei Hypotonie und Atemstillstand mit Entwicklung einer posthypoxischen Enzephalopathie im Jahr 2019 und Implantation eines Herzschrittmachers, seither starke Verschlechterung des Allgemeinzustands und völlige Abhängigkeit von der Pflege durch eine andere Person. Organisches Psychosyndrom, prämorbide Persönlichkeitsstörung, Mentale Anorexie.

Aktengutachten des Sozialministeriumservice, erstellt von Dr. Dok1, am

Im Zuge des Verfahrens wurde seitens des Sozialministeriumservice von Dr. Dok1, Arzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, am folgendes Aktengutachten erstellt:

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
E
407 Formular, Ärztliche Bescheinigung zur Gewährung einer besonderen Familienleistung oder einer erhöhten Familienleistung

Dr. Lenka P., Praktischer Arzt, ***3***, Tschechien, Stempel und Unterschrift, schlecht leserlich

Diagnosen:
Diabetes mellitus mit schweren vaskulären Komplikationen
Sehbehinderung
Instabilität der unteren Extremitäten
Verhaltensstörung
Gedächtnisstörung
Zeitliche Desorientierung
Selbständigkeit: Kann sitzen, sprechen, alleine essen, gehen und schreiben. Kann sich nicht alleine anziehen. Ist nicht inkontinent.
Hilfestellung: Ständig erforderlich
Anamnese: im Jahr 2019 Herzstillstand mit Entwicklung einer hypoxischen Enzephalopathie mit organischem Psychosyndrom, Nierenversagen mit regelmäßiger Dialyse, Herzschrittmacher.
Ordination, Dr. Lenka
P., Praktischer Arzt, ***3***, Tschechien
Befundbericht
Zusammenfassung: Jedes Jahr mehrere Krankenhausaufenthalte aufgrund der kontinuierlichen Dekompensation der Grunderkrankung und der zunehmenden diabetischen Komplikationen. 2019 Herz-Lungen-Wiederbelebung bei Hypotonie und Atemstillstand mit Entwicklung einer hypoxischen Enzephalopathie, Inplantation eines Herzschrittmachers, seitdem völlige Abhängigkeit von der Pflege durch eine andere Person. Der Gesundheitszustand der Patientin verschlechtert sich ständig. Mobilität: Gehen nur mit Unterstützung einer anderen Person oder Festhalten an Möbeln und Wänden möglich. Schwache Gliedmaßen. Gelegentliche Stürze. Klinik: Organisches Psychosyndrom, paranoide Persönlichkeitsstörung, mentale Anorexie.

Behandlungen/Medikamente/Hilfsmittel:

Herzschrittmacher, Hämodialyse 3x wöchentlich, Concor, Prestarium, Agen, Ebrantil, Zoxon, Moxonidin, Furorese, Controloc, Renvela, Vigantol, Vitarsoda, Pregabalm, Mirtazapin, Insulin 4x täglich, Psychotherapie.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2, 3 und 4 gemeinsam um eine Stufe erhöht, da diese Leiden 2, 3 und 4 als schwerwiegend gelten.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
X ja □ nein

GdB liegt vor seit: 02/2023

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Erstmaliger schriftlicher Nachweis des organischen Psychosyndroms im Februar 2023.

Frau T. M. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Dies besteht seit: 02/2023

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Frau M. erreicht keine Selbsterhaltungsfähigkeit.

□ Dauerzustand

x Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Evaluierung des weiteren Krankheitsverlaufes

Gutachten des Sozialministeriumservice vom

Im Gutachten des Sozialministeriumservice vom wurde der Tochter der Bf der Grad der Behinderung (GdB) von 100% ab , GdB von 40% ab und GdB von 50% ab sowie die Erwerbsunfähigkeit ab Jänner 2019 bescheinigt.

Die Selbsterhaltungsunfähigkeit sei "ab dem beschriebenen Herzstillstand mit Entwicklung einer hypoxischen Enzephalopathie mit organischem Psychosyndrom, Nierenversagen mit regelmäßiger Dialyse, Herzschrittmacher 1/2019," eingetreten. Davor sei die Antragstellerin selbsterhaltungsfähig (Absolventin einer Handelsakademie mit Maturaabschluss) gewesen. Sie habe in einem Reisebüro, in einem Call-Center als Operator) gearbeitet (vgl. Begründung der Einschätzung der Erwerbsfähigkeit lt Gutachten).

Beschwerdevorentscheidung vom

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass gemäß § 2 Absatz 1 lit c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 Familienbeihilfenanspruch für volljährige Kinde bestehe, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande seien, sich selbst denn Unterhalt zu verschaffen.

Da sich T. im Jänner 2019 (Eintritt der Selbsterhaltungsunfähigkeit) bereits im 26. Lebensjahr befunden habe, stehe der Erhöhungsbetrag und somit auch die Differenzzahlung nicht zu.

Vorlageantrag vom

Die Bf. stellte am den Vorlageantrag:

"…Nach dem Ärztlichen Sachverständigengutachten vom führen Sie an, dass meine Tochter erst seit dem arbeitsunfähig ist. Die Erkrankung ist schon im Juli 2007 ausgebrochen. Seit dieser Zeit hat sich der Gesundheitszustand immer verschlechtert, sie wurde vielmals hospitalisiert, sie absolvierte auch ein Aufenthalt im Sanatorium. Am nach einer Herz-Lungen-Wiederbelebung bei Hypotonie und Atemstillstand mit Entwicklung einer psychosomatischen Enzephalopathie und nach Implantation eines Herzschrittmachers ist sie vollständig von der Pflege anderer Person abhängig. Das von Ihnen erstellte Gutachten, bzw. der zuständigen Stelle spricht über eine langjährige Erkrankung mit einen erheblichen Behinderungswert, wobei dann aber überraschend über den Anfang im Jahr 2019 gesprochen wird. Ich bitte Sie und beantrage gleichzeitig diesbezüglich die Ergänzung und Erörterung sofern möglich. Ich gehe davon aus, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe erfüllt sind. Aus diesem Grund bitte ich um Vorlage meines Antrages dem Bundesfinanzgericht."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Festgehalten wird, dass die Bf. (=Kindesmutter) und ihre Tochter tschechische Staatsbürger sind und in Tschechien leben.

Die Bf. war lt Sozialversicherungsdaten vom 01. Februar bis und vom bis in Österreich als Arbeiterin (in einem Gastronomiebetrieb bei ***6*** etwa 22 km vom Wohnort ***7***, CZ, entfernt) beschäftigt.

Es liegt daher ein Sachverhalt vor, der mehrere EU-Mitgliedsstaaten betrifft und sind daher die Bestimmungen der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (EG) Nr. 883/2004 sowie die Durchführungsverordnung (EG) 987/2009 anzuwenden.

Der Geltungsbereich der Verordnung umfasst nach Art 3 Abs 1 lit j EU-VO Nr. 883/2004 auch Familienleistungen.

Gemäß Art 11 der Verordnung unterliegen Personen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedsstaates.

Im gegenständlichen Fall unterliegt die Bf. aufgrund ihrer Beschäftigung in Österreich den österreichischen Rechtsvorschriften. Österreich ist gemäß Artikel 68 Abs 1 lit a der EU-VO Nr. 883/2004 vorrangig für die Familienleistungen zuständig und Tschechien nachrangig. Zu klären ist daher, ob nach den österreichischen Rechtsvorschriften ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichzahlung) und den Erhöhungsbetrag aufgrund der Behinderung besteht.

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 besteht Anspruch für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 10 Abs 3 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind, höchstens für 5 Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

§ 8 Abs. 4 FLAG 1967 legt fest, in welchem Ausmaß sich die Familienbeihilfe bei einem erheblich behinderten Kind erhöht.

Gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundes-amtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr: Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen und ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Die Einschätzungsverordnung vom , BGBl II 2010/261, idF BGBl II 2012/151, lautet:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2.

(1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der funktionellen Einschränkungen in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage zu dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3.

1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn - sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage für die Einschätzung

§ 4.

(1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten…"

Festgestellter Sachverhalt:

Die Tochter der Bf. ist am 1993 geboren und hat am tt.mm.2014 ihr 21. Lebensjahr vollendet.

T. hat nach erfolgreichem Abschluss einer Handelsakademie in einem Reisebüro gearbeitet. Sie lebt mit der Bf. im gemeinsamen Haushalt und bezieht auf Grund ihrer Erkrankungen Pflegegeld.

Im Aktengutachten des Sozialministeriumservice vom bescheinigte Dr. Dok1 T. einen Gesamtgrad der Behinderung von 100% rückwirkend ab Februar 2023. Eine Erwerbsunfähigkeit wurde ebenfalls rückwirkend ab Februar 2023 bescheinigt.

Im Gutachten des Sozialministeriumservice vom wurde der Tochter der Bf. auf Grund der von der Bf. vorgelegten Befunde eine Erwerbsunfähigkeit ab Jänner 2019 bescheinigt.

Beweiswürdigung:

Die Feststellung beruht auf den von der Bf. vorgelegten, im Sachverhaltsteil angeführten Befunden bzw. Unterlagen sowie den im Zuge des vorliegenden Verfahrens erstellten Gutachten des Sozialministeriumservice vom und .

Das Bundesfinanzgericht gelangt aus den nachstehend angeführten Gründen zum Ergebnis, dass die in den Gutachten übereinstimmend getroffene Feststellung, wonach bei T. eine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr nicht eingetreten ist, mit größter Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entspricht.

Die Tochter der Bf. leidet seit ihrem 12. Lebensjahr an Diabetes Typ I. Das Krankheitsbild hat sich ständig verschlechtert.

Bei T. erfolgte 2019 eine Herz-Lungen-Wiederbelebung bei Hypotonie und Atemstillstand mit Entwicklung einer posthypoxischen Enzephalopathie. Es wurde ihr ein Herzschrittmacher implantiert.

T. , geb. am 1993, hatte zu diesem Zeitpunkt ihr 25. Lj bereits vollendet und stand 2019 im 26. Lebensjahr. Für den Zeitraum nach Vollendung ihres 21. Lebensjahres ist keine Berufsausbildung evident und wurde dies von der Bf auch nicht vorgebracht (vgl. auch Beschwerdevorentscheidung).

Dr. Dok1 bestätigte T. im seinem Gutachten vom einen Grad der Behinderung von 100%. Er berücksichtigte bei dieser Einschätzung folgende Erkrankungen von T.:

Organisches Psychosyndrom bei hypoxischer Enzephalopathie und Z.n. Herzstillstand, Diabetes Mellitus Typ I, Hämodialyse, Instabilität der unteren Extremitäten.

Die Einschätzung der Erwerbsunfähigkeit ab Februar 2023 wurde damit begründet, dass ein erstmaliger schriftlicher Nachweis des organischen Psychosyndroms erst im Februar 2023 erbracht worden ist.

Im zweiten Gutachten vom wurde T. eine Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab Jänner 2019 bescheinigt.

Bei der Gutachtenserstellung stand dem Sachverständigen der Befund von ***2*** P., prakt. Arzt in ***1***, vom zur Verfügung, wonach T. seit ihrem 12. Lebensjahr wegen Typ-I-DM behandelt wird.

In dem Befund wurde unter "Arbeitsanamnese" angeführt, dass T. eine Handelsakademie besucht und mit Matura abgeschlossen hat. Danach hat sie nach den dortigen Angaben in einem Reisebüro gearbeitet. Es bestehe derzeit ID III. Grades. Nach den Befundangaben hat es jedes Jahr mehrere Dekompensationen der Grunderkrankung und der zunehmenden diabetischen Komplikationen gegeben. 2019 ist eine Herz-Lungen-Wiederbelebung bei Hypotonie und Atemstillstand mit Entwicklung einer posthypoxischen Enzephalopathie erfolgt, ein Herzschrittmacher wurde implantiert. Seitdem besteht eine völlige Abhängigkeit von der Pflege durch eine andere Person. Die Tochter der Bf ist in den Vorjahren wiederholt stationär in der internen und der Intensivstation des Krankenhauses ***1*** und wiederholt ambulant beim Zentralempfang wegen Dekompensation des Diabetes behandelt worden, dreimal wöchentlich wurde sie wegen schwerer Niereninsuffizienz dialysiert. Der Gesundheitszustand von T. hat sich ständig verschlechtert, die Zahl der Krankenhausaufenthalte nimmt jedes Jahr zu, in den letzten drei Jahren hat es etwa 60x Krankenhausaufenthalte gegeben.

Nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft treten bei Diabetes Typ 1 - einer Stoffwechselerkrankung, die meistens im Alter zwischen 10 und 15 Jahren auftritt -Folgeerkrankungen wie zB Augenschäden (Retinopathie), Nierenschäden (Nephropathie), Nervenschäden (Neuropathie) und Durchblutungsstörungen mit dem Risiko für ein diabetisches Fußsyndrom und Amputationen auf. Darüber hinaus ist der Diabetes mellitus auch mit einem erhöhten Risiko für eine Arteriosklerose, speziell für die koronare Herzkrankheit, Schlaganfall und die periphere arterielle Verschlusskrankheit behaftet. Je länger ein Diabetes schlecht oder gar nicht eingestellt ist, desto wahrscheinlicher und gravierender sind die zu erwartenden Folgeerkrankungen (https://www.diabetes-deutschland.de/archiv/4532.htm ).

Den Sachverständigen wurden keine Befunde vorgelegt, aus denen sich der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit wegen Diabetes Typ I und den daraus resultierenden Folgeerkrankungen vor dem 21. Lebensjahr hätte ableiten lassen.

Zusammenfassend stellt das Gericht die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit der Gutachten des Sozialministeriumservice fest, dass bei T. keine Erwerbunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist. Die Gutachten sind vollständig.

Rechtliche Beurteilung:

Gutachten - Allgemeines:

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige.

Gutachter stützen sich bei ihren zu treffenden Feststellungen auf die durchgeführte Anamnese, die Untersuchung und die vom Antragsteller vorgelegten medizinischen Unterlagen und Befunde. In weiterer Folge werden alle diese Informationen auf der Basis medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlichen Erfahrungswissens bewertet und medizinische Schlussfolgerungen gezogen, dem Gutachten im engeren Sinn.

Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen.

Die alleinige Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. z.B. ; ).

Bei der Einschätzung dürfen andere als behinderungskausale Gründe (wie z.B. eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (etwa durch Folgeschäden) nach Vollendung des 21. Lebensjahres) für die Beurteilung nicht herangezogen werden (vgl ).

Bescheinigung des Sozialministeriumservice

Die Höhe des Behinderungsgrades und die Feststellung, ob eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt bzw. wann diese eingetreten ist, ist gemäß den zitierten Bestimmungen (§ 8 Abs 6 FLAG 1967) durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (vgl z.B. ; ; ).

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behindertenein-stellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Die Aufgabe des Arztes als Gutachter bzw. fachkundiger Berater des Gerichtes oder sonstiger Auftraggeber besteht darin, entsprechend den ihm vom Auftraggeber gestellten Beweisfragen medizinische Befunde zu erheben und diese unter Berücksichtigung der sonstigen ihm zugänglich gemachten Informationen auf der Basis medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlichen Erfahrungswissens zu bewerten, um so dem "Auftraggeber" (hier: FA) eine Entscheidung über die rechtlich erheblichen Fragen zu ermöglichen.

Erhöhte Familienbeihilfe bei volljährigen Kindern

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 besteht Anspruch für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, ist der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung, selbst wenn dieser 100% beträgt. Besteht keine vor dem 21. (bzw. bei Berufsausbildung bis zum 25. Lebensjahr) eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, stehen weder Grund-, noch Erhöhungsbetrag zu (FLAG Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, § 8, Rz 21; ; ; ).

Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren durch ein ärztliches Gutachten (vgl dazu , und , sowie ) hat sich darauf zu erstrecken, ob die Antragstellerin/der Antragsteller bzw das anspruchsvermittelnde Kind wegen einer vor Vollendung ihres/seines 21. Lebensjahres oder - vorliegend aber nicht evident - während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl etwa ).

Die Gutachten haben dabei Feststellungen über die Art und das Ausmaß der Behinderung sowie deren konkrete Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. ; ).

Erwerbsunfähigkeit

§ 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967 stellt darauf ab, dass das Kind auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine zu einer solchen Erwerbsunfähigkeit führende geistige oder körperliche Behinderung Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. , , VwGH, , 2013/16/0170, und ).

Bindung der Abgabenbehörde und des Bundesfinanzgerichtes an die Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice, wenn diese schlüssig sind:

Das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht sind an die Gutachten des Sozialministeriumservice gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob diese vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sind und im Fall mehrerer Gutachten oder einer Gutachtensergänzung nicht einander widersprechen (vgl. ; , ).

Erforderlichenfalls ist für deren Ergänzung zu sorgen (; ; ).

Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ua.). Ein Abgehen von den Gutachten ist nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung möglich (vgl. ).

Die Gutachten unterliegen, wie alle anderen Beweismittel, der freien behördlichen/-richterlichen Beweiswürdigung.

Mitwirkungspflicht durch den Antragsteller:

Für die Feststellung durch den Sachverständigen, wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, sind "alte" Befunde, Bestätigungen über Spitalsaufenthalte oder Therapien, etc. unerlässlich.

Fehlen derartige Befunde, warum auch immer, können die Feststellungen des Sachverständigen nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechend getroffen werden, da fast alle Erkrankungen in der Regel unterschiedlich stark ausgeprägt sind, häufig einen schleichenden Verlauf nehmen oder sich erst mit zunehmendem Alter verschlechtern.

Es liegt daher primär an der den Antrag stellenden Person, den behaupteten Sachverhalt, dass bereits vor dem 21. Lebensjahr (bzw. bei Bestehen einer Ausbildung, dem 25. Lebensjahr) eine (voraussichtlich dauernde) Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.

Zusammenfassend wird beurteilt:

Wie oben festgestellt, erachtet das Bundesfinanzgericht die in den Gutachten vom und vom getroffene Einschätzung, wonach bei T. die Erwerbsunfähigkeit auf Grund ihrer Erkrankung an Diabetes mellitus Typ I und der daraus resultierenden Folgeerkrankungen nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist, als schlüssig und nachvollziehbar.

Der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit wurde im letzten Gutachten aufgrund des oa Befundes mit Diagnose Herzstillstand bzw der Entwicklung einer hypoxischen Enzephalopathie mit organischem Psychosyndrom, sowie Nierenversagen mit regelmäßiger Dialyse, Herzschrittmacher 1/2019 festgestellt. In der Zeit davor war die Tochter selbsterhaltungsfähig. Sie ist laut Feststellungen im Gutachten "als Absolventin einer Handelsakademie mit Maturaabschluss in einem Reisebüro und in einem Call-Center als Operator tätig" gewesen.

Die Einholung eines weiteren Gutachtens wird vor dem Hintergrund der Ausführungen der Bf angesichts des Inhalts der anhand vorgelegter Befunde eingeholten und nicht zu beanstandenden gutachtlichen Feststellungen als nicht erforderlich erachtet.

Da für den Antragszeitraum 05/2020 - 04/2022 bzw für den Erhöhungsbetrag ab 07/2006 bei der Beschwerdeführerin die allgemeinen Voraussetzungen gemäß § 2 Abs 1 lit c FLAG (Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres bzw bei - vorliegend aber nicht gegebener - Berufsausbildung, vor Vollendung des 25. Lebensjahres) nicht erfüllt waren, bestand/besteht im Antragszeitraum kein Anspruch auf den Grundbetrag und daher in weiterer Folge auch kein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag.

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung die erhöhte Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, ob eine "dauernde Erwerbsunfähigkeit" gegeben bzw. wann diese eingetreten ist, handelt es sich um eine Tatfrage und ist das BFG an die vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten gebunden, sofern diese schlüssig sind. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher nicht zu beurteilen.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at