Anspruch auf Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag aufgrund von Unterhaltsvorauszahlungen aus einem früheren Jahr
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2022 zur Steuernummer ***Bf-StNr*** zu Recht:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
A. Einkommensteuererklärung, Ersuchen um Ergänzung
Im Rahmen der am eingereichten Einkommensteuererklärung für 2022 wurde vom Beschwerdeführer der halbe Familienbonus Plus für seine am ***Datum*** geborene Tochter beantragt. Zudem wurde vom Beschwerdeführer der Unterhaltsabsetzbetrag beantragt und bekanntgegeben, dass er im Jahr 2022 Unterhaltszahlungen in Höhe von EUR 2.205,00 geleistet habe.
Mit Ersuchen um Ergänzung vom wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, einen Gerichtsbeschluss betreffend die Höhe der vom Beschwerdeführer monatlich an seine Tochter zu leistenden Unterhaltszahlungen vorzulegen.
Mit Eingabe vom wurde seitens des Beschwerdeführers bekannt gegeben, dass kein bestehender Unterhaltstitel gegen ihn vorliegen würde und auch die Anspannung sei aufgehoben. Er habe für seine Tochter immer mehr Unterhalt geleistet als er eigentlich hätte müssen und werde das auch weiterhin tun.
Beiliegend wurde außerdem ein Beschluss des Bezirksgerichtes ***BG*** vom übermittelt. In diesem Beschluss finden sich - auszugweise - die nachfolgend dargestellten Feststellungen bzw. rechtlichen Erwägungen:
Feststellungen:
Im Zeitraum vom bis hat der Beschwerdeführer insgesamt einen Betrag von EUR 11.200,00 an laufenden Unterhaltszahlungen geleistet.
Im Zeitraum vom bis hat der Beschwerdeführer insgesamt einen Betrag von EUR 6.097,50 an laufenden Unterhaltszahlungen geleistet.
Im Dezember 2018 hat der Beschwerdeführer eine Einmalzahlung in Höhe von EUR 8.000,00 geleistet, die als Vorschuss auf laufende Unterhaltszahlungen zu qualifizieren ist.
Dem Beschwerdeführer entstanden im Zeitraum bis monatliche Kosten in Höhe von EUR 100,00 bis 120,00 für Naturalkosten (d.h. Gewand, Spielzeug, Schuhe, Zeitschriften) anlässlich der Besuchskontakte seiner minderjährigen Tochter. Dies ergibt insgesamt einen Betrag zwischen EUR 5.100,00 und EUR 6.120,00. Ab sind diese Kosten weggefallen.
Rechtliche Erwägungen:
Für den Zeitraum bis ergibt sich - unter Berücksichtigung der finanziellen Situation des Beschwerdeführers - ein monatlicher Unterhaltsanspruch der minderjährigen Tochter von EUR 320,00.
Insgesamt errechnet sich für den Zeitraum bis zum Datum des Beschlusses () somit ein Unterhaltsbedarf der Tochter des Beschwerdeführers von EUR 21.750,00. Abzüglich der geleisteten Zahlungen in Höhe von EUR 17.297,50 (siehe die obigen Feststellungen) verbleibt somit ein Restbetrag von EUR 4.452,50.
Auf den Restbetrag sind allerdings auch die vom Beschwerdeführer erbrachten Naturalunterhaltsleistungen (siehe oben) anzurechnen. Diese wurden im Zeitraum bis geleistet und betragen somit zwischen EUR 5.100,00 und EUR 6.120,00. Insgesamt liegt somit keine Unterhaltsverletzung vor, weshalb der Antrag auf Festsetzung der väterlichen Unterhaltsverpflichtung abzuweisen war.
Im Rahmen eines erneuten Ersuchens um Ergänzung vom wurde dem Beschwerdeführer vom belangten Finanzamt wie folgt mitgeteilt:
In Ihrer vorgelegten Vorhaltsbeantwortung vom wurde für das Jahr 2022 ein monatlicher Unterhaltsanspruch der mj ***Tochter*** iHv. 320,00 pro Monat festgestellt (siehe Beschluss vom BG ***BG***, Seite 11). In Ihrer vorgelegten Einkommensteuererklärung gaben Sie eine Unterhalt iHv. 183,75 pro Monat an. Sie werden daher ersucht, die Kontoauszüge in Kopie nachzureichen, worauf ersichtlich ist, dass der Unterhalt in voller Höhe und vollem Umfang entrichtet wurde, da ansonsten der Unterhaltsabsetzbetrag und der halbe Familienbonus Plus nur für sechs Monate berücksichtigt werden kann.
Berechnung:
320 x 12 = € 3840,00
2205,00 : 320,00 = 6,8 Monate (d.h., der Unterhaltsabsetzbetrag und der FABO+ werden für sechs Monate berücksichtigt)
Mit Eingabe vom wurde seitens des Beschwerdeführers im Wesentlichen ausgeführt, dass im fraglichen Beschluss des BG ***BG*** kein Unterhaltsanspruch von EUR 320,00 festgestellt worden sei. Vielmehr sei aus diesem Beschluss erkennbar, dass der Beschwerdeführer sämtliche Unterhaltsleistungen mehr als erbracht habe, was auch daran erkennbar sei, dass das Gericht keinen Unterhaltstitel gegen ihn erlassen habe. Ein solcher sei auch nicht notwendig, da er sowieso überbezahle und seine Unterhaltsleistungen im Jahr 2022 erbracht habe. Zudem sei ihm bei der Übermittlung der Erklärung ein Fehler hinsichtlich der bekanntgegebenen Unterhaltszahlungen erfolgt, tatsächlich habe er nämlich einen Betrag von EUR 2.850,50 an Unterhalt geleistet, wie auch aus den beiliegenden Kontoauszügen erkennbar sei.
B. Bescheid, Beschwerde
Im Rahmen des am ergangenen Einkommensteuerbescheides 2022 wurde dem Beschwerdeführer sowohl der Unterhaltsabsetzbetrag wie auch der Familienbonus Plus für 7 Monate gewährt. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
Der Unterhaltsabsetrag und der Familienbonus Plus für ***Tochter*** konnten nur für sieben Monate berücksichtigt werden. Da es laut Ihrer Vorhaltsbeantwortung keine behördliche Festsetzung über die getroffenen Unterhaltsvereinbarungen gibt kommen die Regelbedarssätze zur Anwendung. ***Tochter*** ist im Jahr 2022 neun Jahre alt, die Regelbedarssätze für Unterhaltsleistungen für das Kalenderjahr 2022 betragen für ein neunjähriges Kind 362,00 Euro.Demnach steht der Unterhaltsabsetzbetrag und der halbe Familienbonus Plus für sieben Monate zu.
Berechnung:
€ 2850,00 : 362 = 7,87 Monate (es werden nur volle Monate zur Berechnung herangezogen)
Mit Eingabe vom hat der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2022 vom erhoben. Begründend wurde - im Wesentlichen - wie folgt ausgeführt:
Dem Beschwerdeführer werde - unter Verweis darauf, dass keine behördliche Festsetzung über die Höhe seiner Unterhaltsverpflichtung existiere - der Unterhaltsabsetzbetrag sowie der (halbe) Familienbonus Plus für 5 Monate verwehrt. Das zuständige Gericht habe im vorgelegten Beschluss ganz klar bestätigt, dass der Beschwerdeführer sämtlichen Unterhaltsverpflichtungen seit bis heute nachgekommen sei. Es liege somit keine Unterhaltspflichtverletzung vor, weshalb auch der Antrag auf Festsetzung der väterlichen Unterhaltsverpflichtung abgewiesen worden sei. Voraussetzung für die Gewährung des Familienbonus Plus sei, dass der Beschwerdeführer seinen Unterhaltsverpflichtungen zur Gänze nachgekommen sei - dies sei der Fall. Es sei nicht einzusehen, weshalb das belangte Finanzamt - entgegen dem vorliegenden Gerichtsbeschluss - die gänzliche Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung für 2022 in Abrede stellt.
Beiliegend wurde erneut der Beschluss des BG ***BG*** vom sowie ein Kontoauszug betreffend die Unterhaltszahlungen im Jahr 2022 übermittelt.
C. Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
Dem von Ihnen übermittelten Kontoauszug ist zu entnehmen, daß Sie den Unterhalt an Ihre Tochter für 7 Monate (und nicht mehr) geleistet haben. Etwas anderes sagt ja auch der angefochtene Bescheid in der Begründung nicht. Der Sachverhalt, der dem Spruch des angefochtenen Bescheides zugrundegelegt wurde, ist daher offensichtlich zutreffend, Ihre Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Mit Eingabe vom hat der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag eingebracht. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
Das Finanzamt Österreich verwehrt mir aktenwidrig den halben Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag für das gesamte Jahr 2022 mit der Begründung ich hätte zu wenig Unterhalt bezahlt und eine Unterhaltsverletzung begangen. Ich habe inzwischen auch noch einen letztinstanzlichen Beschluss des ***LG***, der den bereits 2 x vorgelegten Beschluss des Bezirksgerichtes ***BG*** vom bestätigt: Es liegt gerichtlich geprüft keinerlei Unterhaltsverletzung vor! (Weder im Jahr 2022 noch in den Jahren davor) Wie das Finanzamt auf die Idee kommt mir einen Fantasieunterhaltssatz als Bemessungsgrundlage für seine Berechnungen zugrunde zu legen ist mir nicht erklärbar, ohne zu wissen wie viele Tage in der Woche meine Tochter bei mir ist und wie viel ich an Naturalkosten leiste! Es tut mir leid bei so einer eindeutigen Sachlage das Bundesfinanzgericht bemühen zu müssen und deren knappe Ressourcen und Steuergelder zu verschwenden. Allerdings steht mir rechtmäßig der Familienbonus und der Unterhaltsabsetzbetrag für das gesamte Jahr 2022 zu und ich wiederhole ich habe nachweislich keinerlei Unterhaltsverletzung begangen und bin meinen Unterhaltsverpflichtungen voll umfänglich nachgekommen. Ich bitte daher das Bundesfinanzgericht den Bescheid zu korrigieren und verbleibe mit freundlichen Grüßen
***Bf***
Beiliegend zum Vorlageantrag wurde ein Beschluss des ***LG*** vom übermittelt. Aus diesem ergibt sich, dass dem von der minderjährigen Tochter (vertreten durch die Kindesmutter) erhobenen Rekurs gegen den Beschluss des BG ***BG*** vom nicht Folge gegeben wird.
Begründend wurde - soweit relevant für das gegenständliche Verfahren - unter anderem ausgeführt, dass die Tatsachenfeststellungen des BG ***BG*** betreffend die Qualifikation der im Dezember 2018 geleisteten Zahlung als Vorschuss auf den laufenden Unterhalt sowie den vom Beschwerdeführer geleisteten Naturalunterhalt im Zeitraum bis nicht zu beanstanden sind und somit vom Rekursgericht übernommen werden.
D. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht
Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum von Juni 2017 bis inklusive Februar 2023 die folgenden Unterhaltszahlungen bzw. Naturalunterhalt an seine bei der Kindesmutter lebende minderjährige Tochter (geboren am ***Datum***) geleistet:
Juni 2017 bis Dezember 2018 - EUR 11.200,00 (laufende Unterhaltszahlungen)
Mai 2020 bis Februar 2023 - EUR 6.097,50 (laufende Unterhaltszahlungen)
Juni 2017 bis August 2021 - EUR 5.100,00 bis EUR 6.120,00 (Naturalunterhalt, entspricht EUR 100,00 oder EUR 120,00 pro Monat)
Dezember 2018 - EUR 8.000,00 (Einmalzahlung als Unterhaltsvorschuss)
Von den laufend geleisteten Unterhaltszahlungen entfällt auf das streitgegenständliche Jahr 2022 ein Betrag von EUR 2.850,50 (EUR 129,10 von Jänner 2022 bis Mai 2022 und EUR 315,00 von Juni 2022 bis Dezember 2022). Ein Naturalunterhalt wurde im Jahr 2022 nicht mehr geleistet. Ein (behördlicher/gerichtlicher oder außergerichtlicher) Unterhaltstitel gegen den Beschwerdeführer besteht nicht.
Die Regelbedarfsätze für das gesamte Jahr 2022 betragen in der Altersgruppe 6-9 Jahre EUR 370,00/Monat (sohin EUR 4.440,00 für das gesamte Jahr). Der nach der Prozentwertmethode durch das BG ***BG*** errechnete Unterhaltsanspruch der minderjährigen Tochter des Beschwerdeführers beträgt im Jahr 2022 EUR 320,00/Monat (sohin EUR 3.840,00 für das gesamte Jahr).
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen betreffend die Höhe sowie Art des geleisteten Unterhalts (laufender Unterhalt, Naturalunterhalt, Unterhaltsvorschuss) ergeben sich aus dem Beschluss des BG ***BG*** vom bzw. soweit der Naturalunterhalt und der Unterhaltsvorschuss betroffen sind, auch aus dem Beschluss des LG für ZRS Wien vom . Die Höhe der im Jahr 2022 geleisteten laufenden Unterhaltszahlungen ergibt sich aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Kontoübersicht, auf der die einzelnen Überweisungen und deren Höhe ersichtlich sind.
Das Geburtsdatum der minderjährigen Tochter sowie die Feststellung, dass gegenüber dem Beschwerdeführer kein Unterhaltstitel besteht, ergibt sich aus dem Beschluss des BG ***BG*** vom bzw. dem Vorbringen des Beschwerdeführers. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2022 keinen Naturalunterhalt mehr geleistet hat, ergibt sich aus dem Beschluss des BG ***BG*** vom , aus dem hervorgeht, dass die Leistung von Naturalunterhalt mit eingestellt wurde.
Die Regelbedarfsätze für 2022 ergeben sich aus der Veröffentlichung der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Jugendwohlfahrt, auf die seitens des Bundesministeriums für Justiz verwiesen wird (siehe die nachfolgenden Links, beide abgerufen am ). Zusätzlich sind auch im Beschluss des BG ***BG*** vom die anwendbaren Regelbedarfsätze enthalten.
https://www.oesterreich.gv.at/themen/familie_und_partnerschaft/alleinerziehung/5/1/Seite.490530.html
Die Feststellung über die Höhe des für das Jahr 2022 geltenden Unterhaltsanspruches der minderjährigen Tochter des Beschwerdeführers von EUR 320,00/Monat ergibt sich aus dem Beschluss des BG ***BG*** vom .
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
A. Rechtliche Grundlagen
§ 33 Abs. 3a EStG 1988 in der für das streitgegenständliche Jahr maßgeblichen Fassung lautet auszugsweise:
Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
1. Der Familienbonus Plus beträgt
a)bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 166,68 Euro,
b)nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 54,18 Euro.
3.Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:
[…]
b)Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht demUnterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.
§ 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 in der für das streitgegenständliche Jahr maßgeblichen Fassung lautet auszugsweise:
Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, steht einUnterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn
das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und
für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.
[…]
B. Erwägungen
a) Allgemeines
Der Unterhaltsabsetzbetrag ist an die tatsächliche Leistung des Unterhalts geknüpft (vgl. die Materialien zur RV 463 der Beilagen des Nationalrats XVIII. GP, Seite 9) und steht nur einer Person zu, die zur Leistung des Unterhalts gesetzlich verpflichtet ist ().
Der (volle) Unterhaltsabsetzbetrag ist an die tatsächliche Leistung des (vollen) Unterhalts in Höhe der Unterhaltsverpflichtung geknüpft. Der Unterhaltsabsetzbetrag steht demnach nur für jene Kalendermonate zu, in denen der Unterhaltsverpflichtung in vollem Ausmaß nachgekommen wurde. Eine aliquote Zuerkennung für einen nicht voll durch die Zahlungen gedeckten Monat hat nicht zu erfolgen (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 § 33, Rz 67 mwN). Wird der Unterhalt nicht in vollem Ausmaß geleistet, steht der Unterhaltsabsetzbetrag nur für die Monate zu, für die sich rechnerisch eine vollständige Leistung ergibt ().
Die Höhe der Unterhaltsverpflichtung ergibt sich primär aus einer behördlichen Festsetzung (behördlicher Unterhaltsvergleich, vor der Jugendwohlfahrtsbehörde abgeschlossen; Gerichtsurteil), sonst aus einer außerbehördlichen Einigung (schriftlicher Vergleich). Diese Höhe ist so lange bindend, als sie nicht durch eine neuere Unterhaltsfestsetzung geändert wird.
Bei außerbehördlicher Einigung dürfen die von den Gerichten angewendeten Regelbedarfsätze nicht unterschritten wurden. Diese kommen nur subsidiär zur Anwendung, wenn weder eine behördliche Festsetzung noch ein schriftlicher Vergleich (gemeint wohl: auf einen höheren Betrag lautend) vorliegt (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 § 33, Rz 67/1 mwN).
Die Regelbedarfsätze sind abstrakte (nicht an die konkrete Einkommenssituation der Eltern angelehnte) Werte und sollen die durchschnittlichen Grundbedürfnisse (Wohnung, Nahrung, Kleidung etc.) eines Kindes in Österreich, gestaffelt nach dem Alter des Kindes, repräsentieren (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 § 33, Rz 67/1 unter Verweis auf die Rechtsprechung des ). Der Regelbedarf dient lediglich als grobe Orientierungshilfe, grundsätzlich ist die Geldunterhaltspflicht anhand der sogenannten Prozentsatzmethode zu ermitteln (Kanduth-Kristen in Jakom EStG, 16. Aufl. (2023), § 33, Rz 78).
Unterhaltsvorauszahlungen sind auf den Vorauszahlungszeitraum zu verteilen und können einen Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag auch für Zeiträume in den folgenden Kalenderjahren vermitteln (Kanduth-Kristen in Jakom EStG, 16. Aufl. (2023), § 33, Rz 78; Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 § 33, Rz 67/2). Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH, gemäß der es auf die Leistung des Unterhalts und nicht nur auf die Verpflichtung dazu ankommt ().
b) Anwendung der Regelbedarfsätze
Gemäß dem festgestellten Sachverhalt besteht gegenüber dem Beschwerdeführer kein Unterhaltstitel. Somit sind als "Untergrenze" des zu leistenden Unterhalts grundsätzlich die Regelbedarfsätze des Streitjahres (und somit des Jahres 2022) heranzuziehen. Diese treten allerdings gemäß der obig zitierten Literatur bzw. auch gemäß den Ausführungen des BG ***BG*** im Beschluss vom hinter den gemäß der Prozentwertmethode ermittelten Unterhaltsbedarf zurück. Dies erscheint sachgerecht. Es wäre uneinsichtig, wenn man für steuerliche Zwecke und die Beantwortung der Frage, ob dem Beschwerdeführer der Unterhaltsabsetzbetrag (und - davon abgeleitet - der Familienbonus Plus) für das gesamte Jahr 2022 zusteht, auf die Regelbedarfsätze zurückgreifen würde, obwohl das zuständige Bezirksgericht unter Anwendung der Prozentwertmethode (und somit einer auf die Situation des Beschwerdeführers abgestimmten Berechnungsmethode) einen niedrigeren Unterhaltsbedarf für die minderjährige Tochter des Beschwerdeführers ermittelt hat.
Der vom BG ***BG*** ermittelte Unterhaltsbedarf der minderjährigen Tochter des Beschwerdeführers liegt gemäß dem festgestellten Sachverhalt im streitgegenständlichen Jahr 2022 bei EUR 320,00 pro Monat und somit unter den Regelbedarfsätzen von EUR 370,00 pro Monat.
c) Höhe des geleisteten Unterhalts
Die im Jahr 2022 tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen betragen EUR 2.850,50 und liegen somit unter dem für das Jahr 2022 ermittelten Unterhaltsbedarf von EUR 3.840,00 (EUR 320,00 * 12). Eine Unterhaltspflichtverletzung wurde vom BG ***BG*** - wie vom Beschwerdeführer zutreffend ausgeführt - dennoch nicht festgestellt, da der Betrag des insgesamt geleisteten Unterhalts (laufende Zahlungen und Naturalunterhalt) im Zeitraum Juni 2017 bis Februar 2023 über dem ermittelten Unterhaltsbedarf der minderjährigen Tochter des Beschwerdeführers gelegen ist (dies sogar ohne Berücksichtigung der im Dezember 2018 geleisteten Einmalzahlung als Vorschuss auf die laufenden Unterhaltszahlungen). Siehe diesbezüglich die nachfolgenden Aufstellungen:
Berechnung des tatsächlich geleisteten Unterhaltes:
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Zeitraum | Geldunterhalt | Naturalunterhalt |
Juni 2017 bis Dezember 2018 | 11.200,00 | 1.900,00 |
Jänner 2019 bis April 2020 | 0,00 | 1.600,00 |
Mai 2020 bis Februar 2023 | 6.097,50 | 1.600,00 |
davon entfallend auf 2022 | 2.850,50 | 0,00 |
17.297,50 | 5.100,00 | |
SUMME | 22.397,50 |
Die obige Berechnung erfolgte ohne Berücksichtigung der als Unterhaltsvorschuss zu qualifizierenden Einmalzahlung iHv EUR 8.000 im Dezember 2018 und unter Ansatz des (geringeren) Naturalunterhaltes iHv EUR 100,00/Monat im Zeitraum Juni 2017 bis August 2021. Die Höhe des Geldunterhaltes ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt. Die Summe entspricht jener, die auch das BG ***BG*** errechnet hat.
Gegenüberstellung des Unterhaltsbedarfes und des tatsächlich geleisteten Unterhaltes:
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Unterhaltsbedarf | Geleisteter Unterhalt | Differenz | |
Juni 2017 bis Dezember 2018 | 5.955,00 | 13.100,00 | 7.145,00 |
Jänner 2019 bis April 2020 | 4.770,00 | 1.600,00 | -3.170,00 |
Mai 2020 bis Februar 2023 | 10.940,00 | 7.697,50 | -3.242,50 |
davon entfallend auf 2022 | 3.840,00 | 2.850,50 | -989,50 |
SUMME | 732,50 |
Die Höhe des Unterhaltsbedarfes errechnet sich aus den vom BG ***BG*** im Beschluss vom ermittelten Werten (siehe nachfolgend).
Der vom BG ***BG*** für den Zeitraum Juni 2017 bis Februar 2023 ermittelte Unterhaltsbedarf von EUR 21.750,00 weicht geringfügig von der obig errechneten Summe (EUR 21.665,00) ab. Die Differenz ist nicht nachvollziehbar, allerdings aufgrund der vernachlässigbaren Höhe (EUR 85,00) auch nicht von weiterer Relevanz.
Wie aus der obigen Gegenüberstellung des tatsächlich geleisteten Unterhaltes (laufende Zahlungen und Naturalunterhalt), verglichen mit dem Unterhaltsbedarf gemäß dem Beschluss des BG ***BG*** vom , ersichtlich ist, liegt der im Zeitraum Juni 2017 bis Dezember 2018 (noch ohne Berücksichtigung der Einmalzahlung iHv EUR 8.000,00 als Vorschuss auf die laufenden Unterhaltszahlungen) tatsächlich geleistete Unterhalt deutlich über dem Unterhaltsbedarf. Rein rechnerisch bestünde somit die Möglichkeit, den bezahlten Unterhalt in zwei Komponenten aufzuteilen. Einerseits in den tatsächlich laufenden Unterhalt zur Abdeckung des Unterhaltsbedarfes und andererseits in Unterhaltsvorauszahlungen. Bei dieser Berechnung wäre jener Betrag als "Unterhaltsvorauszahlung" zu qualifizieren, der den Unterhaltsbedarf - unter Berücksichtigung des Naturalunterhaltes - übersteigt. Dies würde der Berechnungsmethode des BG ***BG*** entsprechen, das sowohl auf Seiten des Unterhaltsbedarfes wie auch auf Seiten des geleisteten Unterhalts eine Berechnung über den gesamten Zeitraum (Juni 2017 bis Februar 2023) angestellt hat.
Dass eine Unterhaltsvorauszahlung in früheren Perioden auch einen Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag in späteren Kalenderjahren eröffnen kann, ergibt sich aus der obig zitierten Literatur und entspricht auch der Ansicht der Finanzverwaltung selbst (Rz 798 LStR).
Sollte man diese rein rechnerisch mögliche Aufteilung des im Zeitraum Juni 2017 bis Dezember 2018 geleisteten Unterhaltes für Zwecke des Steuerrechts ablehnen, käme man dennoch - aufgrund der im Dezember 2018 geleisteten und gemäß dem festgestellten Sachverhalt als Unterhaltsvorschuss zu qualifizierenden Einmalzahlung in Höhe von EUR 8.000,00 - zu keinem anderen Ergebnis. Spätestens diese Einmalzahlung deckt die Differenz zwischen dem im Streitjahr 2022 tatsächlich geleisteten Unterhalt und dem vom BG ***BG*** ermittelten Unterhaltsbedarf der minderjährigen Tochter des Beschwerdeführers ab. Dies daher, da diese Einmalzahlung höher ist als die Summe der negativen Differenz im Zeitraum Jänner 2019 bis Februar 2023 (EUR 6.412,50, siehe die obige Tabelle) und somit jedenfalls dazu geeignet ist, einen etwaig "fehlenden" Unterhalt des Jahres 2022 zu kompensieren.
Da der Beschwerdeführer im Streitjahr somit seine Unterhaltsverpflichtung vollständig erfüllt hat, sind die Voraussetzungen des obig zitierten § 33 Abs. Abs. 3 Z 3 EStG 1988 erfüllt und der Unterhaltsabsetzbetrag war dem Beschwerdeführer für das gesamte Streitjahr 2022 zu gewähren. Als Konsequenz steht dem Beschwerdeführer damit auch der (halbe) Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a Z 3 lit. b) EStG 1988 für das gesamte Streitjahr 2022 zu, da sich die Gewährung des Familienbonus Plus gemäß dieser Bestimmung am Unterhaltsabsetzbetrag orientiert. Im Ergebnis war somit der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid abzuändern.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen (oben zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden - dies betrifft insbesondere die Rechtsprechung des VwGH, wonach es auf die tatsächliche Leistung des Unterhalts und nicht nur auf die Verpflichtung dazu ankommt. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen (insbesondere die Qualifikation der im Dezember 2018 geleisteten Einmalzahlung als Vorschuss auf den laufenden Unterhalt) ab.
Linz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 33 Abs. 3a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102841.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at