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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.01.2024, RV/7100618/2023

Zeitpunkt des Eintritts einer erheblichen Behinderung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Edith Stefan in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Sozialversicherungsnummer ***24***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für den Zeitraum ab November 2013 bis Februar 2019 für das Kind ***1***, geb. am ***2***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird hinsichtlich des Zeitraums vom September 2017 bis Februar 2019 gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird bezüglich dieses Zeitraums aufgehoben.

II. Hinsichtlich des Zeitraums vom November 2013 bis August 2019 wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid bleibt diesbezüglich unverändert.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Am ***19*** Jänner 2020 stellte die Beschwerdeführerin (Bf), Frau ***Bf1***, den Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für ihren Sohn ***1***, geb. am ***2***, für den Zeitraum ab , weil beim Kind eine Behinderung wegen Autismus vorliege.

Das Finanzamt hat den Antrag mit Bescheid vom mit der Begründung abgewiesen, dass nach § 8 Abs. 5 FLAG ein Kind als behindert gelte, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung bestehe. Als nicht nur vorübergehend gelte ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung müsse mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handle, das voraussichtlich außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit sei durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen aufgrund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Eine rückwirkende Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe sei für max. fünf Jahre ab der Antragstellung möglich bzw ab dem Monat, ab dem das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung festgestellt habe (§ 10 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der geltenden Fassung). Im Zuge der Erledigung habe das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Auftrag des Finanzamtes die Bescheinigung über das Ausmaß der Behinderung erstellt, die mit separater Post zugestellt worden sei (Name des Kindes ***3*** Geschäftszahl ***4***).

Eine Mitteilung über den Bezug der (erhöhten) Familienbeihilfe für ***1*** vom umfasst den Zeitraum vom Februar 2019 bis September 2020 (erhöhte FB für 2 Kinder).

Die Bf erhob mit Schriftsatz vom Beschwerde gegen den Bescheid und brachte begründend vor, es seien beim Sohn ***1***, geb. am ***2***, seit 2016 erste Anzeichen eines Autismus aufgetreten. Seit 2016 bis jetzt laufe die Therapie. Die Bf bat um Verlängerung des Bezugs der erhöhten Familienbeihilfe für die letzten 3 Jahre, da alle Therapien Geld kosteten und mit dieser Hilfe möglich seien.

Die Bf legte eine ärztliche Bestätigung von "***5***" der Fachärzte für Kinder & Jugendheilkunde Dr. ***6*** und Dr. ***7*** vom , eine Bestätigung der Klinik ***8*** (Hals-Nasen-Ohrenambulanz) vom über die im Zeitraum vom bis sowie vom bis belegten 12 sowie 10 Logopädischen Therapieeinheiten vor. Weiters wurde ein Klinisch-Psychologischer Befund ***9*** vom vorgelegt.

Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom umfasste für den Sohn ***1*** den Zeitraum vom Februar 2019 bis Juli 2020 (2 Kinder).

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben und der Bescheid hinsichtlich des Zeitraums vom September 2017 bis Februar 2019 aufgehoben. Hinsichtlich des Zeitraums vom November 2013 bis August 2017 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend verwies die Abgabenbehörde auf die Bestimmung des § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) und auf die Feststellungen des von der Abgabenbehörde neuerlich beauftragten fachärztlichen Gutachtens des SozialministeriumService vom , wonach der Grad der Behinderung bei ***1*** mit 50% ab festgestellt worden sei, weshalb die erhöhte Familienbeihilfe für das Kind ab September 2017 zuerkannt werden könne. An die Bf erging eine Mitteilung über den Bezug der (erhöhten) Familienbeihilfe für den Zeitraum vom September 2017 bis September 2024 (Mitteilung vom ).

Mit langte neuerlich ein Antrag der Bf auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für ***1*** betreffend den Zeitraum ab beim Finanzamt ein. Beim Kind bestehe ab Geburt eine erhebliche Behinderung wegen Autismus. Für das Kind werde kein Pflegegeld bezogen.

Einlangend mit stellte die Bf den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und führte begründend aus, sie habe für die erhöhte Familienbeihilfe alle Papiere abgegeben und hoffe auf einen positiven Bescheid. Sie sei mit dem Bescheid nicht zufrieden. Ihr Sohn habe seit Anfang "diese autistischen Probleme gehabt, weshalb Logopathie, Einzelförderung und Ergotherapie" besucht worden seien. Die Bf glaube nicht, dass die Probleme erst ab 2017 bestanden hätten, sondern von Geburt an.

Die Bf legte eine weitere fachärztliche Bestätigung von "Gesund Wachsen" der Fachärzte für Kinder und Jugendheilkunde, Dr. ***6*** und Dr. ***7*** , vom , einen Klinisch Psychologischen Befund des ***10*** Therapiezentrums vom mit einer Bestätigung über ein Explorationsgespräch bei Mag. ***11***, BA, Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin, sowie den Klinisch-Psychologischen Befund von Mag. ***12*** vom vor.

Durchgeführte Begutachtungen Sozialministeriumservice:

Begutachtung vom durch Dr. ***13***, Arzt für Allgemeinmedizin und Kinder- und Jugendheilkunde:

"Anamnese:

Entsprechend dem klinisch-psychologischen Befundbericht der Österreichischen Autistenhilfe 12/2019 besteht bei ***20*** ein frühkindlicher Autismus mit typischen Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion, Kommunikation und stereotypen Verhaltensweisen. Der Vater merkt eine langsame Besserung der Symptomatik seit Diagnosestellung. Zudem liegt eine kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung mit rezeptiver Sprachstörung und feinmotorischen Schwächen vor. Initial ist den Eltern sein ungewöhnliches Verhalten nach Eintritt in den Kindergarten im 3. Lebensjahr aufgefallen.

Derzeitige Beschwerden:

Artikulationsstörung. Expressive und rezeptive Sprachentwicklungsstörung. Stereotype Interessen und stereotypes Verwenden von Spielmaterialien. Motorische Unruhe. Graphomotorische Defizite. Wortwiederholungen. Soziale Interaktionsstörung. Konzentrationsstörung. Hand- und Fingermanierismen. Ausgeprägtes Interesse an spezifischen Themen (Zügen, U-Bahn, Fahrplänen, Haltestellen).

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel: Logopädie

Sozialanamnese:

***20*** kommt mit seinem Vater zum Besuchstermin. Er besucht derzeit noch den Kindergarten und lebt mit den Eltern und beiden Schwestern im gemeinsamen Familienverband.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Kompetenz und Therapiezentrum, Österreichische Autistenhilfe, Wien Klinisch psychologischer Befund

Diagnosen:

Frühkindlicher Autismus

Tiefgreifende Entwicklungsstörung mit Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion, Kommunikation und stereotypen Verhaltensweisen

Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung Rezeptive Sprachstörung

Fazit: ***20*** erscheint als erkundungsfreudiger Junge, interessiert sich für Autos, Züge und U-Bahnen und Seifenblasen. ***20*** spricht teilweise in kurzen Sätzen, der überwiegende Teil seiner sprachlichen Äußerungen ist objektorientiert, stereotyp und echolalisch.

Praxis, Mag. ***12***, Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin, Wien

Klinisch-psychologischer Befund

Zusammenfassung: Es ist derzeit eher von einer Aufmerksamkeitsstörung auszugehen als von einer autistischen Störung, wiewohl einzelne autistische Züge vorhanden sind, aber nicht ausreichend. Es zeigt sich weiters eine Sprachentwicklungsverzögerung sowie eine feinmotorische Schwäche.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gutErnährungszustand: gutGewicht 17,00 kg

Status (Kopf/Fußschema)-Fachstatus:

6 Jahre alter Bub, kein Meningismus, Haut bland, Cor:rein, rhythmisch, normofrequent, Pulmo: VA bds., kein Giemen, keine Einziehungen, grobneurologisch unauffällig, Abdomen: weich, kein Druckschmerz, Darmgeräusch normal, Gelenke frei.

Gesamtmobilität-Gangbild:

Soweit beurteilbar motorische Entwicklung, Gangbild und Gesamtmobilität dem Alter entsprechend unauffällig.

Psyho(patho)logischer Status: ***20*** ist ein freundlicher Bub, auffällig in seinem Verhalten, einfach strukturiert, der aber kaum spricht und dann er schwer verständlich ist. Er kann sich gut alleine beschäftigt und bringt sich aber kaum ein. Nur flüchtiger Blickkontakt möglich.


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Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
GdB%
Frühkindlicher Autismus mit kombinierter umschriebener Entwicklungsstörung Unterer Rahmensatz, da regelmäßiger Kindergartenbesuch möglich bei geringen zu beobachtenden Fortschritten.
50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Alleiniges Leiden

Folgende beantragten bzw in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 03/2019

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: Erstmalige Diagnosestellung des frühkindlichen Autismus im März 2019

Nachuntersuchung in 3 Jahren Anmerkung hins. Nachuntersuchung des weiteren Entwicklungsverlaufes.

Gutachten erstellt am von Dr***14***

Gutachten vidiert am von Dr. ***15***"

Begutachtung vom ***16***, Allgemeinmedizin und Kinder- und Jugendheilkunde

"Zusammenfassung

Kein Datum, Stadt Wien - Kindergarten, Standort ***17***, Wien Bestätigung Fazit: ***18*** besucht seit die Integrationsgruppe in der ***17*** im ***19*** Bezirk. 2017 stellte man im logopädischen Bericht eine Sprachentwicklungsstörung fest. Im Dezember 2019 wurde bei ***20*** von der Autistenhilfe die Diagnose des frühkindlichen Autismus festgestellt.

Klinikum ***8***, Abteilung für HNO, Ambulanz, Wien Bestätigung Fazit: Hiermit bestätige ich, dass ***18***, von - (12 Therapieeinheiten) sowie von - (10 Therapieeinheiten) bei mir in logopädischer Therapie war.

Ordination, Dr. ***6***, Fachärztin für Kinder und Jugendheilkunde, Wien Ärztliche Bestätigung Diagnose Autismus Fazit: Rückwirkend betrachtet sind bereits seit 2016 erste Anzeichen eines Autismus aufgetreten. Er hatte eine Sprachentwicklungsstörung und war ein sehr lebhaftes Kind.

Bundessozialamt für Wien Ärztliches Sachverständigengutachten: GdB 50% (Frühkindlicher Autismus mit kombinierter umschriebener Entwicklungsstörung)

Kompetenz- und Therapiezentrum, Österreichische Artistenhilfe, Wien Klinisch psychologischer Befund

Diagnosen:

Frühkindlicher Autismus

Tiefgreifende Entwicklungsstörung mit Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion, Kommunikation und stereotypen Verhaltensweisen Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung

Rezeptive Sprachstörung

Fazit: ***20*** erscheint als erkundungsfreudiger Junge, interessiert sich für Autos, Züge und U-Bahnen und Seifenblasen. ***20*** spricht teilweise in kurzen Sätzen, der überwiegende Teil seiner sprachlichen Äußerungen ist objektorientiert, stereotyp und echolalisch.

Praxis, Mag***23***, Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin, Wien

Klinisch-psychologischer Befund Zusammenfassung: Es ist derzeit eher von einer Aufmerksamkeitsstörung auszugehen als von einer autistischen Störung, wiewohl einzelne autistische Züge vorhanden sind, aber nicht ausreichend. Es zeigt sich weiters eine Sprachentwicklungsverzögerung sowie eine feinmotorische Schwäche.

Behandlungen/Medikamente/Hilfsmittel: Logopädie


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Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:
PosNr.
GdB%
Frühkindlicher Autismus mit kombinierter umschriebener Entwicklungsstörung Unterer Rahmensatz, da regelmäßiger Kindergartenbesuch möglich bei geringen zu beobachtenden Fortschritten.
50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Alleiniges Leiden

Folgende beantragten bzw in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 09/2017

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: Eine rückwirkende Anerkennung ab 2016 ist nicht möglich, da die Entwicklungsproblematik sprachlich, feinmotorisch und im Sozialverhalten erst mit zunehmendem Alter und Anforderungen ein Ausmaß von zumindest 50% GdB erreicht. Auch wenn aus fachärztlicher Sicht bestätigt werden kann, dass bei o.g. Diagnose erste klinische Symptome in der Regel in der frühen Kindheit erkennbar werden, dokumentieren die vorgelegten Befunde keinen Grad der Behinderung von zumindest 50% vor 09/2017. Ab September 2017 wurde ***1*** in der Integrationsgruppe des Kindergartens ***17*** bei vorliegender Sprachentwicklungsstörung und ersten Hinweisen auf den im März 2019 diagnostizierten frühkindlichen Autismus aufgenommen. Daher kann ab September 2017 der Gesamtbehinderungsgrad der Behinderung rückwirkend gewährt werden.

Nachuntersuchung in 3 Jahren Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Evaluierung des weiteren Entwicklungs- und Krankheitsverlaufes.

Gutachten erstellt am von Dr. ***13***

Gutachten vidiert am von Dr. ***15***"

Begutachtung vom Dr. ***21*** Arzt für Allgemeinmedizin

"Anamnese:

Letzte Begutachtung aktenmäßig 9-2020 mit 50% (Autismus) befristet bis 9/2023 Geburt mit Vakuum, keine Operationen, Initial ist den Eltern ein ungewöhnliches Verhalten nach Eintritt in den Kindergarten im 3. Lebensjahr aufgefallen Rückwirkend betrachtet sind bereits seit 2016 erste Anzeichen eines Autismus aufgetreten. Er hatte eine Sprachentwicklungsstörung und war ein sehr lebhaftes Kind. Macht von der Autistenhilfe ABA und TEACH Therapie

Derzeitige Beschwerden: Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion, Kommunikation und stereotypen Sprech-Verhaltensweisen. Auch in ***32***, habe nach 3 Jahren zu reden begonnen. Er lebe in seiner eigenen Welt

Behandlungen/Medikamente/Hilfsmittel: Equazen forte

Sozialanamnese:

Wohnt mit zwei jüngeren Geschwistern bei den Eltern (Vater in der Gastronomie, Mutter Hausfrau aus ***25***), wiederholt die 1. Klasse einer integrativen Volksschule, PG der Stufe 1, er habe keine richtigen Freunde, er spiele mit seinen Geschwistern und anderen Kindern vor allem mit Zügen.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2021-10 psychologischer Befund, Autistenhilfe: im Vgl. zum Vorbefund deutliche Verbesserung der sozialen Interaktion und Verminderung des autistischen Verhaltens. Durchschnittliche Begabung mit inhomogenem Profil, Defizite der Sprachentwicklung

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: nahezu 9 jähriger Knabe in gutem AZ Ernährungszustand: gut Größe 135,00 cm Gewicht: 22 kg

Status (Kopf/Fußschema)-Fachstatus:

Caput:HNAP frei, Rachen bland, Lichtreaktion unauffällig Collum: Halsorgane unauffällig Thorax: symmetrisch, Cor HAT rein, rhytmisch, n.f. Pulmo: VA, sonores KS Abdomen: BD im TN, Hepar am RB, keine pathologischen Resistenzen tastbar WS: im Lot, FBA: 5 cm, altersentsprechend frei beweglich Extremitäten: keine Ödeme, altersentsprechend frei beweglich, Haut: unauffällig

Gesamtmobilität-Gangbild:

Kommt mit Konfektionsschuhen frei gehend weitgehend unauffällig und sicher.

Psycho(patho)logischer Status: liebevoller Junge, guter Augenkontakt kümmert sich um seinen jüngeren Bruder, setzt sich selbständig hin, ruhiges Verhalten, kooperativ, Sprache verlangsamt, antwortet vollständig in kurzen Sätzen


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Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung Rahmensätze
Pos. Nr.
GdB %
Frühkindlicher Autismus mit kombinierter umschriebener Entwicklungsstörung Unterer Rahmensatz, da integrativer Schulbesuch möglich
50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Folgende beantragten bzw in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten: keine maßgebliche Änderung

Gdb liegt vor seit: 09/2017

Begründung-GdB liegt rückwirkend vor:

Nachuntersuchung in 5 Jahren Anmerkung zu Nachuntersuchung: Besserung möglich

Gutachten erstellt am von Dr. ***21***

Gutachten vidiert am von Dr. ***22*** "

Vorliegende ärztlichen Befunde (zusammengefasst):

Klinisch-Psychologischer Befund (Mag. ***12***) :

"Ergebnis der klinisch-psychologischen Untersuchung:

Verhaltensbeobachtung:

***20*** ist ein zunächst eher zurückhaltender Junge der im Laufe des Gesprächs immer lockerer wird und bei der zweiten Sitzung schon sehr unbefangen bis grenzüberschreitend ist. Er interessiert sich für Autos und spielt Rollenspiele mit den Playmobilpüppchen. Motorisch ist er eher unruhig aber doch lenkbar.

Blickkontakt ist gegeben, einzelne deutsche Wörter werden gesprochen. Testverfahren lehnt er ab, bzw ist nicht klar ob er die Anweisung nicht versteht oder verweigert.

Er malt ein Haus das er sehr sorgfältig ausmalt. Er nennt von sich aus die Namen der Farben, die er verwendet, er wiederholt die Wörter aus meinen Sätzen. Er schreibt seinen Namen, er kann auch zählen. Im Subtest Nachzeichnen des WET ist er unauffällig.

Es ist schwierig, ***20*** zu etwas anderem zu motivieren als zum Spielen und zum Malen. Auch der Vater kann ihn nicht dazu bewegen, mitzumachen. Das gleiche Verhalten zeige er auch Zuhause.

Beim Szenotest zeigen sich ganze Spielsequenzen, es wird lautiert.

Händigkeit links

Zusammenfassung:

Aufgrund der Verhaltensbeobachtung, der Testung sowie der Anamnese und Exploration ist derzeit eher von einer Aufmerksamkeitsstörung (F90.0) auszugehen als von einer autistischen Störung, wiewohl einzelne autistische Züge vorhanden sind, aber nicht ausreichend. Es zeigt sich weiters eine Sprachentwicklungsverzögerung sowie eine feinmotorische Schwäche (F83).

Empfehlungen: Ergotherapie, psychodiagnostische Kontrolle in einem Jahr. Für ***20*** wäre es sehr wichtig, ganztags im Kindergarten bleiben zu können, sodass er die Sprache lernen kann und Kontakte knüpfen kann. Ein Integrationsplatz ist zu empfehlen."

Klinisch Psychologischer Befund Kompetenz- und Therapiezentrum Autistenhilfe :

Explorationsgespräch Zusammenfassung und Empfehlung:

"***20*** ist zum Zeitpunkt des Untersuchungsbeginns 6;0 Jahre alt. Vorbefundensind eine kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung, eine rezeptive Sprachstörung sowie der Verdacht auf Vorliegen einer Autismus-Spektrum-Störung zu entnehmen.

Die Ergebnisse aus psychologischer Untersuchung, diagnostischem Elterninterview und Verhaltensbeobachtung deuten insgesamt auf das Vorliegen der ICD-10 Diagnose F84.0 Frühkindlicher Autismus hin, da ***20*** Auffälligkeiten in allen drei, mit Autismus assoziierten Symptombereichen (soziale Interaktion, Kommunikation, stereotype Verhaltensweisen) zeigt, welche bereits in der frühen Kindheit deutlich wurden. Störungen aus dem autistischen Formenkreis zählen zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, weswegen die Diagnose auch rückwirkend als geltend betrachtet werden kann.

***20*** erscheint als erkundungsfreudiger Junge, interessiert sich für Autos, Züge und U-Bahnen und Seifenblasen. ***20*** spricht teilweise in kurzen Sätzen, der überwiegende Teil seiner sprachlichen Äußerungen ist objektorientiert, stereotyp und echolalisch. Empfohlen wird die Förderung funktionaler Kommunikation, wechselseitigem Spielverhalten, Sozialverhalten und Aufmerksamkeit. Im Vordergrund sollten hierbei ***31*** Interessen stehen, sodass individuelle Motivationssysteme aufgebaut werden können. Zudem wird dringend zu Beratung und Coaching der Eltern geraten, um sie hinsichtlich des Umgangs mit ***20*** im häuslichen Umfeld zu unterstützen.

Im Hinblick auf die kommende Einschulung erscheint es wichtig, eine mögliche Überforderung in sozialen, reizvollen Situationen zu beachten und ***20*** einen entsprechenden Rahmen (z.B. regelmäßige Rückzugsorte, Aufgabenstrukturierung, Reizabschirmung in lauten Situationen) zu geben um ein Lernen für ihn zu ermöglichen. Jedenfalls notwendig erscheint die Unterstützung einer Eingliederungshilfe (Stützkraft, Integrationsassistentin), um für ***20*** die Teilhabe am Unterricht und individuelle Förderung zu ermöglichen.

Darüber hinaus werden sogenannte "Play-Dates" empfohlen, also die Verabredung mit einem oder maximal zwei weiteren Kindern in ***31*** Alter, um ***20*** mit der notwendigen Unterstützung zu zeigen, wie er mit anderen Kindern in seinem Alter spielen kann, dies jedoch in einem kleineren Rahmen, als in der gesamten Kindergartengruppe und angelehnt an seinen Interessen.

Kontaktadressen werden den Eltern schriftlich übergeben und im Rahmen der Befundbesprechung besprochen."

Ärztliche Bestätigungen "***5***" (FÄ für Kinder- und Jugendheilkunde Dr. ***28***/Dr. ***29***) vom und vom ***19*** November 2020:

"Hiermit bestätige ich, dass ***3***, geboren am ***2***, in unserer Betreuung steht.

Diagnose: Autismus

Ich betreue ***20*** seit vielen Jahren, rückwirkend betrachtet sind bereits seit 2016 erste Anzeichen eines Autismus aufgetreten. Er hatte eine Sprachentwicklungsverzögerung und war ein sehr lebhaftes Kind. Auch zeigte sich eine fehlende Interaktion mit anderen Personen welche vor allem im Spiel mit gleichaltrigen Kindern wahrnehmbar war. Die Diagnose "Autismus" wurde jedoch erst 2019 gestellt, wie so oft erfolgt diese jedoch zeitverzögert."

Bestätigung der Stadt Wien Kindergarten ***17***:

"***26*** besucht seit die Integrationsgruppe 54-56 im ***27***. 2017 stellte man im Logopädischen Bericht eine Sprachentwicklungsstörung fest. Im Dezember 2019 wurde bei ***20*** von der Autistenhilfe die Diagnose Autismus festgestellt."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

§ 8 Abs. 4 FLAG 1967 legt fest, in welchem Ausmaß sich die Familienbeihilfe bei einem erheblich behinderten Kind erhöht.

Gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr: Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Einschätzungsverordnung vom , BGBl II 2010/261 idF BGBl II 2012/151

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl II 2010/261 idF BGBl II 2012/151, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Diese VO lautet:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2.

(1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der funktionellen Einschränkungen in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3.

(1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktions-beeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn - sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4.

(1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten…"

Festgestellter Sachverhalt:

Das am ***2*** geborene Kind der Bf lebt zusammen mit den Eltern (Vater in der Gastronomie tätig, Mutter Hausfrau aus ***25***) und zwei Geschwistern besuchte einen Integrationskindergarten. Das Kind wächst zweisprachig auf, zu Hause wird ***32*** gesprochen. Die erste Klasse der integrativen Volksschule wurde wiederholt (vgl. Sozialanamnese lt. Gutachten vom ).

Für das Kind wird Pflegegeld der Stufe 1 bezogen (vgl. Sozialanamnese lt. Gutachten vom ).

Das Kind leidet nach den vorgelegten Befunden, die die Grundlage für die dreimalige Einschätzung durch das Sozialministeriumservice bildeten, an frühkindlichem Autismus mit kombinierter umschriebener (Sprach)-Entwicklungsstörung.

Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung:

Erhöhte Familienbeihilfe

Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (kurz: FLAG 1967) enthält die Bestimmungen, unter welchen Voraussetzungen für minderjährige Kinder und volljährige Personen die Familien-beihilfe und der Erhöhungsbetrag zusteht.

Für minderjährige Kinder besteht Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe, wenn sie erheblich behindert sind. Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (§ 8 Abs. 4 bis 5 FLAG 1967).

Die Höhe des Behinderungsgrades (und die Feststellung des Zeitpunktes des Eintrittes einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit) ist nach der Bestimmung des § 8 Abs 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens) nachzuweisen (vgl z.B. ; ; ).

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden (vgl. oben).

Bei der Anwendung der Richtsatzverordnung kann man nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB ) auf Erfahrungswerte einer jahrzehntelangen Praxis zurückblicken, wobei auch eine breite Akzeptanz der Bevölkerung festgestellt wurde. Die Anwendung der Richtsatzverordnung bringt durch deren klar abgrenzbare Vorgaben bei der Beurteilung von Behinderungen durch Prozentsätze nicht nur eine bundeseinheitliche Vollziehung nach objektiven Kriterien, sondern insbesondere auch das erforderliche Maß an Rechtssicherheit.

Die Aufgabe des Arztes als Gutachter bzw. fachkundiger Berater des Gerichtes oder sonstiger Auftraggeber besteht darin, entsprechend den ihm vom Auftraggeber gestellten Beweisfragen medizinische Befunde zu erheben und diese unter Berücksichtigung der sonstigen ihm zugänglich gemachten Informationen auf der Basis medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlichen Erfahrungswissens zu bewerten, um so dem "Auftraggeber" (hier: Finanzamt) eine Entscheidung der rechtlich erheblichen Fragen zu ermöglichen.

Bindung der Abgabenbehörde und des Bundesfinanzgerichtes an die Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice, wenn diese schlüssig sind:

Das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht sind an die Gutachten des Sozialministeriumservice gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob diese vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sind und im Fall mehrerer Gutachten oder einer Gutachtensergänzung nicht einander widersprechen (vgl. ; ; Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310). Erforderlichenfalls ist für deren Ergänzung zu sorgen (; ; ). Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ua.). Ein Abgehen von den Gutachten ist nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung möglich (vgl. ).

Allgemeines zu Gutachten:

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige.

Gutachter stützen sich bei ihren zu treffenden Feststellungen auf die durchgeführte Anamnese, die Untersuchung und die vom Antragsteller vorgelegten medizinische Unterlagen und Befunde. In weiterer Folge werden alle diese Informationen auf Basis medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlichen Erfahrungswissens bewertet und medizinische Schlussfolgerungen gezogen, dem Gutachten im engeren Sinn.

Die Gutachten haben Feststellungen über die Art und das Ausmaß der Behinderung in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. ; ).

Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen.

Die alleinige Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. z.B. ; ).

Bei der Einschätzung dürfen andere als behinderungskausale Gründe für die Beurteilung nicht herangezogen werden (vgl ua ).

Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der rückwirkenden Einschätzung des Behinderungsgrades weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht (bzw. die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht) (vgl. , , , vgl. auch das Erkenntnis des , ).

Ein Gutachten ist

•vollständig, wenn es die von der Behörde oder dem Gericht gestellten Fragen beantwortet (sofern diese zulässig waren)

•nachvollziehbar, wenn das Gutachten von der Beihilfenstelle und vom Gericht verstanden werden kann und die Gedankengänge des Gutachters, die vom Befund zum Gutachten führten, prüfen und beurteilen kann und

•schlüssig, wenn es nach der Prüfung auf Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit immer noch überzeugend und widerspruchsfrei erscheint

Mitwirkungspflicht durch den Antragsteller:

Es obliegt primär an der den Antrag stellenden Person, den behaupteten Sachverhalt, durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.

Fehlen Befunde, warum auch immer, können die Feststellungen des Sachverständigen nur mit hoher Wahrscheinlichkeit entsprechend den gegebenen Tatsachen getroffen werden, da Erkrankungen in aller Regel unterschiedlich stark ausgeprägt sind, häufig einen schleichenden Verlauf nehmen oder sich - wie im vorliegenden Fall befundmäßig auch festgehalten - erst mit zunehmendem Alter manifestieren und/oder verschlechtern bzw auch verbessern können.

Psychische Erkrankungen

Psychische Erkrankungen haben unterschiedliche Ausprägungen, unterschiedliche Krankheitsverläufe und weisen verschiedene Krankheitsbilder auf. Autismuserkrankungen haben verschiedene Ausprägungen (Autismusspektrum) und ist frühkindlicher Autismus meist erst nach entsprechender Testung erkennbar. So wurde auch im oa Klinisch-Psychologischen-Befund vom (in den vorliegenden Gutachten ist dieser Befund mit Datum erfasst) von einer im Untersuchungszeitpunkt bestehenden Aufmerksamkeitsstörung gesprochen, wiewohl autistische Züge - diese jedoch nicht ausreichend - vorhanden waren. Der Befund bestätigt auch eine Sprachentwicklungsstörung sowie eine feinmotorische Schwäche (vgl. die gutachtlich festgestellte kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung).

Die Gutachten des Sozialministeriumservice stellen aufgrund der bestehenden Beeinträchtigung ("Frühkindlicher Autismus mit kombinierter umschriebener Entwicklungsstörung; unterer Rahmensatz, da integrativer Schulbesuch möglich") jeweils einen Behinderungsgrad von 50 % fest. In den beiden letzten Gutachten wurde der festgestellte Behinderungsgrad rückwirkend per September 2017 festgehalten. Im oben zitierten zweiten Gutachten des Sozialministeriumservice (vgl. oben Gutachten vom ) wurde nachvollziehbar ausgeführt, dass eine rückwirkende Anerkennung des festgestellten Behinderungsgrades ab 2016 nicht möglich war. Vgl. die dort angeführte Begründung des GdB: ".., da die Entwicklungsproblematik sprachlich, feinmotorisch und im Sozialverhalten erst mit zunehmendem Alter und Anforderungen ein Ausmaß von zumindest 50% GdB erreicht. Auch wenn aus fachärztlicher Sicht bestätigt werden kann, dass bei o.g. Diagnose erste klinische Symptome in der Regel in der frühen Kindheit erkennbar werden, dokumentieren die vorgelegten Befunde keinen Grad der Behinderung von zumindest 50% vor 09/2017".

Freie Beweiswürdigung

Die Gutachten unterliegen, wie alle anderen Beweismittel, der freien behördlichen/-richterlichen Beweiswürdigung.

Dass der Sohn der Bf seit früher Kindheit an der wie oben festgestellten Beeinträchtigung leidet, steht aufgrund der vorliegenden Unterlagen/Befunde außer Streit. Der Sohn hat ab September 2017 Aufnahme in eine Integrationsgruppe des Kindergartens gefunden und besuchte anschließend die integrative Volksschule. Die Beeinträchtigung wurde befundmäßig erstmals mit April 2019 festgehalten.

Die Gutachten des Sozialministeriumservice vom und vom bestätigen gleichlautend den auch im Vorgutachten vom mit 50 vH festgestellten Behinderungsgrad, zuletzt jeweils rückwirkend ab Aufnahme in die Integrationsgruppe des Kindergartens bei vorliegender Sprachentwicklungsstörung und ersten Hinweisen auf den 2019 diagnostizierten frühkindlichen Autismus (Anm. BFG: vgl. die Diagnose im wie oben zitierten vorliegenden Befund Mag. ***30*** vom ). In allen drei vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten wurde der Behinderungsgrad unter angeordneter Verlaufskontrolle durch Evaluierung des weiteren Entwicklungsverlaufs noch nicht als Dauerzustand festgestellt, wobei zuletzt eine Besserung als möglich festgehalten wurde (vgl. Gutachten vom ).

Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die in den letzten beiden Gutachten durch zwei verschiedene Ärzteteams rückwirkend getroffene Feststellung des Behinderungsgrades mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entspricht. Die getroffene Einschätzung kann anhand der Befunde und Anamnesen nachvollzogen werden und wurde für den Zeitraum ab September 2017 bestätigt. In den Gutachten des Sozialministeriumservice wurde festgehalten, dass sich aus den vorgelegten Befunden keine Anhaltspunkte für eine andere Einschätzung ergeben haben.

Vor dem Hintergrund des Inhalts der vorliegenden Befundberichte und Unterlagen kann den Gutachten des Sozialministeriumservice die Schlüssigkeit nicht abgesprochen werden. Die Gutachten erweisen sich als nachvollziehbar und vollständig.

Die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht sind an die gutachterlichen Feststellungen gebunden. Für eine davon abweichende Beurteilung gibt die Aktenlage keinen Anlass, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Unter welchen Voraussetzungen die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, ergibt sich aus den oben zitierten Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes. Es war vorliegend keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen. Bei der Frage, ob und ab wann eine Behinderung einen bestimmten Grad erreicht hat, sodass von einer erheblichen Behinderung gesprochen werden konnte, handelt es sich um eine Tatfrage, wobei das BFG an die diesbezüglichen Feststellungen des Sozialministeriumservice gebunden ist.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at