Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 01.02.2024, RV/7100381/2023

Verlustverwertung bei Kapitalvermögen

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1050/2024 anhängig.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7100381/2023-RS1
Aufwendungen, die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat, sind nicht zwangsläufig erwachsen (vgl zB ; ). Der bei der Veräußerung von Kapitalvermögen (Aktien) des Privatvermögens erzielte Verlust als Folge einer freiwillig getätigten wirtschaftlichen Entscheidung der Beschwerdeführerin kommt schon mangels ursprünglicher Zwangsläufigkeit dem Grunde nach nicht zur Berücksichtigung eines Vermögensverlustes als außergewöhnliche Belastung in Betracht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Senatsvorsitzende Mag. Andrea Ebner, die Richterin Mag. Aloisia Bergauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Johannes Denk und Mag. Markus Fischer, BA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Philipp Rümmele, WP/StB, Wiedner Hauptstrasse 100/1/25, 1050 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2020, Steuernummer ***BFStNr1***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Beschwerdefall strittig ist die Verlustverwertung von negativen Kapitaleinkünften.

In der am elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 führte die Beschwerdeführerin unter anderem positive Einkünfte aus der Überlassung von Kapital iHv EUR 19.236,38 und positive Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen aus inländischem Kapitalvermögen iHv EUR 14.045,70 sowie negative Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen aus inländischem Kapitalvermögen iHv EUR -110.708,58 und negative Einkünfte aus Derivaten iHv EUR -28.500,00 an. Die anrechenbare Kapitalertragsteuer wurde mit einem Betrag von EUR 0,00 erfasst.

Im ergänzenden Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin für die Einkünfte aus Kapitalvermögen des Jahres 2020 einen Regelbesteuerungsantrag und beantragte weiter "im Sinne des objektiven Leistungsfähigkeitsprinzips […] die negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen mit den positiven Einkünften aus selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit auszugleichen und die für das Jahr 2020 fällige Einkommensteuer somit mit EUR 0,00 festzusetzen". Den Ausschluss des Verlustausgleichs nach § 27 Abs 8 Z 4 EStG 1988 sehe die Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund des objektiven Leistungsfähigkeitsprinzips als verfassungswidrig an. Die Aussagen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom G 35/10 zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung seien hier auch auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen anwendbar, zumal im Einkommensteuergesetz für solche außerordentlichen Wertverluste für Einkünfte aus Kapitalvermögen gegenwärtig keine Verteilungsregeln vorgesehen seien und § 27 EStG 1988 für solche Fälle somit kein hinreichend angepasstes System der Verlustberücksichtigung enthalte.
In eventu stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, den Verlust aus Kapitalvermögen, insofern er nicht ausgeglichen wird, bescheidmäßig festzustellen, damit er in Folgejahre vorgetragen werden könne sowie in eventu den Verlust aus Kapitalvermögen, insofern er nicht ausgeglichen wird, als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahr 2020 mit EUR 2.198,00 fest. Die Steuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen wurde dabei nach Verlustausgleich im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen mit EUR 0,00 festgesetzt.

Dagegen richtete sich die Beschwerde vom , in der die Beschwerdeführerin auf den Inhalt des ergänzenden Vorbringens vom verwies und erneut beantrage, über die im Schriftsatz vom gestellten Anträge in der Sache abzusprechen und antragsgemäß zu entscheiden. Beigefügt war das Schreiben vom (ergänzendes Vorbringen zur Einkommensteuererklärung 2020) sowie eine Verlustausgleichsbescheinigung der ***Bank A*** für das Jahr 2020.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend verwies die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 27 Abs 8 Z 4 EStG 1988, wonach nicht ausgeglichene Verluste aus Kapitalvermögen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden dürften. Die Regelung des § 27 Abs 8 EStG 1988 über den Verlustausgleich gelte auch im Falle der Regelbesteuerung gemäß § 27a Abs 5 EStG 1988. Im Übrigen werde auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , E 1722/2020 hingewiesen, wonach es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne, wenn Verluste aus dem besonderen Steuersatz unterliegenden Einkünften nicht im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte gemäß § 2 Abs 2 EStG 1988 ausgleichsfähig seien.
Im außerbetrieblichen Bereich sei zudem ein Verlustvortrag nicht vorgesehen, weswegen das Eventualbegehren abzuweisen sei. Dies stoße auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl ).
Da der bei der Veräußerung von Kapitalvermögen (Aktien) des Privatvermögens erzielte Verlust die Folge einer freiwillig getätigten wirtschaftlichen Entscheidung der Beschwerdeführerin gewesen sei und ein unternehmerisches Wagnis darstelle, seien keine Umstände aufgezeigt worden, die zur Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Annahme einer außergewöhnlichen Belastung iSd § 34 EStG 1988 führen würden.

Am brachte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag ein. Darin stelle sie den Antrag auf Entscheidung durch den Senat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die Erstattung eines ergänzenden Vorbringens wurde angekündigt.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom selben Tag beantragte sie die Abweisung der Beschwerde.

Am erfolgte die Ladung zur mündlichen Senatsverhandlung am vor dem Bundesfinanzgericht.

In der Stellungnahme vom teilte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht mit, dass im Einkommensteuerbescheid 2020 vom versehentlich ein Betrag iHv EUR 46.682,70 von der Umrechnung gemäß § 3 Abs 2 EStG ausgenommen worden sei. Da die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit laut Lohnzettel des Arbeitgebers für den Zeitraum von 1. Februar bis bezogen worden seien, das Arbeitslosengeld jedoch nur für einige Tage im Jänner 2020, seien die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für das restliche Kalenderjahr bezogen worden und seien somit in die Hochrechnung gemäß § 3 Abs 2 EStG 1988 einzubeziehen.

Mit Schriftsatz vom (Eingang ) zog die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück und ersuchte um Gewährung einer Frist zur Erstattung eines ergänzenden Schriftsatzes bis .

Am erfolgte die Abberaumung der mündlichen Senatsverhandlung, wobei der belangten Behörde das Schreiben der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin vom zur Kenntnisnahme übermittelt wurde.

Mit Beschluss vom übermittelte das Bundesfinanzgericht der Beschwerdeführerin die Stellungnahme der belangten Behörde vom zur Wahrung des Parteiengehörs und räumte eine Frist zur Äußerung bis zum ein.

In der Beschwerdeergänzung samt Beilagen vom (Eingang ) führte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin aus, dass den positiven Einkünften der Beschwerdeführerin aus selbständiger Arbeit (EUR 8.261,25) und aus nichtselbständiger Arbeit (EUR 34.774,42) im Streitjahr 2020 negative Einkünfte aus Kapitalvermögen iHv insgesamt EUR 98.265,95 gegenübergestanden seien. Der Verlust der Beschwerdeführerin aus Kapitalvermögen iHv EUR 98.380,50 [unter Berücksichtigung der Anschaffungsnebenkosten] stehe in direktem kausalen Zusammenhang mit der kaum bestreitbaren Bilanzfälschung der ***X AG***. Wären der Beschwerdeführerin die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse im Dezember 2019 bekannt gewesen, hätte sie die Put-Option samt nachfolgenden Aktienerwerb im Dezember 2019 nicht begeben. Bei der Begebung der Put-Option im Juli 2019 habe die Beschwerdefüherin auf die Richtigkeit der geprüften Jahresabschlüsse der ***X AG*** vertraut. Die außergewöhnlich hohen Verluste der Beschwerdeführerin aus negativen Einkünften aus Kapitalvermögen, die primär aus dem Verkauf ihres DAX-Titels ***X AG*** resultieren würden, seien für die Beschwerdeführerin völlig unerwartet und ausschließlich im Erklärungsjahr eingetreten.

Vertikaler Verlustausgleich: Es würden daher grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 27 Abs 8 EStG 1988 (Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und damit zusammenhängender Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip sowie eine Verletzung des Verbots der unsachlichen Gleich- bzw Ungleichbehandlung) bestehen, wenn einmalig ein außerordentlich hoher Substanzverlust aus der Notveräußerung einer jahrelang stabil im Premiumsegment des deutschen Aktienindex DAX notierenden Aktie aufgrund eines europaweit nie dagewesenen, internationalen Betrugsfalls, gepaart mit einem langjährigen Komplettversagens sämtlicher Aufsichtsbehörden resultieren würde und die Beschwerdeführerin zur Regelbesteuerung gemäß § 27a Abs 5 EStG 1988 optiert habe, was zum Verlassen der Schedule führen würde. Das gesetzliche Verbot des vertikalen Verlustausgleichs trotz Ausübung der Option zur Regelbesteuerung sei vom Verfassungsgerichtshof zwar im Erkenntnis vom , E 1722/2020 für Einkünfte aus Kapitalvermögen als verfassungsrechtlich unbedenklich qualifiziert worden (keine Verletzung des Gleichheitssatzes). Da die Endbesteuerung und die Sondersteuersatzbesteuerung im betrieblichen und außerbetrieblichen Bereich (im Wesentlichen) gleichermaßen gelten würden, stelle die gänzlich fehlende vertikale Verlustausgleichsmöglichkeit nur im außerbetrieblichen Bereich eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des privaten Steuerpflichtigen dar. Zwar sei das gänzliche Fehlen des Instituts des Verlustvortrags im außerbetrieblichen Bereich vom Verfassungsgerichthof im Erkenntnis vom , E 1722/2020 als verfassungsrechtlich unbedenklich qualifiziert worden, mit dem Hinweis, dass diese Ausgestaltung in den einkommenssteuerlichen Regelungen im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege. Die vom Verfassungsgerichtshof dargelegte Argumentation zur sachlichen Rechtfertigung der Unterscheidung könne aber insbesondere für den gegenständlichen Fall keineswegs überzeugen.
Die Beschwerdeführerin halte daher ausdrücklich ihren Antrag auf Ausübung der Regelbesteuerung und auf Vornahme des Verlustausgleichs für die zutreffende Ermittlung eines "Totalgewinns/Totalverlustes" im Sinne des objektiven und subjektiven Nettoprinzips im Jahr 2020 aufrecht.

Verlustvortrag innerhalb der Schedule in Folgejahre: Die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin sehe trotz der von ihr angeführter bisheriger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (; ) die Frage unbeantwortet, ob sich das außerbetriebliche Kapitalvermögen tatsächlich hinreichend vom betrieblichen Kapitalvermögen unterscheide, zumal der Verfassungsgerichthof die unterschiedliche Behandlung von Einkünften aus verschiedenen Einkunftsarten stets unter den Vorbehalt stelle, dass eine verschiedenartige Besteuerung aus tatsächlichen Unterschieden zwischen den Einkunftsarten abgeleitet werden könne. Die Beschwerdeführerin vertrete die Auffassung, dass die geforderten tatsächlichen Unterschiede und damit ein allfälliges unterschiedliches Regelungsbedürfnis für den Beschwerdefall bei Einkünften aus Kapitalvermögen nicht bestehe, weil die außerbetriebliche Veräußerung von Kapitalvermögen seit 2012 allgemein steuerlich erfasst werde, der Verlustvortrag aber weiterhin zur Gänze ausgeschlossen sei, während im betrieblichen Bereich der nach Ausgleich mit betrieblich realisierten Wertsteigerungen bzw Zuschreibungen im selben Betrieb verbleibende Verlust aus der Veräußerung oder Teilwertabschreibung von Kapitalanlagen als Verlustüberhang auf 55% zu kürzen und dieser gekürzte Verlust dann sowohl nach der allgemeinen Reihenfolge der Verlustverwertung sowohl ausgleichs- wie auch vortragsfähig sei (§ 6 Z 2 lit c EStG 1988). Aus der Sicht der Beschwerdeführerin handle es sich bei der vermeintlich rechtfertigenden Unterschiedlichkeit zwischen den Einkunftsarten um Scheinargumente. In der Realität würden betriebliche und außerbetriebliche Investoren am Kapitalmarkt vielmehr im unmittelbaren Wettbewerb stehen, betrieblich realisierte Wertänderungen würden aber steuerlich stets günstiger behandelt als außerbetriebliche. Soweit die Zuordnung zu einer spezifischen Einkunftsart nicht der Sache nach, sondern lediglich aus einer steuerlichen Perspektive aufgrund der Subsidiarität der Neben- gegenüber den Haupteinkunftsarten erfolge, in beiden Fällen aber eine schedulare Besteuerung greife, könne daraus der für ein unterschiedliches Regelungsbedürfnis erforderliche, tatsächliche, relevante Unterschied keinesfalls schlüssig abgeleitet werden.

Die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin regt in eventu an und beantragt, in Hinblick auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, der sie in wesentlichen Punkten entgegentrete, sowie aufgrund der jahrelang geäußerten, heftigen und gut begründeten Kritik an dieser Judikatur im österreichischen Schrifttum (vgl Kotier in Kotier et al (Hrsg), Steuerpolitik und Verfassungsrecht (2023), Verlustverwertung und Verfassungsrecht, mwN), sowie aufgrund der zu den Kriterien und Voraussetzungen der Verlustverwertung schlüssig und klar abweichenden geltenden Rechtslage und der höchstgerichtlichen Judikatur in Deutschland (bei vergleichbarer Ausgangslage), das Bundesfinanzgericht möge zu den oben genannten einfachgesetzlichen Bestimmungen des EStG 1988 ein Gesetzesprüfungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof einleiten und den entsprechende Prüfantrag zur Klärung der dargelegten Rechtsfragen zu den angezeigten Grundrechtsverletzungen durch die Anwendung der angeführten österreichischen Rechtsvorschriften seitens der österreichischen Finanzverwaltung dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Entscheidung vorlegen (Unverletzlichkeit des Eigentums (Art 5 StGG; Art 1 1. ZPEMRK; Eigentum gemäß Art 17 der Europäischen Grundrechtscharta vom , 2012/ C 326/391; Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art 20 der Europäischen Grundrechtscharta vom , 2012/ C 326/391).

Mit Stellungnahme vom (Eingang ) teilte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin dem Gericht replizierend auf die Stellungnahme der belangten Behörde vom mit, dass insofern im Jahr 2020 von der Beschwerdeführerin tatsächlich Arbeitslosengeld bezogen worden sei, sei der belangten Behörde zuzustimmen, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für den Zeitraum bis in die Hochrechnung gemäß § 3 Abs 2 EStG 1988 einzubeziehen seien.

Mit Beschluss vom übermittelte das Bundesfinanzgericht der belangten Behörde die Beschwerdeergänzung zur Wahrung des Parteiengehörs.

Die belangte Behörde replizierte mit Stellungnahme von , dass die Ausführung in der Beschwerdeergänzung geteilt werde, wonach der Verlust gemäß § 27 Abs 3 EStG 1988 aus der Veräußerung von 1.000 Stück Aktien der ***X AG*** am EUR 97.900,00 betrage (und nicht EUR 110.100,00 wie in der vorgelegten "Börsenabrechnung-Ihr Verkauf" der ***Bank A***, Seite 2/2 ausgewiesen). Werde eine Put-Option ausgeübt, senke die empfangene Stillhalterprämie die Anschaffungskosten des Underlying. Die Beschwerdeführerin eine Optionsprämie (Stillhalterprämie) von EUR 6.100,00 erhalten. Die Anschaffungskosten seien daher um die erhaltene Optionsprämie (Stillhalterprämie) von EUR 6.100,00 zu kürzen und würden somit EUR 113.900,00 betragen. Beim Verkauf um EUR 16.000,00 ergebe sich daher ein Verlust gemäß § 27 Abs 3 EStG 1988 iHv EUR 97.900,00. Es werde angemerkt, dass die Beschwerdeführerin aus freier Entscheidung am eine Put-Option betreffend 1.000 Aktien der ***X AG*** (zu einem Kurs von 120 Euro) begeben und die Aktien daraufhin erworben habe. Das Risiko des späteren Wertverlustes von Aktien im Privatvermögen stelle - selbst wenn dieser für die Anlegerin "völlig unerwartet" eintrete - ein unternehmergleiches Wagnis dar.

Mit Beschluss vom übermittelte das Bundesfinanzgericht der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin die Stellungnahme der belangten Behörde zur Wahrung des Parteiengehörs.

Mit Stellungnahme vom (eingelangt am ) führt die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin aus, dass sich der Verlust der ***X AG*** Aktien unter Außerachtlassung der Spesen und Gebühren auf EUR 97.900,00 belaufen hätte. Die Höhe des echten wirtschaftlichen Verlustes aus dem Verkauf unter Berücksichtigung der Spesen und Gebühren habe sich auf EUR 98.380,50 belaufen. Selbst wenn die den positiven Einkünften im Jahr 2020 gegenüberstehenden negative Einkünfte der Beschwerdeführerin aus Kapitalvermögen auf insgesamt EUR 86.065,95 zu reduzieren wären, ändere dies nichts an den wesentlichen Fragen dieses Verfahrens, ob der Überhang an negativen Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen im Jahr 2020 antragsgemäß vertikal verrechnet werde bzw festgestellt werde, um in Folgejahre vorgetragen werden zu können. Bei der gegenständlichen von der Beschwerdeführerin gewählten Transaktion (Short) handle es sich keineswegs um ein spekulatives Handeln einer Option (Traden von Optionen), vielmehr sei der Verkauf der Put-Option im Juli 2019 einzig als ergänzendes Investitionsinstrument für den geplanten und gewünschten Erwerb der ***X AG***-Aktien eingesetzt worden, mit dem Vorteil, den Ankaufspreis der Aktien aus Sicht des aktuellen Börsenkurses im Juli 2019 im Ausmaß des Prämienerlöses reduzieren zu können bzw, im Fall der Nichtlieferung der Aktien, an möglichen Wertsteigerungen des Titels zumindest anteilig in Höhe der bezogenen Prämie partizipieren zu können. Die Entscheidung für den Erwerb der ***X AG***-Aktien habe dabei auf einer umfangreichen, fundierten Recherche dieses im DAX notierenden Titels und auch des allgemeinen Marktes basiert. Dies bedeute, dass nicht der angestrebte Erwerb der ***X AG***-Aktien im Dezember 2019 für die Beschwerdeführerin unerwartet oder gar überraschend gekommen sei, sondern vielmehr später deren radikaler Wertverlust im Frühsommer 2020. Dieser sei ohne schlüssige Hinweise oder klare Indikatoren für die tatsächlich katastrophale wirtschaftliche Lage des geprüften DAX-Unternehmens eingetreten, weil diese erst in der Folge durch Aufdeckung der massiven, unternehmensinternen Malversationen (Bilanzfälschung) publik geworden seien. Der unterschiedlichen Behandlung von Einkünften aus Kapitalvermögen im betrieblichen und im außerbetrieblichen Bereich fehle eine inhaltlich nachvollziehbare, sachliche Rechtfertigung (hierzu ergänzender Beschwerdeschriftsatz vom , Seite 9 und 10). In der Realität würden betriebliche und außerbetriebliche Investoren am Kapitalmarkt in der völlig identen Situation stehen, außerbetrieblich realisierte Wertänderungen aus Kapitalvermögen würden in Österreich aber ohne sachliche Rechtfertigung steuerlich klar schlechter behandelt als betriebliche. Die Beschwerdeführerin beantragt daher weiterhin ihrer Beschwerde stattzugeben bzw ein Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem EuGH einzuleiten.

Die belangte Behörde sah von der Erstattung einer weiteren Stellungnahme ab.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin erklärte im Streitjahr 2020 Einkünfte aus selbständiger Arbeit (EUR 8.261,25) und aus nichtselbständiger Arbeit von 1. Februar bis (EUR 34.774,42) (Lohnzettel). Zudem bezog sie im Zeitraum 1. bis EUR 395,22 Arbeitslosengeld vom AMS Österreich (Meldung des AMS Österreich).

Am begab die Beschwerdeführerin als Kaufverpflichtete eine Put-Option zum Erwerb von 1.000 Stück Aktien der ***X AG*** (ISIN ***1***) zum Kaufpreis von EUR 120,00 pro Stück und erhielt dafür eine Prämie iHv EUR 5.974,10 (Optionsprämie EUR 6.100,00 abzüglich Ticketgebühr iHv EUR 100,00 und Spesen EUR 25,90) (Bankbestätigung vom ). Dieser Betrag wurde ihrem Bankkonto gutgeschrieben (Verlustausgleichsbescheinigung vom ).

Am übte ein Verkäufer diese Put-Option aus und die Beschwerdeführerin erwarb entsprechend der Optionsverpflichtung 1.000 Aktien zum Stückpreis von EUR 120,00, zuzüglich einer Wertpapierprovision iHv EUR 300,00; Gesamtkaufpreis EUR 120.300,00. Dieser Betrag wurde ihrem Bankkonto angelastet (Bankbestätigung vom ).

Am verkaufte die Beschwerdeführerin die Aktien der ***X AG*** zu einem Stückpreis iHv EUR 16,00. Die Beschwerdeführerin erhielt eine Gutschrift des Verkaufserlöses abzüglich Spesen und Gebühren iHv EUR 15.945,40 (EUR 16.000,00 abzüglich Wertpapiercourtage EUR 40,00, fremde Lieferspesen EUR 10,00 und fremde Brokergebühren EUR 4,60) (Bankbestätigung Kauf vom ; Börsenabrechnung vom ).

Die Beschwerdeführerin erlitt aus ihrem Aktien-Engagement bei der ***X AG*** unter Berücksichtigung der im Rahmen der Ankaufs-/Verkaufstransaktionen aufgelaufenen Spesen und Gebühren einen Verlust iHv EUR -98.380,50 (EUR 5.974,10 abzuglich EUR 120.300,00 plus EUR 15.945,40); unter Außerachtlassung der Spesen und Gebühren beläuft sich der Verlust auf insgesamt EUR 97.900 (EUR 6.100,00 abzüglich EUR 120.000,00 plus EUR 16.000,00).

Am meldete die ***X AG*** Insolvenz beim zuständigen deutschen Insolvenzgericht an. Die Beschwerdeführerin hat ihre Schadenersatzforderung iHd zuvor genannten Verlusts im Insolvenzverfahren der ***X AG*** angemeldet.

Insgesamt ergaben sich für die Beschwerdeführerin im Jahr 2020 nicht verwertbare negative Einkünfte aus Kapitalvermögen iHv EUR 86.065,95 (Verlustausgleichsbescheinigung vom samt zu berücksichtigender Korrektur). Die Beschwerdeführerin optierte hinsichtlich ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen zur Regelbesteuerung.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

Der Verlust aus dem Aktien-Engagement bei der ***X AG*** errechnet sich nach Angaben der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin und entsprechend der übermittelten Unterlagen wie folgt: Der Verlust unter Einbeziehung der Spesen und Gebühren beläuft sich auf EUR -98.380,50 (Optionsprämie iHv EUR 5.974,10 abzüglich Anschaffungskosten iHv EUR 120.300,00 plus Verkaufspreis iHv EUR 15.945,40); unter Außerachtlassung der im Rahmen der Ankaufs-/Verkaufstransaktionen aufgelaufenen Spesen und Gebühren (Anschaffungsnebenkosten) beläuft sich der Verlust der Beschwerdeführerin auf insgesamt EUR 97.900 (Optionsprämie iHv EUR 6.100,00 abzüglich Anschaffungskosten iHv EUR 120.000,00 plus Verkaufspreis iHv EUR 16.000,00).

Die belangte Behörde moniert in der Stellungnahme vom , dass in der Börsenabrechnung der Verlust iHv EUR 110.100,00 ausgewiesen sei (Einstandswert iHv EUR 126.100,00 abzüglich Erlös iHv 16.000,00) und dass - wie auch von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin in ihren Schriftsätzen angenommen- die Anschaffungskosten jedoch um die Stillhalterprämie iHv EUR 6.100,00 zu kürzen sein anstatt diesen Wert zu addieren. Die Anschaffungskosten würden sohin EUR 113.900,00 (Anschaffungskosten iHv EUR 120.000 abzüglich Optionsprämie iHv EUR 6.100,00) betragen. Die Ausführungen der belangten Behörde decken sich mit den vorgelegten Unterlagen der Beschwerdeführerin und stehen im Einklang mit den Ausführungen der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin, die diesen in der Stellungnahme vom dahingehend nicht entgegentritt. Der Bescheinigung des Verlustausgleichs für das Jahr 2020 wurde entsprechend des Ausweises in der Börsenabrechnung vom ein Verlust aus dem gegenständlichen Aktienverkauf iHv EUR 110.100,00 zugrunde gelegt und entsprechend der Ausgleichsmöglichkeiten mit den übrigen Einkünften aus Kapitalerträgen verrechnet. Die darin ausgewiesenen negativen Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen iHv insgesamt EUR 110.708,58 sind aufgrund der Addition statt Substruktion der Optionsprämie um EUR 12.200 zu korrigieren; die negativen Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen betragen sohin insgesamt EUR 98.508,58. Nach Ausgleich der negativen Einkünfte (realisierten Wertsteigerungen: EUR -98.508,58; Derivate: EUR 28.500,00) mit den positiven Kapitaleinkünften (Überlassung von Kapital: EUR 19.236,38; Fonds: EUR 12,47; realisierten Wertsteigerungen: EUR 14.045,70; Derivate: EUR 7.648,08) im Jahr 2020 verbleiben folglich nichtverwertbare Verluste iHv EUR 86.065,95 (statt wie ausgewiesen EUR 98.265,95). Dem tritt auch die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom nicht entgegen.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung und Abänderung)

Kapitalverlustverwertung

Gemäß § 18 Abs 6 EStG 1988, zuletzt geändert durch BGBl I 2016/117, sind als Sonderausgaben auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur, wenn die Verluste durch ordnungsgemäße Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs 3 EStG 1988 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ermittelt worden sind und soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden. Die Höhe des Verlusts ist nach den §§ 4 bis 14 EStG 1988 zu ermitteln.

Gemäß § 20 Abs 2 zweiter Teilstrich EStG 1988, in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl I 2015/118, dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie mit Einkünften, auf die ein besonderer Steuersatz gemäß § 27a Abs 1 EStG 1988 anwendbar ist, in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

§ 27 Abs 8 EStG 1988, in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl I 2015/118, lautet:

"(8) Der Verlustausgleich ist nur nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zulässig:

1. Verluste aus Einkünften nach Abs. 3 und 4 können nicht mit Zinserträgen aus Geldeinlagen und sonstigen Forderungen bei Kreditinstituten im Sinne des § 27a Abs. 1 Z 1 sowie mit Zuwendungen gemäß Abs. 5 Z 7 ausgeglichen werden.

2. Verlustanteile aus der Beteiligung an einem Unternehmen als stiller Gesellschafter sowie aus der Beteiligung nach Art eines stillen Gesellschafters dürfen nicht mit anderen Einkünften ausgeglichen werden. Sie sind in Folgejahren mit Gewinnanteilen aus derselben Beteiligung zu verrechnen.

3. Einkünfte aus Kapitalvermögen, auf die ein besonderer Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 anwendbar ist, können nicht mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden, für die diese besonderen Steuersätze gemäß § 27a Abs. 2 nicht gelten.

4. Nicht ausgeglichene Verluste aus Kapitalvermögen dürfen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden.

Die vorstehenden Regelungen über den Verlustausgleich gelten auch im Falle der Regelbesteuerung gemäß § 27a Abs. 5."

§ 27a Abs 4 Z 2 EStG 1988, in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl I 2015/118, lautet:

"2. Bei Wirtschaftsgütern und Derivaten, auf deren Erträge ein besonderer Steuersatz gemäß Abs. 1 anwendbar ist, sind die Anschaffungskosten ohne Anschaffungsnebenkosten anzusetzen. Dies gilt nicht für in einem Betriebsvermögen gehaltene Wirtschaftsgüter und Derivate."

Die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin moniert im Wesentlichen, dass der unterschiedlichen Behandlung von Kapitalvermögen im betrieblichen und außerbetrieblichen Bereich und dabei insbesondere der Einschränkungen der Verlustverwertung jegliche sachliche Rechtfertigung entbehre.

Nach § 2 Abs 2 EStG 1988 ist das Einkommen "der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie der Freibeträge nach den §§ 105 und 106a. " Damit wird - und insoweit ist der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin zuzustimmen - für die Einkommensermittlung grundsätzlich von einem horizontalen und vertikalen Verlustausgleich ausgegangen. Davon gibt es allerdings gerade im außerbetrieblichen Bereich und insbesondere im Rahmen der Schedulenbesteuerung eine Reihe von Ausnahmen. So sieht der hier streitgegenständliche § 27 Abs 8 EStG 1988 einen eingeschränkten horizontalen und vertikalen Verlustausgleich im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen vor; einerseits liegen innerhalb dieser Einkünfte Beschränkungen vor, anderseits sind Verluste aus Kapitalvermögen im Privatbereich nicht mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten ausgleichsfähig (siehe Lachmayer, Verlustausgleich bei Einkünften aus Kapitalvermögen in Kirchmayr/Mayr/Schlager, Besteuerung von Kapitalvermögen (2011), 347 ff).

Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (siehe etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungswegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (siehe etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

Das sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitende Leistungsfähigkeitsprinzip und das daraus entspringende Nettoprinzip stellen - wie auch von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin ins Treffen geführt - das vom Gesetzgeber geschaffene Ordnungssystem des Ertragssteuerrechts dar. Danach soll im Einkommensteuerrecht der periodisch erzielte Zuwachs an persönlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, ausgedrückt im Wesentlichen durch das am Markt erzielte (Rein)Einkommen, erfasst werden. Daher sind die zur Erzielung des Einkommens getätigten Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Dieses - der einfachgesetzlichen Ausgestaltung im Ertragsteuerrecht zugrundeliegende - Prinzip gilt allerdings nicht absolut. Der Gesetzgeber darf dieses durchbrechen; ein solches Abgehen vom objektiven Nettoprinzip hält aber nur dann vor dem Gleichheitssatz stand, wenn es sachlich gerechtfertigt ist (vgl VfSlg 8457/1978, 19.933/2014).

Eine sachliche Rechtfertigung für ein Abgehen vom objektiven Nettoprinzip liegt ua dann vor, wenn der Gesetzgeber mit dem Abzugsverbot andere als fiskalische Zwecke verfolgt, indem er Anreize für eine Verhaltenslenkung der Steuerpflichtigen setzt (zum Einsatz steuerlicher Vorschriften als Instrument der Verhaltenslenkung vgl Ruppe, Verfassungsrechtliche Schranken der Gesetzgebung im Steuerrecht, in: Österreichische Juristenkommission [Hrsg.], Rechtsstaat - Liberalisierung und Strukturreform, 1998, 119 [126]).

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 2010/111 hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, Einkünfte aus Kapitalvermögen in eine sogenannte Schedulenbesteuerung einzubeziehen (wie in der Folge auch die Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl I 2012/22). Derartige Einkünfte werden nicht nach dem System einer synthetischen Einkommensteuer, dem das Einkommensteuergesetz 1988 im Grundsatz folgt (vgl wie einleitend beschrieben § 2 Abs 2 EStG 1988 sowie § 33 EStG 1988), in den Gesamtbetrag der Einkünfte einbezogen und dem allgemeinen progressiven Steuertarif unterworfen; vielmehr werden diese nach besonderen Vorschriften ermittelt und unterliegen einem besonderen, linearen Steuersatz.

Bereits mit Erkenntnis VfSlg 19.412/2011 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten ist, wenn er eine Ausweitung der Steuerpflicht im Bereich der Kapitaleinkünfte durch Einbeziehung realisierter Wertsteigerungen, verbunden mit einem niedrigeren proportionalen Steuersatz, und damit eine Abkehr von der synthetischen Einkommensteuer vornimmt und die Favorisierung einer sogenannten dualen Einkommensteuer erkennen lässt.

Der Verfassungsgerichtshof hat ferner auch bereits ausgesprochen, dass es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, wenn Verluste aus dem besonderen Steuersatz unterliegenden Einkünften nicht im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte gemäß § 2 Abs 2 EStG 1988 ausgleichsfähig sind (vgl schon die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes zur Grundstücksbesteuerung im Erkenntnis VfSlg 20.219/2017 und den diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschluss ): Das Rechtsinstitut des Verlustausgleichs gemäß § 2 Abs 2 EStG 1988 ist Kennzeichen einer synthetischen Ermittlung des Einkommens (Doralt/Ruppe, Steuerrecht I12, 2019, Rz 24) und erfordert somit nicht die Einbeziehung von Einkünften, die weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen sind. Der Gleichheitssatz verbietet daher dem Gesetzgeber nicht, Einschränkungen des Verlustausgleichs auch für den Fall der Ausübung eines Regelbesteuerungsantrages vorzusehen, weil mit einem Antrag auf Regelbesteuerung dem Steuerpflichtigen lediglich die Möglichkeit eröffnet wird, die Besteuerung von Einkünften an die progressive Tarifsteuer anzupassen, wenn diese niedriger sein sollte als der von diesen Einkünften erhobene besondere Steuersatz (vgl § 27a Abs 5 EStG 1988 iVm § 1 Abs5 Endbesteuerungsgesetz).

In der auch von der steuerlichen Vertretung ins Treffen geführten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 20.442/2021 hat dieser ausdrücklich festgehalten, dass der in § 27 Abs 8 Z 4 EStG 1988 vorgesehene Ausschluss des vertikalen Verlustausgleichs für dem besonderen Steuersatz unterliegende Einkünfte den Gleichheitssatz nicht verletzt.

Der Verfassungsgerichtshof war schon mehrfach mit den verschieden Verlustausgleichs- und -vortragsbeschränkungen im betrieblichen und außerbetrieblichen Bereich befasst. Im Bereich der außerbetrieblichen Einkünfte - wie im beschwerdegegenständlichen Verfahren - waren die Verlustverwertungsbeschränkungen bei sonstigen Einkünften sowie bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, worauf auch im ergänzenden Beschwerdevorbringen vom hingewiesen wird - Gegenstand verfassungsgerichtlicher Entscheidungen.

Im Erkenntnis VfSlg 13.296/1992 sah der Verfassungsgerichtshof die Versagung des Verlustabzugs bei Vermietungs- und Verpachtungseinkünften als verfassungskonform an, weil der Gesetzgeber durch Aufwandsverteilungsregelungen insgesamt ein der Einkunftsart angepasstes System der Berücksichtigung von Werbungskosten geschaffen hatte. Dies bestätigte der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 17.091/2003 und verwies einmal mehr auf die zentrale Bedeutung der Verteilungsbestimmungen des § 28 Abs 2 und 3 EStG 1988. Diese Vorschriften würden weitgehend sicherstellen, dass hohe Werbungskosten, die möglicherweise zu Verlusten führen würden, steuerlich geltend gemacht werden könnten. Im in der Beschwerde hingewiesenen Erkenntnis 19.185/2010 stellte der Verfassungsgerichtshof schließlich fest, dass der Ausschluss des Verlustvortrages bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verfassungswidrig sei. Dies allerdings deshalb, weil bei außerordentlichen Wertminderungen eines Mietobjektes, die im Rahmen der Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung steuerlich wirksam und als Werbungskosten abzuziehen waren, keine Verteilungsregelung vorgesehen war. Der Verfassungsgerichthof hielt damals ausdrücklich fest, dass der verfassungswidrige Zustand sowohl durch die Öffnung des Verlustvortrages für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als auch durch die Einführung einer neuen Verteilungsregelung in § 28 EStG 1988 beseitigt werden könne (Lachmayer, Verluste sind nicht gleich Verluste ÖStZ 2017/726 mwN). Von zweiterer Möglichkeit hat der Gesetzgeber Gebrauch gemacht.

Aus dieser Judikatur kann aber keineswegs geschlossen werden, dass es eine verfassungsrechtlich vorgeschriebene Verpflichtung des Gesetzgebers gibt, bei allen Einkunftsarten eine dem Verlustvortrag vergleichbare Verlustberücksichtigung vorzusehen (zu Einkünften aus Kapitalvermögen ; VfGH-Beschwerde mit Erkenntnis VfSlg 20.442 abgewiesen).

Diese Sichtweise vertrat der Verfassungsgerichthof ebenfalls im Bereich der außerbetrieblichen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit indem er die Zulässigkeit des Ausschlusses der Verlustvortragsfähigkeit bejahte und die Behandlung einer entsprechenden Beschwerde abgelehnte (). Ein Steuerpflichtiger hatte von seinem Arbeitgeber eine Zahlung erhalten, die er im nächsten Jahr aufgrund eines Berechnungsfehlers zurückzahlen musste. Diese Rückzahlung führte gemäß § 16 EStG 1988 zu Werbungskosten im Jahr der Rückzahlung; allerdings reichten die Einkünfte des Folgejahres bei weitem nicht aus, um diese Werbungskosten abzudecken. Aufgrund des Ausschlusses außerbetrieblicher Einkünfte vom Verlustvortrag in § 18 Abs 6 EStG 1988 konnte der Steuerpflichtige diese Kosten auch nicht in den folgenden Jahren geltend machen. Der Verfassungsgerichtshof sah sich nicht veranlasst, ein Gesetzesprüfungsverfahren zu § 18 EStG 1988 einzuleiten, sondern lehnte die Behandlung der Beschwerde ab. Er hielt fest, dass es im rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers liege, die unterschiedlichen Einkünfte verschieden zu behandeln und der Gesetzgeber nicht dazu verhalten sei, eine dem Verlustvortrag vergleichbare Verlustberücksichtigung bei allen Einkunftsarten vorzusehen. Er verwies darauf, dass er bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die regelmäßig mit hohen Aufwendungen verbunden seien, zwar ein angepasstes System der Verlustberücksichtigung gefordert hatte, dies aber auf diesen Fall nicht übertragbar sei.

Generell beurteilte der Verfassungsgerichthof es als unbedenklich, dass der Verlustvortrag auf die betrieblichen Einkunftsarten beschränkt bleibt und bei diesen ursprünglich nur bilanzierenden Steuerpflichtigen vorbehalten war (VfSlg 11.497/1987). Verfassungsrechtlich problematisch sei es dem Verfassungsgerichthof zufolge dann, wenn hohe laufende Aufwendungen nicht berücksichtigt werden können und daher bei einer periodenübergreifenden Totalbetrachtung der maßgeblichen Einkunftsquelle ein Einkommen zu versteuern ist, das gar nicht erzielt wurde.

Der Verfassungsgerichtshof sah daher den Verlustvortrag im außerbetrieblichen Bereich nicht als Notwendigkeit, wenn bei der betreffenden Einkunftsart in der Regel nicht mit derart hohen Aufwendungen zu rechnen ist, dass eine Verwertung im Rahmen eines horizontalen oder vertikalen Verlustausgleichs unmöglich ist. Dass es dabei durchaus - wie auch im Beschwerdefall - zu Härten kommen kann, zeigt der Anlassfall der abgelehnten Beschwerde zu den nichtselbstständigen Einkünften. Dies scheint für den Verfassungsgerichtshof jedoch ähnlich unproblematisch zu sein, wie der Umstand, dass ein horizontaler oder vertikaler Verlustausgleich nur dann möglich ist, wenn weitere Einkünfte vorliegen, mit denen die Verluste verrechnet werden können.

Mit dem Verweis auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu den Vermietungs- und Verpachtungseinkünften (VfSlg 19.185/2010) kann daher für die Beschwerdeführerin insoweit nichts gewonnen werden. Dies insbesondere als der Verfassungsgerichthof zuletzt in seinem Erkenntnis VfSlg 20.442/2021 aussprach, dass der Ausschluss des vertikalen Verlustausgleichs sowie des Verlustabzugs gemäß § 18 Abs 6 EStG 1988 für dem besonderen Steuersatz unterliegende Einkünfte gemäß § 27a Abs 1 EStG 1988 keine Verletzung im Gleichheitsrecht darstelle und dabei auch auf das Erkenntnis VfSlg 19.185/2010 Bezug nahm.

Wörtlich führt der Verfassungsgerichthof im Erkenntnis VfSlg 20.442/2021 wie folgt aus:

"[Mit Bezugnahme auf die oben dargestellte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Verlustberücksichtigung bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung] 3.6.3. Vor diesem Hintergrund vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass die Regelung des § 27 Abs 8 EStG 1988 für Einkünfte aus Kapitalvermögen kein hinreichend angepasstes System der Verlustberücksichtigung enthielte:
3.6.4. Dem Gesetzgeber kann zunächst nicht entgegengetreten werden, wenn er für nicht ausgeglichene Verluste aus Einkünften aus Kapitalvermögen im Rahmen des § 18 Abs 6 EStG 1988 keinen Abzug als Sonderausgabe vorsieht, zumal ein solcher Abzug im Rahmen der Ermittlung des Einkommens (vgl § 2 Abs 2 EStG 1988) das in § 27 Abs 8 Z 4 EStG 1988 vorgesehene Verbot des vertikalen Verlustausgleichs (vgl oben Pkt. 3.4.) gleichsam unterlaufen würde.
3.6.5. Es ist aber auch nicht zu erkennen, dass der Gleichheitssatz gebieten würde, für nicht ausgeglichene Verluste iSd § 27 Abs 8 Z 4 EStG 1988 in einem späteren Jahr einen Abzug von positiven Einkünften aus Kapitalvermögen und damit einen Verlustvortrag innerhalb der Schedule vorzusehen. Vor dem Hintergrund seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er den Ausgleich von Verlusten aus Einkünften, die dem besonderen Steuersatz unterliegen (wie zB jene aus der Veräußerung von Kapitalvermögen), auf positive Einkünfte aus Kapitalvermögen einschränkt, die dem besonderen Steuersatz unterliegen (wozu nicht nur realisierte Wertsteigerungen, sondern abgesehen von Geldeinlagen und Forderungen bei Kreditinstituten auch laufende Einkünfte aus der Überlassung von Kapital wie zB Dividenden und Zinserträge aus öffentlich begebenen Forderungswertpapieren zählen) und diese Verrechnung auf das Kalenderjahr der Verlusterzielung beschränkt.
3.6.6. Gesamthaft betrachtet sehen somit aber die Regelungen des § 27 Abs 8 EStG 1988 für Einkünfte, die dem besonderen Steuersatz unterliegen, in einer Durchschnittsbetrachtung ein hinreichend angepasstes System der Verlustberücksichtigung vor."

Zudem nimmt der Verfassungsgerichthof in seiner Entscheidung VfSlg 20.442/2021 zur unterschiedlichen Berücksichtigung eines Verlustüberhangs aus Kapitalvermögen im betrieblichen Bereich Bezug und verweist auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Auch wenn die Besteuerung im Betriebsvermögen - wie auch verfahrensgegenständlich moniert - weitgehend jener privater Kapitalanlagen entspricht (vgl §27a Abs 6 EStG 1988), gebietet nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes der Gleichheitssatz jedoch nicht, die für betriebliche Kapitalanlagen bestehenden Regelungen der Verlustverrechnung des § 6 Z 2 lit c EStG 1988 auch für Kapitalanlagen im Privatvermögen vorzusehen, zumal in der Besteuerung von realisierten Wertsteigerungen und Derivaten auch Unterschiede zwischen betrieblichen Einkünften und Einkünften aus Kapitalvermögen bestehen (VfSlg 20.442/2021 mit Verweis auf § 1 Abs 3 Endbesteuerungsgesetz).

Des Weiteren entschied der Verfassungsgerichthof, dass gegen das Abzugsverbot von auch im Beschwerdefall relevanten Anschaffungsnebenkosten für Wirtschaftsgüter und Derivate, die dem besonderen Steuersatz unterliegen und im Privatvermögen gehalten werden, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (VfSlg 20.167/2017).

Gemäß Art 135 Abs 4 B-VG iVm Art 89 B-VG steht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze den Verwaltungsgerichten nicht zu. Hat ein solches Gericht gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Dieser erkennt gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit a B-VG sodann über deren Verfassungswidrigkeit. Voraussetzung dafür ist, dass das erkennende Gericht die in Prüfung zu ziehende(n) Norm(en) anwenden muss (Präjudizialität).

Vor dem Hintergrund der dargestellten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vermag der Umstand, dass im gegenständlichen Beschwerdefall hohe Beträge vom gesetzlichen Verlustverwertungsverbot getroffen werden, nicht die Verfassungskonformität der streitgegenständlichen Bestimmungen und damit den normierten Ausschluss vom Verlustvortrag der negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen in Zweifel zu ziehen.

Die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens durch das Bundesfinanzgericht ist sohin aufgrund der für den Beschwerdefall maßgebenden dargestellten Judikatur des Verfassungsgerichthofes nicht geboten.

Die Beschwerde war daher im Hinblick auf die Einschränkung der Verlustverwertung nach § 27 Abs 8 Z 4 EStG 1988 mit anderen Einkünften auch im Fall der Ausübung der Regelbesteuerungsoption abzuweisen.

Ebenfalls abzuweisen vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlautes des § 18 Abs 6 EStG 1988 sowie der dazu ergangenen angeführten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes war der in eventu gestellte Antrag, den Verlust aus Kapitalvermögen, insofern er nicht ausgeglichen wird, als bescheidmäßig festzustellen, damit er in die Folgejahre vorgetragen werden könne.

Die diesbezügliche Judikaturlinie des Verfassungsgerichtshofes wird auch von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin in den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Schriftsätzen dem Grunde nach nicht in Abrede gestellt. Vielmehr wurde im ergänzenden Beschwerdeschriftsatz vom in eventu beantragt, "das Bundesfinanzgericht möge zu den oben genannten einfachgesetzlichen Bestimmungen [§27 Abs 8 Z 4, § 27 Abs 8 letzter Satz iVm § 27a Abs 5 und § 18 Abs 6 EStG 1988] ein Gesetzesprüfungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof einleiten und den entsprechenden Prüfantrag zur Klärung der dargelegten Rechtsfragen zu den angezeigten Grundrechtsverletzungen durch die Anwendung der angeführten österreichischen Rechtsvorschriften seitens der österreichischen Finanzverwaltung dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Entscheidung vorlegen."

Art 267 AEUV lautet:

"Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung
a) über die Auslegung der Verträge,
b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union,
Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen.
Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet.
Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren, das eine inhaftierte Person betrifft, bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, so entscheidet der Gerichtshof innerhalb kürzester Zeit."

Zunächst ist die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, dass ein Antragsrecht auf Vorlage bestimmter Fragen an den Gerichthof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nicht besteht. Mangels subjektiv-öffentlichen Antragsrechts versteht das Gericht die Ausführungen als Anregung zur Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens.

Nach Art 140 B-VG obliegt die Überprüfung der Verfassungskonformität von Gesetzen in Österreich ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof. Dass der österreichische Gesetzgeber den Wert der Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Überprüfung der Verfassungskonformität von Gesetzes insbesondere im Hinblick auf den Wert der Gerechtigkeitsüberprüfung (Sachlichkeitsgrundsatz) eingeschränkt hätte (vgl Repubblika, C-896/19, Rn 62 sowie Venezuela/ Rat, C-872/19 P. Rn 48), wird weder von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin behauptet, noch finden sich Anhaltspunkte durch die Gesetzgebung.

Die Grundrechte-Charta (Teil des Vertrags von Lissabon) ist auf Grund ausdrücklicher Anordnung des Art 6 Abs 1 EUV mit den Verträgen rechtlich gleichrangig und daher Teil des Primärrechts der Europäischen Union. Gemäß Art 51 GRC besteht dabei eine unmittelbare Anwendbarkeit für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union.

Angesichts der Intention weitgehender inhaltlicher Identität und formulierungsmäßiger Anlehnung der Grundrechte-Charta an die EMRK, deren Rechte in Österreich verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte sind, ergeben sich Schutzbereiche mit weitestgehenden Überschneidungen. Es würde dem Konzept der österreichischen Bundesverfassung einer zentralisierten Verfassungsgerichtsbarkeit widersprechen, wenn der Verfassungsgerichtshof über vielfach inhaltsgleiche Rechte der Grundrechte-Charta nicht absprechen könnte (VfSlg 19.632/2012).

Der Verfassungsgerichtshof kommt daher zum Ergebnis, dass auf Grund der innerstaatlichen Rechtslage der Äquivalenzgrundsatz zur Folge hat, dass auch die von der Grundrechte-Charta garantierten Rechte vor dem Verfassungsgerichtshof als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte gemäß Art 144 bzw Art 144a B-VG geltend gemacht werden können und sie im Anwendungsbereich der Grundrechte-Charta einen Prüfungsmaßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle, insbesondere nach Art 139 und Art 140 B-VG bilden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die betreffende Garantie der Grundrechte-Charta in ihrer Formulierung und Bestimmtheit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der österreichischen Bundesverfassung gleicht (VfSlg 19.632/2012). Was jedenfalls auch für den unionsrechtlich beachtlichen Gleichheitssatz nach Art 20 GRC gilt (VfSlg 20.289/2018).

Für das Bundesfinanzgericht ist in der Gesamtschau nicht erkennbar, dass die dargestellte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht im Einklang mit jenen auch für den Verfassungsgerichtshof beachtlichen Normen der GRC (insbesondere zum mit dem Gleichheitssatz nach Art 7 B-VG vergleichbaren Art 20 GRC) stehen würde. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die aufgezeigte Judikatur nach der Kodifizierung der GRC im Jahr 2009 mit dem Vertrag von Lissabon ergangen ist. Der bloße Umstand, dass eine Verlustverwertung im Bereich des Kapitalvermögens in Deutschland zulässig ist, zwingt den österreichischen Gesetzgeber nicht dazu, einen solchen gleichermaßen zuzulassen.

Darüber hinaus ist im Beschwerdefall die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen, weswegen das Bundesfinanzgericht kein letztinstanzliches Gericht iSd Art 267 Abs 3 AEUV darstellt. Seine Entscheidungen können noch mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden, sodass das Bundesfinanzgericht schon aus diesem Grund nicht vorlagepflichtig ist (siehe dazu die zahlreiche bespielhaft aufgezählte Rechtsprechung des ; ; ; , mwN; und ).

Außergewöhnliche Belastung

Die Beschwerde enthält als Eventualbegehren die Berücksichtigung des nicht ausgeglichenen Verlustes aus Kapitalvermögen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988.

§ 34 Abs. 1 EStG 1988 lautet auszugsweise wie folgt:

"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

[…]"

Gemäß § 34 Abs 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs 4 EStG 1988 die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich, soweit sie einen näher geregelten Selbstbehalt übersteigt.

§ 34 EStG 1988 ist eine Einkommensermittlungsvorschrift. Die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen entspricht dem Leistungsfähigkeitsprinzip als einem wesentlichen Element der Einkommensteuer. Der Besteuerung soll nur das Einkommen unterworfen werden, über das der Steuerpflichtige tatsächlich frei verfügen kann. Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips ist es, jene Einkommensteile steuerfrei zu belassen, die auf Grund der persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen keine steuerliche Leistungsfähigkeit indizieren. Denn erst soweit das Einkommen den notwendigen Lebensbedarf übersteigt, kann der Steuerpflichtige darüber tatsächlich verfügen (vgl ).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt § 34 EStG 1988 eine außergewöhnliche Belastung des laufenden Einkommens voraus, auf Grund derer das Einkommen des Kalenderjahres bei dessen progressiver Besteuerung gemindert werden soll. Aufwendungen, die nicht die Einkommens-, sondern nur die Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen belasten, können im Rahmen des § 34 EStG 1988 grundsätzlich keine Berücksichtigung finden (vgl , mwN). Der Verlust von Vermögen ist nur ausnahmsweise eine außergewöhnliche Belastung (vgl ; siehe zum insofern vergleichbaren § 34 EStG 1972 , betreffend den späteren Verlust einer Darlehensforderung, die auf grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Aufwendungen beruhte; vgl näher Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 34 Tz 28). Im Fall eines Vermögensverlustes kann daher grundsätzlich nicht schon der Verlust selbst, sondern allenfalls eine Ersatzbeschaffung eine außergewöhnliche Belastung darstellen (). Ausnahmsweise erblickt der Verwaltungsgerichthof im Ausfall einer zwangsläufig begründeten (Darlehens-)Forderung, die aus dem Einkommen der Vorjahre zwangsläufig hingegeben wurde, eine Aufwendung, die das Einkommen des Jahres des Ausfalls belaste (vgl ; ; sowie weiterführend Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 34 Tz 28).

Nach dem in freier Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalt begab die Beschwerdeführerin am als Kaufverpflichtete eine Put-Option zum Erwerb von 1.000 Stück Aktien der ***X AG*** zum Kaufpreis von EUR 120,00 pro Stück und erhielt dafür eine Prämie. Am übte ein Verkäufer diese Put-Option aus und die Beschwerdeführerin erwarb die Aktien entsprechend der Optionsverpflichtung. Der tatsächliche Verlust wurde erst durch den Aktienverkauf zu einem Stückpreis iHv EUR 16,00 am realisiert.

Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, sind im Allgemeinen persönliche Erwägungen maßgeblich, ob sich jemand an einer Gesellschaft beteiligt, Aktien zeichnet oder auf einem Sparbuch anlegt. Die Beschwerdeführerin behauptet auch nicht, dass Abschluss der gegenständlichen Put-Option auf außergewöhnlichen Umständen beruht hätte; nach dem festgestellten Sachverhalt ergeben sich dahingehend für das Bundesfinanzgericht auch keinerlei Anhaltspunkte.

Ob eine Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwächst, ist stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen. Aufwendungen, die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat, sind nicht zwangsläufig erwachsen (vgl zB ; ).

Der bei der Veräußerung von Kapitalvermögen (Aktien) des Privatvermögens erzielte Verlust als Folge einer freiwillig getätigten wirtschaftlichen Entscheidung der Beschwerdeführerin kommt damit schon mangels ursprünglicher Zwangsläufigkeit dem Grunde nicht zur Berücksichtigung eines Vermögensverlustes in Betracht. Dass sich für die Beschwerdeführerin die Verlustrealisierung zu diesem konkreten Zeitpunkt womöglich als wirtschaftlich sinnvoll erwiesen hat, weil das Unternehmen in weiterer Folge Insolvent wurde, ändert nichts an der Freiwilligkeit der gegenständlichen spekulativen Finanztransaktionen.

Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass die steuerliche Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen nicht zu dem Zweck geschaffen wurde, wirtschaftliche Misserfolge, die ja die verschiedensten Ursachen haben können, mit einer Ermäßigung der Einkommensteuer zu berücksichtigen und in einem solchen Fall die Steuerlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen (vgl etwa die zum EStG 1972 ergangene Entscheidung, die unverändert für das EStG 1988 maßgebend ist, ).

Das Eventualbegehren der Berücksichtigung des Verlustes als außergewöhnliche Belastung ist daher abzuweisen.

Hochrechnung

Mit Schriftsatz vom führt die belangte Behörde aus, "bei nochmaliger Durchsicht des Einkommensteueraktes 2020 der Beschwerdeführerin wurde bemerkt, dass im Einkommensteuerbescheid 2020 vom versehentlich ein Betrag von 46.682,70 Euro von der Umrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG ausgenommen wurde." Nach dem in freier Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalt hat die Beschwerdeführerin im Zeitraum 1. Jänner bis Arbeitslosengeld (Bezug gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit a EStG) bezogen. Dem tritt auch die steuerliche Vertretung in der Stellungnahme vom nicht entgegen.

Gemäß § 3 Abs 2 EStG 1988 sind für den Fall, dass der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs 1 Z 5 lit a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres erhält, die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen.

Da die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend dem Lohnzettel für den Zeitraum von 1. Februar bis bezogen wurden, das Arbeitslosengeld jedoch nur für sieben Tage im Jänner 2020, wurden die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für das restliche Kalenderjahr bezogen und sind somit in die Hochrechnung gemäß § 3 Abs 2 EStG einzubeziehen (Umrechnungsbasis EUR 34.774,42 x 365 / (365 - 7 ) - 34.774,42 = EUR 679,94).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Beschwerdesache stellt keine Rechtsfrage dar, der grundsätzliche Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu kommt. Der Ausschluss des Verlustabzuges gemäß § 18 Abs 6 EStG für Einkünfte aus Kapitalvermögen ergibt sich eindeutig aus dem Gesetz. Über die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Rechtsfragen bzw Fragen zur GRC besteht die oben dargestellte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes. Das gegenständliche Erkenntnis folgt dieser Judikatur vollinhaltlich.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
















Zitiert/besprochen in
Knesl/Knesl in BFGjournal 2024, 95
Rümmele in BFGjournal 2024, 127
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100381.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at