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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.12.2023, RV/5100641/2023

Schädlicher Studienwechsel iSd § 17 Abs. 3 StudFG

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100641/2023-RS1
Weder das FLAG noch das StudFG enthalten eine abschließende Definition des Studienwechsels. Bei der Auslegung des Begriffes des Studienwechsels im Sinne des § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 ist aus dem Gesamtzusammenhang des FLAG auch die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu berücksichtigen, wonach die Gewährung von Familienbeihilfe für volljährige Kinder nach den näheren Regelungen des § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 ersichtlich darauf abstellt, dass sich das Kind einer Berufsausbildung mit dem ernstlichen und zielstrebigen Bemühen um den Ausbildungserfolg unterzieht.
RV/5100641/2023-RS2
Ein Studienwechsel im Sinne des FLAG liegt daher vor, wenn der Studierende ein von ihm bisher betriebenes Studium nicht mehr ernsthaft und zielstrebig betreibt, sondern neben diesem Studium oder im Anschluss an dieses Studium ein anderes Studium beginnt, das er ernsthaft und zielstrebig betreibt.
RV/5100641/2023-RS3
Während gemäß § 14 StudFG dem Studierenden bei Mehrfachstudien für Zwecke der Studienbeihilfe die Wahl des Studiums, für das die Studienbeihilfe beantragt wird, frei steht, besteht eine solche freie Wahlmöglichkeit für Zwecke der Familienbeihilfe nicht. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 verweist lediglich auf § 17 StudFG, nicht jedoch auf § 14 StudFG. Die letztgenannte Bestimmung ist daher im Beihilfenverfahren nicht anwendbar (vgl. auch dazu ). Es kommt damit im Beihilfenbereich nicht darauf an, welches Studium der Studierende als Hauptstudium benennt, sondern welches von mehreren Studien er tatsächlich ernsthaft und zielstrebig betreibt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den Zeitraum Oktober 2022 bis Mai 2023 für ***1*** und der Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2022 bis Mai 2023 für ***2*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom wurde bei der Beschwerdeführerin die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Oktober 2022 bis Mai 2023 für ***1*** und die Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2022 bis Mai 2023 für ***2*** i.H.v. insgesamt € 1.970,60 rückgefordert. Begründend führte das Finanzamt zu ***1*** aus, bei einem Studienwechsel nach dem 3. gemeldeten Semester stehe Familienbeihilfe dann zu, wenn die absolvierten Semester aus dem Vorstudium zur Gänze angerechnet worden seien. ***1*** habe das Studium nach dem 4. inskribierten Semester gewechselt; aufgrund der Anrechnung von Prüfungen vom Vorstudium auf das Folgestudium verringere sich die Stehzeit um 1 Semester, Stehzeit sei somit für das Wintersemester 2022/23, das Sommersemester 2023 und das Wintersemester 2023/24 gegeben. Die Rückforderung zu ***2*** begründete das Finanzamt damit, dass die Beschwerdeführerin für mehr als ein Kind Familienbeihilfe bezogen habe und im Rückforderungsbetrag die anteilige Geschwisterstaffel enthalten sei, für die sie im Rückforderungszeitraum zu Unrecht Familienbeihilfe erhalten habe.

2. In der Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid brachte die Beschwerdeführerin vor, sie übermittle nunmehr die nötigen Unterlagen, welche ausreichend für die Gewährung der Familienbeihilfe wären.

Der Beschwerde beigelegt wurden der Antrag auf Anerkennung von Prüfungen des Sohnes ***1*** an die TU Wien vom , die Anerkennung von Prüfungen des Sohnes ***1*** vom , der Antrag auf Anerkennung von Prüfungen des Sohnes ***1*** an die TU Wien vom und die Anerkennung von Prüfungen des Sohnes ***1*** vom .

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, da der Sohn der Beschwerdeführerin ***1*** im Wintersemester 2020/21 das Bachelorstudium Umweltingenieurwesen an der Technischen Universität Wien begonnen habe und nach dem Sommersemester 2022, somit nach dem vierten Semester, zum Bachelorstudium Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau an der Technischen Universität Wien wechselte. Aufgrund dieses Wechsels nach dem vierten inskribierten Semester sei nach den gesetzlichen Bestimmungen von einem familienbeihilfenschädlichen Studienwechsel auszugehen, was dazu führe, dass der Familienbeihilfenanspruch erst wieder auflebe, wenn der Sohn der Beschwerdeführerin im neuen Studium so viele Semester zurückgelegt habe wie er in dem zu spät gewechselten Studium verbracht habe, also grundsätzlich erst nach vier Semestern im neuen Studium. Zu berücksichtigen sei aber die Anerkennung von Vorstudienzeiten. Werden solche teilweise angerechnet, werde die Wartezeit entsprechend verkürzt. Dafür sei die Anzahl der anerkannten ECTS-Punkte der Prüfungen aus den Vorstudien maßgeblich. Bei der Anerkennung der Vorstudienleistungen i.H.v. 1-30 ECTS-Punkte sei ein Semester, bei der Anerkennung von 31-60 ECTS-Punkten seien zwei Semester zu berücksichtigen. Dem Sohn der Beschwerdeführerin seien Lehrveranstaltungen i.H.v. 20 ECTS-Punkten angerechnet worden, weshalb sich die Wartezeit von vier auf drei Semester verkürze. Somit habe für die Monate Oktober 2022 bis Mai 2023 für den Sohn ***1*** kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden.

4. Am warf die Beschwerdeführerin den Bescheid über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung vom und die erste Seite der Beschwerdevorentscheidung vom beim Finanzamt ein. Auf beiden Schriftstücken befinden sich handschriftliche Vermerke der Beschwerdeführerin, auf der Beschwerdevorentscheidung steht "Einspruch - Vorlage 60 ECTS!". Dieses Schreiben wird als Vorlageantrag gewertet.

Beigelegt wurden Bestätigungen des Studienerfolges ihres Sohnes ***1*** für das Bachelorstudium Umweltingenieurwesen und das Bachelorstudium Wirtschaftsingenieurwesen - Maschinenbau.

In einem weiteren Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin unter anderem die Stundung der rückgeforderten Familienbeihilfe aufgrund der "Sachverhaltsänderung von 21 auf 60 ECTS". Weiters führte sie aus, ihr müsste eigentlich Familienbeihilfe bis zum 24. Lebensjahr von ***1*** zustehen, da er im ersten Studienjahr 16 ECTS vorweisen konnte.

5. Im Vorlagebericht vom beantragte das Finanzamt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Der Sohn der Beschwerdeführerin ***1*** ist im September 2000 geboren.

2. Die Beschwerdeführerin hat für ihren Sohn ***1*** für den Zeitraum Oktober 2022 bis Mai 2023 Familienbeihilfe i.H.v. insgesamt € 1.427,60 und Kinderabsetzbetrag i.H.v. insgesamt € 484,20 sowie für ihren Sohn ***2*** auch die Geschwisterstaffel i.H.v. insgesamt € 58,80 ausbezahlt bekommen (siehe Ausdruck der durchgeführten Leistungen aus der Datenbank FABIAN für den Zeitraum Oktober 2022 bis Mai 2023).

3. Der Sohn der Beschwerdeführerin ***1*** hat im Wintersemester 2020/21 mit dem Bachelorstudium Umweltingenieurwesen an der WU Wien begonnen und bis zum Wintersemester 2021/22 Prüfungen im Ausmaß von insgesamt 34,5 ECTS absolviert; die letzte Prüfung für dieses Studium legte er am ab (siehe Bestätigung des Studienerfolges vom und Bestätigung des Studienerfolges vom ). Ab dem Wintersemester 2022/23 war er nicht mehr im Bachelorstudium Umweltingenieurwesen inskribiert (siehe übermittelte Daten Studium aus der Datenbank FABIAN für ***1***).

Ab dem Wintersemester 2022/23 studierte er im Bachelorstudium Wirtschaftsingenieurwesen - Maschinenbau an der WU Wien und legte bis zum Sommersemester 2023 Prüfungen im Ausmaß von 25,5 ECTS ab (siehe Bestätigung des Studienerfolges vom ).

4. Dem Sohn der Beschwerdeführerin ***1*** wurden am Prüfungen im Ausmaß von 6,5 ECTS anerkannt; es sind dies Physik 1 (2,5 ECTS), Ecology (2 ECTS) und Bodenkunde (2 ECTS) und wurden sie als Freifächer anerkannt (siehe Schreiben "Anerkennung von Prüfungen" vom ).

Dem Sohn der Beschwerdeführerin ***1*** wurden am Prüfungen im Ausmaß von 13,5 ECTS anerkannt; dabei handelt es sich um Biologie (3 ECTS), Wassergütewirtschaft (4 ECTS), Geoinformation (2,5 ECTS), Physik 1 Aufbaukurs (2 ECTS) und Photogrametrie (2 ECTS), welche allesamt als Freifächer anerkannt wurden (siehe Schreiben "Anerkennung von Prüfungen" vom ).

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten Unterlagen; die Feststellungen sind nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) bestimmt (auszugsweise):

Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. … Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

2. Das FLAG enthält keine Definition eines Studienwechsels und verweist in § 2 Abs 1 lit. b nur für den Fall, dass ein Studienwechsel vorliegt, auf § 17 StudFG.

§ 17 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG) bestimmt zum Studienwechsel:

(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende
1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder
2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder
3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.
(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:
1. Studienwechsel, bei welchen die gesamte Studienzeit des vor dem Studienwechsel betriebenen Studiums für die Anspruchsdauer des nach dem Studienwechsel betriebenen Studiums berücksichtigt wird, weil auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen Gleichwertigkeit nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gegeben ist,
2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,
3. Studienwechsel, die unmittelbar nach Absolvierung der Reifeprüfung einer höheren Schule erfolgen, wenn für das während des Besuchs der höheren Schule betriebene Studium keine Studienbeihilfe bezogen wurde,
4. die Aufnahme eines Masterstudiums gemäß § 15 Abs. 3,
5. die Aufnahme eines Doktoratsstudiums gemäß § 15 Abs. 4.
(3) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden danach so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben. Anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechselten Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.

Auch das StudFG enthält somit keine abschließende Definition des Studienwechsels.

Bei der Auslegung des Begriffes des Studienwechsels im Sinne des § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 ist aus dem Gesamtzusammenhang des FLAG auch die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu berücksichtigen, wonach die Gewährung von Familienbeihilfe für volljährige Kinder nach den näheren Regelungen des § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 ersichtlich darauf abstellt, dass sich das Kind einer Berufsausbildung mit dem ernstlichen und zielstrebigen Bemühen um den Ausbildungserfolg unterzieht ().

Ein Studienwechsel im Sinne des FLAG liegt daher vor, wenn der Studierende ein von ihm bisher betriebenes Studium nicht mehr ernsthaft und zielstrebig betreibt, sondern neben diesem Studium oder im Anschluss an dieses Studium ein anderes Studium beginnt, das er ernsthaft und zielstrebig betreibt.

Während gemäß § 14 StudFG dem Studierenden bei Mehrfachstudien für Zwecke der Studienbeihilfe die Wahl des Studiums, für das die Studienbeihilfe beantragt wird, frei steht, besteht eine solche freie Wahlmöglichkeit für Zwecke der Familienbeihilfe nicht. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 verweist lediglich auf § 17 StudFG, nicht jedoch auf § 14 StudFG. Die letztgenannte Bestimmung ist daher im Beihilfenverfahren nicht anwendbar (vgl. auch dazu ). Es kommt damit im Beihilfenbereich nicht darauf an, welches Studium der Studierende als Hauptstudium benennt, sondern welches von mehreren Studien er tatsächlich ernsthaft und zielstrebig betreibt.

Für die Frage, wann ein Studienwechsel im Sinne des FLAG vorliegt, kommt es auch nicht darauf an, wie lange ein Student für ein Studium gemeldet ist, sondern wie lange er dieses Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt. Andernfalls hätte er es allein durch weitere Meldung für ein Studium - ohne dieses ernsthaft und zielstrebig zu betreiben - in der Hand, vordergründig einen beihilfenschädlichen Studienwechsel zu vermeiden, obwohl ein Studienwechsel tatsächlich bereits erfolgt ist ().

3. Gemäß § 8 Abs. 3 lit a FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind ab den , wenn sie für zwei Kinder gewährt wird, um € 7,10 und ab um € 7,50.

4. Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

5. Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

6. Es ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt ein Studienwechsel im Sinne des § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 vorliegt, bevor auf einen solchen Studienwechsel die Bestimmungen des § 17 StudFG angewendet werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat immer wieder darauf hingewiesen, dass das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, essenzieller Bestandteil jeder Berufsausbildung ist (z.B. ). Das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg manifestiere sich insbesondere im Antreten zu Prüfungen ().

Der Sohn der Beschwerdeführerin ***1*** hat nach Februar 2022 im Bachelorstudium Umweltingenieurwesen keine Prüfungen mehr abgelegt. Somit kann aber von einem ernstlich und zielstrebig betriebenen Studium keine Rede mehr sein.

Vielmehr hat er mit Wintersemester 2022/23 das Bachelorstudium Wirtschaftsingenieurwesen - Maschinenbau aufgenommen und dort Prüfungen abgelegt. Damit lag jedenfalls mit Beginn des Wintersemesters 2022/23 ein Studienwechsel im Sinne des FLAG vor, auf den die Bestimmungen des § 17 StudFG anzuwenden sind.

Da dieser Studienwechsel nach dem vierten im Bachelorstudium Umweltingenieurwesen inskribierten Semester erfolgte, lag ein beihilfenschädlicher Studienwechsel im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG vor.

7. Nach der eindeutigen und klaren Regelung des § 17 Abs. 3 StudFG ruht die Auszahlung der Familienbeihilfe nach dem Studienwechsel grundsätzlich im Ausmaß der bislang absolvierten gesamten Studiendauer in dem zuvor iSd § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG verspätet gewechselten Studium.

Zugleich ist nach § 17 Abs. 3 StudFG die Wartezeit im Falle der teilweisen Berücksichtigung von Vorstudienzeiten um die Anzahl der angerechneten Vorstudiensemester zu verkürzen. Für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang Vorstudienzeiten aufgrund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen für die Anspruchsdauer des neuen Studiums zu berücksichtigen sind, ist - sofern der Studienerfolg in ECTS-Punkten bemessen wird - die Anzahl der anerkannten ECTS-Punkte aus den Vorstudien maßgeblich. Nach § 54 Abs. 2 Universitätsgesetz 2002 idgF. lässt sich das Arbeitspensum eines Studienjahres mit 60 ECTS-Punkten bemessen; dies gilt in gleicher Weise für alle Bildungseinrichtungen und für alle Studien. Bei Anerkennung von Vorstudienleistungen im Ausmaß von 1 bis 30 ECTS-Punkten ist daher immer ein Semester, bei Anerkennung von 31 bis 60 ECTS-Punkten sind immer zwei Semester usw. in die Anspruchsdauer des neuen Studiums anzurechnen (vgl. in Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar2 § 2 Rz 101).

Das Finanzamt wies in der Beschwerdevorentscheidung zunächst darauf hin, dass der Familienbeihilfenanspruch erst wieder auflebt, wenn der Sohn der Beschwerdeführerin ***1*** im neuen Studium so viele Semester zurückgelegt hat, wie er in dem zu spät gewechselten Studium verbracht hat, also grundsätzlich erst nach vier Semestern.

Sodann führte es aus, dass aber anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechselten Vorstudium gemäß § 17 Abs. 3 StudFG diese Wartezeiten verkürzen.

Dem Sohn der Beschwerdeführerin ***1*** wurden in den beiden Anerkennungsschreiben Prüfungen im Ausmaß von insgesamt 20 ECTS anerkannt. Eine 1:1 Punkteanrechnung ist den Anerkennungsschreiben ebenso wenig zu entnehmen wie eine Anrechnung der gesamten Vorstudienzeiten. Dass die Anerkennung der Prüfungen durch den Studiendekan unrichtig wäre, behauptet die Beschwerdeführerin nicht.

Wenn die Beschwerdeführerin im Schreiben vom von einer Sachverhaltsänderung von 21 (?) auf 60 ECTS ausgeht und dem Vorlageantrag Bestätigungen des Studienerfolges ihres Sohnes ***1*** beilegt, in dem positive Prüfungen im Umfang von insgesamt 60 ECTS aufscheinen, so ist dem entgegenzuhalten, dass es sich bei den Prüfungen um alle Prüfungen handelt, die der Sohn der Beschwerdeführerin seit dem Wintersemester 2020/21 bis inklusive Sommersemester 2023 abgelegt hat, also auch um jene, die er in seinem neuen Studium gemacht hat. Allerdings wurde lediglich ein Teil dieser Prüfungen, die er von Wintersemester 2020/21 bis Sommersemester 2022 während seines Bachelorstudiums Umweltingenieurwesen abgelegt hat, für das Bachelorstudium Wirtschaftsingenieurwesen - Maschinenbau anerkannt, nämlich Prüfungen im Ausmaß von 20 ECTS.

Dies bewirkt aber lediglich, dass sich die Wartezeit bis zum Wiederaufleben des Familienbeihilfenanspruches um ein Semester auf drei Semester verkürzt, und kann dies nicht dazu führen, wie die Beschwerdeführerin vermeint, dass der Familienbeihilfenanspruch von Beginn des neuen Studiums an besteht.

Auch die Ansicht der Beschwerdeführerin, ihr müsste die Familienbeihilfe bis zum 24. Lebensjahr von ***1*** zustehen, da er im ersten Studienjahr die 16 ECTS vorweisen konnte, trifft nicht zu. § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 normiert, dass grundsätzlich Anspruch ab dem zweiten Studienjahr nur dann besteht, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr ein Erfolgsnachweis von mindestens 16 ECTS erbracht werden kann. Insofern ist jedenfalls für jedes weitere Studienjahr wiederum ein Erfolgsnachweis von mindestens 16 ECTS zu erbringen. Daneben sind aber auch noch (unter anderem) die Regelungen betreffend den Studienwechsel mit zu berücksichtigen und bewirkt ein sogenannter "schädlicher" Studienwechsel, wie er im hier strittigen Fall vorliegt, ein Ruhen des Familienbeihilfenanspruches für einen bestimmten Zeitraum, im streitgegenständlichen Fall (aufgrund der Anrechnung von Prüfungen) für drei Semester.

Für den Sohn der Beschwerdeführerin ***1*** besteht somit ab dem Wechsel in das neue Studium mit dem Wintersemester 2022/23 für insgesamt drei Semester kein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag.

Da die Beschwerdeführerin für ihren Sohn ***1*** für den Zeitraum Oktober 2022 bis Mai 2023 bereits die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag sowie für ihren Sohn ***2*** die Geschwisterstaffel ausbezahlt bekommen hatte, waren für diesen Zeitraum die Familienbeihilfe (inklusive Geschwisterstaffel) und der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern.

Die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für diesen Zeitraum erfolgte daher zu Recht. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100641.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at