Keine Gewährung einer Nachsicht bei Überschuldung.
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7104192/2023-RS1 | Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur auch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte. |
RV/7104192/2023-RS2 | Die Nachsicht einer Abgabenschuld setzt deren Fälligkeit voraus. Die Eingabengebühr gemäß § 24a VwGG wird bereits mit Überreichung der Eingabe fällig (Z 3) und erfordert nicht erst die Erlassung eines Bescheides nach § 203 BAO. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Abweisung einer Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten des ***FA*** vom , ***2***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt und Verfahrensgang
Mit Eingabe vom stellte Herr ***Bf1*** einen Antrag auf Aufhebung bzw. Nachsicht von Eingabegebühren gemäß § 24a VwGG in Höhe von EUR 240,00 wegen Härte.
Der Beschwerdeführer (Bf) hatte am beim Landesverwaltungsgericht ***3*** einen Wiederaufnahmeantrag im Revisionsverfahren betreffend Forstgesetz überreicht. Der Bf hat daraufhin vom Landesverwaltungsgericht ***3*** die Mitteilung erhalten, dafür sei eine Eingabegebühr in Höhe von 240,00 Euro zu entrichten. Die Gebühr sei dem Landesverwaltungsgericht ***4*** binnen 14 Tagen ab erhalt dieses Schreibens nachzuweisen. Erfolge innerhalb dieser Frist kein Nachweis, werde der gebührenpflichtige Sachverhalt dem Finanzamt Österreich mitgeteilt. Der Bf bringt vor, er lebe laufend unter dem Existenzminimum, die vom Bf bereits in anderen Verfahren gemachten Angaben zur Befreiung von der Eingabegebühr würden auch für dieses Verfahren "zum Gegenstand gemacht".
Der Bf beantragt die Aufhebung bzw. Nachsicht wegen Härte der geforderten Eingabegebühren.
Mit dem beschwerdegegenständlichen "Bescheid über die Abweisung einer Nachsicht von Abgabeschuldigkeiten" vom , nachweislich übernommen am , wies das Finanzamt den Antrag ab und führte aus:
"Gemäß § 236 Bundesabgabenordnung (BAO) können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Noch nicht entrichtete Abgaben können nur nachgesehen werden, wenn sie fällig sind. Abschreibungen setzen eine vorherige Lastschrift (z.B. eine Buchung eines die Abgabe festsetzenden Bescheides) voraus. Da es in Ihrem Fall, durch die Finanzbehörde, zu keiner Festsetzung einer Gebühr gekommen ist und somit keine offene Abgabenschuld vorliegt, war Ihr Ansuchen abzuweisen."
Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Parteienvertreter (PV) mit Schriftsatz vom , eingelangt am , Beschwerde. Wie das Finanzamt in seinem Vorlagebericht ausführt, sei von der Abgabenbehörde ein Mängelbehebungsauftrag erlassen worden, da die Beschwerde nicht unterschrieben gewesen sei, welcher durch den Parteienvertreter mit Eingabe vom behoben worden sei. Daraufhin sei die Beschwerde einer inhaltlichen Erledigung zugeführt worden.
Der PV wendet ein, die Abweisung der Bewilligung einer Nachsicht in Höhe von EUR 240,00 im angefochtenen Bescheid sei zu Unrecht erfolgt. Richtig sei, dass noch nicht entrichtete Abgaben nur nachgesehen werden könnten, wenn sie fällig seien. Der Bf erhebe die gegenständliche Beschwerde präventiv zur Hintanhaltung der Fälligstellung einer bereits in der Zahlungsaufforderung angedrohten Gebührenerhöhung.
Hinzu komme, dass der Bf in seiner selbst verfassten Eingabe sowohl die Gebührenfestsetzung als auch darin die Abweisung der Nachsicht der bekämpften Abgabenschuldigkeit bekämpft habe. Der Bf wehre sich nunmehr präventiv und aus prozessualer Vorsicht gegen die ihm drohende Zuschlagsvorschreibung in Höhe von 50 % der bisherigen Abgabenschuldigkeit. Diese Beschwerde sei völlig legitim, da die vorerwähnte Gebührenerhöhung bereits in der bekämpften Zahlungsaufforderung angedroht worden sei. Infolgedessen erwiesen sich die gegenteiligen Ausführungen im angefochtenem Bescheid als bloße Scheinbegründung.
Richtig sei vielmehr, dass die bekämpfte Abweisung einer Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten die Fälligstellung einer Gebührenerhöhung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit indizierten bzw. nach sich ziehen werde. Infolgedessen sei der nunmehr angefochtene Bescheid seitens des BFG vollinhaltlich zu korrigieren.
Unabhängig davon werde eingewandt, dass die Abweisung des Antrages vom um Bewilligung einer Nachsicht in Höhe von EUR 240,00 zu Unrecht erfolgt sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Finanzbehörde I. Instanz zu erkennen gehabt, dass dem Bf die Nachsicht in vorgenannter Höhe völlig zurecht und bei richtiger Ermessensausübung zuerkennt hätte werden müssen. Die Abweisung dieses Nachsichtsansuchens werde hiermit aus dem Titel der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft. Die Finanzbehörde 1. Instanz hätte feststellen müssen, dass der gesamte Nachlass mit Verbindlichkeiten in Höhe von EUR 235.000,00 exorbitant überschuldet sei. Weiters hätte das Erstgericht festzustellen gehabt, dass der Bf lediglich eine Mindestpension unterhalb des Existenzminimums beziehe. Unabhängig davon hätte es ebenso festzustellen gehabt, dass das FA für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel mit Bescheid vom dem Bf bereits die Löschung von Abgabenschuldigkeiten zuerkannt habe. Auf die Begründung des beigeschlossenen Bescheides vom des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel werde verwiesen. Es werde diesbezüglich auf den ebenso in der Anlage beigeschlossenen Beschluss des OLG Wien vom ***5***, verwiesen. Es sei völlig plausibel, dass sich der Bf gegen die bereits angedrohte Gebührenerhöhung um 50 % gewehrt habe. Es gebe keine gesetzliche Vorschrift in der BAO, die ihm diesen Beschwerdegegenstand verweigere bzw. verweigern könnte.
Das FA Österreich habe es schuldhaft unterlassen über diese beiden Anträge in der Sache selbst zu entscheiden.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt begründete im insbesondere:
"Die allgemeinen gesetzlichen Anordnungen können im Bereich der Abgabenfestsetzung sowie im Bereich der Abgabeneinhebung (Einbringung) zu Unbilligkeiten führen, sodass es auf derselben Rechtsstufe einer ausdrücklichen gesetzlichen korrigierenden negativen Anordnung bedarf, die im Einzelfall Ausnahmen gewährt. Dieses gesetzliche Entgegenwirken gegen im Einzelfall vorliegende Unbilligkeiten ist Sinn und Zweck der Regelung der Nachsicht gemäß § 236 BAO.
Der Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung des § 236 BAO betrifft - wie sich auch aus dem Gesetzeswortlaut des § 236 Abs 1, erstes und zweites Wort, BAO eindeutig ergibt, die fällige Abgabenschuldigkeit. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist es sachgerecht, zunächst die generelle Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung zu klären, bevor von einer Nachsicht Gebrauch gemacht wird (vgl. dazu Stoll- Kommentar, § 236 BAO, Rz 8).
Wie bereits im Erstbescheid vom eindeutig festgehalten, kam es im gegenständlichen Fall zu keiner Festsetzung einer Gebühr und ist somit keine Abgabenforderung festgesetzt worden. Eine wie im Beschwerdeschriftsatz angenommene präventive Nachsicht für allfällige in der Zukunft erfolgende Abgabenfestsetzungen ist im Abgabenrecht grundsätzlich und in der BAO im Besonderen nicht vorgesehen und nicht gesetzlich geregelt.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass der Tatbestand des § 236 BAO auf die Einhebung abstellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (vgl bspw ) dient eine Nachsicht nicht dazu, Unrichtigkeiten bei der Abgabenfestsetzung zu beseitigen. Der Tatbestand des § 236 BAO stellt nicht auf die Festsetzung, sondern auf die Einhebung einer Abgabe ab. Ein Verfahren nach § 236 BAO ist somit nicht das geeignete Mittel für eine (nachträgliche) inhaltliche Kontrolle des Abgabenfestsetzungsverfahrens (vgl. ).
Da schon das Tatbestandsmerkmal der fälligen Abgabenschuld im vorliegenden Beschwerdefall nicht erfüllt ist, war eine nachfolgende Prüfung der sachlichen und persönlichen Unbilligkeit sowie eine Ermessensentscheidung nicht vorzunehmen."
Gleichzeitig erging ein Bescheid, womit der Antrag auf Aussetzung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Erkenntnisses des VwGH in den Verfahren Ra 2022/15/0070 bzw Ra 2022/16/0075, abgewiesen wurde.
Mit Schriftsatz vom , eingelangt am , wurde hinsichtlich der "Beschwerdevorentscheidung betreffend Abweisung einer Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten" der verfahrensgegenständliche Vorlageantrag eingebracht.
Der Parteienvertreter wendet ein, die Beschwerdevorentscheidung (BVE) sei zu Unrecht ergangen. Das Finanzamt Österreich hätte die Eingabe vom als Vorlageantrag zu qualifizieren und unmittelbar an das BFG weiterzuleiten gehabt. Das Finanzamt sei zur Fällung dieser BVE formell unzuständig gewesen und habe dem Bf rechtswidrig den Zugang zum BFG versperrt, wodurch dieser in seinem Grundrecht auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 89 B-VG verletzt worden sei. Unabhängig davon wende sich der Bf gegen die in der Zahlungsaufforderung angedrohte Erhöhung der Gebührenschuld um 50 %. Die Eingabe des Bf vom habe präventiven Charakter. Der Bf sei in Kenntnis dessen, dass ihm nachfolgend im Falle eines hypothetischen Zahlungsverzuges die um 50 % erhöhte Gebühr seitens der Finanzbehörde zur Zahlung vorgeschrieben werde. Um dieser Gebührenerhöhung vorzubeugen, habe sich der Bf schon gegen die betreffende Zahlungsaufforderung gewandt, unabhängig davon, ob dieses Nachsichtsgesuch gem. § 236 BAO zugänglich sei.
Abschließend wird eingewendet, dass sich an der finanziellen und sozialen Situation des Bf seit seiner Eingabe vom nichts geändert habe, vielmehr, dass sich diese inflationsbedingt noch in einem entscheidungswesentlichen Ausmaß verschlechtert habe. Der Bf beziehe eine Mindestpension unterhalb des Existenzminimums. Der Nachlass nach ***6*** sei überschuldet, eine Exekution aussichtlos.
Der Bf stellt durch seinen Parteienvertreter den Antrag, das BFG möge diesem Vorlageantrag stattgeben und den angefochtenen Bescheid über die Abweisung einer Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten vom , sowie die Beschwerdevorentscheidung vom dahingehend abändern, dass dem Antrag des Bf vom auf Nachlass von Abgabenschuldigkeiten vollinhaltlich stattgegeben werde.
In eventu werden der Antrag auf Zurückverweisung an die Abgabenbehörde 1. Instanz sowie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt.
Das Finanzamt hat gegenständliche Beschwerde an das BFG zur Entscheidung vorgelegt und folgende Stellungnahme abgegeben:
"Die Vorlage der Beschwerde erfolgt unter Bezugnahme auf die Begründung im beschwerdegegenständlichen Bescheid sowie in der Beschwerdevorentscheidung. Insbesondere wird seitens der Abgabenbehörde darauf hingewiesen, dass es in dem Verfahren, auf das sich der Nachsichtsantrag bezieht, zu keiner Festsetzung einer Eingabegebühr gemäß §24a VwGG gekommen ist. Eine präventive Nachsicht für in der Zukunft allenfalls erfolgende Abgabenfestsetzungen ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Wenn im Vorlageantrag seitens des Beschwerdeführervertreters auch ausgeführt wird, dass das Finanzamt Österreich zur Fällung der beschwerdegegenständlichen Beschwerdevorentscheidung formell unzuständig gewesen sei, wird dem Nachstehendes entgegengehalten:
Über Bescheidbeschwerden ist von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen (vgl. § 262 Abs 1 BAO). Gemäß § 262 Abs 2 BAO hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben, wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt. Da in der Bescheidbeschwerde vom auf die Erlassung einer BVE nicht verzichtet wurde und sohin die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 262 Abs 2 BAO nicht vorlagen, war die belangte Behörde für die Entscheidung über die Beschwerde und die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung zuständig ."
Mit Schreiben vom hat Herr ***7*** mit Bezug auf die Beschwerdevorlage an das BFG mitgeteilt, dass er nicht mehr als Zustellungsbevollmächtigter auftrete. Er habe das Vollmachtsverhältnis zu ***Bf1*** gekündigt, alle behördlichen Schriftstücke sowie allfällige Ladungen seien direkt an ***1***, zuzustellen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung
Die sachverhaltsrelevanten Feststellungen wurden seitens des Bundesfinanzgerichts im Rahmen der freien Beweiswürdigung als erwiesen angenommen. Das Bundesfinanzgericht konnte sich dabei auf die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakten stützen.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Vorweg ist festzustellen, dass Sache des streitgegenständlichen Verfahrens ausschließlich der Antrag auf Nachsicht der Eingabegebühr gemäß § 24a VwGG vom ist.
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Gemäß Abs. 2 leg.cit. findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
Noch nicht entrichtete Abgaben können nur nachgesehen werden, wenn sie fällig sind. Abschreibungen setzen eine vorherige Lastschrift (zB Buchung eines die Abgabe festsetzenden Bescheides oder des Ergebnisses der Selbstberechnung) voraus [Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § ko-ritz-2021_bao_p236_II, II. Fälligkeit bzw Entrichtung der Abgabe [Rz 6 - 14]].
Eine Nachsicht der Abgabenschuld kann nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen und in der dafür vorgesehenen Rechtsform - nämlich mit Bescheid - erfolgen (; ; ).
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2013/17/0147, ausgeführt hat, handelt es sich bei dem Institut der Nachsicht iSd § 236 BAO um ein antragsbedürftiges Verfahren betreffend bereits fällige oder entrichtete Abgaben.
Das Finanzamt argumentiert, dass es in dem Verfahren, auf das sich der Nachsichtsantrag beziehe, zu keiner Festsetzung einer Eingabegebühr gemäß §24a VwGG gekommen sei. Da schon das Tatbestandsmerkmal der fälligen Abgabenschuld im vorliegenden Beschwerdefall nicht erfüllt sei, sei eine nachfolgende Prüfung der sachlichen und persönlichen Unbilligkeit sowie eine Ermessensentscheidung nicht vorzunehmen gewesen.
Dahingehend verkennt die Behörde die Rechtslage.
§ 24a VwGG lautet auszugsweise:
"Für Revisionen, Fristsetzungsanträge und Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einschließlich der Beilagen ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen eine Eingabengebühr zu entrichten:
1. Die Gebühr beträgt 240 Euro.
….
3. Die Gebührenschuld entsteht im Zeitpunkt der Überreichung der Eingabe oder, wenn diese im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird, mit dem Zeitpunkt der Einbringung beim Verwaltungsgerichtshof gemäß § 75 Abs. 1. Die Gebühr wird mit diesem Zeitpunkt fällig.
4. Die Gebühr ist unter Angabe des Verwendungszwecks durch Überweisung auf ein entsprechendes Konto des Finanzamtes Österreich zu entrichten. Die Entrichtung der Gebühr ist durch einen von einer Post-Geschäftsstelle oder einem Kreditinstitut bestätigten Zahlungsbeleg in Urschrift nachzuweisen. Dieser Beleg ist der Eingabe anzuschließen. Die Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtes oder des Verwaltungsgerichtshofes hat den Beleg dem Revisionswerber (Antragsteller) auf Verlangen zurückzustellen, zuvor darauf einen deutlichen Sichtvermerk anzubringen und auf der im Akt verbleibenden Ausfertigung der Eingabe zu bestätigen, dass die Gebührenentrichtung durch Vorlage des Zahlungsbeleges nachgewiesen wurde. Für jede Eingabe ist die Vorlage eines gesonderten Beleges erforderlich. Rechtsanwälte (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) können die Entrichtung der Gebühr auch durch einen schriftlichen Beleg des spätestens zugleich mit der Eingabe weiterzuleitenden Überweisungsauftrages nachweisen, wenn sie darauf mit Datum und Unterschrift bestätigen, dass der Überweisungsauftrag unter einem unwiderruflich erteilt wird.
….
6. Für die Erhebung der Gebühr (Z 4 und 5) ist das Finanzamt Österreich zuständig.
7. Im Übrigen sind auf die Gebühr die Bestimmungen des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267/1957, über Eingaben mit Ausnahme der §§ 11 Z 1 und 14 anzuwenden."
Zu der Frage des in § 24a Z 3 VwGG genannten Zeitpunkts "der Überreichung der Eingabe" vertritt der VwGH die Ansicht, dass diese zu dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Eingabe bei der Stelle einlangt, bei der sie nach den Verfahrensvorschriften einzubringen ist ().
Dementsprechend ist die Gebührenschuld iSd § 24a Z 3 VwGG im Zeitpunkt der Überreichung des Wiederaufnahmeantrages im Revisionsverfahren beim Landesverwaltungsgericht ***3***, ***8***, entstanden und gleichzeitig fällig geworden und somit grundsätzlich einer Nachsicht zugänglich.
Wurde die Eingabengebühr nach § 24a VwGG nicht bei Fälligkeit entrichtet, so ist sie nicht vorschriftsmäßig entrichtet (; ).
Bei Nichtentrichtung der Gebühr zum Fälligkeitszeitpunkt liegen grundsätzlich die Voraussetzungen für die Erlassung eines Abgabenbescheides nach § 203 BAO vor (was auch eine Gebührenerhöhung nach § 9 Abs.1 GebG als objektive Säumnisfolge nach sich zieht), jedoch wurde ein solcher Bescheid (noch) nicht erlassen. Die Fälligkeit ist dennoch bereits eingetreten (s.o.).
Nach der Gesetzesbestimmung des § 236 BAO hat die Abgabenbehörde im Fall eines Ansuchens um Nachsicht zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff der "Unbilligkeit der Einhebung nach Lage des Falles" entspricht. Verneint sie diese Frage, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr und der Antrag ist schon aus rechtlichen Gründen abzuweisen (vgl. VwGH30.3.2000, 99/16/0099).
Der Verwaltungsgerichtshof fordert in ständiger Rechtsprechung für den Tatbestand der "Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles" das Vorliegen eines in den subjektiven Verhältnissen des/der Steuerpflichtigen (so genannte persönliche Unbilligkeit) oder im Steuergegenstande gelegenen Sachverhaltselementes (so genannte sachliche Unbilligkeit), aus dem sich ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im subjektiven Bereich entstehenden Nachteilen ergibt.
Eine steuerliche Auswirkung, die ausschließlich die Folge eines als generelle Norm mit umfassendem personellem Geltungsbereich erlassenen Gesetzes ist, kann nicht durch Nachsicht behoben werden (vgl. ua. ). Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage, die alle vom allgemeinen Anwendungsbereich erfassten Abgabepflichtigen und damit alle konkret Betroffenen in gleicher Weise berühren, können nicht Unbilligkeiten der Einhebung des Einzelfalles sein und damit nicht im Einzelfall zu Nachsichten führen (vgl. VwGH3.10.1990, 90/13/0066). Eine sachliche Unbilligkeit liegt somit nicht vor.
Eine persönliche Unbilligkeit einer Abgabenbelastung besteht in einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen. Eine solche Unbilligkeit ist stets gegeben, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet.
Für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend [zB ; , 2008/15/0221; , 2007/13/0135; , 2010/16/0219 in Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021)].
Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im Besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet, wofür es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Die Notwendigkeit, Vermögenswerte zur Steuerzahlung heranzuziehen, lässt für sich allein die Abgabeneinhebung noch nicht unbillig erscheinen. Bei einer Uneinbringlichkeit des Abgabenrückstandes liegt eine persönliche Unbilligkeit (Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung) im Sinne des § 236 BAO nicht vor. Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur auch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte [Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § ko-ritz-2021_bao_p236_II, II. Fälligkeit bzw Entrichtung der Abgabe [Rz 6 - 14]; ; , 2006/15/0278; , 2013/15/0173; , 2013/16/0114].
Selbst eine bereits vor Einhebung von nachsichtsantragsgegenständlichen Abgaben bestehende Existenzgefährdung schließt die Nachsicht gemäß § 236 BAO aus, weil sie an der bereits bestehenden Existenzgefährdung nichts mehr ändern würde.
Dies trifft nach der Darstellung der Vermögenslage auf den Bf zu.
Der steuerliche Vertreter führt in der Beschwerde aus, der Bf sei völlig mittellos und von den nachlasszugehörigen Liegenschaften seiner verstorbenen Mutter aufgrund dessen, sowie einer baupolizeilichen Sperre der Marktgemeinde ***9***, faktisch auf unbestimmte Zeit weggewiesen und enteignet worden. Der Landwirtschaftsbetrieb, dessen Pächter der Bf gewesen sei, sei seit dem Jahr 1997 faktisch wie rechtlich nicht mehr existent. Aufgrund der bereits erwähnten Nachlassseparation sei dem Bf die Benützung und Verwaltung der nachlasszugehörigen Liegenschaften entzogen worden. Der Bf sei seit obdachlos und beziehe, wie in diesem Schriftsatz bereits ausgeführt, eine unpfändbare Mindestpension unterhalb des Existenzminimums.
Der gesamte Nachlass sei aufgrund des Beschlusses des BG ***10***, separiert worden. Dieser Beschluss sei in Rechtskraft erwachsen. Infolgedessen sei dem Bf jedwede wirtschaftliche und faktische Disposition über das Nachlassvermögen seiner verstorbenen Mutter, ***6***, entzogen worden. Unabhängig davon sei der gesamte Nachlass nach ***6***, bestehend aus den nachlasszugehörigen Liegenschaften sowie aus den Fahrnissen, laut Beschluss des OLG Wien vom , ***11***, mit einem Betrag in Höhe von EUR 235.000,00 exorbitant überschuldet. Es sei unter Hinweis darauf jedwede Exekution völlig aussichtslos, da kein pfändbares Vermögen vorhanden sei.
An der finanziellen und sozialen Situation des Bf habe sich seit seiner Eingabe vom nichts geändert, richtig sei vielmehr, dass sich diese inflationsbedingt in Relation zu den bereits aktenkundig vorgelegten Urkunden noch in einem entscheidungswesentlichen Ausmaß verschlechtert habe.
Das, dieser Gebührenaufforderung zugrundeliegende Grundverfahren sei im Übrigen nicht rechtskräftig abgeschlossen. Der Bf behalte sich diesbezüglich noch die Erhebung von Wiederaufnahmeanträgen etc. vor.
In gegenständlichem Fall ist daher davon auszugehen, dass die finanzielle Situation des Abgabenschuldners derzeit so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts ändern würde.
Da weder eine sachliche noch eine persönliche Unbilligkeit gegeben ist, bleibt für eine Ermessensentscheidung kein Raum ().
Der Bescheid über die Löschung von Abgabenschuldigkeiten vom entfaltet keinerlei Bindungswirkung für nachfolgende Verfahren.
Dass das, der Gebührenaufforderung zugrundeliegende Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, ändert nichts an der Gebührenpflicht für die Eingabe. Hinsichtlich der vom Bf genannten Verfahren Ra 2022/15/0070 bzw Ra 2022/16/0075 hat der Verwaltungsgerichtshof am bzw. jeweils den Beschluss gefasst, dem Antrag des Bf, den erhobenen Revisionen gemäß § 30 Abs. 3 VwGG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht stattzugeben.
Hinsichtlich eines Antrages auf mündliche Verhandlung "in eventu" ist zu sagen, dass die BAO bedingte Verhandlungsanträge nicht vorsieht, womit der Antrag des Beschwerdeführers somit unwirksam war (vgl. hiezu und ). Im Übrigen konnte die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung in vorliegendem Fall schon aus verwaltungsökonomischen Gründen unterbleiben, da das gefertigte Gericht auch bei Durchführung der mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis gelangen hätte können.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig, da die getroffene Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und darüber hinaus dem Erkenntnis keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 24 Z 3 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104192.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at