Keine nachvollziehbare Gleichbehandlungsberechnung trotz viermaliger Vorhalte des Finanzamtes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch V, R sowie die fachkundigen Laienrichter L1 und L2 in der Beschwerdesache E, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , Abgabenkontonummer x, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am in Anwesenheit der Insolvenzverwalterin I, des Vertreters des Finanzamtes Österreich, V, sowie der Schriftführerin S abgehaltenen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
G vertrat die G.GmbH (seit T5 G.GmbH in Liqu.) vom T1 bis T2 und vom T3 bis T4 als handelsrechtlicher Geschäftsführer.
Mit dem Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom T6, z, wurde über die G.GmbH ein Konkursverfahren eröffnet.
Mit dem Beschluss des Gerichtes vom T7 wurde der Sanierungsplan (Quote 20 %) rechtskräftig bestätigt und der Konkurs aufgehoben.
Mit dem Generalversammlungsbeschluss vom wurde die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen.
Mit dem Generalversammlungsbeschluss vom wurde die Gesellschaft aufgelöst (Auszug Firmenbuch FN).
Das Finanzamt setzte G mit dem Vorhalt vom davon in Kenntnis, dass auf dem Abgabenkonto der G.GmbH ein näher aufgegliederter Abgabenrückstand in der Höhe von 53.559,84 € unberichtigt aushafte, für den in der Höhe von € 42.847,87 € (jeweils 80 % der Umsatzsteuer 11/2016, 01/2017 und 03/2017, der Lohnabgaben 02 bis 04/2017 sowie von Stundungszinsen und Säumniszuschlägen) seine Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger gemäß § 9 BAO in Betracht komme.
G wurde ersucht bekannt zu geben, was ihn daran gehindert habe, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus deren Vermögen und laufenden Einnahmen zu sorgen, wie die Einnahmen verwendet wurden, welche Mittel zu den angeführten Fälligkeiten zur Begleichung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung standen und wie diese Mittel verwendet wurden.
In der Stellungnahme vom führte G wörtlich aus:
"1. Die G.GmbH war zu Beginn des Jahres 2017 in ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten und war das weitere Fortbestehen des Unternehmens ungewiss. Restrukturierungsmaßnahmen und eine Neuorganisation des Geschäftsfeldes wurden durch die Geschäftsführung eingeleitet, der Fortbestand des Unternehmens war jedoch ab ungewiss.
Aufgrund externer Umstände, auf die hier nicht näher eingegangen soll, scheiterten diese Restrukturierungsmaßnahmen jedoch und musste die Geschäftsführung am Landesgericht Wr. Neustadt schließlich die Insolvenz des Unternehmens anmelden.
Ein kaufmännischer Geschäftsführer haftet nach den österreichischen gesetzlichen Regelungen gegenüber dem Finanzamt, der Gebietskrankenkasse sowie anderen Gebietskörperschaften für offene Abgaben, die bis zur Insolvenz angelaufen sind, diese Haftung ist jedoch auf die so genannte Quotenbefriedigung beschränkt.
Im Zeitraum 01/17 bis Konkurseröffnung betrug die Quote, mit der einzelne Gläubiger befriedigt wurden, laut der vorliegenden Buchhaltung 10,5% der in diesem Zeitraum aufgelaufenen Verbindlichkeiten und ist das jene Quote, die auch gegenüber den Abgabeverbindlichkeiten des Finanzamts in diesem Fall zur Anwendung kommen muss.
Beweis: Buchhaltung der Firma G.GmbH, einsehbar beim Masseverwalter M, Wr. Neustadt.
Der Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen zu dieser Quote kann ich nicht nachkommen, da durch die Konkurseröffnung die entsprechenden Unterlagen für mich nicht verfügbar sind, das Finanzamt jedoch jederzeit in der Lage ist, die entsprechenden Unterlagen beim Masseverwalter anzufordern.
2. Rückstandszusammenstellung: ich bestreite ausdrücklich die Richtigkeit der übermittelten Rückstandsaufstellung in den Positionen Umsatzsteuer 03/17, Lohnsteuer 03 und 04/17, Dienstgeberbeitrag 03/17 und 04/17 sowie Säumniszuschlag 01 und 02.
Die vom Finanzamt hier festgelegten Beträge entsprechen meinen Informationen nach nicht den tatsächlichen Verpflichtungen.
Beweis: Unterlagen aus der Buchhaltung, speziell Lohnbuchhaltung der Firma G.GmbH, einsehbar beim Masseverwalter M.
3. Gemäß der Aufforderung des Finanzamts erkläre ich hiermit, dass ich derzeit bei der X.GmbH als Geschäftsführer mit einem monatlichen Nettobetrag von € 1.800,00 angestellt bin, ich habe keinen Grundbesitz und keine Geldforderungen gegenüber dritten Personen über mein monatliches Einkommen hinaus. …..
Im Ersuchen um Ergänzung vom forderte das Finanzamt G auf, die Ausführungen der Gleichbehandlung aller Gläubiger nachzuweisen und entsprechende, näher aufgezählte Unterlagen vorzulegen.
Im Antwortschreiben vom führte G aus:
1. Obwohl die Beweislast in einem Haftungsverfahren beim Geschäftsführer liegt, besteht doch laut BAO eine Mitwirkungspflicht des Finanzamtes sofern dies im Interesse der ordnungsgemäßen Behandlung der Anspruchsprüfung dient.
2. Gemäß Konkursordnung ist der Geschäftsführer eines Unternehmens verpflichtet, unverzüglich nach Eröffnung des Konkurses dem Masseverwalter sämtliche Geschäftsunterlagen vollständig zu übergeben und ist dies im vorliegenden Fall auch geschehen. Sämtliche von Ihnen verlangten Unterlagen und Belege befinden sich, wie bereits im Schreiben vom festgehalten nicht in der Verfügungsgewalt des Geschäftsführers, es wäre jedoch ohne Weiteres dem Finanzamt möglich und daher auch zumutbar, die entsprechenden Geschäftsunterlagen zum Nachweis der behaupteten 10,5 %-igen Quote beim Masseverwalter M anzufordern.
3. Die vom Finanzamt Wr. Neustadt mit 01.04. abgefertigte und beim Geschäftsführer am eingetroffene Ergänzungsaufforderung hat eine unverhältnismäßig kurze Frist von 14 Tagen zur Vorlage umfangreicher Geschäftsunterlagen."
Mit dem Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt G als Haftungspflichtigen für folgende Abgaben der G.GmbH in Liqu. im Ausmaß von insgesamt 91.403,50 € (jeweils 80 % der aushaftenden Abgabe) in Anspruch:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Umsatzsteuer 10/2015 | 55.999,98 € |
Umsatzsteuer 01/17 | 10.357,50 € |
Umsatzsteuer 03/17 | 2.776,53 € |
Lohnsteuer 02/17 | 7.115,32 € |
Dienstgeberbeitrag 02/17 | 2.586,65 € |
Zuschlag zum DB 02/17 | 252,36 € |
Lohnsteuer 03/17 | 6.919,75 € |
Dienstgeberbeitrag 03/17 | 2.315,65 |
Zuschlag zum DB 03/17 | 225,92 € |
Lohnsteuer 04/17 | 1.153,69 € |
Dienstgeberbeitrag 04/17 | 469,26 € |
Zuschlag zum DB 04/17 | 45,78 € |
Stundungszinsen 2017 | 65,92 € |
Säumniszuschlag 1 2017 | 931,87 € |
Säumniszuschlag 2 2016 | 187,30 € |
Trotz der Aufforderung des Finanzamtes mit Schreiben vom seien keinerlei Unterlagen vorgelegt worden, die die Zahlungsunfähigkeit der GmbH belegt hätten. Es sei daher von einem pflichtwidrigen Verhalten des G in seiner Funktion als Vertreter der Gesellschaft auszugehen.
Die Festsetzungsbescheide hinsichtlich Umsatzsteuer für 01/2017 und 03/2017, der Bescheid über die Festsetzung von Stundungszinsen vom sowie die Bescheide über die Festsetzung von ersten und zweiten Säumniszuschlägen vom , vom und vom ) wurden dem Haftungsbescheid angeschlossen.
Dem Haftungsbescheid ebenfalls beigelegt wurde der Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom hinsichtlich Umsatzsteuer 10/2015 (Mehrsteuern laut Außenprüfung 70.000 €) sowie eine nicht datierte Berechnung der Umsatzsteuer 10/2015 (Gutschrift -127.924,39 €).
Nach zehnmaliger Verlängerung der Beschwerdefrist brachte die steuerliche Vertreterin des G gegen den Haftungsbescheid am eine Beschwerde mit folgender Begründung ein:
"1. Sachverhalt:
G war bis T6 in der Geschäftsführung der G.GmbH tätig, die Aussage, dass die Geschäftsführung bis T4 vorlag wird bestritten, da ab T6 Herr M als Masseverwalter und alleiniger Vertreter bestellt wurde.
Im Rahmen der Umsatzsteuernachschau betreffend dem Zeitraum 10/2015 wurde die Aufteilung der Preise für den Hotelbetrieb und das Gebäude seitens der Finanz angezweifelt und seitens der Finanz neu ermittelt. Dabei kam es zu einer Vorsteuerkorrektur von EUR 70.000,-. Der Schlussbericht wurde am zugestellt. Am wurde gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben, da die Begründung des Bescheides nicht nachvollziehbar und unschlüssig war und daher von unserer Mandantschaft und der damaligen steuerlichen Vertretung als materiell und formell rechtswidrig erachtet wurde. Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen. In weiterer Folge wurde gegen den Bescheid seitens der damaligen steuerlichen Vertretung ein Vorlageantrag eingebracht.
Nach den uns übermittelten Unterlagen wurde die Angelegenheit im Februar 2017 an das zuständige Bundesfinanzgericht vorgelegt. Eine Entscheidung über den Ausgang des Verfahrens liegt uns bis dato nicht vor. Unsere Mandantschaft ist aber überzeugt, dass die damalige Ermittlung des Kaufpreises korrekt erfolgt ist und kann das Ergebnis der Betriebsprüfung in keinster Weise nachvollziehen. Die Vorsteuerkürzung erfolgte also ungerechtfertigter Weise.
Über das weitere Verfahren ist meine Mandantschaft nicht informiert, da ja seit T6 der Masseverwaltung die Vertretung der Gesellschaft übernommen hatte und auch während demInsolvenzverfahren keine Informationen seitens des zuständigen Masseverwalters erhalten hat.
Eine Haftungsheranziehung für einen Betrag, der nachweislich und fristgereicht beeinsprucht wurde und über den es noch keine finale Entscheidung gibt ist unseres Erachtens nicht möglich.
Sollte zwischenzeitlich eine Entscheidung vorliegen erheben wir hiermit Namens und Auftrags das Rechtsmittel der Beschwerde gem. § 248 BAO gegen den Umsatzsteuerbescheid 10/2015 vom .
Wir legen diesem Schreiben die Kaufpreisermittlung, die ursprüngliche Beschwerde und die beiden Vorlageanträge bei. Über weitere Unterlagen/Vereinbarungen mit dem Masseverwalter ist meine Mandantschaft nicht informiert.
Betreffend den laufenden Selbstbemessungsabgaben (UST 1 & 3/2017, L, DB, DZ 2-4/2017 & Säumniszuschlägen geben wir bekannt, dass mittlerweile die Buchhaltung der G.GmbH analysiert werden konnte. In der Beilage finden sich die Gesamtkostenaufstellung und diemonatlichen Zahlungen der betreffenden Bankverbindungen der G.GmbH. DieGläubiger wurden im entsprechenden Zeitraum mit einer Quote von 27% befriedigt. Eine Haftung gegenüber dem Finanzamt ergibt sich also nur im Ausmaß dieser Quote von 27%.
Überdies wurden seitens der Behörde bei den Umsatzsteuervoranmeldungen 01 & 03/2017 die Vorsteuern gestrichen, da der Masseverwalter scheinbar keine Details vorgelegt hat. In der Beilage finden Sie die Vorsteuerjournale der beiden Monate. Hiermit erheben wir also gem§ 248 BAO die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 01/2017 und 03/2017, beide vom und beantragen die Berücksichtigung der Vorsteuerbeträge iHv EUR 26.354,64 und EUR 18.045,92.
Es kommt daher lediglich zu einer Inanspruchnahme zur Haftung iHv EUR 6.012,76 (= 27% von 91.403,50 abzüglich 55.999,98 abzüglich UVA1 & 3/201713.134,03)."
Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch einen Senat wurden beantragt.
Im Ersuchen um Ergänzung vom forderte das Finanzamt G auf, eine detaillierte Berechnung der behaupteten Gläubigerquote von 27 % vorzulegen und durch geeignete Unterlagen, aus denen die für die Berechnung herangezogenen Daten nachvollzogen werden können, zu belegen. Aus den vorgelegten Unterlagen sei die Quote von 27 % nicht nachvollziehbar.
Dem Vorhalt wurde der , beigelegt, in dem nach Zurücknahme des Vorlageantrages der G.GmbH gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 10/2015 durch den Masseverwalter der Vorlageantrag gegenstandslos erklärt und das Beschwerdeverfahren eingestellt wurde.
Im Antwortschreiben vom gab der steuerliche Vertreter bekannt, dass seitens der Staatsanwaltschaft Anklage gegen G wegen dessen Geschäftsführungstätigkeit bei der G.GmbH erhoben wurde und am Straflandesgericht ein Prozess anhängig sei. Die Unterlagen des Masseverwalters, aus denen sich die Quote von 27 % ergäbe, lägen beim zuständigen Gericht. Die entsprechenden Unterlagen könnten daher erst nach Prozessende bzw. im Rahmen einer Amtshilfe angefordert werden. Nach Ablauf des Verfahrens würden diese übermittelt.
Die Zurücknahme der Beschwerde seitens des Masseverwalters sei nicht im Sinne des Haftungspflichtigen gewesen, weshalb er im Haftungsverfahren eine entsprechende Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht fordere.
Am übermittelte G eine Quotenberechnung. Die Quote sei monatsgenau berechnet worden. Das Strafverfahren werde länger laufen, da im November 2021 ein Gutachter bestellt worden sei.
Mit dem Vorhalt vom teilte das Finanzamt G mit, die vorgelegte Berechnung sei lediglich eine stichtagsbezogene, prozentuell dargelegte Gegenüberstellung der Erlöse zu den Aufwendungen der Gesellschaft und stelle keine Berechnung der Zahlungsquote für den haftungsrelevanten Zeitraum dar. G wurde neuerlich aufgefordert, eine detaillierte Aufstellung zur Berechnung der Gläubigerquote vorzulegen.
Eine Beantwortung des Vorhaltes erfolgte nicht.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Eine Gläubigergleichbehandlung sei trotz mehrerer Ergänzungverfahren nachweislich nicht dargelegt worden. Aus den vorgelegten Unterlagen könne keine detaillierte bzw. schlüssig nachvollziehbare Gläubigergleichbehandlungsquote ermittelt werden.
Im Schriftsatz vom beantragte die steuerliche Vertreterin des G die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen und verwies auf das Vorbringen in der Beschwerde und den beantworteten Ergänzungsersuchen.
An der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung nahm die Insolvenzverwalterin des G teil. Diese verwies auf dessen bisheriges schriftliches Vorbringen im Haftungsverfahren und beantragte, der Beschwerde Folge zu geben. Der Vertreter des Finanzamtes beantragte die Abweisung der Beschwerde.
G brachte in einem Schriftsatz vom vor, er könne wegen einer Erkrankung nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen. Der Haftungsbescheid gegen ihn habe nur deshalb ergehen können, weil der Masseverwalter die begründete Beschwerde wieder zurückgezogen habe, ohne ihn zu verständigen. Der mittlerweile verstorbene seinerzeitige Steuerberater der Gesellschaft habe die Veranlagung korrekt und auf Basis der abgeschlossenen Verträge errechnet und habe der Bf. als Geschäftsführer ebenfalls im besten Wissen und Gewissen und gemäß dem seinerzeit abgeschlossenen Kaufvertrag die Veranlagung unterschrieben.
Die völlig unbegründete Annahme des Finanzamtes, dass eine vollständige Betriebsausstattung eines mittelgroßen Hotels den vereinbarten Kaufpreis von 1.000.000 € zuzüglich 20 % Umsatzsteuer nicht wertmäßig korrekt darstelle, sei zu keinem Zeitpunkt schlüssig begründet worden und daher die seinerzeitige Beschwerde inhaltlich korrekt. Jedenfalls würde selbst eine nachträgliche Korrektur des ermittelten Wertes durch das Finanzamt kein schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers auslösen, welches einen Haftungsbescheid begründen könnte.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Vertreterstellung
Nach der Aktenlage war G vom T1 bis T2 und vom T3 bis T4 handelsrechtlicher Geschäftsführer der G.GmbH in Liquidation (Auszug aus dem Firmenbuch FN).
G brachte dazu in der Bescheidbeschwerde vor, er sei bis T6 Geschäftsführer der G.GmbH gewesen, ab T6 sei M zum Masseverwalter und alleinigen Vertreter der GmbH bestellt worden.
Der angefochtene Bescheid umfasst - ausgenommen die am fällige Umsatzsteuer 10/2015 - den Haftungszeitraum März bis Mai 2017; die Fälligkeitszeitpunkte der Haftungsbeträge fallen somit in den Zeitraum, in dem G alleiniger Geschäftsführer der GmbH war (siehe Buchungsabfrage Abgabenkonto StNr. x). Nach der Bestellung des Masseverwalters M am T6 fällige Abgaben sind im Haftungsbescheid nicht enthalten.
Die Umsatzsteuernachforderung 10/2015 resultiert aus den Feststellungen der Außenprüfung (Bericht vom , ABNr. x), wonach die Primärschuldnerin im Oktober 2015 einen Hotelbetrieb um 1.000.000 € von der Muttergesellschaft erwarb. Dabei wurde nach den Feststellungen der Prüferin das Gebäude weit unter dem Buchwert im Zeitpunkt des Verkaufs und die Betriebs- und Geschäftsausstattung weit über dem letzten Buchwert angesetzt, sodass von keiner sachgerechten Aufteilung der Entgelte im Zuge des Hotelverkaufs ausgegangen und ein Vorsteuerabzug in der Höhe von 70.000 € nicht anerkannt wurde.
Zu den Pflichten des G als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin in jenem Zeitraum, in welchem er die Vertreterstellung innehatte, gehörten nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln (siehe ).
Uneinbringlichkeit der Abgaben
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus. Die Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (siehe mit Verweis auf Vorjudikatur).
Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin mit dem Generalversammlungsbeschluss vom aufgelöst wurde (Auszug aus dem Firmenbuch FN), weshalb eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten, soweit sie die im Konkursverfahren ausbezahlte Quote von 20 % übersteigen, bei der Gesellschaft ausgeschlossen ist.
Höhe der Abgaben und Nebenansprüche
Die aushaftenden, vom Finanzamt im Konkursverfahren der Primärschuldnerin geltend gemachten Abgaben wurden im Haftungsbescheid um die entrichtete Ausgleichsquote in der Höhe von 20 % gekürzt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob (und in welchem Umfang) ein Abgabenanspruch gegeben ist, nur dann als Vorfrage eigenständig im Haftungsverfahren nach § 9 BAO zu beantworten, wenn kein eine Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid vorangegangen ist (z.B. mwN). Geht einem Haftungsbescheid hingegen kein Abgabenbescheid voran, so ist die Frage, ob und in welchem Ausmaß ein Abgabenanspruch gegeben ist, als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden ().
Die von G im Schriftsatz vom bestrittene Richtigkeit der Lohnsteuer und der Dienstgeberbeiträge 03 und 04/2017 sowie der Säumniszuschläge 2016 und 2017 wurde in der Beschwerde vom nicht aufrechterhalten ("Betreffend den laufenden Selbstbemessungsabgaben (… L, DB, DZ 2-4/2017 & Säumniszuschlägen) geben wir bekannt, dass mittlerweile die Buchhaltung analysiert werden konnte").
Bei den Lohnabgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 02/2017, 03/2017 und 04/2017) handelt es sich um von der Primärschuldnerin gemeldete Selbstbemessungsabgaben. Da gegen die Höhe der in Haftung gezogenen Selbstbemessungsabgaben seitens des Geschäftsführers nach Analysierung der Buchhaltung im weiteren Verfahren keine Einwände erhoben wurden, kann eine Überprüfung der Höhe des Abgabenanspruches im Haftungsverfahren unterbleiben.
Die Umsatzsteuer für die Zeiträume 01/2017 und 03/2017 wurde vom Finanzamt mit den Bescheiden vom festgesetzt. Die angeführten Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheide wurden dem Haftungsbescheid ebenso beigelegt wie die Bescheide hinsichtlich der im Haftungsbescheid angeführten Nebenansprüche (Stundungszinsen und Säumniszuschläge), auf die sich persönliche Haftungen ebenfalls erstrecken (§ 7 Abs. 2 BAO). Hinsichtlich des Grundes und der Höhe dieser Abgaben war das Finanzamt daher an die Abgabenbescheide gebunden ().
Gegen die Rechtmäßigkeit der bescheidmäßig vorgeschriebenen Säumniszuschläge wurden von G gemäß § 248 BAO keine Beschwerden eingebracht (siehe dazu ).
G wurde auch zur Haftung für Umsatzsteuer 10/2015 in der Höhe von 55.999,98 € herangezogen.
Nach der Aktenlage erfolgte vor der Verbuchung der von der GmbH eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung für 10/2015 mit einem Vorsteuerüberschuss von 197.924,39 € eine Umsatzsteuernachschau durch das Finanzamt (siehe dem Haftungsbescheid beigelegter Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom , ABNr. x). Die Prüferin stellte fest, dass ein Betrag von 70.000 € an Vorsteuern nicht zustehe. Mit dem Bescheid vom wurde die Umsatzsteuer für 10/2015 mit -127.924,39 € festgesetzt.
Im Zuge des von der GmbH in diesem Zusammenhang geführten Rechtsstreits wurde der Betrag von 70.000 € im Zuge des Ablaufs der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO am am Abgabenkonto der GmbH mit der Entrichtungsfrist verbucht und fällt daher ebenfalls in den Zeitraum, in dem G Geschäftsführer und für die Abgabenentrichtung der GmbH verantwortlich war.
Der Vorlageantrag der Gesellschaft betreffend Umsatzsteuer 10/2015 wurde vom Masseverwalter M zurückgenommen und mit dem , für gegenstandslos erklärt. Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheid vom gilt daher mit der (abweislich erledigten) Beschwerdevorentscheidung vom als erledigt, weshalb das Finanzamt im Haftungsverfahren auch in diesem Fall an den Abgabenbescheid gebunden war.
Bringt der Haftungspflichtige sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Abgabenanspruchsbescheide Bescheidbeschwerden ein, ist zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, zumal von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt ().
G hat gegen den Festsetzungsbescheid Umsatzsteuer 10/2015 vom das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht.
Über diese Beschwerde und die von G gegen die Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheide 01 und 03/2017 eingebrachten Bescheidbeschwerden hat die Abgabenbehörde nach der Beendigung des Haftungsverfahrens zu entscheiden.
Insoweit G Einwendungen gegen die Nichtanerkennung der Vorsteuer in der Höhe von 70.000 € vorbringt (siehe Schriftsatz vom ), ist er auf das noch durchzuführende Abgabenverfahren zu verweisen.
Dass der Masseverwalter während des Insolvenzverfahrens der GmbH den Vorlageantrag an das BFG hinsichtlich des Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheides 10/2015 zurückgezogen hat, ist für das Haftungsverfahren nicht von Relevanz. G hat gegen den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer 10/2015 eine Bescheidbeschwerde eingebracht; er kann daher den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen.
Beweislastumkehr
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters einer GmbH gehört insbesondere, dafür zu sorgen, dass die Abgaben im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit entrichtet werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (, mwN).
Schuldhafte Pflichtverletzung
Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern - was sich aus dem Wort "insoweit" in § 9 BAO eindeutig ergibt - nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht. Reichten somit die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, so erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (VwGH vS , 96/15/0049).
Während G in der Eingabe vom ausführte, "im Zeitraum 01/17 bis Konkurseröffnung betrug die Quote, mit der die einzelnen Gläubiger befriedigt wurden, lautder vorliegenden Buchhaltung 10,5% der in diesem Zeitraum aufgelaufenen Verbindlichkeiten", und auf die Quote von 10.5 % auch in der Eingabe vom Bezug nahm, in dem er das Finanzamt aufforderte, die Belege und Geschäftsunterlagen vom Masseverwalter der Gesellschaft zu besorgen, brachte er in der Beschwerde vom vor, eine Analyse der Buchhaltung der GmbH habe ergeben, dass die Gläubiger "im entsprechenden Zeitraum" mit einer Quote von 27 % befriedigt worden seien.
Nach den Ausführungen des Finanzamtes im Vorlagebericht, denen weder G noch die Insolvenzverwalterin in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten sind, handelt es sich bei der einzigen, am vorgelegten Berechnung um eine Gegenüberstellung von Erlösen und Aufwendungen der Primärschuldnerin. Die Aufstellung des G umfasst unter dem Titel "Berechnung Quote 12/2016-5/2017" die Kontostände von diversen Erlös- und Aufwandskonten jeweils zum Monatsletzten im Zeitraum bis . In den Spalten "Quote" finden sich nur bei dem Konto "Erlöse nicht steuerbar" Einträge, jedoch ist nicht ersichtlich, woher diese Beträge stammen. Am Ende dieser Aufstellung findet sich eine Aufstellung von Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (ebenso zur Kommunalsteuer und Beiträgen zur Gebietskrankenkassen). Zusätzlich wurde noch eine "Zusammenstellung Betriebsergebnisse" zu diesen Stichtagen vorgelegt, bei der Bank- und Verbindlichkeitskonten sowie Erlös- und Aufwandskonten aufgelistet wurden, sowie eine Aufstellung des Buchhaltungs-Bankkontos ab bis und ab bis vorgelegt. Außerdem wurden die Stände sämtlicher Bilanzkonten mit "Dez. 16, Jän. 17, Feb. 17, Mär. 17, Apr. 17 und Mai 17" vorgelegt.
Eine Berechnung der Quote von 27 % ist, wie das Finanzamt zu Recht ausführt, aus diesen Unterlagen nicht nachvollziehbar.
G wurde vom Finanzamt im Vorhalt vom , im Ergänzungsvorhalt vom , im Ergänzungsersuchen vom , im Vorhalt vom und in der Beschwerdevorentscheidung vom (der nach der Rechtsprechung des VwGH die Wirkung eines Vorhaltes zukommt) aufgefordert, nachzuweisen, dass er die Abgabenschulden der Gesellschaft bei der Entrichtung nicht schlechter behandelt hat als andere Schulden (Gleichbehandlungsgrundsatz) und dies entsprechend zu belegen. Ihm wurde mehrmals dargelegt, wie eine Berechnung der Gläubigerquote vorzunehmen ist; eine diesbezügliche Musterberechnung wurde ebenfalls übermittelt. Es ist nicht zweifelhaft, dass das Finanzamt mit der Ausfertigung von vier Vorhalten seiner - im Fall von Beweisanboten bzw. entsprechenden Behauptungen des G - bestehenden Ermittlungspflicht (siehe dazu ) nachgekommen ist.
Nach der Rechtsprechung des VwGH hat die Liquiditätsrechnung die in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben der GmbH zur Verfügung gestandenen Mittel, ihre offenen Verbindlichkeiten und die von ihr geleisteten Zahlungen enthalten ().
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lastet auf dem Vertreter auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (vgl. z.B. ).
Die Quote wurde von G durch die Gegenüberstellung der Gesamtkosten mit den monatlichen Abgängen der Bankverbindungen der Gesellschaft ermittelt. Eine detaillierte rechnerische Darstellung im Sinne der dazu entwickelten VwGH-Judikatur wurde von ihm nicht vorgelegt; das nicht belegte Vorbringen, "eine Haftung gegenüber dem Finanzamt ergebe sich nur im Ausmaß der Quote von 27 %", genügt nicht.
Dass der Gesellschaft im Haftungszeitraum keine liquiden Mittel zur Verfügung standen (etwa keine Löhne ausbezahlt, keine zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlichen Zahlungen geleistet wurden), wurde in der Beschwerde nicht vorgebracht. Waren demnach im Haftungszeitraum oder danach liquide Mittel vorhanden, hätte der Geschäftsführer darlegen müssen, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre.
Da somit ein Nachweis seitens des Geschäftsführers, dass die Abgabenverbindlichkeiten nicht schlechter behandelt wurden als die übrigen Verbindlichkeiten, nicht erbracht wurde, konnte das Finanzamt zu Recht von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bf. ausgehen. Nach der Rechtsprechung des VwGH haftet der Geschäftsführer in diesem Fall für die in Haftung gezogenen Abgaben zur Gänze ( mwN).
Lohnsteuer 02/2017, 03/2017 und 04/2017
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (siehe , und die dort zitierte Vorjudikatur).
Nach der ständigen Rechtsprechung ist daher die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer jedenfalls einzubehalten und spätestens am Fälligkeitstag in voller Höhe zu entrichten. Jede vom Geschäftsführer vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Abfuhr der darauf entfallenden Lohnsteuer ausreichen und auch abgeführt werden.
Die Auszahlung der Löhne und die Höhe der von der Gesellschaft gemeldeten Lohnabgaben wurde im Haftungsverfahren nicht bestritten.
Kausalität
Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtungen aus den Mittel der Gesellschaft Sorge zu tragen, so hat die Abgabenbehörde auch davonausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war (, , mwN).
Ermessen
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.
Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Ermessenskriterium ist. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung zu § 9 BAO die Ansicht, dass den wirtschaftlichen Verhältnissen des Haftungsschuldners im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung keine Bedeutung zukommt. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung ( mit Hinweis auf ).
Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben ist im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ().
Die von G im Verfahren geltend gemachten schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. das mittlerweile über ihn eröffnete Schuldenregulierungsverfahren spielen daher im Rahmen der Ermessensübung keine Rolle.
Im vorliegenden Fall war G im Haftungszeitraum der einzige handelsrechtliche Geschäftsführer der Gesellschaft, weshalb eine (zumindest teilweise) Einbringung der gegenständlichen Abgaben nur bei ihm möglich ist. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme die Einbringlichkeit der angeführten Abgaben erreicht werden und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Acht lassen darf ().
Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab ().
Im vorliegenden Fall wurden die Abgaben mit dem Beschluss des Gerichtes über die rechtskräftige Bestätigung des Sanierungsplanes vom T7 uneinbringlich; zeitnah wurde G im Juli 2019 (nach zweimaligen Vorhalten des Finanzamtes) für Abgaben, deren Abgabenanspruch im Jahr 2017 entstanden ist, zur Haftung herangezogen. Der Senat vertritt die Ansicht, dass im vorliegenden Fall von einem langen Zeitabstand im Sinne der Rechtsprechung des VwGH nicht ausgegangen werden kann, weshalb dieser Umstand im Zuge des Ermessens nicht zu berücksichtigenden ist.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zur Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100555.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at